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Brasiliens Freikirche macht den Glauben zum Geschäft


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Brasiliens Freikirche macht den Glauben zum Geschäft





Die Katholiken in Lateinamerika sind in der Defensive. Moderne Sekten haben dagegen Zulauf. Sie arbeiten wie der McDonald's-Konzern: als Franchise-System.


Von Nils Handler

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Die Zentrale der Universalkirche des Gottesreiches in Rio de Janeiro bietet 15.000 Gläubigen Platz bis unters Dach.
14. Juni 2010 "Edir Macedo ist ein Genie", sagt einer seiner Gegner, der Theologie-Professor Mário de França Miranda aus Rio de Janeiro. Dort gründete Macedo 1977 in einer Möbelfabrik seine Universalkirche des Gottesreiches: Igreja Universal do Reino de Deus (IURD). Wo einst nur 1500 Menschen Platz hatten, steht heute eine gewaltige Kathedrale mit 15.000 Sitzplätzen, die sonntags bis in die obersten Ränge gefüllt ist.

Brasilien ist die größte katholische Nation weltweit, aber immer mehr Katholiken konvertieren zu Pfingstkirchen wie der Universalkirche. Im Zentrum ihres Glaubens steht der Heilige Geist. Der Strippenzieher Macedo wende die neoliberale Logik auf die Kirche an, erklärt de França: "Alles wird zum Geschäft."

Edir Macedo kontrolliert ein weltumspannendes Kirchenimperium. Der Fokus liegt auf dem amerikanischen Kontinent, insbesondere Brasilien. Allein hier hat die Universal nach eigenen Angaben 4500 Kirchen, und jeden Tag werden es mehr. "Die katholische Kirche hat noch mittelalterliche Strukturen, die Universalkirche hingegen ist über ein Franchising-System organisiert", erläutert de França. Eine Filiale der Pfingstkirche könne im Prinzip jeder aufmachen, wie ein McDonald's-Restaurant. Viel mehr Charme haben die weiß gekachelten, plastikbestuhlten Zweckbauten auch nicht, eine Leuchtreklame am Eingang weist Glaubenshungrigen den Weg. Die Franchisenehmer müssen monatlich eine feste Summe überweisen. Wer nicht zahlt, wird dichtgemacht.

Doch Macedos Unternehmergeist reicht noch weiter. Wie eine Aktiengesellschaft hat er seine Kirche auf Gewinnmaximierung getrimmt. Gute Gläubige sind zahlungskräftige Gläubige: die aufstrebende untere Mittelschicht. Die wirklich Bedürftigen überlässt er gerne der Konkurrenz, diese Klientel ist für ihn so interessant wie die über 49-Jährigen für die Marketingstrategen von Clerasil.

Macedo rationalisiert die Strukturen, wie es McKinsey nicht besser könnte. Fürsorge ist ein Minusgeschäft, das überlässt er der katholischen Kirche. Bei der Priesterweihe wirft er das Zölibat über Bord und verschlankt die Ausbildung auf drei Monate. Ein paar Lieder müssen die frischgebackenen "pastores" singen können, doch wichtiger ist eine andere Kernkompetenz: Geld eintreiben.

Mit modernsten Marketingmethoden lässt er seine Konkurrenten alt aussehen: An der Spitzes seines Medienimperiums steht das landesweit zweitgrößte TV-Netzwerk "Record". Zwischen Nachrichten und Seifenopern werden Wunder präsentiert, die spirituelle Produktpalette umfasst Teufelsaustreibung, die Wunderheilung von Krebs und anderen Gebrechen.

In der "Weltkathedrale des Glaubens" mit ihren 15 000 Plätzen herrscht jeden Sonntag Großveranstaltungsflair. In dem gewaltigen Bau, der an eine Konzerthalle erinnert, wird die große "Zusammenkunft des Glaubens und der Wunder" gefeiert. Eine Kanzel gibt es nicht, der Pastor läuft in Hemd und Schlips mit dem Mikro in der Hand die Bühne auf und ab. Eine klobig-goldene Armbanduhr funkelt am Handgelenk. Er rechnet vor, wie viel jeder Einzelne zu geben hat, um Gottes Segen zu erlangen, bis es auch die in der letzten Reihe kapiert haben. Danach schwärmen Frauen aus, uniformiert in biederen, schwarzen Kleidern, um die geräumigen Briefumschläge einzusammeln.

Die Kathedrale liegt im Norden Rios, umringt von Favelas. Das ist kein Zufall, erklärt der Soziologe Cesar Romero Jacob von der katholischen Universität Rio de Janeiros. Es zeige die Expansionsstrategie der Universalkirche. Sie wächst mit den Regionen: entlang der Agrarfront im Westen des Landes, wo Bauern aus dem dichtbesiedelten Osten sich in den Urwald fräsen, und in den Randgebieten der Großstädte. Diese stellen eine "leichte Eroberung" dar, wie Jacob sagt, die katholische Kirche verfügte nicht über genügend Priester für diese Gegenden. Der Staat schaffe es dort nicht, für ausreichend Schulen, Krankenhäuser und Sicherheit zu sorgen. "Die Universalkirche füllt dieses staatliche Vakuum zusammen mit den übrigen Pfingstkirchen", erklärt Jacob.

"Drei Tage nach meinem Eintritt in die Universalkirche hat Gott mich vor einem Autounfall bewahrt", erklärt der 63-jährige Raimundo erregt. Der Elektrotechniker erzählt auch von der mysteriösen Wunderheilung eines Ausschlags, von dem ihn kein Arzt kurieren konnte. Vom Pastor lässt sich der Elektrotechniker die Hand auflegen, während dieser unter lautem Gebrüll den bösen Geistern befiehlt, aus seinem Körper zu weichen. "Gib Geld, damit du deine Allianz mit Gott festigst, und deine Krankheiten werden geheilt werden!", schreit der Pastor danach ins Mikro, so laut, dass es in den Ohren weh tut.

In Deutschland hat die Universalkirche inzwischen auch einige Filialen eröffnet, etwa unter dem Namen "Hilfszentrum", in BerlinNeukölln. Aber hier sind sie keine Konkurrenz für die etablierten Kirchen: "In Berlin kämpft sie mit rund 500 anderen spirituellen Gruppen um die wenigen Gläubigen, und das ohne großen Erfolg", erklärt der Sektenbeauftragte des Erzbistums Berlin, Andreas Komischke. "In Deutschland gibt es dafür einfach keinen Markt."

Text: F.A.S.


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