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Ein Mord mit theologischen Konsequenzen


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Rolf

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Ein Mord mit theologischen Konsequenzen






K n u t b y, S c h w e d e n :



Pastor einer Pfingstgemeinde wegen Anstiftung zum Mord verhaftet



Die Berichte lesen sich wie ein Kriminalroman. Geliehenes Auto, vermummtes Gesicht, in der Hand einen
Revolver mit Schalldämpfer. Tiefste Nacht, alles schläft, die Türen sind verriegelt, doch das Versteck der Haustürschlüssel für den Notfall ist bekannt. Drei Schüsse im ersten Schlafzimmer, in den Kopf und Unterleib einer jungen Frau. Im Nachbarhaus ist das Schlafzimmer verschlossen, doch die Tür wird auf Klopfen hin geöffnet.

Erneute Schüsse, diesmal trifft es einen jungen Mann. Die Polizei, die wenig später zum Tatort kommt,
findet die Abdrücke kleiner Fußspuren, eine Tote, einen Schwerverletzten sowie zwei Kinder, die scheinbar unter dem Einfluß von Schlafmitteln stehen. Das Ganze spielt sich ab in einem verschlafenen schwedischen Provinznest mit 1400 Einwohnern, von denen ungewöhnlich viele zur örtlichen Pfingstgemeinde gehören.

Was sich anhört wie eine kurze Inhaltsangabe eines neuen Krimis, ist leider keine Fiktion, sondern bittere
Wahrheit. Die Ereignisse des 10. Januar 2004 in Knutby, einem Dorf in der schwedischen Provinz Uppland, haben die gesamte Christenheit Schwedens durchgeschüttelt. Der christliche Glaube im allgemeinen und die Pfingstbewegung im besonderen waren wohl noch nie so häufig auf den Hauptseiten säkularer Blätter und Webseiten anzutreffen wie in den vergangenen Wochen. Ganz Schweden will wissen, was es mit dieser Pfingstbewegung auf sich hat und wie gefährlich sie ist.

Sowohl Opfer als auch mutmaßliche Täter gehören zur lokalen Filadelfia-Pfingstgemeinde: die Tote war Ehefrau eines leitenden Pastors und Schwester einer einflussreichen Frau aus der Gemeinde, der Schwerverletzte auch Gemeindemitglied und Ehemann einer jungen Frau, deren Bruder ebenfalls Pastor
der Gemeinde ist. Kurz nach der Tat verhaftet die Polizei das 26jährige, ehemalige Kindermädchen der
Pastorenfamilie, bis vor kurzem ein Mitglied von Filadelfia – sie mußte wegen körperlicher Mißhandlung der
jetzt Ermordeten die Gemeinde verlassen. Ungereimtheiten bei Verhören und Indizien (wie kommt eine junge Frau aus freikirchlichem Milieu an einen Revolver vom Kaliber 38?) führen zu weiteren Verhaftungen.

Der Ehemann des Mordopfers, leitender Pastor und gebürtiger Norweger, wird wegen Anstiftung zum Mord verhaftet, ebenso die Frau des schwerverletzten Mannes. Bereits die erste Ehefrau des verhafteten
Geistlichen war vor wenigen Jahren bei einem mysteriösen Unfall im eigenen Badezimmer ums Leben
gekommen.

Alles klar, mag man denken. Eine dramatische Liebesgeschichte. Daß sie sich in pfingstkirchlichen Kreisen abgespielt hat, ist tragisch. Sehr sogar. Doch Heilige sind auch nur begnadete Sünder. Siehe David und Bathseba. Weshalb der ganze Aufruhr um Theologie und Selbstverständnis der Pfingstbewegung?

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen geriet das Bild einer Gemeinde in die Öffentlichkeit, die innerhalb
weniger Jahre eine grundlegende Verwandlung von einer gewöhnlichen Pfingstgemeinde zu einer sektenähnlichen Gemeinschaft vollzogen hatte. Einer Gemeinde, die mehrfach negativaufgefallen war. Die funktionierende Zusammenarbeit mit der lutherischen Kirche war eingestellt worden. Eine Mitarbeiterin der staatlichen Schule von Knutby hatte die Schule beim Schulamt angezeigt, weil Lehrkräfte und Mitarbeiter, die zu Filadelfia gehörten, Kinder geschlagen und auf verbotene Weise bestraft hatten. Eltern, Verwandte
und Freunde vonsich beklagt, daß ihre Angehörigen bzw. Freunde keinen normalen Kontakt mehr zu ihnen pflegten, seitdem sie Filadelfia beigetreten waren. Ehemalige Mitglieder und Aussteiger der Gemeinde hatten berichtet, daß die Gemeindeleitung ihr ganzes persönliches Leben kontrolliert hatte: vom Inhalt
der Musik-CD-Sammlung über den Kleiderschrank bis hin zu der Frage, wer wen heiraten sollte. All das war
bereits vor der Mordnacht bekannt. Vater und Herkunftsgemeinde des verhafteten Kindermädchens hatten eine rapide Persönlichkeitsveränderung der jungen Frau festgestellt, seitdem diese sich Filadelfia angeschlossen hatte. Auch Mitgliedern der Pfingstgemeinde, in welcher der verhaftete Pastor zuvor gedient hatte, war nach dessen Wechsel nach Knutby eine Veränderung seiner Persönlichkeit aufgefallen. Und doch schritt niemand ein. Wurde es nur als ärgerliches aber belangloses Gemeindeproblem angesehen?

Die Ereignisse von Knutby stellen die gesamte schwedische Christenheit – und nicht nur sie – vor einige wichtige Fragen. Wo fängt die Autonomie einer christlichen Gemeinde an, und wo hört sie auf? Die Pfingstgemeinden in Schweden sind alle selbständig organisiert, es gibt keine einheitliche Leitung, wohl
aber ein gemeinsames Forum, ähnlich dem Forum Freikirchlicher Pfingstgemeinden in Deutschland. Bisher war die schwedische Pfingstbewegung stolz auf ihr unabhängiges System, das dazu führt, daß sie auch nicht als Ganzes beim Staat als reli Gemeindemitgliedern hatten giöse Glaubensgemeinschaft registriert ist. Doch bei wem liegt die Verantwortung, wenn sich eine Gemeinde plötzlich zu einer Sekte zu entwickeln beginnt? Wer kann und soll einschreiten?

Noch heißer diskutiert wird momentan die Frage, wie stark eine Gemeindeleitung sein darf und ob die
sogenannte „starke apostolische Leiterschaft“ eine Irrlehre ist oder nicht. Die Gemeindeleitung in Knutby zeichnet sich durch ein starkes Leitungsbewusstsein aus. Sie bestimmte, wo es lang ging,sie stellte die Regeln und Gesetze für richtiges Christentum auf. Mitgliedern, die es wagten, Widersprüche anzumelden, wurde gesagt, daß sie den Teufel in ihrem Leben zuließen. Die Gemeindeleitung konnte sich nicht irren. Da die Lehre von einer starken apostolischen Leiterschaft vor allem in charismatischen Kreisen vertreten wird, haben die Ereignisse rund um das Mordgeschehen auch zu einer Spannung zwischen Pfingstlern und
Charismatikern geführt. In pfingstlichen Kreisen werden Rufe laut, daß man sich von charismatischenBewegungen wie der „Trosrörelse“ (Glaubensbewegung) und „Livets ord“ (Das Wort des
Lebens) eindeutig distanzieren soll. Von charismatischer Seite wird betont, daß man die Ereignisse von Knutby zwar verurteile, nichtsdestotrotz aber eine starke apostolische Leiterschaft der biblische Weg für Gemeindeleitung sei.

Ein dritter Punkt öffentlicher Diskussion ist das Frauenbild, das von der Gemeinde in Knutby vertreten wird. Frauen sind geschaffen worden, um Männer zu vervollständigen, und sie haben sich auf jeden Fall Männern unterzuordnen und z.B. auf alle sexuellen Wünsche ihrer Ehemänner einzugehen (sofern
diese den Regeln der Gemeinde entsprechen) – unabhängig von ihrem eigenen Wohlbefinden und Wünschen. Einhelliger als die anderen umstrittenen Punkte wird diese Sichtweise von der schwedischen Christenheit als unbiblisch verurteilt, und selbst solche Christen, die sonst jegliche Art von Feminismus für verwerflich halten, empfinden die Sichtweise der Filadelfiagemeinde von Knutby als überzogen. Ebenso einhellig wird die eigenartige Lehre der Gemeinde, bei der Braut Christi handle es sich nicht um die Gemeinde Jesu, sondern um eine physische Person,als Irrlehre verworfen.


Der Mord von Knutby wird seine Folgen haben. Mehr als zuvor vielleicht ist der Christenheit bewußt geworden, wie wichtig es ist, theologische Lehrfragen genau unter die Lupe zu nehmen. Es ist so leicht, mit Hilfe einiger losgerückter Bibelstellen theologische Lehrsätze aufzustellen. Für viele Menschen, die es nicht gelernt haben, selbständig und kritisch zu denken, und die obendrein oftmals weder die Ursprachen der Bibel kennen noch etwas von Bibelauslegung verstehen, ist es manchmal fast unmöglich zu entscheiden,
was richtig ist. Deswegen glauben und folgen viele blindlings ihren Leitern.

Ich persönlich erhoffe und wünsche mir, daß das warnende Beispiel von Filadelfia Knutby uns alle aufrüttelt. Uns klarmacht, daß wir – ein jeder persönlich – eine Verantwortung haben für das, was wir glauben und lehren. Das Wort Gottes ist kein Rezeptbuch, aus dem wir Bibelverse herausnehmen und uns
angenehme Lehrgebäude zusammenstellen können. Es will als Ganzes verstanden und sorgfältig übersetzt und ausgelegt werden. Und Jesus hat nie jemanden einer Gehirnwäsche unterzogen oder unter Druck gesetzt. Auch nicht mit frommen Worten, die bei uns so oft den Anschein besonderer Geistlichkeit
vermitteln wollen. Jesus ist gekommen, um uns frei zu machen. Die Theologie von Knutby, die es unter anderen Namen auch bei uns in Deutschland gibt, ist nicht sein Werk. Jesus hat vor den Wölfen im Schafspelz gewarnt. Erkennen wir die Wölfe in unserem Leben oder – falls vorhanden – in unseren Gemeinden?


– Heike Frank


P.S.: Zwischenzeitlich wurde der Gemeinde in Knutby angeboten, daß ein bezahlter Pfingstpastor von außerhalb die Leitung der Gemeinde übernimmt, mindestens solange, wie in der ganzen Mordgeschichte ermittelt wird. Die Gemeinde sollte sich das überlegen. Sie hat abgelehnt. Sie meinen, sie bräuchten keine
Hilfe von außen, die ihnen diktiert, wie sie weiterzumachen haben, und außerdem sei der verhaftete Pastor unschuldig.


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„Das Christliche Schweden hat Staatstrauer – eine Trauer, die man in mancher
Hinsicht mit der Trauer vergleichen kann, die mit den Trade
Center und Anna Lindh zusammenhing. Gibt es kluge christliche Leiter, die uns helfen
können, Gebete zu formulieren, Gebetstage auszurufen, die mit uns trauern,
die uns helfen, dieses Trauma zu verarbeiten?“

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