[Vorbemerkung: Dies ist mein persönlicher Bericht eines großen Konfliktes im Gospel Forum Stuttgart. Er fasst das Erlebte aus meiner Perspektive zusammen, weil es immer noch ein recht großes Informationsbedürfnis gibt und weil es Gemeinden gibt, die sich mit ähnlichen Situationen herumplagen. Meine Hoffnung ist, dass wir Christen daraus lernen und in Zukunft besser mit Gemeindekonflikten umgehen. Hier gibt es, nach meiner Beobachtung, noch richtig Potenzial.]
Es war mir schon immer klar, dass bei einer bestimmten Art von Gemeinde, der Pastor (lat. Hirte) nicht immer ein ausgeprägtes Hirtenherz haben muss. Es gibt Gemeinden, meistens eher die großen und schnell-wachsenden, in denen der Hauptpastor eher ein Visionär als ein Seelsorger ist. Er ist eher auf das Ziel ausgerichtet und gibt Inspirationen weiter. So leitet er seine Riesenherde zu den saftigen Weiden, die Gott ihm zeigt. Lange Diskussionen unter den Schafen kann sich diese Art von Hirte nicht leisten. Die Herzensnähe und Rufbereitschaft bei Problemen ist möglicherweise nicht immer in gleichem Maße vorhanden, wie in kleineren Gemeinden. Das wird mehr als ausgeglichen durch Vision, Ermutigung und vielfältige Angebote in einer großen Herde.
So sah ich es bisher.
Daher wurde ich vor etwa 20 Jahren Mitglied im Stuttgarter Gospel Forum, einer großen Gemeinde mit mehreren tausend aktiven Mitgliedern, die mir viel Gutes bot und noch dazu einen ausgesprochen visionären und motivierenden Hauptpastor vorweisen konnte – Peter Wenz. Ich persönlich lege auf die intensive Beschäftigung mit meinen Befindlichkeiten nicht viel Wert und konnte seitdem vielfältig von meiner Mitgliedschaft dort profitieren. Sie hat mich vorwärts gebracht. Schnell wurde ich Mitarbeiter, später auch verantwortlicher Leiter. In meiner schlimmsten Lebenskrise bin ich dort gut aufgefangen worden. Und auch in seelsorgerlicher Hinsicht gab es in letzten Jahren mehr Angebote, ich spürte auch mehr Hirtenherz. Viele kamen, die Gemeinde wuchs zusehends.
Menschen verlassen die Gemeinde
Sicher gab es auch Menschen, die bald wieder gingen. Es war einfach nicht ihr Ding. Manche hatten versucht, die Gemeinde zu verändern und sahen Schwächen. Ich war derartigen Gesprächen nicht abgeneigt und tatsächlich gab es Schwächen. Ich habe sowohl der Gemeinde zugestanden, dass sie nicht perfekt sein musste, als auch den Menschen, dass sie an einigen Dingen Anstoß nahmen und gingen. Es waren keine Schwächen, die mich alarmiert hätten. Dank sei Gott gibt es ja viele Gemeinden im Südwesten und da darf jeder seine Ausrichtung finden. Ich hatte und habe damit kein Problem. Immer wieder gab es dann auch Menschen, die sich sogar daran abgearbeitet haben, diese Gemeinde zu verändern, auch diese verließen dann irgendwann die Gemeinde, etwas später vielleicht, und eine Spur entnervter als die anderen. Aber auch hier sehe ich kein Problem, so etwas gibt es überall, wo Menschen arbeiten. Mit manchen Leuten kann man auskommen und mit anderen eher nicht so gut.
Und dann gab es auch noch diejenigen, die Streit und schlechte Laune verbreiteten und die Ordnung in ihrem Umfeld einfach nicht akzeptieren wollten. Hierfür habe ich grundsätzlich nicht so viel Verständnis, da ich selber immer versuche, mit meinem Umfeld in Frieden zusammenzuleben. Jede Gemeinde benötigt eine gewisse Führung und bei uns war sie etwas klarer strukturiert als in anderen Gemeinden. Das hat einige Vorteile, gefällt aber nicht jedem. Ich konnte all das gut einordnen und es hat meine Seele nicht wirklich beunruhigt. Mancher hat eben eine andere Sicht der Dinge. Es gibt Menschen, durchaus auch im christlichen Bereich, die schon mal grundsätzlich recht viele Haare in der Suppe wahrnehmen. Diesen ist oft ihr persönlicher Freiraum wichtig. Das ist grundsätzlich eher schwierig in einer visionär ausgerichteten Megachurch. Hier kann nicht auf jede Befindlichkeit eingegangen werden.
Im nachhinein betrachtet gibt es noch eine weitere Gruppe von Menschen, die immer mal Bedenken angemeldet hatten und auf angebliche oder tatsächliche Missstände hingewiesen haben. Sie sind grundsätzlich wohlwollend und offen für die Gemeinde, nehmen Dinge jedoch etwas sensibler wahr. Hier wurde, meines Erachtens, zu oft angenommen, dass sie zu den ewigen Nörglern gehörten. Möglicherweise sind hier Menschen falsch eingeschätzt worden. Das ist aber meine persönliche Meinung.
Der allergrößte Teil meiner Freunde jedoch lebte viele Jahre und Jahrzehnte in Frieden und brachte sich zumeist als Mitarbeiter dort ein. Die Probleme, die mir genannt wurden, schienen mir nicht relevant zu sein.
Immer mehr Schatten im Lichthaus
Vor etwa sechs Jahren gab es dann erstmals etwas größere Unruhe. Mehrere Pastoren gingen in einem Jahr kurz hintereinander. Immer wieder wurden einige von ihnen verabschiedet, anscheinend alles in größter Harmonie. Wenn man sie allerdings kannte und auch so ganz gut in der Gemeinde vernetzt war, dann konnte man gut spüren, dass irgendetwas nicht stimmte. Streit, Ärger und schlechte Stimmung lagen in der Luft. Schon nach kurzer Zeit glätteten sich allerdings die Wogen und das Gemeindeleben ging weiter. Doch auch in den Folgejahren gingen immer wieder Pastoren, die ich sehr schätzte und die mir persönlich ans Herz gewachsen waren. Teils war von ziemlich üblen E-mails die Rede, die aus dem Büro des Haupthirten gekommen sein mussten. Ich habe diese E-mails selber nicht gelesen, war jedoch beunruhigt, das muss ich wirklich sagen.
Ab diesem Zeitpunkt etwa muss es gewesen sein, dass so etwas wie Unehrlichkeit spürbar war. Auf der Bühne wurde Sonnenschein verkündet, während es in manchen Bereichen der Gemeinde wohl nicht ganz so hell war. Hier, etwa in den Jahren 2012 / 2013, war, meiner Ansicht nach, der Punkt, an dem unsere Gemeinde mitsamt des gesalbten Hauptpastors, falsch abgebogen ist. Das visionäre Herz sagte: weitermachen, nur nicht anhalten, das seelsorgerliche Herz schrie: Hier tat etwas weh, kümmere Dich um mich! Aus einer zunächst visionären, klar strukturierten Führung muss, nach meiner Wahrnehmung, irgendwann in dieser Zeit eine spirituelle Kraftmeierei geworden sein. Anscheinend gewann die Durchsetzung der eigenen Position gegen andere, erfahrene Vorstände an Gewicht. So ging es wohl über mehrere Jahre, ein Konflikt begann, unter der Oberfläche zu schwelen. Die Gemeinde wurde immer öfter wohl nur noch von einer einzigen Person, anstatt von einem Vorstands-Team gelenkt, dem 1. Vorsitzenden, Peter Wenz.
Irritierend: Vorstände mahnen Veränderungen an
Den Herbst 2018 werde ich sicher nicht so schnell vergessen. Insgesamt fünf Menschen in meinem Umfeld sind innerhalb weniger Wochen verstorben, ich war ständig auf Beerdigungen. Unter anderem traf es auch meinen Vater. Kurz darauf verstarb noch ein Vorstand und Pastor aus unserer Gemeinde an seiner schweren Krankheit. Mein Herz wurde schwer, denn ich hatte ihn sehr geschätzt und er war sehr beliebt in der Gemeinde. Und mitten in diese bedrückenden Atmosphäre platzte dann die Nachricht, dass 3/4 unseres Gemeindevorstandes sehr konkrete Missstände sah und Veränderungen anmahnte. Da sie selber Verantwortung trugen, wollten sie nun zurücktreten.
Bis hierher war für mich alles OK. Wenn man jahrzehntelang von einer tollen Gemeinde profitiert, dann darf sie auch mal Schwierigkeiten haben. Mir war klar, dass ich Teil der Lösung sein wollte und aktiv mithelfen wollten, die Gemeinde wieder fit zu machen. In schwierigen Zeiten steht man zusammen!
Aus einem Gemeindekonflikt wird ein Machtkampf
Was dann allerdings in den nächsten 8 Wochen folgte, war für mich, und für andere Mitglieder ziemlich hart! Die drei Vorstände, die Schwierigkeiten sahen, wurden, so war zu hören, dermaßen bearbeitet, dass mancher meinte, sie seien gar entlassen worden. Offensichtlich war ihre Warnung vor massiven Problemen nicht auf offene Ohren gestoßen.
Eine Initiative von engagierten Mitgliedern, die zum Ziel hatte, den Konflikt zu lösen und Verantwortung zu übernehmen, wurde als offene Rebellion gebrandmarkt. Dabei war das niemals ihr Anliegen gewesen. Es ging dabei um 88 Mitglieder des Trägervereins der Gemeinde. Ihr Ziel war es, durch einen Antrag (ein sogenanntes “Minderheitenbegehren”), bei der anberaumten außerordentlichen Mitgliederversammlung des Vereins eine Befriedung des Konfliktes zu erreichen. Es sollte darüber abgestimmt werden, ob nicht nur drei Vorstände des Vereins, sondern alle vier, etwa ein halbes Jahr pausieren, um sich in Ruhe um die Bereinigung des Konfliktes zu bemühen. Als probates Mittel dazu erschien ihnen, einen Mediator der freien Wahl einzuschalten. Hierzu wollte man den gesamten Vorstand freistellen und ihm ausreichend Zeit einräumen, den Konflikt miteinander zu besprechen und möglichst auszuräumen. Nach etwa einem halben Jahr schließlich, sollte wieder allen vier Ex-Vorständen die Kandidatur für den neuen Vorstand ermöglicht werden. Von Rebellion war bei diesem Plan, aus der Sicht vieler Mitglieder, weit und breit keine Spur. Und doch ist das Anliegen anscheinend nicht von allen in gleicher Weise nachvollziehbar gewesen. Die Initiative wurde als “höchst problematisch, undurchsichtig und gefährlich” eingestuft.
Besonders bitter für viele Beteiligte war, dass nicht nur die Stimmen von 3/4 des Vorstands kein Gehör fanden, sondern auch auch die von 88 langjährigen und sehr engagierten Mitgliedern übergangen wurde. Ihnen schlug ein massives Misstrauen entgegen, das ihnen schier den Atem verschlug. Das besondere an diesem Konflikt ist also nicht der Konflikt selber, sondern der Umgang damit und das Überfahren vieler wohlwollender Glaubensgeschwister aus dem Herzen der Gemeinde.
Gemeinde-Mitgliederversammlung mit Security-Aufsicht
Die nun folgenden Wochen boten mir völlig neue Erfahrungen. Nie zuvor hatte ich eine christliche Gemeinde-Mitgliederversammlung erlebt, die unter Begleitung eines Rechtsanwalts stattfand, geschweige denn von Security-Muskelprotzen kontrolliert wurde. Wer sich nicht benimmt, der wird entfernt, hieß es. Zudem lernte ich, dass es Hirten gibt, die ihren Schäfchen Pech und Unglück in Aussicht stellen, wenn sie bei wichtigen Abstimmungen für die “falsche” Option votieren. In einem anderen Kontext würde man von einem Fluch sprechen – übel! Die vom Vorstand angesprochenen Gemeinde-Schwierigkeiten wurden dagegen bis heute überhaupt nicht angesprochen oder bearbeitet. Sehr bedauerlich!
Für uns alle war es traurige Realität geworden, dass innerhalb kürzester Zeit aus einem begrenzten Gemeindekonflikt ein offener Machtkampf geworden war. Ziemlich diffizile, aber nicht unlösbare Herausforderungen wurden persönlich genommen. Hier muss man ehrlicherweise sagen, dass die Missstände auch vorwiegend in dem Verhalten des 1. Vorsitzenden verortet wurden. Es ging im wesentlichen um seinen Führungsstil, der als zu hart empfunden wurde. Ein reifer Leiter kann mit Anfragen von Freunden an seinen Führungsstil normalerweise sicher gut umgehen. Möglicherweise muss er erst mal etwas schlucken, kann sich aber danach sachlich und reflektiert mit den Punkten auseinandersetzen. Der 1. Vorsitzende in unserer Gemeinde fühlte sich jedoch persönlich angegriffen und verletzt, wie er später mitteilen ließ. Anschließend hat er sich, ohne größere Rücksichtnahme auf biblische Regeln zur Konfliktbewältigung, durchgesetzt. Souveräner und lösungsorientierter Umgang mit Herausforderungen sieht anders aus!
Der Bruch im Trägerverein
Die Situation eskalierte später derart, dass ein gutes Drittel der Vereinsmitglieder eine laufende außerordentliche Mitgliederversammlung verließ. Sie fühlten sich betrogen, da ihre Stimme auf rabiate Weise zum Schweigen gebracht wurde. Es war kurzfristig und im Verborgenen die Mitgliederzahl im Trägerverein um 75 % erhöht worden, mitten in einem laufenden sogenannten Minderheitenbegehren, bei dem es maßgeblich um die Kräfteverhältnisse im Verein geht. Vorher waren sie eine Mehrheit von 56 % gewesen, nach dem überraschenden Mitgliederzuwachs waren sie nur noch eine Minderheit von 32 % und konnten ihre Ziele der Erneuerung und Befriedung der Gemeinde daher nicht erreichen. Ich war Teil dieser Gruppe und war über alle Maßen erstaunt und traurig, wie mit engagierten Gemeindemitgliedern umgegangen worden ist, die Schwierigkeiten anpacken wollten und Veränderungen erreichen wollten. Für mich und viele Beteiligte war das ein Riss mitten durchs Herz der Gemeinde.
Die Gemeindeleitung räumte später ein, dass dieses Vorgehen nicht “für alle in gleicher Weise nachvollziehbar” sein würde. Es sei jedoch nötig gewesen, um Unheil von der Gemeinde abzuhalten. Es liegt nahe, dass noch mehr Unheil von der Gemeinde abgehalten worden wäre, wenn man beizeiten die Herzen füreinander geöffnet hätte und miteinander um eine Lösung gerungen hätte.
Kommentar: Gemeinden können sehr unterschiedlich ausgerichtet sein. Aber auch in visionären und eher klar strukturierten Gemeinden, sollte man unterscheiden, ob Missstände von ewigen Nörglern oder von engagierten Mitgliedern und langjährigen Mitarbeitern beklagt werden. Auch diese Art Gemeinde ist nicht vor Fehlentwicklungen gefeit. Das gilt umso mehr, wenn die Gemeinde keiner konfessionellen Autorität untergeordnet ist und auch sonst kein Korrektiv erkennbar ist. Und wer den Rat wohlmeinender, langjähriger Mitglieder ausschlägt und sich gegen sie mit dubiosen Mitteln durchsetzt, der erweist der Gemeinde einen Bärendienst. Anders als bei den ewigen Nörglern wird das Überfahren dieser Signale die Gemeinde nicht vitaler machen, sondern wohl eher bremsen.
Der 1. Vorsitzende, Peter Wenz, hat, meiner Ansicht nach, mit Tricks erreicht, dass die Bereinigung des Konflikts umgangen wurde. Er hat nun seinen Wunsch-Vorstand. Dennoch ist es für ihn ein bitterer Sieg. Wenn Konflikte im Herzen der Gemeinde nicht sorgfältig bearbeitet und beendet werden, dann werden sie wahrscheinlich im Verborgenen weiter schwelen. Und wer meint, diese Spannungen dadurch beseitigen zu können, dass 3/4 des früheren Vorstands und etwa 64 % der Mitglieder des früheren Trägervereins zum Austritt bewegt werden, der irrt. Probleme kann man so nicht lösen, sie werden nur verlagert. Sie werden wahrscheinlich bestehen bleiben, so wie sie bereits seit Jahren bestehen. Das ist eine wirklich schwere Last, die das Gospel Forum in Stuttgart nun wohl weiter begleiten wird.
Es ist der Gemeinde zu wünschen, dass sie einen Weg findet, besser mit Konflikten umzugehen und diese transparent und pro aktiv zu lösen. So viel Zeit muss sein!
Mit der Unbeschwertheit ist es nun dahin und für mich haben auch die, in Gemeinden so wichtigen, Werte wie Glaubwürdigkeit und Vertrauen ganz heftig gelitten. Daher bin ich nun auf die Suche nach einer neuen Gemeinde. Sie darf ruhig visionär sein, sollte aber unbedingt die Stimme von langjährigen Mitgliedern ernst nehmen. Ich freue mich auf die Zukunft und bin dankbar, für all die Jahre im Gospel Forum Stuttgart. Es waren viele gute Jahre und ich wünsche der Gemeinde nur das Beste. Viel Gutes von Gott.
Ihr Jens Wätjen
veröffentlicht im Dezember 2018 durch Jens Wätjen