From: "Dr. Hans Penner"
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Subject: Evangelische Kirche und Lebensrecht
Dipl.-Chem. Dr. Hans H. Penner, 76351 Linkenheim-Hochstetten
Herrn Bischof Prof. Dr. Wolfgang Huber, Vorsitzender des Rates der EKD
Kopien an Verteiler
Sehr geehrter Herr Professor Huber,
für die Beantwortung meines Schreibens vom 09.07.2009 durch Frau Dr. Uta
Andrée danke ich. Allerdings geht die Antwort am Kernproblem vorbei. Es geht
um die Frage, ob Menschen über Tod oder Leben wehrloser anderer Menschen
entscheiden dürfen, die sie nicht wollen.
Der mit Recht von der Evangelischen Kirche hochgeschätzte Dietrich
Bonhoeffer hat die heute in Deutschland verbotene Tötung ungeborener Kinder
als Mord bezeichnet. Der Dekalog verbietet Mord. Ihre euphemistische
Bezeichnung "Abtreibung" ist deplaziert.
Mütter lassen ihre Kinder meist nicht aus eigenem Antrieb töten, sondern
infolge des Druckes einer asozialen Umwelt. Es ist unbarmherzig, daß Sie
Mütter ohne rechtlichen Schutz einer kinderfeindlichen Umgebung ausliefern.
Die kirchlichen Beratungsscheine sind mit der christlichen Ethik nicht
vereinbar. Jesus will, daß man die Kinder zu IHM bringt und nicht in die
Mülltonne. Beten die kirchlichen Schwangerschaftskonfliktberater nach dem
Ausstellen eines Beratungsscheines: "Vielen Dank, Herr Jesus, daß dieses
Kind jetzt zerhackt werden kann"?
Verwerflich ist auch, daß Sie die Todesurteile über ungeborene Kinder nicht
selbst unterschreiben, sondern dieses schmutzige Geschäft irgendwelchen
Angestellten überlassen.
Durch die Beratungsscheine hat die Evangelische Kirche den letzten Rest an
Glaubwürdigkeit verschenkt. Die Beratungsscheine sind ein Beleg dafür, daß
sich die Evangelische Kirche nicht an der Bibel, sondern am Zeitgeist
orientiert. Als Frucht des theologischen Historismus hat die Evangelische
Kirche das Fundament der Reformation längst verlassen. Es dürfte schwierig
sein, die Existenzberechtigung der Evangelischen Kirche neben der
Katholischen Kirche theologisch zu begründen.
Ich hoffe auf eine Verbreitung dieses Schreibens.
Mit freundlichen Grüßen
Hans Penner
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Von: Nikoleit, Christa [mailto]
Gesendet: Mittwoch, 22. Juli 2009 14:37
An: post@hanspenner.de
Betreff:
Sehr geehrter Herr Dr. Penner,
Bischof Huber dankt für Ihr Schreiben vom 9. Juli und bat mich, Ihnen zu
antworten, was ich hiermit gerne tue.
Wie Sie wissen entspricht Ihre kompromisslose Position, die den
evangelischen Beratungsstellen vorwirft, Lizenzen zum Töten zu erteilen,
nicht der Position innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland, die
sie sich aufgrund differenzierter Beratungsprozesse in der derzeitigen
gesellschaftlichen Situation zu eigen gemacht hat, von der sie aber nicht
behauptet hat, es sei die einzig mögliche und für alle Zeit geltende Lösung.
Das Eintreten für eine Beratungspflicht im Fall einer Spätabtreibung seitens
der Evangelischen Kirche, ist ein Schritt, der Ihnen anscheinend nicht vor
Augen war, als Sie in Ihrem Brief die Praxis der Evangelischen Kirche mit
dem Vorgehen der Nationalsozialisten gegen behinderte Menschen verglichen.
Grundsätzlich gilt: Der Umgang mit konfliktreichen ethischen Fragen führt
nie zu der einen wahren Lösung. Das macht gerade die Unerlöstheit unserer
Welt aus, dass wir immer wieder in Situationen geraten und vor
Entscheidungen gestellt sind, die sich nicht mit dem Fallbeil einer einzig
wahren ethischen Antwort lösen lassen.
Ihre Vorwürfe und Verurteilungen der Evangelischen Kirche in Deutschland
gegenüber sind hart. Wenn Sie es verantworten können, über Brüder und
Schwestern so zu urteilen, kann ich Sie daran nicht hindern, besonders
christlich ist das ebenfalls nicht.
Mit einem freundlichen Gruß
Dr. Uta Andrée