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Abschaffung der Demokratie


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Rolf

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Betreff: Politik aus dem Hinterhalt // Von Urs Paul Engeler und Philipp Gut





Abschaffung der Demokratie






Politik aus dem Hinterhalt

Nach dem Ja zur Minarett-Initiative wollen Politiker, Richter und Professoren den Volksentscheid kippen. Sie verbünden sich mit europäischen Eliten zu einer antidemokratischen Allianz. Das Austricksen des Souveräns hat System und Tradition.

Von Urs Paul Engeler und Philipp Gut


Die Stunden nach dem Ja zu einem Bauverbot für Minarette auf schweizerischem Territorium sind nicht die Zeiten der (zurückhaltenden) Sieger, sondern die der lauten Verlierer. Auf allen Kanälen wüten Linke, Grüne, CVPler, Medienleute und Professoren und fordern nichts anderes als die Aufhebung des demokratischen Entscheides. Der autoritäre EthikPrediger Hans Küng verkündete, ex cathedra wie der richtige Papst, via Tages-Anzeiger umgehend die Irrlehre: «Der Souverän kann auch falsch entscheiden.»

Wirklich? In der Demokratie gibt es kein «richtig» und kein «falsch»; es gibt nur Entscheide, und die gelten – für alle. Theologe Küng wünscht dem Land, das sich so souverän gebärdet, massive Vergeltung – nicht durch ein Gottesgericht, sondern durch ausländische Antidemokraten: «Das wird die Schweiz noch teuer zu stehen kommen.»

Während einige wenige Gegner der Initiative wie der Zürcher FDP-Vertreter Ruedi Noser das Verdikt des Volkes ausdrücklich anerkennen und zu sachlicher Denkarbeit aufrufen, arbeiten linke, grüne und viele Mitte-Politiker fiebrig daran, den Volksentscheid durch die Hintertür zu entsorgen. Als Volksverächterin der besonderen Art profiliert sich dabei die Zürcher CVP-Nationalrätin Kathy Riklin. Das hohe Parlament, fordert sie, müsse so rasch als möglich dafür sorgen, dass das Verbot wieder rückgängig gemacht werde. Riklin will einen Beschluss der eidgenössischen Räte, der den eben mit 57,5 Prozent Ja-Stimmen in der Verfassung verankerten Artikel wieder aus dem Grundgesetz kippt.

Der grüne Zürcher Daniel Vischer möchte Volksinitiativen generell annulieren lassen, die gegen irgendwelche internationale Normen verstossen oder sich nicht wortwörtlich umsetzen lassen. Von Hugues Hiltpold (FDP, GE) stammt die bizarre, von den Genfer Freisinnigen unterstützte Idee, das neue Bundesrecht zu unterlaufen, indem die Bewilligung religiöser Bauten nun Sache der Kantone werde solle. In Genf, das die Vorlage knapp verworfen hat, könnten nach Hiltpolds selektivem Föderalismus dann wieder Gebetstürme in den Himmel wachsen.

Beschwörung fremder Richter

Der «beelendete» Zürcher Nationalrat Andreas Gross (SP) setzt tiefer an und will die «Infrastruktur der Demokratie» generell neu organisieren, damit keine Entscheide mehr zustande kommen können, die seinen Intentionen widersprechen (siehe Interview S. 16). Mit besserer «Infrastruktur» meint Gross mehr Geld für Parteien und Politiker, welche seine richtige Meinung und Botschaft vertreten. Mit andern Worten: Der Leiter eines «Ateliers für direkte Demokratie» in St-Ursanne (JU) entwirft die abstruse Logik, das Volk habe sich darum demokratisch für die Initiative entschieden, weil die Demokratie nicht richtig funktioniere. In der allgemeinen Aufregung wird die alte Idee Auftrieb erhalten, mit Hilfe staatlicher Millionen für die Parteien liessen sich an der Urne die von oben gewünschten Resultate erzielen.

Die Grünen, angeführt vom Genfer Ueli Leuenberger, verschwendeten nicht viel Zeit für eine selbstkritische Erforschung der Ursachen ihres Desasters. Ohne Zögern verkündeten sie schon am Sonntag, den Volkswillen mit Hilfe des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umzubiegen. Die Beschwörung fremder Richter ist der Reflex der Eliten, sobald sie in die Minderheit versetzt werden.

Interventionen gegen die Schweiz

Wenn Rechtsprofessoren Bücher schreiben, dann entstehen keine wertfreien Analysen, sondern politische Predigten, die bereits im Titel so schöne Botschaften ankündigen wie «Völkerrecht als Fortschritt und Chance» oder «Grundidee Gerechtigkeit» (Daniel Thürer, Zürich). Doch wehe, wenn die Bürger ihre Interessen nicht hinter ein internationales Recht stellen wollen, das sie nie beschlossen haben und das sie eher als Hindernis denn als «Fortschritt» sehen – dann werden aus gerechten Gelehrten schlechte Demokraten. Dann sehen sie das Völkerrecht und die fremden Richter als ihre «Chance», einen störenden Volksentscheid per Dekret wegzuwischen.

Walter Kälin (Bern), Daniel Thürer, Andreas Auer (Genf) oder Rainer J. Schweizer (St. Gallen) geben den Unterlegenen nicht nur juristische Tipps, wie sie den Instanzenweg nutzen und die ausländischen Gerichte zu Interventionen gegen die Schweiz anstossen könnten, sie muntern diese, Interview für Interview, geradezu auf, dies zu tun.

Äusserst verdächtig scheint, dass es nach Ansicht der Professorengilde gar keine Verhandlung mehr braucht in Strassburg. Für sie steht der Entscheid des Gerichtshofs bereits jetzt fest. Walter Kälin, zitiert nach einem Interview der Nachrichtenagentur SDA, rechnet fest damit, dass die Schweiz den Volksentscheid rückgängig machen müsse: «Entweder entscheidet sich die Schweiz zu einem Rechtsbruch, kündigt die Europäische Menschenrechtskonvention, oder sie hebt das Minarettverbot auf.»

Das gleiche Verdikt nimmt sein Kollege Rainer J. Schweizer bereits als «sicher» voraus. Dass die europäischen Menschenrechtler – wie der Bundesrat in seiner Botschaft zur Initiative – zwischen innerer und äusserer Religionsfreiheit unterscheiden und keinen grundsätzlichen Konflikt zwischen Minarettverbot und Freiheitsrechten feststellen könnten, das kommt für die Zunft der Verlierer gar nicht erst in Betracht. Ihre unverhüllte Wut auf das widerspenstige Volk diktiert das Ergebnis.

Zum Beispiel hatten die Strassburger Richter das Kopftuchverbot an türkischen Universitäten ausdrücklich gutgeheissen. Einer klagenden Studentin beschieden sie, das Verbot habe das «legitime Ziel, die Rechte und Freiheiten anderer und die öffentliche Ordnung zu schützen». Dieser Entscheid, der den Rechtsprofessoren eigentlich bekannt sein müsste, dämpft zumindest die Erwartungen der fanatisierten Freunde der Minarettbauer.

Noch störender als die blinde Anbetung des Hofes von Strassburg ist, dass die Schweizer Elite keine Anstrengung unternimmt, den eindeutigen Volksentscheid im Ausland zu verteidigen. Vor der Abstimmung gab es gute Gründe, gegen ein Minarettverbot zu argumentieren. Seit Sonntag gibt es keine Legitimation mehr, das Verbot anzuzweifeln. Das Ergebnis an der Urne ist nach einer langen, offenen, kontroversen Debatte zustande gekommen. Die erste Relativierung des Ergebnisses hat die zuständige Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf (BDP) vorgenommen, die nach der verlorenen Abstimmung nur das schwammige Sätzchen über die Lippen brachte: «Der Bundesrat respektiert diesen demokratischen Entscheid selbstverständlich» – und das Wort «akzeptiert» tunlichst vermied. Dass die verantwortliche Justizministerin den Auftrag des Volkes ernst nehme, das Verbot auch durchsetzen und es im Ausland mit Kraft vertreten werde, davon war nichts zu hören.

Im Gegenteil: Nach den lobenden Worten, welche die vielen Minister, die sich am Tag danach in Brüssel trafen, über die «Vertreterin» der Schweiz fanden, muss der Bürger befürchten, dass Widmer-Schlumpf in der Manier von Bundespräsident Hans-Rudolf Merz (FDP) sich nach allen Seiten entschuldigt und den Souverän verraten hat.

Ihre beiden Hauptbotschaften in der EU-Zentrale waren: Der Bundesrat sei immer dagegen gewesen, und, wiederum auf ein negatives Urteil aus Strassburg hoffend, das Verbot sei kaum umzusetzen. Dass die Landesregierung den Auftrag, den sie erhalten hat, konsequent umsetzen und vor allem gegenüber den unqualifizierten Anwürfen aus dem Ausland verteidigen will – das haben die enttäuschten Bürgerinnen und Bürger bis dato noch nicht zu hören bekommen.

Die direkte Demokratie ist ein Ärgernis

Die Verräter und Verdreher des Volkswillens dürfen in der Fremde mit einigem Recht auf Verständnis und Unterstützung hoffen. Denn bei den ausländischen Eliten und Meinungsmachern ist eine ähnlich arrogante Haltung festzustellen wie bei den einheimischen Attentätern auf die Demokratie, die nach der verlorenen Abstimmung in Stellung gingen. Dabei reibt man sich die Augen, wie hochdekorierte Entscheidungsträger in vagem Moralismus an den Realitäten vorbei urteilen. «Ich glaube an die Freiheit. Und ich denke nicht, dass wir ein neues Europa ohne das Recht auf Meinungsäusserung bauen können», sagte die schwedische Justizministerin und EU-Rats-Präsidentin Beatrice Ask am Montag in Brüssel zum Schweizer Verdikt. Inwiefern das Ergebnis des demokratischen Urnengangs die Meinungsäusserungsfreiheit beschneiden soll, blieb schleierhaft.

Woran man sich in der EU tatsächlich stösst, machte der schwedische Migrationsminister Tobias Billström deutlich. «Ich bin überrascht und finde es etwas seltsam, dass so etwas mit einem Referendum entschieden wird», meinte Billström. Dass der Minister die Initiative mit einem Referendum verwechselt, scheint symptomatisch – ebenso wie die offenkundige Verachtung der (direkten) Demokratie.

Denn Billström steht mit seinen Aussagen nicht alleine da. Auch das Gros der journalistischen Kommentatoren legt eine erstaunliche Abneigung gegen demokratische Prozesse und Entscheide an den Tag. Die Süddeutsche Zeitung befand, der Volksentscheid im Nachbarland sei eine «Katastrophe» und «eine Art Kollateralschaden der direkten Demokratie»: «So kann es kommen, wenn das Volk nicht nur über Turnhallen oder Transrapidbahnen abstimmt, sondern über alles.»

Von einer ähnlichen Tradition obrigkeitsstaatlicher Herrenreiter-Politik scheint der Leitartikler der Stuttgarter Zeitung inspiriert gewesen zu sein. Der Entscheid der Schweizer sei eine Katastrophe für alle Verfechter der direkten Demokratie, behauptete er: «Denn Volksentscheide bergen offensichtlich Risiken, die der einzelne Abstimmende nicht einschätzen kann.» Im Klartext: Das Volk ist dumm und gefährlich, es braucht eine Führung, die es von oben lenkt. Leicht erstaunt nimmt man zur Kenntnis, dass sich gerade in Deutschland eine solch zynische Volksverachtung noch immer zu halten vermag.
Manche Kommentatoren scheinen jedes Mass verloren zu haben. «Ein Rückfall hinter die Errungenschaften der Aufklärung, ein Rückschritt in eine Zeit der Ideologien, Glaubensdogmen und Vorurteile, ein krachender Tritt gegen Vernunft und Wissen», wollte der Berliner Tagesspiegel im Schweizer Volkswillen am Werk sehen. «Es ist ein schwarzer Tag für Europa, für den Westen und die Freiheit», unkte die Hamburger Zeit, als ob soeben die sturen, unbelehrbaren Schweizer einen Dritten Weltkrieg ausgelöst hätten.

«Ich würde auch gerne abstimmen»

Es entbehrt nicht der Ironie: Die Oberlehrer, die dem Schweizer Souverän moralinberauscht die Leviten lesen, sind in ihren eigenen Ländern ebenso isoliert und volksfern wie die hiesigen Gelegenheitsdemokraten. Mehrere Online-Umfragen aus Deutschland, Österreich und England, an denen Zehntausende von Lesern teilnahmen, zeigen nämlich, dass die Bevölkerung in diesen Ländern sehr ähnlich denkt wie die Schweizer. Die Ergebnisse waren erdrückend: Zwischen 78 und 90 Prozent der User votierten für ein Verbot von Minaretten.

Zahlreiche Bürger drückten ihr Bedauern aus, dass sie nicht wie in der Schweiz abstimmen dürfen – und überhäuften den exotisch-demokratischen Staat und seine Bewohner mit Sympathie. Eine Engländerin schrieb, sie werde ab sofort täglich drei Tafeln Schweizer Schokolade essen. Auf Focus online schrieb ein Deutscher: «Ich würde auch gerne die Möglichkeit haben abzustimmen. In unserer ‹Demokratie› nicht möglich. Ab heute bin ich Schweizer.»

Ein anderer Leser meinte: «Die Schweizer haben im Prinzip stellvertretend für ganz Europa abgestimmt. Sie besitzen eine lebendige Demokratie, die den elementaren Grundfragen nicht aus dem Wege geht.» In Deutschland scheine man «noch stolz darauf zu sein, den Souverän bei wichtigen Problemen nicht fragen zu müssen, sprich Politik an der Mehrheitsmeinung vorbei machen zu können.» Auf der Website der österreichischen Kronen-Zeitung schlug ein Leser gar ein Volksbegehren vor, um den «Anschluss an die Schweiz» zu fordern.

Die Voten, die sich dutzendfach verlängern liessen, stehen in grandiosem Kontrast zu den Meinungen und Urteilen in den redaktionellen Teilen der Medien. Es tut sich, in der Schweiz wie in Europa, eine Kluft zwischen der Bevölkerung und einer zunehmend arroganter und abgehobener wirkenden Elite auf. Immer häufiger macht die internationale Classe politique über die Köpfe ihrer Bürger hinweg gemeinsame Sache.

Pilgerzüge nach Brüssel

Dass die Schweizer, wenn sie auf dem demokratischen Weg nicht durchkommen, im Ausland Hilfe anfordern, hat System und bereits eine traurige Tradition. So pilgerten, erfolgreich, wie die jüngste Geschichte beweist, die Sozialdemokraten offiziell nach Brüssel, um das Schweizer Steuersystem von aussen zu attackieren. Auch die Rüge des Uno-Menschenrechtsrats an der privaten Aufbewahrung der Armeewaffen kam aufgrund einer schweizerischen Intervention zustande. Ruedi Tobler, Vertreter der Schweizer NGOs vor dem Uno-Komitee und Präsident des Schweizerischen Friedensrats, der diese Milizregelung mit einer Initiative bekämpft, hatte den Passus in das Dokument gepflanzt. Mit der Kritik des Menschenrechtsrats hat er bereits die zweite Waffe in der Hand, falls das Volk die Initiative demokratisch verwerfen sollte.

Das gleiche, von Schweizern ständig aufmunitionierte Gremium kündigt an, die Schweiz wegen der Volksabstimmung ächten zu wollen. Bereits im Vorfeld hatten die Uno-Lautsprecher von Genf gegen die Initiative und gegen die Plakate gewettert. Nun verkündete die Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, der Entscheid der Schweizer sei «klar diskriminierend». In einem Nachsatz stellt sie ihre Ansicht ebenso klar über den demokratisch gefällten Volksentscheid. Sanktionen, auf die die hiesigen Verlierer warten, werden wohl folgen.

Ob Uno, EU oder Strassburg – der politische Vorgang läuft immer gleich ab: Per Bandentrick werden Vorstellungen, die in der Schweiz keine Chance haben, von aussen wieder ins helvetische Spielfeld geworfen.

Schlechte Verlierer

Das nächste Kampffeld, das linke Politiker eben eröffnet haben, ist die «Europäische Sozialcharta», die einheitliche wirtschaftliche, soziale und kulturelle Standards in ganz Europa schaffen will. Mit einem Beitritt der Schweiz zu diesem Vertragsmonster könnten neue Ansprüche legitimiert und könnte künftig jede Reform der sozialen Abfederung bekämpft, über den kleinen europäischen Umweg angefochten und verhindert werden. Der Prozess, das Schweizer Recht und die freie Entscheidung nicht nur zu relativieren, sondern auf ausländischen Altären zu opfern, beschleunigt sich.

Zurück bleibt der Eindruck schlechter Verlierer. Mehr noch: Eine politische und juristische Elite, die, angespornt und unterstützt vom Geheul der unterlegenen Linken, Volksentscheide auf dem Umweg via Ausland umstossen will, verrät und meuchelt die Demokratie. Wer die Minarett-Initiative für unzulässig hielt, hätte das vor der Abstimmung kundtun müssen – und nicht erst, nachdem das Spiel verloren war.

Ob einer ein Demokrat ist, zeigt sich in der Niederlage.

Erschienen in der Weltwoche Ausgabe 49/09


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