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Konvergenzpapier der Baptisten (Taufanerkennung)


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#1
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Voneinander lernen – miteinander glauben






„Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“ (Eph 4,5)


Teil 1


Konvergenzdokument der Bayerischen Lutherisch-Baptistischen Arbeitsgruppe (BALUBAG)


1. Einleitung

Die Bayerische Lutherisch-Baptistische Arbeitsgruppe (BALUBAG) legt mit diesem Konver-genzdokument ihren Abschlussbericht nach sechs Jahren eines intensiven theologischen Dialogs vor. Die Arbeitsgruppe wurde durch Beschluss des Landeskirchenrats der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) und der Leitung des Landesverbands Bayern im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland (BEFG) eingesetzt und konstituierte sich am 27. März 2003. Ausgangspunkt waren die guten ökumenischen Beziehungen, auch auf der Ebene der Kirchen-leitungen, die ermutigenden Gespräche zwischen der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) und der Europäischen Baptistischen Föderation (EBF) sowie der durch die Charta Oecumenica gegebene Auftrag zur verstärkten Regionalisierung zwischenkirchlicher Begegnungen und Lehrgespräche. Die Einsetzung der Arbeitsgruppe erfolgte im Benehmen mit der VELKD, der EKD und dem Präsidium des BEFG.

Traditionell trennt Lutheranerinnen und Baptistinnen1 das Verständnis von Taufe und Kirche. Dieses unterschiedliche Verständnis hat zu differenten Gestaltungen des kirchlichen Lebens geführt. Zum manifesten Konflikt verdichteten sich in der Vergangenheit diese Differenzen be-sonders für den Fall, dass ein Mensch, der bereits als Säugling getauft wurde, als Erwachsener in einer Baptistengemeinde die Taufe begehrte. Um die traditionell kontroversen Themen gründlich und sachgerecht zu behandeln, setzten wir bei dem Verständnis der Rechtfertigungsbotschaft an. Davon ausgehend befassten wir uns mit der Lehre von der Kirche und der Gestalt des Amtes und der Dienste.

Die Lehre und Praxis von Taufe und Abendmahl besprachen wir auf der Basis des bis dahin erreichten Konsenses. Im nachfolgenden Bericht dokumentieren wir die Ergebnisse unseres Gesprächsprozesses und deren mögliche Folgerungen für die Beziehungen zwischen Baptisten und Lutheranern. Nach eingehender Prüfung der Lehraussagen konnten wir in allen wesentlichen Fragen eine grundlegende Übereinstimmung in der Auslegung des Evangeliums feststellen. Durch das genaue Bedenken der bisherigen Konflikte in der Praxis von Taufe und Abendmahl erarbeiteten wir Vorschläge, durch welche ein Grundkonsens in der evangeliumsgemäßen Gestaltung von Taufe und Abendmahl erreicht wurde. Daher empfehlen wir unseren Kirchen die Aufnahme von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft.

1 Wenn nachfolgend entweder die weibliche oder die männliche Redeform verwendet wird, ist das jeweils inklusiv gemeint.
BALUBAG-Konvergenzdokument: „Voneinander lernen – miteinander glauben“


2. Die Hermeneutik des baptistisch-lutherischen Dialogs

2.1 Die Grundlage des Dialogs
Die Begegnung zwischen Baptisten und Lutheranern ist beschwert durch geschichtliche Erfah-rungen, die lange Zeit von wechselseitiger Respektlosigkeit im Umgang sowie durch Verfolgung von Baptistinnen und Baptisten geprägt war. Nur in der bewussten Erinnerung und gegenseitigen Vergebung kann ein zukunftsoffener Dialog beginnen. Die Arbeitsgruppe macht sich die Ziffern 103 und 104 des „Berichts der Gemeinsamen Kom-mission des Baptistischen Weltbundes und des Lutherischen Weltbundes“ (1990) zu eigen:

„[103] Lutheraner erkennen und bedauern, dass die gegen die Täufer gerichteten Verwerfungen zur Diskriminierung von heutigen Baptisten beigetragen haben, und bitten um Vergebung. Die Situation erfordert ständige Wachsamkeit, um solche Verletzungen grundlegender christlicher Gemeinschaft zu verhindern. [104] Baptisten erkennen und bedauern ihre Haltung der Überlegenheit, die den von Gott in den lutherischen Kirchen hervorgebrachten geistlichen Schatz übersieht. Es gab ungerechte und verzerrte Beschreibungen anderer Kirchen. Sie bitten darum um Vergebung.“2 Die Verwerfungen in den Lutherischen Bekenntnisschriften haben weder den historischen noch den heutigen Baptismus vor Augen.

Der Baptismus versteht sich nicht unmittelbar als Nachfolger der Täuferbewegung des 16. Jahr-hunderts. Die Baptisten sind – besonders in Deutschland – viel stärker durch die Erweckungs-bewegung des 19. Jahrhunderts geprägt. Baptisten und Lutheraner sind als geistliche Bewegungen ursprünglich also keine unmittelbaren Konkurrenten oder Gegner, sondern haben sich zeitversetzt in unterschiedlichen Jahrhunderten entwickelt und ihre je eigene konfessionelle Ausprägung erfahren. Das unmittelbare Gegenüber des Baptismus im 17. Jahrhundert war nicht das Luthertum, sondern die anglikanische Staats-kirche. Im Hinblick auf die Verwerfungen durch das lutherische Bekenntnis besteht Übereinstimmung, dass zwischen den Täufern des 16. Jahrhunderts und den heutigen Baptisten keine unmittelbare theologische und historische Kontinuität besteht. Insofern ist eine Beurteilung des Baptismus allein von den Verwerfungen des 16. Jahrhunderts aus nicht sachgemäß.

2.2 Die Methode des Dialogs
Die Arbeitsgruppe verständigte sich zuerst grundlegend über Arbeitsweise und Methodik. Dabei wurde ein für ökumenische Lehrgespräche neues Verfahren gewählt. Eine Konfession stellte die theologischen Überzeugungen der jeweils anderen Seite solange dar, bis die dargestellte Seite sich recht verstanden sah. So übte sich jede Seite in die Sprach- und Denkformen und die Befindlichkeiten der anderen Tradition ein. Diese wechselseitige Perspektivenübernahme ermög-lichte es, die Stärken der anderen Tradition zu entdecken und zu würdigen. Dadurch konnten
2 Harding Meyer et al., Dokumente wachsender Übereinstimmung II (1982-1990), Paderborn und Frankfurt am Main 1992, S. 214f.

verzerrende und belastende konfessionelle Missverständnisse weitgehend vermieden werden. In der Atmosphäre respektvollen Wohlwollens wurde jede Seite frei, dann auch selbstkritisch die Besonderheit der eigenen Tradition wahrzunehmen. Die konfessionellen Differenzen zeigten sich so auch als Reichtum christlichen Lebens und ließen die Beteiligten voneinander lernen. Im gemeinsamen Hören auf das in der Heiligen Schrift bezeugte Evangelium entdeckten alle Beteiligten eine tiefe Verbundenheit im Auftrag, dieses Evangelium für die Gegenwart und Zu-kunft zu bezeugen. Das bestimmte das Vorgehen der Arbeitsgruppe bei den einzelnen Arbeits-schritten. Die klassischen kontroverstheologischen Positionen wurden auf ihre ursprünglichen Anliegen, ihre gegenwärtige Bedeutung und ihre praxisleitende Intention hin befragt.

Für die wesentlichen Anliegen der einen Seite suchte man bei der anderen Seite nach theo-logischen Äquivalenten oder Analogien. Insbesondere wandte sich die Arbeitsgruppe den jeweils abgrenzenden Aussagen und den dabei leitenden Anliegen zu. Das zielte darauf zu klären, ob die Anliegen von abgrenzenden Aussagen auch auf andere Weise zur Geltung gebracht werden könnten. Die Frage nach der gegenwärtigen Bedeutung bestimmter theologischer Überzeugungen ließ in einstmals strikt trennenden Lehraussagen vielerlei Annäherungen erkennen. Beide Konfessionen haben sich in Treue zu ihrem Ursprung geschichtlich weiterentwickelt und immer neu das Evangelium Jesu Christi für die jeweilige historische Situation zu verstehen gesucht. Die geschichtliche Betrachtung der Konfessionen vertiefte das gegenseitige Verstehen. Entscheidend wurde dabei die Einsicht, dass theologische Erkenntnisse nicht nur von ihren Anliegen und ihrer Geschichte zu erfassen sind, sondern sich immer deutend und bewältigend auf Praxisprobleme beziehen.

Daher untersuchte die Arbeitsgruppe, auf welche Probleme in der gemeindlichen Praxis jeweils eine bestimmte theologische Lehre antwortet und wie dadurch die gemeindliche Praxis orientiert wird. Dann wurde analysiert, wie die andere Seite die entsprechen-den Praxis-Probleme theologisch reflektiert. Auch daraus ergaben sich wesentliche neue Ein-sichten in die theologischen Auffassungen der anderen Seite. Für dieses Vorgehen erwies sich als außerordentlich förderlich, dass sowohl wissenschaftlich als auch im Gemeindedienst tätige Theologinnen und Theologen dabei zusammenarbeiteten. Als Ergebnis formulierte die Arbeitsgruppe, was gemeinsam bezeugt und ausgesagt werden konnte. Kontroverse Punkte befragte die Arbeitsgruppe dann daraufhin, ob sie im Lichte des Grundkonsenses als kirchentrennend zu beurteilen seien. Anschließend suchte sie nach kon-kreten Empfehlungen, wie die gemeinsam gewonnenen Erkenntnisse sich in der kirchlichen Praxis auswirken könnten.

2.3 Die normativen Instanzen des Dialogs
Die Heilige Schrift bezeugt das Evangelium Jesu Christi, der alle Menschen liebt, sie rechtfertigt, heiligt und in seine Nachfolge ruft. Baptisten und Lutheraner beziehen sich daher allein auf die heilige Schrift als Quelle kirchlicher Lehre und Praxis.

In den lutherischen Bekenntnisschriften finden Lutheraner mit der Sprache und im Kontext des 16. Jahrhunderts treffend das formuliert, was für sie der Inbegriff und die Mitte des Evangeliums Jesu Christi darstellt. Die lutherische Seite versteht dabei ihre Bekenntnisse nicht als der Bibel gleichrangige Norm, sondern als Auslegungsregel, die immer wieder neu zur Schrift hinführen soll und von der Schrift normiert wird (norma normata). Baptisten kennen zwar ebenfalls Bekenntnisschriften, verstehen sie aber nicht in vergleichbarer Weise als normative Referenztexte, sondern als grundlegende Orientierung baptistischen Glau-bens. Im gemeinsamen Hören auf das Zeugnis der Schrift lernen Baptistinnen und Lutheranerinnen ihre verschiedenen Glaubens- und Lehrtraditionen als Auslegungen der einen und gemeinsamen Schrift verstehen.

2.4 Die Rezeption bisheriger Dialoge im Rahmen des gegenwärtigen Dialogs
Die Arbeitsgruppe rezipierte bisherige Dialoge mit dem Ziel, bereits Erreichtes dankbar aufzu-nehmen und auf dieser Grundlage kritisch weiterzuarbeiten.

Der Vereinbarung über die gegenseitige Anerkennung der Waldenser, Methodisten und Baptisten in Italien (1990)3 verdankt die Arbeitsgruppe weiterführende Anregungen, z.B. die Frage nach der Kirchengemeinschaft im Lebensvollzug und nach dem „Wesen der Taufe“, das sich unabhängig von der Taufpraxis in den „Früchten“ zeigt. Wir sind dankbar für die Gemeinschaft, die die Wal-denser, Methodisten und Baptisten in Italien erreicht haben, und sehen darin ein Mut machendes Zeichen für das ökumenisch Mögliche. In dem dort beschrittenen Weg, die „Früchte des Glau-bens“ an die Stelle der Taufe gleichsam als „nota ecclesiae“ zu setzen, sehen wir allerdings die Gefahr einer unangemessenen Ethisierung des Glaubens, welche die theologischen Probleme nicht löst. In enger Anlehnung an das Ergebnis des Dialogs zwischen VELKD und Mennoniten (1989–1992) besteht auch in folgenden Punkten Übereinstimmung:

Baptisten und Lutheraner „sind sich einig in der reformatorischen Betonung der paulinischen Einsicht von der Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnade durch den Glauben. Sie verstehen dabei die Rechtfertigung nicht nur im Sinne des im Vertrauen auf Gott empfangenen und gerechterklärenden Urteils Gottes, sondern beziehen Gottes rechtfertigendes Handeln auch auf den Prozeß der Erneuerung des Menschen. Rechtfertigung ist immer auch eine Gerechtmachung, die zu gerechtem Handeln, [...] befreit.“ 4

In der Tauffrage stimmen wir in wesentlichen Aussagen mit dem Dialogergebnis überein: Glaube und Taufe sind untrennbar verbunden, die Taufe ist unwiederholbar. Auch wenn die zeitliche Reihenfolge von Zuspruch und Anspruch unterschiedlich akzentuiert wird, sind wir uns einig,
3 Vereinbarung über die gegenseitige Anerkennung der Waldenser-, Methodisten- und Baptisten-Kirche in Italien (1990), in: Cornelia Nussberger (Hg.), Wachsende Kirchengemeinschaft. Gespräche und Vereinbarungen zwischen evangelischen Kirchen in Europa, Bern 1992, 155-167. 4 Bericht vom Dialog VELKD / Mennoniten 1989 bis 1992, in: Texte aus der VELKD 53/1993, 6.

dass die Taufe als Gabe Gottes die Antwort des Täuflings zum Ziel hat. Die Taufe gliedert in den Leib Christi und in die konkrete Ortsgemeinde ein. Darüberhinaus gibt der Dialog zwischen VELKD und Mennoniten folgende Empfehlungen für die Praxis: Eine Taufe soll nicht gewährt werden, wenn die Verbindung zwischen Taufakt und Unterweisung/Gemeinde nicht vorhanden und auch nicht zu erwarten ist; das persönliche Tauf-verständnis des Täuflings ist dabei zu respektieren. Diese Verlagerung des Taufverständnisses in die Subjektivität wird allerdings weder von luthe-rischer noch von baptistischer Seite als hinreichender Lösungsansatz betrachtet. Die baptistische Seite sieht in der Taufe nicht nur ein subjektives Bekenntnis des Menschen, sondern auch Gottes Handeln.

3. Rechtfertigung und Nachfolge


3.1 Der sündige Mensch
Das Neue Testament betont, dass alle Menschen sündig sind und der Erlösung durch Jesus Christus bedürfen (Röm 3,23). Sünde ist dabei keine moralische Kategorie, sondern bedeutet Trennung von Gott. Sie ist zu-gleich eine überindividuelle Macht, in die jeder Mensch mit seinem ganzen Wesen verstrickt ist und der niemand aus eigener Kraft entkommen kann. Ob es zur Erklärung bzw. Beschreibung dieses Sachverhaltes angemessen ist, von „Erbsünde“ zu sprechen, wird jedoch in unseren Traditionen unterschiedlich beurteilt. Das Anliegen der Erbsündenlehre besteht nach lutherischer Auffassung darin, die radikale Er-lösungsbedürftigkeit des Menschen und sein vollständiges Angewiesensein auf Christus fest-zustellen. Die baptistische Seite teilt das lutherische Anliegen, hat aber starke Vorbehalte gegenüber dem Begriff „Erbsünde“, der in der Dogmengeschichte oft zu einer aus ihrer Sicht problematischen Ontologisierung des Sündenverständnisses geführt hat. Die Arbeitsgruppe hält fest, dass das so kritisierte Verständnis von Erbsünde die lutherische Lehre nicht trifft.

3.2 Der gerechtfertigte Mensch
Das Evangelium bezeugt, dass die Menschen ohne eigenes Verdienst gerecht werden allein aus Gottes Gnade durch die Erlösung, die durch Christus geschehen ist. Klärungsbedarf besteht hinsichtlich der Frage, wie von den Möglichkeiten des gerechtfertigten Sünders zu reden ist.
Der gerechtfertigte Sünder ist nach lutherischem Verständnis „simul iustus et peccator“, in dessen Konsequenz es kein zeitliches Nacheinander von sündigem und gerechtfertigtem Menschen gibt. Von diesem gerechtfertigten Sünder gilt: An sich selbst betrachtet bleibt er immer auch Sünder. In Christus ist er jedoch eine neue Kreatur und wird von Gott als gerechtfertigt angesehen. Er gehört schon jetzt zur neuen Welt Gottes und steht in der Freiheit eines Christen-menschen. Die baptistische Position betont dagegen das schöpferische Handeln Gottes am gerechtfertigten Sünder: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur“ (2 Kor 5,17).

Der Gerechtfertigte bleibt zwar aufgrund seiner Versuchlichkeit weiterhin anfällig für „Übertretungen“, ist jedoch kein Sünder mehr, da er trotz des Schuldigwerdens nicht länger von Gott getrennt ist (Röm 5,8). Gemeinsam stellen wir fest: Der begnadigte Sünder fällt aus der Rechtfertigung niemals heraus. Steht der Mensch in der Ge-meinschaft mit Gott, ist der Sünde die Macht genommen, den Menschen von Gott zu trennen. „Verfehlungen“ (Gal 6,1) bleiben jedoch auch für Gerechtfertigte eine schmerzliche Realität. In diesem Sinn ist der gerechtfertigte Mensch „simul iustus et peccator“. Christen sind insofern keine Sünder mehr, als Gott die Trennung von sich aus „aus Gnade durch den Glauben in Jesus Christus“ ein für alle Mal überwunden hat. Christinnen sind insofern immer noch Sünderinnen, als sie sich gegenüber der Treue Gottes immer wieder als untreu erfahren.

3.3 Zur Verhältnisbestimmung von Rechtfertigung und Nachfolge

Im Neuen Testament ist der gerechtfertigte zugleich der in die Nachfolge gerufene Mensch. Der Begriff „Nachfolge“ nimmt die Wegmetapher aus der Frömmigkeit der synoptischen Evan-gelien auf; sie beinhaltet das Nachahmen und Nachlernen Christi. In der baptistischen Tradition wird dies als Wunsch formuliert, dass Jesus im eigenen Leben Ge-stalt gewinnen und den eigenen Lebensweg bestimmen und vollenden möge. Auf diesem Weg kann und soll der Glaube reifen. Die lutherische Seite sieht die baptistischen Anliegen auch in der eigenen Tradition, lehnt aber jede ontologische Veränderung durch den Glauben ab, um das bleibende Angewiesensein auch des gerechtfertigten Menschen auf die Gnade zu betonen. Daher sprechen Lutheranerinnen auch nicht vom Wachstum im Glauben, um das Missverständnis einer zunehmenden ontologischen Veränderung oder eines graduellen Heils zu vermeiden.

Die Ablehnung eines ontologischen Verständnisses von Rechtfertigung bedeutet jedoch nicht, dass die lutherische Seite dem Glauben den Prozesscharakter abspricht. Sie kann diesen Prozess jedoch aus grundsätzlicher theologischer Überzeugung nicht als „Wachstum“ bezeichnen, weil dieser Begriff eine „Höherentwicklung“ des Glaubens implizieren könnte. Motiv für einen solchen Prozess ist die Erkenntnis, dass das Geschenk des Glaubens noch nicht ganz ergriffen wurde und auch die Glaubenden hinter dem Möglichen zurückbleiben, dem sie stets „nachjagen“ (Phil 3,12).

Auch für Lutheraner ist das christliche Leben ein Weg, auf dem es darum geht, sich immer mehr der rechtfertigenden Gnade Gottes anzuvertrauen. Auf ihm ist eine „Zunahme an Weisheit und Erkenntnis“ möglich, da sie den Glaubenden die eigene Bedürftigkeit, aber damit auch die Geborgenheit in Gott immer mehr bewusst werden lässt.
Die baptistische Betonung der Verwandlung („neue Schöpfung“) des zum Glauben an Jesus Christus gekommenen Menschen bedeutet nicht, dass dies nur im Sinne einer ontischen Veränderung verstanden werden kann. Die Verwandlung geschieht allein durch die und in der durch Gott allein aus Gnade wiederhergestellten Beziehung5, ist also relational zu verstehen. Den Glaubenden ist die Gabe des Heiligen Geistes verheißen.

Es besteht Konsens, dass das Wir-ken des Heiligen Geistes nicht dahingehend missverstanden werden darf, dass dieses mit dem Anfang des Glaubens in die menschliche Verfügungsgewalt gegeben ist. Die Gabe des Geistes stellt vielmehr ein unverfügbares Wirken Gottes dar, das Heilsgewissheit und Trost schenkt und auf das die Glaubenden ein Leben lang angewiesen bleiben. In allem Reden und Tun dürfen Glaubende auf den Beistand des Heiligen Geistes hoffen. Gemeinsam stellen wir fest: Weil Jesus Christus alles für das Heil der Menschen getan hat, sind die Glaubenden dazu befreit, aus Liebe das jeweils Notwendige zu tun. Die Annahme einer ontologischen Veränderung des Gerechtfertigten ist für die neue Freiheit nicht erforderlich.

„Gute Werke machen keinen guten Menschen, aber ein guter Mensch tut gute Werke“ (Martin Luther).6

3.4 Konsens in der Rechtfertigungslehre
Im Gespräch haben beide Seiten erkannt, dass den Anliegen der einen Seite auch immer Aspekte der anderen Seite entsprechen. Die Gemeinsamkeiten im Rechtfertigungsglauben reichen daher tiefer, als die unterschiedlichen Formulierungen der Traditionen bisher vermuten ließen. Lutheraner und Baptisten stimmen darin überein, dass das durch Jesus Christus gewirkte Heil durch das Wort des Evangeliums vermittelt wird, das die Gnade Christi und die Vergebung der Sünden zuspricht. Dieses Wort ist nach biblischem Zeugnis auf den antwortenden Glauben hin ausgerichtet. Dabei bestehen jedoch zwischen Lutheranern und Baptisten unterschiedliche Akzentsetzungen: Baptisten betonen die subjektive Dimension der Heilsaneignung, die in der glaubenden Annahme des Wortes erfolgt und sich in einer dem Glauben gemäßen Lebensführung erweist.

Für die lutherischen Bekenntnisse liegt ein wesentlicher Akzent auf der objektiven Zueignung des Heils in dem verkündigten Wort Gottes, das in schöpferischer Kraft Glauben wirkt, wobei den Sakramenten als der leiblichen Gestalt des Wortes Gottes vergewissernde Kraft zukommt. Diese unterschiedlichen Akzentuierungen, in denen sich die klassischen Themen von Recht-fertigung und Heiligung sowie von Alleinwirksamkeit Gottes und menschlicher Entscheidungs-freiheit spiegeln, stehen in keinem ausschließenden Gegensatz zueinander.

Lutheraner bekräftigen, dass das verkündigte Wort die Menschen nicht unverändert lässt und auf eine dankbare Annahme zielt, die – unter der Voraussetzung der Kindertaufe – in Ereignissen
5 „Gottesbeziehung“ bzw. „Jesusbeziehung“ sind zentrale Themen in der baptistischen Spiritualität. 6 Martin Luther, „Von der Freiheit eines Christenmenschen“; zitiert nach Karin Bornkamm/Gerhard Ebeling (Hgg.), Ausgewählte Schriften, Bd. 1: Aufbruch zur Reformation, Frankfurt am Main 21983, 254. Vgl. Martin Luther, Studienausgabe Band 2, Leipzig 2 1992, S.288 (lat.) und 289 (deutsch)

wie Konfirmation, Tauferinnerung oder anderen Akten der bewussten Zuwendung zur und Mitarbeit in der Gemeinde ihren Platz hat. Baptisten bekräftigen, dass bezüglich des Heils jeder menschliche Ruhm ausgeschlossen ist (1 Kor 1,31) und Gott allein die Ehre gebührt, der den Glauben in uns wirkt (Röm 10,17). So können Lutheraner erkennen, dass auch im Baptismus keine einseitige Konzentration auf die subjektiven und individuellen Dimensionen des Glaubens vorliegt und keine die Rechtfertigungs-lehre verdunkelnde Gesetzlichkeit praktiziert wird. In gleicher Weise können Baptisten erkennen, dass auch das lutherische Verständnis der Recht-fertigung Früchte des Glaubens einschließt und in lutherischen Kirchen ein lebendiger Glaube gelebt wird sowie die Gaben des Geistes zur Wirkung kommen. Gemeinsam stellen wir daher fest: Baptistinnen und Lutheranerinnen stimmen in den Grundaus-sagen der Rechtfertigungslehre überein.

4. Die Kirche

4.1 Kriterium und Norm der Lehre von der Kirche
Das Verständnis von Grund und Gestalt der christlichen Kirche ist in den einzelnen Kirchen und Konfessionen stark durch die jeweiligen geschichtlichen Erfahrungen und Entwicklungen sowie durch konfessionsspezifische Milieus geprägt. Gemeinsam bekennen Lutheraner und Baptisten, dass auch die Lehre von der Kirche wie jede christliche Lehre ihre Norm aus der Heiligen Schrift bezieht. Dabei ist allerdings wahrzunehmen, dass auch innerhalb des Neuen Testaments keine einheitliche Struktur der christlichen Gemein-den, ihrer Funktionen und Ämter zu finden ist, vielmehr haben sich diese im Laufe der urchrist-lichen Geschichte an verschiedenen Orten aufgrund je spezifischer Herausforderungen unter-schiedlich ausgestaltet, um in ihren jeweiligen Herausforderungen dem einen Evangelium von Jesus Christus zu entsprechen.

Baptisten und Lutheraner setzen dabei unterschiedliche Akzente. Das im Baptismus lebendige Ideal der „Gemeinde nach dem Neuen Testament“ orientiert sich an den konkreten Modellen und der Praxis frühchristlicher Gemeinden. Für Lutheraner bedeutet die Orientierung am Neuen Testament, dass das grundlegende Evangelium von der Rechtfertigung des Gottlosen in Verkündigung, Lehre und Gemeindepraxis zur Geltung kommt. Dabei ist die äußere Form und Struktur lutherischer Kirchen stärker durch die in der Geschichte und v. a. in der Reformations-zeit gewachsenen Formen bestimmt, aber in ihren Einzelheiten nicht festgeschrieben. Eine Gemeinschaft von Lutheranern und Baptisten ist dann möglich, wenn Baptisten erkennen können, dass auch bei Lutheranern die Orientierung an der Schrift als Quelle stetiger Erneuerung zur Geltung kommt, und wenn Lutheraner erkennen können, dass auch bei Baptisten das Evan-gelium von der Rechtfertigung des Gottlosen in Verkündigung, Lehre und Gemeindepraxis ein-deutig zur Geltung gebracht wird.

4.2 Der Grund der Kirche
Gemeinsam bekennen Lutheranerinnen und Baptistinnen, dass die Kirche in dem Willen Gottes, des Schöpfers gründet, mit den von ihm geschaffenen Menschen zusammen zu sein. Dieser Wille zeigt sich in der Anrede des Menschen im Paradies (Gen 2,16f; 3,9), in der Herausrufung Abra-hams (Gen 12,1ff) und in der Erwählung Israels zum auserwählten Eigentumsvolk Gottes (Dtn 7,7), die schon im Alten Testament prophetisch auf alle Völker ausgeweitet wird (Jes 2; 60,1ff). Der universale Heilswille Gottes wird im Neuen Testament aufgenommen, wenn der Auferstan-dene seine Jünger zur Verkündigung unter allen Völkern aussendet (Mt 28,18-20), wenn der Apostel Paulus das Evangelium von der rettenden Kraft des Kreuzes unter allen Völkern aus-breitet (1 Kor 1,18ff; Röm 1,16f) und wenn Christus von den an ihn Glaubenden als der Retter der Welt bekannt wird (Joh 4,42).

Das Ziel des Heilsgeschehens ist die eschatologische Gemeinschaft aller Erlösten mit dem drei-einigen Gott in der vollendeten Gottesherrschaft (Offb 21; 1 Kor 15,28). Das Evangelium von Jesus Christus führt als Wort von der Versöhnung (2 Kor 5,19) die durch die Vergebung der Sünden begnadigten Sünder nicht allein zur Gemeinschaft mit dem dreieini-gen Gott, sondern auch in die „Gemeinschaft der Heiligen“, in den „neuen Bund“ (1 Kor 11,23f), der im heilvollen Tod Jesu Christi gründet. Dies feiert die Gemeinde besonders im Herrenmahl in dankbarer Freude und in der Hoffnung auf die eschatologische Vollendung. So sehr die Anrede Gottes den einzelnen Menschen trifft und auf dessen Antwort zielt, führt der Heilswille Gottes gerade nicht zur individualistischen Vereinzelung, sondern zur Gemeinschaft des Leibes Christi, die sich im Gottesdienst, im Alltag der Gemeinde, im überörtlichen Verbund von Ortsgemeinden und in der Verbundenheit der örtlichen und weltweiten Christenheit kon-kretisiert.

4.3 Wesen und Sendung der Kirche

Die Kirche ist eine. Ihre Einheit gründet in dem einen Herrn, der sie berufen hat und sie auf die vollendete Gottesherrschaft ausrichtet. Als Gemeinschaft der an Jesus Christus Glaubenden ist sie der eine, ungeteilte Leib Christi (Eph 4,15f; vgl. 1 Kor 12), in den alle ihre Glieder eingefügt sind. Die Einheit der Kirche über alle Schranken hinweg entspricht der Bitte und dem Gebot Christi (Joh 17,21). Sie ist den vielfältigen Denominationen vorgegeben und ist daher nicht erst zu schaffen. Im Vertrauen darauf ist sie – auch gegen den Augenschein – zu entdecken, zu fördern und in ihrer endzeitlichen Vollendung zu erhoffen. Auf dieser gemeinsamen Basis bestehen zwischen Lutheranern und Baptisten unterschiedliche Akzentsetzungen.

Während Baptisten besonders betonen, dass die Gemeinde als „Zeichen der neuen Welt Gottes“7 sichtbar werden und sich – wie die urchristlichen Gemeinden – als Salz der Erde und Licht der Welt erweisen muss (Mt 5,13-16)8, halten Lutheraner fest, dass die wahre Kirche in dieser Welt
7 Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland (Hg.), Rechenschaft vom Glauben, Kassel 2004, Abschnitt 1.1 8 Ebd., Abschnitt 2.1

immer auch unsichtbar bleibt (ecclesia invisibilis) und unzweideutig nur in den Kennzeichen der Kirche, in Verkündigung des Evangeliums und evangeliumsgemäßer Sakramentsdarreichung erkennbar ist. Beide Sichtweisen schließen einander nicht aus, insofern auch Baptisten darum wissen, dass allein Gott das Herz der Menschen kennt und dass Gottes Gnade und der Heilsstand des Menschen an äußerlichen Zeichen nicht eindeutig ablesbar sind, und Lutheraner bejahen, dass die Kirche in die Welt gestellt und darin zum Zeugnis der Liebe und zur konkreten Nachfolge Christi berufen ist. Die Kirche gründet mit ihrer Sendung in der Sendung Jesu Christi (Joh 20,22-23). Sie setzt in der Kraft des Geistes das Werk Christi fort, indem sie im Gehorsam gegenüber seinem Auftrag das Evangelium verkündigt, die Gnade Gottes und die Vergebung der Sünden zuspricht und in Wort und Tat die Liebe Christi bezeugt (Joh 13,34).

Sie nimmt damit teil an der missio Dei, dem gött-lichen Wirken in und an der Welt. Die Kirche ist nach dem biblischen Zeugnis und gemeinsamen christlichen Bekenntnis Werk des Heiligen Geistes, der die Zeugen Christi zum missionarischen Zeugnis befähigt und bevollmäch-tigt (Apg 2; Joh 20,21f), in der Kirche durch vielfältige Gaben und Dienste wirkt (1 Kor 12; Röm 12 etc.), in der Taufe jedem einzelnen Christen auf Dauer zugesprochen wird (Apg 2,37-41), die Eingliederung in den einen Leib Christi bewirkt (1 Kor 12,13) und auch im Leben der Christen als Kraft des neuen Lebens am Werk ist (Röm 6). Die Kirche ist damit Raum des Heiligen Geistes, in dem die Glaubenden das neue Leben in Christus erfahren und einüben und aus dem sie in der Kraft des Geistes in die Welt gesandt sind.

4.4 Die Gestalt der Kirche
4.4.1 Das Verhältnis der Gemeinde zu überregionalen Strukturen
Hinsichtlich der konkreten Gestalt der Kirche unterscheiden sich die Perspektiven lutherischer und baptistischer Theologie insbesondere aufgrund der Geschichte der jeweiligen Kirchen, weniger aus dogmatischen Gründen. Während der Baptismus von der Selbstständigkeit der Einzel- bzw. Ortsgemeinde ausgeht, ist das lutherische Verständnis traditionell von landeskirchlichen Strukturen geprägt. Beide Sichtweisen sind wesentlich aus den jeweiligen geschichtlichen Kontexten und den damit verbundenen Erfahrungen zu erklären. Doch bilden sie keine einander ausschließenden Alternativen, weder im Neuen Testament noch in der Entwicklung von Baptismus und Luthertum: Im Neuen Testament lassen sich zwar noch keine übergreifenden kirchlichen Strukturen nachweisen, aber die einzelnen Gemeinden waren z. B. im paulinischen Missionsbereich durch ein Netzwerk gegenseitiger Besuche und das Wirken des Apostels untereinander und mit anderen Gemeinden verbunden (vgl. 1 Kor 1,2), so dass sich daraus ein „gesamt-kirchliches“ Bewusstsein entwickeln konnte.

Mit dem „Apostelkonzil“ (Apg 15) deuten sich gesamtkirchliche Entscheidungen an, die alle Gemeinden verpflichten. Spätestens in der Sammlung der Paulusbriefe, der Evangelien und der übrigen Schriften zum späteren neutestamentlichen Kanon zeigt sich ein Orte und Regionen übergreifender Konsens.

Im Verständnis Martin Luthers konnte der Ortspfarrer als „Bischof“ seiner Gemeinde gelten, was freilich der Notwendigkeit einer überörtlichen Visitationspraxis ebenso wenig entgegenstand wie der Maßgabe, dass die Gemeinden selbst in der Verantwortung stehen, die Geister zu prüfen und über die schriftgemäße Lehre zu wachen. Die landeskirchliche Struktur lutherischer Kirchen hat sich in Deutschland geschichtlich aus den traditionellen Diözesen über die Zwischenstufe des landesherrlichen Kirchenregiments entwickelt. Ihre Leitungsstrukturen mit synodalen, kollegialen und episkopalen Elementen beziehen Nichtordinierte in den Gemeinden, den Dekanatsbezirken und der Gesamtkirche ein. Im Baptismus ist – bei aller Wertschätzung der Selbstständigkeit der Ortsgemeinden – von Anfang an ein Bewusstsein der Notwendigkeit des überörtlichen Zusammenschlusses in einem Gemeindebund vorhanden.

Dies gilt sowohl im Blick auf die Repräsentation nach außen als auch im Blick auf die interne Funktion der gegenseitigen Stärkung und Befähigung zum Dienst. Dabei liegt das Amt der Leitung („Episkope“) bei der Gemeindeversammlung und wird von deren gewählten Repräsentanten einschließlich der berufenen Pastoren ausgeübt. In Konflikt-fällen wirken die Schlichtungs- und Beratungseinrichtungen des Gemeindebundes regulierend. Die Grundspannung von Charisma und Institution wird in beiden Kirchen in unterschiedlicher Gewichtung wahrgenommen. Doch konvergieren die beiden Sichtweisen, solange die Leitungs-strukturen lutherischer Kirchen die Gemeinden und ihre Glieder nicht entmündigen und im Baptismus darauf geachtet wird, dass die Selbstständigkeit der Einzelgemeinden das gemeinsame ekklesiologische Profil nicht verwischt.

4.4.2 Gegenseitige Anerkennung von Ämtern und Diensten
Für lutherisches Verständnis ist die ordnungsgemäße Berufung (CA XIV) für die öffentliche Wortverkündigung und die Verwaltung der Sakramente im Gottesdienst von entscheidender Bedeutung. Von diesem besonderen Dienst, bei dessen Auftrag es auch um die Einheit der Gemeinde geht, ist das Priestertum aller Gläubigen zu unterscheiden, denn nach lutherischer Überzeugung sind alle Christinnen und Christen zum Zeugnis in Familie, Beruf, Gesellschaft und Kirche berufen. Dem Baptismus ist das Priestertum aller Gläubigen ein zentrales Anliegen, das sich auch in der Gottesdienstgestaltung abbildet. Dabei legt der Baptismus Wert auf eine ordnungsgemäße Beru-fung zur Verkündigung, sowohl im Rahmen der Ortsgemeinden als auch im Blick auf die Pastorinnen und Pastoren, wenngleich eine prinzipielle Beschränkung des Verkündigungsauf-trags, der Leitung der Mahlfeier oder anderer Funktionen auf eine bestimmte Gruppe von Beauf-tragten nicht besteht. Die Berufung als Pastor bzw. Pastorin (Ordination) erfolgt durch den Bund Evangelisch-Frei-kirchlicher Gemeinden in Deutschland (BEFG). Bei der Berufung in eine konkrete Gemeinde (Installation) wirkt der Gemeindebund ebenfalls mit, auch wenn die Gemeinde Anstellungs-trägerin ist. Der BEFG und die Pastorinnen und Pastoren stehen in einem gegenseitigen Treue-verhältnis.

Lutheraner erkennen an, dass der Baptismus über geordnete gemeindliche und übergemeindliche Leitungsstrukturen (episkope) verfügt, die der Evangeliumsverkündigung dienen. Baptisten erkennen an, dass sich auch die lutherische Kirche in der Gestaltung ihrer Strukturen auf das Neue Testament bezieht. Für lutherische und baptistische Theologie ist die Gleichheit oder Analogie der Leitungsstrukturen keine notwendige Bedingung der Anerkennung anderer Kirchen. Beide Seiten erkennen an, dass es schon im Urchristentum unterschiedliche gemeindliche und kirch-liche Leitungsstrukturen gab, die zudem einem geschichtlichen Wandel unterliegen. Gemeinsam stellen wir fest: Die Unterschiede in der Ausgestaltung des kirchlichen Amtes bedeuten keine Hindernisse für eine gegenseitige Anerkennung.

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„Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“ (Eph 4,5)


Teil 2


Konvergenzdokument der Bayerischen Lutherisch-Baptistischen Arbeitsgruppe (BALUBAG)




5. Taufe und Abendmahl


5.1. Die Taufe
5.1.1 Vorüberlegungen

Auf dem Hintergrund der methodischen Vorüberlegungen9 haben wir uns an der Bestgestalt der anderen Konfession als Ausgangspunkt der theologischen Argumentation orientiert: Wir verzichten auf traditionelle Argumente aus der konfessionellen Polemik, die auf Miss-stände oder Extrempositionen innerhalb der jeweils anderen Konfession zurückgehen. Wir respektieren gegenseitig das theologische Anliegen des jeweiligen Taufverständnisses. Wir sehen uns jeweils in unserer eigenen Taufpraxis von unserem Verständnis des Evan-geliums her gebunden und in die Pflicht genommen. Wir gestehen einander wechselseitig zu, die Entscheidung zugunsten einer Taufform in Verantwortung vor Gott und dem uns anvertrauten Evangelium getroffen zu haben.

5.1.2 Annäherungen an ein gemeinsames Verständnis der Taufe
Die Taufe als christliche Praxis ist neutestamentlich breit bezeugt (Apg 2,37ff; 8,14ff; 10,44ff; 1 Kor 1,10ff) und wurde umfassend kirchlich praktiziert. Die Schriften des Neuen Testaments beschreiben Sinn und Bedeutung der Taufe mit verschiedenen Bildern, die einander ergänzen. Gemeinsam können wir Folgendes feststellen: Die Einladung zu Glaube und Taufe gilt allen Menschen. Allen ist die Sündenvergebung und die Gotteskindschaft verheißen. Indem die christliche Gemeinde tauft, erfüllt sie den Auftrag ihres auferstandenen Herrn (Mt 28,18-20). Die Taufe ist durch Jesus Christus um des Heils der Menschen willen eingesetzt und erschließt sich im Vollsinn nur durch die Bezugnahme auf Kreuz und Auferstehung Jesu Christi (Röm 6). Damit hat sie ihren Ort im Heilsgeschehen, durch das sich der dreieinige Gott in Jesus Christus für alle Menschen als liebender und rettender Gott offenbart.
9 Vgl. Abschnitt 2.2 dieses Dokuments.

Die Taufe ist Sterben und Auferstehen mit Christus (Röm 6). Weil Christus ein für alle Mal für uns gestorben und auferstanden ist, darf sich jeder Getaufte auf die Wirklichkeit des in Christus geschenkten neuen Lebens ein für alle Mal verlassen. Darum ist die Taufe einmalig; als göttliche Zusage ist sie weder steigerbar noch kann sie aufgehoben oder zurückgenommen werden. In der im Glauben wirksamen Taufe bezeugt der lebendige Gott, dass er alle Glaubenden als seine Kinder annimmt (Gal 3,26f), ihnen ihre Sünde vergibt (Kol 2,12f), ihnen die Gabe des Heiligen Geistes verleiht (Apg 2,38) und sie zu einem Leben im liebenden Dienst an den Mit-menschen und der Welt beruft (2 Kor 5; Röm 12,2).

Die Taufe ist somit ein „Bad der Wieder-geburt und Erneuerung im heiligen Geist“ (Tit 3,5) für Zeit und Ewigkeit. Die Taufe verbindet mit allen, die sich als Gottes Kinder zum dreieinigen Gott bekennen; sie verbindet zugleich mit den Schwestern und Brüdern, die eine konkrete Gemeinde vor Ort bilden. Die Taufe erfordert das glaubende Bekenntnis des Getauften und die lebenslange Aneignung im Glauben. Sie beinhaltet die Annahme als Gotteskind und setzt zugleich den lebenslangen Prozess der Nachfolge frei. Die gültige Zusage Gottes realisiert sich in der glaubenden Aneignung durch den getauften Menschen. Auch diese glaubende Aneignung ist Werk und Wirkung der Zusage Gottes und der Gabe des Heiligen Geistes.

Glaube und Taufe gehören daher zusammen (Kol 2,12), können aber zeitlich auseinandertreten. Der Zusammenhang von Taufe, Glaube und Bekenntnis wird in der Vorstellung des christlichen Initiationsprozesses anschaulich.10 Die Zusage Gottes in der Taufe ist nichts anderes als die zeichenhaft vergewissernde Rechtferti-gungsbotschaft für jede und jeden Einzelnen. Das verkündigte und zeichenhaft vergewissernde Wort Gottes bewirkt zugleich, was es sagt. Dieses sichtbare Wort wirkt nicht „mehr“ als das verkündigte Wort, aber auf eine andere Weise. Es vergewissert den Menschen dieses Zuspruches auf eine leiblich-sichtbare Weise.

Die Taufe als zeichenhafte Vergewisserung des Evangeliums an jeden Einzelnen stellt eine Gabe Gottes an die Gemeinschaft der Glaubenden dar, die sie dank-bar und gehorsam empfängt. Die konkrete Gestaltung der Taufe ist der Gemeinschaft der Glaubenden anvertraut, muss aber evangeliumsgemäß erfolgen:

1. Das Evangelium von der Rechtfertigung des Sünders aus Gnaden um Christi willen durch den Glauben muss in der Taufe deutlich zum Ausdruck kommen.
2. Zum Taufvollzug gehören notwendig die trinitarische Taufformel, die Verwendung von Wasser und das zusagende Gotteswort.
5.1.3 Gegenseitige Anfragen an Lehre und Praxis der Taufe
Beide Seiten akzentuieren unterschiedliche Aspekte der Taufe. Diese Aspekte sind jeweils neu-testamentlich begründet. Betont das lutherische Verständnis eher die Zueignung des Heils, so legt der Baptismus mehr Gewicht auf dessen Aneignung.
10 Vgl. Wilhelm Hüffmeier/Tony Peck (Hgg.), Der Anfang des christlichen Lebens und das Wesen der Kirche. Ergebnisse des Dialogs zwischen EBF und GEKE (Leuenberger Texte 9), Frankfurt a.M. 2005, 30-51 (bes. 39-45); vgl. ferner Punkt 5.1.4 des vorliegenden Dokuments.

Lutherisch wird die Taufe verstanden als unbedingte und vorauslaufende Zusage Gottes, einen Menschen als Gottes Kind anzunehmen und ihm seine Sünde zu vergeben. Diese Zusage zielt auf das glaubende Vertrauen des Menschen und ruft dieses hervor. Weil Gottes Wort gilt, kann diese Zusage nur einmal erfolgen. Der Mensch aber muss und kann sich dieser Zusage immer wieder neu vergewissern: durch Tauferinnerung, durch die Feier des Abendmahls und das Hören des Evangeliums. Wenn Lutheraner Säuglinge taufen, bringen sie dabei zum Ausdruck, dass das göttliche Heil unverfügbar ist, dass die das christliche Leben tragende und begründende Zusage Gottes durch keine menschliche Verfehlung in Frage gestellt wird, sondern immer aufs Neue Umkehr und Reue bewirkt.

Sie vertrauen darauf, dass der Getaufte durch das Hineinwachsen in die christliche Gemeinde auf die ihm geschenkte Zusage mit dem Bekenntnis seines Glaubens antwortet und so die Taufe durch den Glauben wirksam wird. Baptistisch wird die Taufe von ihrem Wesen her ebenfalls als im Glauben wirksame Zusage der Gnade Gottes sowie als Bekenntnis Gottes zum Täufling verstanden, das die Täuflinge anneh-men und auf das sie mit ihrem eigenen Bekenntnis antworten. Die Taufe bildet den Empfang der Gnade Gottes durch Jesus Christus ab und inszeniert dieses Ereignis auf rituelle Weise. Wenn Baptisten nur diejenigen taufen, die ihren Glauben bekennen, betonen sie damit Gottes Souveränität (der Glaube ist immer unverfügbar) sowie den Beziehungscharakter der Gotteskind-schaft: Der Mensch soll und darf diese Beziehung hörend („gehorsam“) und antwortend mit-gestalten. Beide Seiten stellen fest, dass die genannten Anliegen evangeliumsgemäß und nach neutestament-lichem Zeugnis mit der Taufe verbunden sind; beide Seiten bemühen sich, auch die Anliegen der anderen Seite in der eigenen kirchlichen Praxis zur Geltung kommen zu lassen und die Anfragen der anderen Seite ernst zu nehmen.

Von lutherischer Seite ist an die baptistische Seite die Frage zu stellen, ob im baptistischen Tauf-verständnis die Voraussetzungslosigkeit und Unbedingtheit der göttlichen Zusage immer hin-reichend zur Geltung kommt. Dieses Anliegen wird bei den Baptisten z. B. in der gottesdienstlichen Praxis der Kindersegnung deutlich. Von baptistischer Seite ist an die lutherische Seite die Frage zu stellen, ob im lutherischen Tauf-verständnis der enge Zusammenhang von Glaube und Taufe, wie er im Neuen Testament bezeugt ist, immer angemessen zur Geltung kommt. Dieses Anliegen wird in der lutherischen Tradition z. B. bei Tauferinnerungsfeiern aufgenom-men. Beide Seiten lernen theologisch aus den Anfragen der jeweils anderen Tradition: Baptistinnen erkennen an, dass der Begriff „mündiges Bekenntnis“ vielfältige Verständnis-möglichkeiten besitzt und nicht scharf eingegrenzt werden kann.

Die mündige Antwort des Glau-bens kann nicht unmittelbar an bestimmte kognitive und emotionale Entwicklungsvoraussetzun-gen des Menschen gebunden werden.

Lutheranerinnen sehen die Notwendigkeit, den Zusammenhang von Taufe und Glauben und das kirchlich begleitete Hineinwachsen in die konkrete Gemeinde theologisch enger zu fassen und praktisch deutlicher zu gestalten. Die Taufverantwortung der taufenden Gemeinde und der Eltern muss stärker erkennbar werden. Selbstkritisch haben Lutheraner darauf zu achten, kein „unterschiedsloses Taufen“11 zu praktizieren.
5.1.4 Auf dem Weg zu einem Grundkonsens in der Tauffrage
Die Taufe ist nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift Ausdruck des Evangeliums von der Gnade Gottes in Jesus Christus. Sie ist daher ein Geschehen, in dem der Täufling Empfänger der gnädigen und ewig gültigen Zusage Gottes ist. Sie ist selbst Gottes Gnadengeschenk, durch das er das neue, in Christus geschenkte Leben und die Gliedschaft am Leib Christi (1 Kor 12) ein für alle Mal zusagt. Baptistische und lutherische Seite stimmen auch darin überein, dass die Taufe in ihren ekklesio-logischen Aussagen immer christologisch begründet ist.

Eine anthropozentrische Auffassung der Taufe, die in ihr lediglich ein auf einem Willensakt des Täuflings beruhendes Bekenntnis oder einen bloßen Gehorsamsschritt sieht, wird dem neutestamentlich bezeugten Sachverhalt noch nicht gerecht und stellt bestenfalls eine particula veri dar. Dies ist der Fall, wenn die Beteiligung des Täuflings am Taufgeschehen nicht als empfangend, sondern primär als aktiv handelnd in den Mittelpunkt der Taufhandlung gerückt wird. Dem halten wir das schriftgemäße Bekenntnis ent-gegen, dass die Taufe vor allem Gottes Heilszusage ist und nur in dieser theologischen Zu-spitzung ihren wahren Sinn entfaltet. Einigkeit besteht auch darin, dass die Taufe als Initiationsritus am Anfang des christlichen Lebens steht.

Während die lutherische Seite in der Taufe vor allem die dem menschlichen Leben und Handeln stets zuvorkommende Gnade Gottes betont, die auch ein neugeborenes Kind vom Beginn des Lebens an begleitet (gratia praeveniens), setzen Baptisten den Akzent der Taufe stärker auf die dem verlorenen Menschen zu Hilfe eilende Gnade Gottes (gratia adveniens). Als Konsens halten wir fest, dass für unsere Kirchen beide Aspekte schriftgemäß sind, zur Taufe gehören und einander nicht ausschließen. Die unterschiedliche Akzentuierung der Gnadenaspekte in der Taufe findet ihren Ausdruck in der unterschiedlichen Wahl des Taufzeitpunkts. Während Lutheraner in der Taufe des noch un-mündigen Säuglings den Ausdruck der allem menschlichen Tun zuvorkommenden göttlichen Gnade und des Geschenks des zeitlichen sowie des ewigen Lebens sehen, die in der Konfirma-tion persönlich bestätigt werden soll, betonen Baptisten mit der Wahl des Taufzeitpunkts im An-schluss an eine Glaubensentscheidung den engen Zusammenhang von Glaube und Taufe.

So bestätigt Gott dem Täufling die persönliche Aneignung des Evangeliums und erschließt ihm die Möglichkeit, auf seinen Glauben festgelegt zu werden. Was die lutherische Tradition mit Taufe und Konfirmation ausdrückt, fällt für Baptisten in eins.
11 Vgl. Kommission für Glauben und Kirchenverfassung (Hg.), Taufe, Eucharistie und Amt. Konvergenzerklärungen der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen (Lima 1982), Frankfurt am Main/Paderborn 1982, 15.

In der wechselseitigen Anerkennung der Taufe besteht zwischen Lutheranern und Baptisten allerdings eine Asymmetrie: Während die lutherische Seite die baptistische Taufe als vollgültig an-erkennt, wird diese Anerkennung von baptistischer Seite oft mit dem Hinweis auf das „Glau-bensdefizit“ der lutherischen Säuglingstaufe verweigert, weil der persönliche und unvertretbare Glaube des Täuflings als Taufvoraussetzung betrachtet wird. Baptisten nehmen in Fragen der Taufanerkennung weltweit allerdings unterschiedliche Stand-punkte zwischen Toleranz, Akzeptanz oder Ablehnung der Säuglingstaufe ein. Nach Maßgabe der jeweiligen Erkenntnis ist man bemüht, von einer Taufpraxis Abstand zu nehmen, die von anderen Kirchen als Wiederholungs- oder Übertrittstaufe gedeutet werden kann, und besteht im Falle eines Konfessionswechsels nicht zwingend auf einer nachzuholenden Glaubenstaufe. Auch innerhalb des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland (BEFG) nimmt die Zahl der Gemeinden zu, die nach zuvor erfolgter Säuglingstaufe nicht länger auf einer „Glau-benstaufe“ als notwendiger Voraussetzung für eine volle Gemeinde- und Kirchenmitgliedschaft bestehen.

Auf dem Weg zu einer wechselseitigen Taufanerkennung scheint eine Besinnung auf das Wesen christlicher Initiation als dem Prozess des Christwerdens hilfreich. Beide kirchliche Traditionen vertreten die Auffassung, dass die Initiation des christlichen Lebens nicht nur als ein punktuelles Ereignis, sondern als ein Prozess – entweder zwischen Taufe und Konfirmation oder zwischen Bekehrung und Taufe – verstanden werden muss. Der Initiationsprozess ist abgeschlossen, wenn mit der persönlichen Antwort auf den Ruf Christi in die Nachfolge auch die Verantwortung für die Jüngerschaft übernommen wird und ein Täufling sich auf seinen Glauben festlegen lässt. War die christliche Taufe in neutestamentlicher Zeit ihrem Wesen nach Bekehrungs- und Über-trittstaufe von einer Religion in eine andere, so änderte sich der Charakter der Taufe mit dem Entstehen christlicher Familien, deren Nachkommen von frühester Zeit an mit dem christlichen Glauben in Berührung kamen.

Die punktuelle Initiation der heidenmissionarischen Missionstaufe der apostolischen Zeit wurde durch die Erfahrung langjähriger Erziehungsprozesse und eines allmählichen Hineinwachsens der Kinder christlicher Eltern in ihren Glauben ersetzt. In christ-lich geprägten Kulturen ist die Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben daher auch ein pädagogischer Prozess, in dem vielfältige Faktoren bei einer Glaubensentscheidung mitwirken können. Angesichts der Möglichkeit, die eigene Konfession selbst bestimmen zu können, ist es nur schwer möglich, alle ausschlaggebenden biografischen Impulse für eine Glaubensentschei-dung im Einzelnen zu benennen. „Ich habe euch gesandt, zu ernten, wo ihr nicht gearbeitet habt; andere haben gearbeitet und euch ist ihre Arbeit zugute gekommen“ (Joh 4,38). Die christliche Initiation, ist daher als ein durchaus komplexer, kürzerer oder längerer Prozess der persönlichen Aneignung des Glaubens zu betrachten, die mit der Taufe entweder eröffnet oder abgeschlossen werden kann.

Das Fehlen eines der Taufe vorausgehenden persönlichen Glaubens muss die Taufe nicht ungül-tig machen, wenn bedacht wird, dass der Glaube auch nach lutherischem Verständnis auf die Taufe bezogen ist und Gottes in der Taufe gesprochenes Gnadenwort durch den später hinzu-kommenden Glauben persönlich angeeignet werden kann (z. B. in der Konfirmation). Das Neue Testament weist darauf hin, dass ein zunächst fehlendes Element christlicher Initiation auch zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden kann und eine vorangegangene Taufe nicht ungül-tig macht (Apg 8,14-17). Da Baptisten mittlerweile auch Christen anderer Kirchen zum Abendmahl einladen, um mit ihnen die sichtbare Einheit untereinander und mit ihrem Herrn zu feiern, erkennen sie zugleich an, dass die Einheit durch den Geist und nicht durch die Ordnungen der Gemeinde gewirkt wird und im gemeinsamen Abendmahl bereits real präsent ist: „Wir sind durch den einen Geist zu einem Leib getauft“ (1 Kor 12,13). Wer vor Gott die geistgewirkte Einheit des Leibes Christi glaubt und im Abendmahl bekennt, kann sie durch Ordnungen der Ortsgemeinde nicht aufheben oder wieder in Frage stellen.

Eine verpflichtende „Glaubenstaufe“ zur Erlangung der Mit-gliedschaft ist damit obsolet, weil die im Abendmahl gefeierte Einheit des Leibes Christi und die Gemeinschaft der Ortsgemeinde einander nicht widersprechen können. Dabei wäre es für Baptisten hilfreich, wenn sichergestellt wäre, dass ihre lutherische Schwester-kirche den Prozesscharakter christlicher Initiation bei ihrer Taufpraxis konsequent berücksich-tigen würde. Wenn Kinder getauft werden, denen aufgrund der familiären Situation die Gemein-schaft der Glaubenden vorenthalten wird, und bei denen weder eine christliche Unterweisung noch eine Heranführung an den Glauben zu erwarten sind, kann dies das Wesen der Taufe ver-dunkeln und für Baptisten in Frage stellen.

Auf der Grundlage dieser Überlegungen halten wir fest: Baptisten und Lutheraner können beide Taufverständnisse als unterschiedliche, jedoch legitime Auslegungen des einen Evangeliums anerkennen. Die Gewissheit, in der eigenen Lehre und Praxis dem Evangelium zu entsprechen, impliziert daher nicht, die davon unterschiedene Lehre und Praxis der anderen als nicht evangeliumsgemäß zu verurteilen, weil man in der anderen konfessionellen Tradition die wesentlichen Anliegen auch der eigenen Auslegung gewahrt sieht.

5.1.5 Die kirchliche Praxis im Licht des Grundkonsenses
Der in der Arbeitsgruppe bereits erreichte theologische Grundkonsens spiegelt sich noch nicht voll in der kirchlichen Praxis wider. (1) Der traditionelle Konfliktfall zeigt sich im Taufbegehren eines Menschen, der als Säugling getauft wurde, aber erst in einer Baptistengemeinde eine bewusste Beziehung zu Kirche und Glauben entwickeln konnte und sich im Bewusstsein des eigenen Glaubens in einer baptistischen Gemeinde taufen lassen möchte.

Geschieht dies, dann verstehen Lutheraner das als Taufwiederholung.12 Durch einen solchen Akt sehen sie die unbedingte Zusage Gottes sowohl durch den Täufling als auch durch die taufende Gemeinde in Frage gestellt. Entspricht eine Baptistengemeinde einem solchen Taufbegehren,
12 Für diesen Sachverhalt wurde im 16. Jahrhundert der Begriff „Wiedertaufe“ gebraucht. Als Bezeichnung einer vom lutherischen Standpunkt abweichenden Taufpraxis fand er so Eingang in die lutherischen Bekenntnisschriften. Mit der dogmatischen Verwerfung gingen Diffamierungen und Verfolgungen im politisch-gesellschaftlichen Bereich einher, an die sich Lutheraner mit schmerzlichem Bedauern erinnern. Weil der Begriff der „Wiedertaufe“ zum Vorwand für Verfolgung missbraucht wurde und außerdem dem Selbstverständnis der Baptisten widerspricht, wird er im Folgenden nicht mehr verwendet. Der aus lutherischer Sicht gemeinte Sachverhalt wird mit dem Begriff „Taufwiederholung“ ausgedrückt.

Überschreitet sie nach lutherischem Verständnis eine Grenze, welche die angestrebte Kirchen-gemeinschaft gefährdet. Der erreichte Grundkonsens beider Kirchen wird jedoch als so tragfähig erachtet, dass sich die lutherische Seite vorstellen kann, solche Taufen im Einzelfall aus seelsorgerlichen Gründen zu dulden, wenn diese Praxis nicht mehr den Regelfall kirchlichen Handelns in baptistischen Gemeinden darstellt. Die baptistische Seite kann sich vorstellen, solche Taufen so zu gestalten, dass dabei eine Tauferinnerung zur Geltung kommt. (2) Das Problem der Taufwiederholung kann sich bei einem radikal subjektivistischen Taufver-ständnis auch für Baptisten stellen, z. B. wenn jemand seine eigene Taufe im Mündigenalter nach-träglich als nicht mehr ausreichend empfindet, weil er seinen damaligen Glauben im Nachhinein in Frage stellt. Baptistinnen und Lutheranerinnen stimmen darin überein, dass Taufe immer auch ein Handeln der Glaubensgemeinschaft insgesamt ist und nicht der subjektiven Befindlichkeit des Einzelnen unterworfen sein darf.

Die baptistische Seite empfiehlt ihren Gemeinden, von problematischen Taufbegehren Abstand zu nehmen, welche die evangeliumsgemäße Einmaligkeit der Taufe in Frage stellen. Auf lutherischer Seite führen pragmatische Überlegungen gelegentlich dazu, bei noch ungetauften Konfirmanden die Taufe so vorzuziehen, dass die Konfirmation als das eigentliche Fest des Glaubens erscheint. Die lutherische Seite empfiehlt ihren Gemeinden, im Falle der Taufe eines bislang ungetauften Konfirmanden den Zusammenhang von Taufe und Konfirmation liturgisch so zu gestalten, dass die zentrale Stellung der Taufe voll zur Geltung kommt. (3) Es besteht ebenfalls Einigkeit, dass die Taufe nach Römer 6 einen Ritus des Herrschafts-wechsels darstellt, der nicht zum Ritus eines Konfessionswechsels werden darf. Diese Gefahr besteht, wenn Baptisten für Menschen, die schon lange Zeit gläubig sind, die Glaubenstaufe zur zwingenden Voraussetzung für eine Gemeindeaufnahme machen.

Die baptistische Delegation empfiehlt ihren Gemeinden, Formen der Gemeindezugehörigkeit (weiter) zu ent-wickeln, die den Wunsch von säuglingsgetauften Christen nach Gemeindemitgliedschaft nicht zwingend an die Glaubenstaufe binden. (4) Es besteht Einigkeit, dass Kinder und Eltern in der gemeindlichen Arbeit in besonderer Weise Zuwendung benötigen und Eltern bei der Weitergabe christlicher Glaubensinhalte unterstützt werden müssen. Die lutherische Seite erinnert ihre Gemeinden als Konsequenz ihrer Taufpraxis daran, einer an den christlichen Glauben heranführenden Arbeit mit Kindern und Jugendlichen besonderes Gewicht beizumessen. (5)

In beiden Kirchen besteht, unabhängig vom Taufzeitpunkt, die Notwendigkeit, allen Menschen die Vergewisserung des Zuspruchs Gottes im Verlauf ihres Lebens rituell erfahrbar zu machen. Der Abschlussgottesdienst des 1. Ökumenischen Kirchentags 2003 hat gezeigt, dass eine solche Vergewisserung auch unter Verwendung von Wasser erfolgen kann, ohne dass damit eine Taufwiederholung impliziert ist. Beide Seiten ermutigen dazu, kreative Formen der Umsetzung dieser Anregung in ihrer liturgischen Praxis zu entwickeln.

5.2 Das Abendmahl
5.2.1 Das baptistische Abendmahlsverständnis
Das Abendmahl ist nach baptistischem Verständnis eine von Christus für die ihm Nachfolgenden eingesetzte rituelle Feier, bei der die heilsgeschichtlichen Grundlagen und das eschatologische Ziel der Gemeinschaft der Glaubenden mit dem Herrn und untereinander vergegenwärtigt werden. Das Mahl bestätigt jedem, der es im Glauben empfängt, die Annahme durch Christus und die Vergebung aller Schuld durch seinen Tod am Kreuz. Im Zentrum der Mahlfeier steht die durch Christus gewirkte Gemeinschaft und Einheit der Glaubenden, in der alle sozialen Unterschiede und Trennungen aufgehoben sind (Gal 3,28) und das kommende Friedensreich und seine Gerechtigkeit antizipiert werden. Die Gegenwart Christi als Retter und Richter wird nicht nur in den Elementen „Brot und Wein“, sondern als pneuma-tische Präsenz im gottesdienstlichen Vollzug der ganzen Mahlfeier geglaubt und bekannt.

In seinem Namen versammeln sich die an ihn Glaubenden an seinem Tisch, um Brot und Kelch als Zeichen dafür zu teilen, dass er sich selbst seinen Jüngern schenkt. „Erneut erfahren wir unsere Annahme durch den gekreuzigten und auferstandenen Christus. Im Abendmahl erleben wir die Gemeinschaft mit allen Brüdern und Schwestern, die Gott mit uns zum Glauben berufen hat. Wir feiern die Versöhnung mit Gott und die Versöhnung untereinander in Anbetung und mit Danksagung und Fürbitte.“13

Baptisten feiern das Abendmahl mit allen, die dem Evangelium von Jesus Christus glauben. Als „Mahl des Herrn“ bildet die Gastgeberschaft Jesu Christi die Grundlage für die praktizierte ökumenische Gastfreundschaft. Wer sein Leben Jesus Christus anvertraut hat, ist zur Teilhabe am „Sakrament der Wegzehrung“ (vgl. GEKE/EBF-Dokument)14 eingeladen, unabhängig von der konfessionellen Zugehörigkeit.
Angesichts einer getrennten Christenheit, die ihre sichtbare Einheit noch vor sich hat, ist mit der ökumenischen Gastfreundschaft zugleich der eschatologische Horizont des Abendmahls eröffnet: „Wir feiern das Mahl des Herrn in der Vorfreude auf die Wiederkunft Jesu Christi und die Vollendung seiner Herrschaft, indem wir des Herrn Tod verkündigen, bis er kommt. Vom Tisch des Herrn lassen wir uns gestärkt und mit Glaubensmut erfüllt senden zu einem Leben mit Christus in Nachfolge, Zeugnis und Dienst.“15

Die Abendmahlsverwaltung obliegt den durch die Gemeinde ordnungsgemäß Beauftragten. Sofern ein ordinierter Pastor anwesend ist, übernimmt dieser in aller Regel die Abendmahls-leitung, jedoch können von der Gemeinde auch andere Gemeindemitglieder mit der Durch-führung des Abendmahls beauftragt werden. Als symbolischer Ausdruck des geschwisterlichen
13 Rechenschaft vom Glauben, Abschnitt 4 .2 14 Vgl. Der Anfang des christlichen Lebens und das Wesen der Kirche. Ergebnisse des Dialogs zwischen EBF und GEKE, II/10, S. 44 (s.o. Anm. 10). 15 BEFG, Rechenschaft vom Glauben, ebd.

Miteinanders und des allgemeinen Priestertums reichen die Kommunikanten einander im Namen Christi Brot und Wein.

5.2.2 Das lutherische Abendmahlsverständnis
Nach lutherischem Verständnis ist Christus im Abendmahl selbst real präsent. In der liturgischen Feier bilden die Danksagung (Epiklese), die Einsetzungsworte und die Erinnerung der Heilstaten Gottes (Anamnese) das Zentrum. Die Abendmahlslehre der lutherischen Kirche hat einen seelsorgerlichen Grundzug. Alles liegt daran, dass Gott sich vorbehaltlos in unsere Welt hineinbegeben hat und unser Bruder geworden ist. Im Abendmahl lässt sich erfahren: Hier verbindet sich der auferstandene Christus mit Brot und Wein. Gott begegnet dem ganzen Menschen, an Leib und Seele. „Für euch“ ist die Zielsetzung, die zum innersten Wesen des Abendmahls gehört. Christi ganzes Heilswerk wird uns darin angeboten, die Vergebung aller Schuld, die Befreiung von der Macht des Bösen und die un-verlierbare Gemeinschaft mit Gott.

Deshalb halten Lutheraner an den Worten fest: „Das ist mein Leib.“ Das „Wie“ kann dabei Geheimnis bleiben, wenn nur die Gegenwart Christi gewahrt ist. „In, mit und unter“ Brot und Wein schenkt sich uns Christus leibhaftig. Wie sich in Christus Gott und Mensch zu einer Einheit verbinden, so verbinden sich Christi Leib und Blut mit dem Brot und Wein zu einer sakramentalen Einheit. „Vom Abendmahl wird gelehrt, dass der wahre Leib und das wahre Blut Christi wirklich unter der Gestalt des Brotes und Weines im Abendmahl gegenwärtig ist und dort ausgeteilt und empfangen wird“ (CA X). Lutheraner lehren, dass zum Abendmahl nicht alle geladen sind, die teilnehmen wollen, sondern alle, die zu Christus gehören. Er hat das Abendmahl nicht mit dem Volk gefeiert, sondern mit den Seinen. Die Zugehörigkeit zu Christus hat ihr Zeichen in der Taufe, darum sind nur die Ge-tauften zum Abendmahl geladen.

Da nun die Taufe nicht konfessionell beschränkt ist, sondern ökumenisch anerkannt, sind nach lutherischer Auffassung alle Getauften, auch die aus anderen Konfessionen, sofern diese mit Wasser unter Anrufung des dreieinigen Gottes mit der Verkündigung der Taufverheißung taufen, eingeladen. Denn der Mahlherr ist der Taufherr: Christus, nicht die Kirche. Taufe und Abendmahl sind nach lutherischer Überzeugung deshalb wirksam, weil Christus der im Sakrament Handelnde ist. Die Kirche kann daher keine Beschränkungen auferlegen und Angehörige einer anderen Kirche, die sich als Teil der una sancta catholica et apostolica ecclesia weiß, vom Abendmahl ausschließen. Das Abendmahl ist keine Veranstaltung der Kirche – dann würde den Glaubenden die Heilsge-wissheit im Abendmahl fehlen –, sondern Christi selbst. Auch die Kirche empfängt nur. Sie ver-teilt nicht, sondern spricht zu. Das ist ihr Auftrag als Dienst am Evangelium.

5.2.3 Konsens in der Abendmahlslehre
Im Blick auf das Abendmahl können wir gemeinsam den Artikeln (15), (16), (18) und (19) der Leuenberger Konkordie16 zustimmen. (15) Im Abendmahl schenkt sich der auferstandene Jesus Christus in seinem für alle dahingegebenen Leib und Blut durch sein verheißendes Wort mit Brot und Wein. Er gewährt uns dadurch Vergebung der Sünden und befreit uns zu einem neuen Leben aus Glauben. Er läßt uns neu erfahren, daß wir Glieder an seinem Leibe sind. Er stärkt uns zum Dienst an den Menschen. (16) Wenn wir das Abendmahl feiern, verkündigen wir den Tod Christi, durch den Gott die Welt mit sich selbst versöhnt hat. Wir bekennen die Gegenwart des auferstandenen Herrn unter uns. In der Freude darüber, daß der Herr zu uns gekommen ist, warten wir auf seine Zukunft in Herrlichkeit. (18) Im Abendmahl schenkt sich der auferstandene Jesus Christus in seinem für alle dahingegebenen Leib und Blut durch sein verheißendes Wort mit Brot und Wein. So gibt er sich selbst vorbehaltlos allen, die Brot und Wein empfangen; der Glaube empfängt das Mahl zum Heil, der Unglaube zum Gericht. (19)

Die Gemeinschaft mit Jesus Christus in seinem Leib und Blut können wir nicht vom Akt des Essens und Trinkens trennen. Ein Interesse an der Art der Gegenwart Christi im Abendmahl, das von dieser Handlung absieht, läuft Gefahr, den Sinn des Abendmahls zu verdunkeln.

5.3 Taufe und Abendmahl als wirksame Zeichen
Es entspricht dem Wesen des Evangeliums, dass es Menschen auf unterschiedliche Weise er-reicht: durch Wortverkündigung, durch Taufe und Abendmahl. Predigt, Taufe und Abendmahl eignen dem Menschen nicht Verschiedenes zu, sondern vermitteln dasselbe auf unterschiedliche Weise: zum Hören des Wortes Gottes in der Predigt tritt die leibhafte Vermittlung in Taufe und Abendmahl, auf dass der Mensch sehen und schmecken und fühlen kann, was ihm geschenkt wird. Predigt und Zeichenhandlungen sind ganz darauf angelegt, den Glauben an Jesus Christus zu wecken und zu stärken.

Lutheraner betonen, dass Gottes Zusage in Taufe und Abendmahl unbedingt gilt. Der Glau-bende darf sich auf Gottes Wort unbedingt verlassen und sich seiner Verheißung ganz anver-trauen. Weil glaubende Existenz Anfechtungen und Zweifeln ausgesetzt ist, bedarf der Glau-bende des vergewissernden Zuspruchs und der geistlichen Stärkung durch Gottes Wort. Die Reflexion auf die eigene Lebenswirklichkeit gibt keinen Halt, sondern allein Gottes Heilszusage, die als unbedingt und verlässlich geglaubt werden darf. Aber nur im glaubenden Vertrauen des Menschen verwandelt Gottes Heilszusage die Existenz des Menschen heilsam. Die lutherische Betonung der Gültigkeit von Predigt, Taufe und Abendmahl ist also aus dem seelsorgerlichen
16 Leuenberger Konkordie, in: Harding Meyer et al., Dokumente wachsender Übereinstimmung III (1990-2001), Paderborn und Frankfurt am Main 2003, S. 724-731, S. 727 (Ziffer 17 bezieht sich konkret auf den lutherisch-reformierten Dialog).

Anliegen zu verstehen, die im Glauben Angefochtenen zu trösten. Um die unwandelbare Treue Gottes ebenso auszusagen wie die Ausrichtung auf glaubenden Empfang, unterscheidet die lutherische Tradition zwischen unbedingter Gültigkeit von Taufe und Abendmahl und deren heilvoller Wirksamkeit allein im Glauben. Gerade die lutherische Betonung des Glaubens impliziert also, dass der Glaube sich auf den treuen und in Jesus Christus zum Heil geoffenbarten Gott richtet, dessen Wort immer wahr ist und beständig gilt. Baptisten verstehen Taufe und Abendmahl als von Jesus Christus eingesetzte Symbolhandlungen. Die baptistische Betonung des menschlichen Glaubens als Voraussetzung für den Empfang von Taufe und Abendmahl ist pneumatologisch zu verstehen: Die Gemeinde erkennt in den zum Glauben Gekommenen das Wirken des Heiligen Geistes und vollzieht daraufhin die Taufe. Das Abendmahl kann seine Wirkung als vergewissernder Zuspruch der bereits geschehenen Sünden-vergebung und als geistliche Stärkung nach diesem Verständnis nur an den bereits Glaubenden entfalten. Baptisten lehnen die Vorstellung einer Heil schaffenden Wirkung durch den bloßen Vollzug von Taufe und Abendmahl ab, da ein solches Verständnis Gottes Souveränität in Frage stellt, zu wirken, wann und wo er will.

Die Betonung dieses theologischen Vorbehalts will dabei allerdings nicht den Eindruck einer unberechenbaren Willkür Gottes erwecken, die den Menschen über Gottes Zuspruch im Ungewissen ließe. Vielmehr geht es darum, die Gläubigen im Empfang von Taufe und Abendmahl nicht nur des göttlichen Zuspruchs zu vergewissern, sondern ihnen auch die Ernsthaftigkeit des göttlichen Anspruchs bewusst zu machen. Gemeinsam können Baptisten und Lutheraner feststellen, dass das Heil Gottes allen Menschen gilt. Er hat sich in freier Selbstbestimmung an seine Heilszusage gebunden und handelt gerade dadurch sowohl souverän als auch verlässlich.

6. Rückschau, Ausblick und Folgerungen

Nach einem sechsjährigen Verlauf offizieller Lehrgespräche reichen wir uns als Vertreter der lutherischen und baptistischen Kirchen geschwisterlich die Hände. Mit dem vorläufigen Ab-schluss unserer Dialoggespräche stellen wir als Vertreter der beteiligten Kirchen fest, wie be-reichernd diese Gespräche waren, und sehen uns durch ein tieferes Verständnis für die spirituelle und theologische Verbundenheit unserer Kirchen beschenkt. Hinter uns liegt ein beachtlicher Weg, der neue Erkenntnisse und Einsichten zutage förderte, die sich in keinen Abschlussbericht fassen lassen, der doch gleichwohl davon zu zeugen hat. Manche Hintergründe, Zusammenhänge und Anliegen unserer jeweiligen kirchlichen Traditionen waren unseren Partnern bei Gesprächsbeginn unbekannt.

Umso froher stimmt uns die Erfahrung, dass die gelegentliche Fremdheit und Unkenntnis unserer theologischen Überzeugungen im Verlauf unseres sechsjährigen Gesprächsprozesses einem besseren wechselseitigen Verständnis und einer vertieften Wertschätzung gewichen sind, die einen konstruktiven Umgang mit Differenzen ermöglichen und fördern.
Unser Ziel bestand nicht darin, historisch gewachsene konfessionelle Identitäten zu nivellieren und sie damit um ihr Recht zu bringen. Vielmehr beabsichtigten wir, neben jenen sichtbaren Unterschieden, die sich bei näherer Betrachtung als verwandt, ähnlich oder zumindest vergleich-bar beschreiben lassen, auch jene Differenzen zu benennen, die zwischen unseren konfessio-nellen Traditionen verbleiben. Gleichwohl war es unser Anliegen, den kirchentrennenden Charakter dieser Differenzen zu überprüfen.

Dies geschah in der Gewissheit, dass wir trotz unterschiedlicher Erkenntnisse im Einzelnen am selben Evangelium von Jesus Christus partizi-pieren, das uns unter der gnädigen Herrschaft Gottes zum Leib Christi zusammenschließt (1 Kor 12,4-6; Mk 3,24). Es war uns von Beginn an bewusst, dass die gewichtigsten Differenzen zwischen unseren Kirchen in der Frage des Taufverständnisses und der ihr folgenden Taufpraxis zu suchen sind. Gleichwohl haben wir unsere Lehrgespräche nicht nur auf die Taufthematik fokussiert oder mit der Diskussion um ihre unterschiedlichen Deutungshorizonte und konfessionellen Einbettungen begonnen, sondern diese auf eine breitere theologische Grundlage gestellt: Ausgehend vom reformatorischen Verständnis der Rechtfertigungslehre und von den ekklesiologischen Grundanliegen beider Traditionen haben wir uns bemüht, jene Ursachen zu identifizieren, die für die kontroversen Taufauffassungen verantwortlich sind.

Auf diesem Weg haben wir in zentralen Glaubensfragen unerwartet große Übereinstimmungen entdeckt. Wir sind davon überzeugt, mit diesem Dokument einen für beide Seiten gangbaren Weg aus den Dilemmata der unsere Traditionen so belastenden unterschiedlichen Taufverständnisse aufzu-zeigen, der über bisherige Ergebnisse von Dialogdokumenten beider Seiten hinausweist.

Dies gilt auch für die Ergebnisse des 2004 abgeschlossenen Dialogs zwischen der Europäisch Baptistischen Föderation (EBF) und der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), die in dem Dokument „Der Anfang des christlichen Lebens und das Wesen der Kirche“ ihren Niederschlag gefunden haben und eine wichtige Wegmarke unserer Überlegungen darstellten.17 Wir haben die Ergebnisse und Anregungen dieses Dialogs aufgegriffen und im Kontext unserer Kirchen bedacht. Dabei sind wir aufgrund des theologisch breit angelegten Ge-sprächs und des gewählten hermeneutischen Ansatzes einerseits sowie des überschaubaren natio-nalen Kontextes andererseits über die dort festgehaltenen Engführungen und das Festhalten vermeintlich unvereinbarer Positionen hinausgelangt.

Dies betrifft insbesondere die Frage nach dem Verständnis und der Praxis der Taufe, für welche die Gespräche zwischen EBF und GEKE18 aufgrund des heterogenen europäischen Kontexts noch keine Lösung bereithielt.
Die baptistischen Vertreter haben dabei deutlich gemacht, dass die baptistische Identität wesent-lich am Verständnis der Gläubigentaufe hängt, wonach die Taufe dem Glauben folgt und diesen auslegt. Aufgrund ihrer Schrifterkenntnis bestehen Baptistinnen darauf, nur Menschen zu taufen, die zum Glauben an Jesus Christus gelangt sind. Keineswegs jedoch gehört es zum Kernstück baptistischer Identität, über das Getauftsein anderer Christinnen und Christen oder über die Gül-tigkeit der Taufpraktiken anderer Kirchen zu urteilen, die sich ihrer Erkenntnis des Evangeliums verpflichtet wissen.

Für die Wahrung der baptistischen Identität und die Begründung der Gläubigentaufe ist eine „nachgeholte“ Gläubigentaufe nicht zwingend erforderlich. Die baptisti-sche Praxis, ausschließlich gläubig gewordene Menschen zu taufen, stellt daher kein Hindernis für eine vertiefte Zusammenarbeit unserer Kirchen oder eine Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft dar, sofern die Säuglingstaufe nicht als prinzipiell ungültig betrachtet und seitens der Baptisten nicht auf einer nachgeholten Gläubigentaufe als Voraussetzung für eine Mitgliedschaft in baptisti-
17 Vgl. Anm. 13. 18 Vgl. ebd.

schen Gemeinden bestanden wird. Eine „Übertrittstaufe“ widerspricht nach Meinung beider Delegationen dem Evangelium von der gnädigen Annahme des sündigen Menschen durch den dreieinen Gott und kann dahingehend missverstanden werden, die Taufe zu einem Werk des Gesetzes zu machen. Die Taufe ist in ihrer theologischen Dimension wesentlich als Heilszusage Gottes zu beschreiben und ist deshalb mehr als ein bloßer „Gehorsamsschritt“ des Menschen. Darin besteht nach sorgfältiger theologischer Prüfung volles Einvernehmen zwischen beiden Delegationen.
Die Vertreter der lutherischen Delegation haben andererseits deutlich gemacht, dass die Zusam-mengehörigkeit von Glaube und Taufe für sie in gleicher Weise wie für die baptistische Seite unabdingbar ist.

Vom Rahmen der lutherischen Rechtfertigungslehre aus betrachtet ist die Taufe Unmündiger präziser Ausdruck des Evangeliums von der voraussetzungslosen Gnade Gottes. Für die baptistische Akzeptanz dieses Zusammenhangs war die Erkenntnis hilfreich, dass die Annahme des Evangeliums nicht nur einen einmaligen Vorgang darstellt, der punktuell und damit isoliert für sich zu betrachten wäre, sondern im Rahmen der biografischen Einbettung eines Glaubenslebens und daher in seinem Prozesscharakter verstanden werden muss.19 Es ist unser Wunsch, die zutiefst befriedigende und beglückende Erfahrung der Überwindung von bisher als kirchentrennend geltenden Auffassungen mit anderen Christen zu teilen, ohne damit die historisch gewachsenen konfessionellen Identitäten und ihr – freilich immer nur begrenztes – Recht in Frage zu stellen.

Wir legen das Ergebnis unserer Überlegungen mit den gefundenen Konvergenzen unseren Kirchenleitungen, unseren Gemeinden und der ökumenischen Öffentlichkeit mit der Bitte vor, die Ergebnisse sorgfältig zu prüfen, im Namen Jesu Christi aufeinander zuzugehen und die Gemeinsamkeiten konkret zu gestalten, „damit sie alle eins seien, wie du, Vater, in mir und ich in dir, dass auch sie in uns eins seien, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). München, den 20. April 2009

Kirchenrat Ivo Huber (Vorsitz) Prof. Dr. Kim Strübind (Vorsitz) Prof. Dr. Jörg Frey Mag. theol. Peter-Johannes Athmann Kirchenrat Dr. Hartmut Hövelmann Pastor Wolf Bruske Oberkirchenrat Michael Martin Pastor Dr. Matthias Walter Dr. Miriam Rose Prof. Dr. Andrea Strübind

19 Die Einbeziehung vielfältiger biografischer Erfahrungen in menschliche Glaubenserfahrungen und -entscheidungen wird zudem modernen Erkenntnissen der Erinnerungs- und Kognitionsforschung besser gerecht als die segmentierte Auffassung einer singulären Bekehrungserfahrung, die den jeweiligen sozialen biografischen Konnex unberücksichtigt lässt.


Inhalt

1. Einleitung ................................................................................................................................................................................... 2
2. Die Hermeneutik des baptistisch-lutherischen Dialogs.......................................................................................................... 3
2.1 Die Grundlage des Dialogs ....................................................................................................................................................... 3
2.2 Die Methode des Dialogs .......................................................................................................................................................... 3
2.3 Die normativen Instanzen des Dialogs ................................................................................................................................... 4
2.4 Die Rezeption bisheriger Dialoge im Rahmen des gegenwärtigen Dialogs ...................................................................... 5
3. Rechtfertigung und Nachfolge ................................................................................................................................................... 6
3.1 Der sündige Mensch .................................................................................................................................................................. 6
3.2 Der gerechtfertigte Mensch ...................................................................................................................................................... 6
3.3 Zur Verhältnisbestimmung von Rechtfertigung und Nachfolge ....................................................................................... 7
3.4 Konsens in der Rechtfertigungslehre ...................................................................................................................................... 8
4. Die Kirche ..................................................................................................................................................................................... 9
4.1 Kriterium und Norm der Lehre von der Kirche .................................................................................................................... 9
4.2 Der Grund der Kirche ............................................................................................................................................................... 9
4.3 Wesen und Sendung der Kirche ............................................................................................................................................ 10
4.4 Die Gestalt der Kirche ............................................................................................................................................................ 11
4.4.1 Das Verhältnis der Gemeinde zu überregionalen Strukturen ........................................................................................ 11
4.4.2 Gegenseitige Anerkennung von Ämtern und Diensten ................................................................................................ 12
5. Taufe und Abendmahl ............................................................................................................................................................... 13
5.1. Die Taufe ................................................................................................................................................................................. 13
5.1.1 Vorüberlegungen ................................................................................................................................................................. 13
5.1.2 Annäherungen an ein gemeinsames Verständnis der Taufe .......................................................................................... 13
5.1.3 Gegenseitige Anfragen an Lehre und Praxis der Taufe .................................................................................................. 14
5.1.4 Auf dem Weg zu einem Grundkonsens in der Tauffrage .............................................................................................. 16
5.1.5 Die kirchliche Praxis im Licht des Grundkonsenses ....................................................................................................... 18
5.2 Das Abendmahl ........................................................................................................................................................................ 19
5.2.1 Das baptistische Abendmahlsverständnis ......................................................................................................................... 19
5.2.2 Das lutherische Abendmahlsverständnis ........................................................................................................................... 20
5.2.3 Konsens in der Abendmahlslehre ...................................................................................................................................... 21
5.3 Taufe und Abendmahl als wirksame Zeichen ...................................................................................................................... 22
6. Rückschau, Ausblick und Folgerungen .................................................................................................................................. 23
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"Wir sind und bleiben Baptisten"






Präsidium erneuert Aufforderung zum Gespräch über das Konvergenzdokument

Elstal – Das Präsidium des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden
(BEFG) hat die Gemeinden erneut dazu aufgerufen, sich intensiv mit dem Konvergenzdokument "Voneinander lernen – miteinander glauben" der Bayrischen Lutherisch-Baptistischen Arbeitsgruppe zu befassen. Allerdings solle man dabei nicht nur die provokanten Aussagen zur Taufe im Blick haben. Das Papier war im April von der Arbeitsgruppe offiziell in München den beiden Kirchenleitungen übergeben und auf der BEFG-Bundesratstagung im Mai in Hamburg vorgestellt worden. Es will "eine Verständigung über die volle gegenseitige Anerkennung als Kirchen und die Möglichkeit einer
Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft" erreichen. Wie BEFG-Präsident Hartmut Riemenschneider dazu im neuesten Bundesbrief der Freikirche schreibt, sei in jeder Generation neu zu prüfen, wie sich Christen unterschiedlicher Konfessionen "einander näher kommen können". Wörtlich hält er fest: "Der Wunsch Jesu, dass ‚sie alle eins seien’ und dass man uns an der Liebe erkennen soll, ist kein Luxusprogramm, sondern hilft unserem Zeugnis in der Welt." Jesus Gebet um die Einheit "nehmen wir genauso so ernst wie unsere Erkenntnis, dass die Gläubigentaufe die einzig biblisch bezeugte Taufe ist."

Das Konvergenzdokument ist vor allem wegen seiner Aussagen über die Taufe umstritten. Die Arbeitsgruppe hatte behauptet, dass ihr in der Frage des Taufverständnisses ein Durchbruch gelungen sei. Obwohl in bisherigen Dialogen die Differenzen zwischen Lutheranern und Baptisten als unüberbrückbar erschienen, war die Arbeitsgruppe zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen: "Baptisten und Lutheraner können beide Taufverständnisse als unterschiedliche, jedoch legitime Auslegungen des einen Evangeliums anerkennen." Im Namen des Präsidiums begrüßt Riemenschneider den Weg der Arbeitsgruppe, "mehr Verständnis für die Positionen anderer zu finden. Er hilft, aus Sackgassen heraus zu kommen". Allerdings weist Riemenschneider auch darauf hin - wie es das Präsidium bereits in früheren Erklärungen ebenfalls getan hatte -, dass mit der Veröffentlichung der Konvergenzerklärung und der Gesprächsempfehlung an die Gemeinden keine Annahme verbunden sei. "Um einen Weg zueinander und miteinander zu finden, ist es nicht notwendig, eigene Positionen aufzugeben", schreibt Riemenschneider weiter.

Er begrüßt es, dass es aus den Gemeinden bereits viele Rückmeldungen gegeben habe: "Die thematische Auseinandersetzung kann unser Profil schärfen und uns zu einer intensiveren Beschäftigung mit der Bibel anregen." Unterdessen hat das Präsidium Abstand von dem Vorhaben genommen, eine umfangreiche Handreichung zu dem Papier zu veröffentlichen: "Die Reaktionen zeigen, dass sich Zugänge auch ohne Anleitung relativ leicht finden lassen." Deshalb habe man sich auf eine kurze "Gesprächshilfe" verständigt. Darin gibt es zahlreiche Hintergrundinformationen zum lutherisch-baptistischen Dialog wie auch Anregungen zum Gespräch. Es gelte, sich dabei nicht nur auf das Thema Taufe zu konzentrieren, sondern auch auf die im Papier angesprochenen anderen Themen wie "Rechtfertigung und Nachfolge", "Die Kirche" sowie "Taufe und Abendmahl". Riemenschneider zeigt sich zuversichtlich über das Ergebnis solcher Gespräche: "Die Beschäftigung mit diesen Themen klärt und schärft unser Profil als Bibelbewegung." Dabei gehe es nicht um Anpassung, "sondern darum, unterschiedliche Auffassungen gegenseitig wahrzunehmen und sie auch so im Gegensatz zueinander stehen zu lassen." Der Präsident weist zudem Ängste gegenüber solchen Gesprächen zurück. Einige Reaktionen hätten nahegelegt, dass schon die Aufforderung zum Gespräch eine Zumutung sei. Riemenschneider sieht das anderes: "Wir sind und bleiben Baptisten."

Klaus Rösler
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Kontroverse in der größten deutschen Freikirche






Baptisten-Präsident Hartmut Riemenschneider: Die Gemeinden sollen sich intensiv mit dem Konvergenzdokument befassen.

Berlin/Kassel (idea)



– In der größten deutschen Freikirche, dem Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten- und Brüdergemeinden/BEFG), gibt es Streit: Stein des Anstoßes ist das Konvergenzpapier „Voneinander lernen – miteinander glauben“, das eine bayrische lutherisch-baptistische Arbeitsgruppe in sechsjährigen theologischen Gesprächen erarbeitet hat.

Das Papier war im April den Leitungen der Freikirche und der bayerischen Landeskirche übergeben worden. Jetzt haben vier ehemalige Bundesdirektoren, 15 Pastoren und vier leitende Mitarbeiter in einem Offenen Brief scharfe Kritik an der Erklärung geübt. Das Schreiben wurde von der in Kassel erscheinenden Zeitschrift „Die Gemeinde“ veröffentlicht.

Ist die Kindertaufe evangeliumsgemäß?

Das Konvergenzdokument, das auf der BEFG-Bundesratstagung im Mai in Hamburg vorgestellt und vom BEFG-Präsidium zur Lektüre empfohlen worden war, will „eine Verständigung über die volle gegenseitige Anerkennung als Kirchen und die Möglichkeit einer Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft“ erreichen. Das Dokument ist vor allem wegen seiner Aussagen zur Taufe umstritten. Baptisten lehnen die Säuglingstaufe, die in der Landeskirche üblich ist, als unbiblisch ab und praktizieren nur die Glaubenstaufe. Die Arbeitsgruppe hatte behauptet, einen Durchbruch beim Taufverständnis erzielt zu haben. Obwohl in dieser Frage in bisherigen Dialogen die Differenzen zwischen Lutheranern und Baptisten als unüberbrückbar erschienen, war die Arbeitsgruppe zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen: „Baptisten und Lutheraner können beide Taufverständnisse als unterschiedliche, jedoch legitime Auslegungen des einen Evangeliums anerkennen.“

Ex-Bundesdirektoren: Gemeinden übergangen

Die Unterzeichner des Offenen Briefes, darunter die ehemaligen Bundesdirektoren Manfred Otto (Bad Homburg), Gerd Rudzio (Oldenburg), Eckhard Schaefer (Bremen) und Manfred Sult (Berlin), sind anderer Ansicht: „Die Gruppe war für Leben und Lehre in unserem Gemeindebund nicht repräsentativ.“ Die von den Gemeinden der Freikirche in Ost und West gemeinsam erarbeitete und 1977 beschlossene „Rechenschaft vom Glauben“ und die darin formulierte biblische Begründung der Glaubenstaufe sei nicht beachtet worden. In diesem Glaubensbekenntnis wird die „Taufe mündiger Menschen“ als „einzige Form der Taufe“ bezeichnet, die das Neue Testament kenne. Nach Ansicht der vier früheren Bundesdirektoren ist es „nicht hinnehmbar“, dass die fünf baptistischen Verfasser des Konvergenzdokumentes für sich in Anspruch nähmen, für alle Baptisten zu sprechen. Die Veröffentlichung des Papiers sei zudem „übereilt“; die Gemeinden seien übergangen und missachtet worden. Kritik üben die Unterzeichner des Offenen Briefes auch an dem „gänzlich undifferenzierten“ Sakramentsverständnis, das im Konvergenzpapier auch von der baptistischen Seite übernommen worden sei. Es sei ein folgenschwerer Grundirrtum aller Staats- und Volkskirchen gewesen, kleinen Kindern ein „Sakrament der Taufe“ aufzunötigen.

„Wir sind und bleiben Baptisten“

Unterdessen hat das Präsidium der Freikirche die bisherige Vorgehensweise verteidigt und die Gemeinden erneut dazu aufgerufen, sich intensiv mit dem Konvergenzdokument zu befassen. Allerdings solle man dabei nicht nur die provokanten Aussagen zur Taufe im Blick haben, schreibt Präsident Hartmut Riemenschneider (Marl) im Bundesbrief der Freikirche. In jeder Generation sei neu zu prüfen, wie sich Christen unterschiedlicher Konfessionen „einander näher kommen können“. Riemenschneider: „Der Wunsch Jesu, dass ‚sie alle eins seien’ und dass man uns an der Liebe erkennen soll, ist kein Luxusprogramm, sondern hilft unserem Zeugnis in der Welt.“ Jesu Gebet um die Einheit nehme man genauso ernst „wie unsere Erkenntnis, dass die Gläubigentaufe die einzig biblisch bezeugte Taufe ist“. Riemenschneider begrüßt den Weg der Arbeitsgruppe, mehr Verständnis für die Positionen anderer zu finden. Mit der Veröffentlichung der Konvergenzerklärung und der Gesprächsempfehlung sei keine Annahme verbunden. Riemenschneider: „Die Beschäftigung mit diesen Themen klärt und schärft unser Profil als Bibelbewegung.“ Ängste vor Identitätsverlust weist er zurück: „Wir sind und bleiben Baptisten.“

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