Sollte man die geschlechtergerechte Sprache in der Kirche abschaffen?
Wetzlar (idea) – Die Evangelische Landeskirche Anhalts führt die sogenannte geschlechtergerechte Sprache nicht in ihrer Kirchenverfassung ein. In der Synode gab es dafür Ende April nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Sollte der Gender-Sprech jetzt in allen Kirchen abgeschafft werden? Auf diese Frage antworten ein Sprachexperte und eine Theologin in einem Pro und Kontra für die Evangelische Nachrichtenagentur idea (Wetzlar).
Wolf Schneider: Der Versuch, die Sprache „gendergerecht“ zu machen, ist ein Krampf
Der Publizist Wolf Schneider (Starnberg) – er wird auch „Sprachpapst“ genannt – plädiert für ein Ende der „gendergerechten“ Sprache. Zwischen dem sprachlichen und dem natürlichen Geschlecht bestehe absolut kein Zusammenhang, und 1.000 Jahre habe das keinen gestört. Kämpferischen Feministinnen sei es jedoch gelungen, alle Politiker, Gewerkschaftler und Betriebsräte für den Gendercode zu gewinnen. Der hartnäckige Versuch, die Sprache „gendergerecht“ zu machen, sei aber ein „Krampf – mit überwiegend lächerlichen Folgen“ und nicht durchzuhalten. Schneider: „Was ist gewonnen, wenn der neue Bürgermeister sich zwar bei den Wählerinnen und Wählern bedankt – aber nicht auf die Idee kommt, dass er sich Bürgerinnen- und Bürgermeister nennen müsste? Und wer will schon ‚Fahrzeugführender‘ heißen?“, wie es in der Straßenverkehrsordnung heiße. Zur Entscheidung der anhaltischen Synode, „die Mitarbeitenden“ nicht als offizielle Bezeichnung für ihre Mitarbeiter in die Kirchenverfassung aufzunehmen, kommentiert Schneider mit den Worten: „Glückwunsch den Verweigerern!“.
Professorin Janssen: Frauen und Männer auch in der Sprache gleichwertig behandeln
Die Gegenmeinung vertritt die Professorin für geschlechtergerechte Sprache und Theologische Geschlechterforschung an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel, Claudia Janssen. Nach ihren Worten gehört es zu den „Erfolgsgeschichten“ der Kirche, das Bewusstsein für geschlechtergerechte Sprache auf allen Ebenen kirchlicher Praxis geweckt zu haben. Das Anliegen, Frauen ebenfalls sprachlich in allen Bereichen des öffentlichen Lebens sichtbar zu machen, entwickle sich allerdings erst langsam. Es gehe darum, Frauen und Männer auch in der Sprache gleichwertig zu behandeln. Janssen bedauert die Entscheidung der Landeskirche Anhalts „sehr“, in der Verfassung weiter grammatisch männlich von „Pfarrern“ und „dem Kirchenpräsidenten“ zu sprechen. Damit werde ein Zeichen gesetzt: „Die Arbeit von Frauen wird unsichtbar gemacht. Die Zukunft der Kirche bleibt männlich.“