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Der Teufelskerl


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Rolf

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Der Teufelskerl





Von Ansbert Kneip



Wie ein Musiker bei Ebay sein Genie versteigern wollte.

Auf dem Wohnzimmertisch liegt seine CD, eingeschweißt in Plastikfolie, sein Erstlingswerk. "Stecken Sie sich eine ein", sagt Dante Knoxx, der Hausherr, er trägt einen sauberrasierten Backenbart und lebt in Bournemouth in Südengland. Sein Beruf: nun ja, Musiker. "Nehmen Sie ruhig zwei", sagt er, "wir haben genug."

Dante Knoxx: Bei Sofortkauf sollte die Seele 700.000 Pfund kosten
Dante Knoxx ist jetzt 24 Jahre alt. Viele Menschen wissen in diesem Alter schon sehr genau, wie ihr Leben aussehen soll, manche haben bereits Familie, andere suchen noch ihren Platz. Dante gehört zu den anderen. Seine Erwartung ans Leben ist etwa diese: Er wäre gern reich, er würde nur ungern arbeiten, und er fände es schön, wenn mehr Leute seine Musik mögen würden.

Das dürfte, alles in allem, nicht leicht werden. Aber Knoxx hat Pläne, Ideen, Projekte genug, und wenn mal etwas nicht funktioniert, dann ist Knoxx nicht derjenige, der seine Seele mit Selbstzweifeln quält. Ein Optimist eben.

Seine Musik beispielsweise: Bisher hat Knoxx noch keinen Plattenvertrag unterschreiben können, nirgendwo kann man seine Musik kaufen. Irgendwann dachte er, im Internet, dem größten Marktplatz der Welt, müsse vielleicht etwas gehen - aber nicht mal der Online-Vertrieb brachte ihm Hörer. Egal.

"Ich kann ja kein Instrument spielen", sagt Dante Knoxx. Für jeden anderen Musiker wäre das natürlich ein echtes Handicap. Aber er sagt, er sehe sich im Grunde weniger als Musiker im herkömmlichen Sinne, also als einen Schöpfer von Melodien beispielsweise. Eigentlich sei er mehr ein Klangkünstler. Es müsse nur noch jemand merken.

Für "Textured Sound", das Debütalbum, hat Knoxx Alltagsgeräusche aufgenommen, am Computer verfremdet und gemixt: ein klackernder Tischtennisball, Vogelgeschrei, Schritte, Stimmen, ein Stuhl, der über den Boden geschoben wird. Knoxx findet das großartig, die ganze Welt, sagt er, stecke voller Sounds. Er zeigt rüber in die Kochnische: "Allein aus der Küche könnte ich hundert Songs machen."

Als CD ist so etwas praktisch unverkäuflich: Wer will schon ein Lied auflegen, das so klingt, als wären Einbrecher im Haus?

Die Karriere des Dante Knoxx steht noch am Anfang, mehr als einen Künstlernamen hat er nicht vorzuweisen. Anfang dieses Jahres hieß er noch Oliver und wollte Snowboard-Lehrer werden. Dante Knoxx, dachte er, so heißen Snowboarder, und weil in England jeder seinen Namen einfach ändern kann, hat er sich umbenannt. Das mit dem Lehrer klappte nicht, der Name blieb.

In Bournemouth, sagt er, gebe es einfach keine passenden Jobs für kreative Leute wie ihn. Für normale Acht-Stunden-Jobs fühlt er sich nicht geschaffen. Deshalb begann er, größer zu denken. Ihm fiel ein, dass vor ein paar Jahren mal jemand im Internet reich geworden war, weil er eine Million einzelne Pixel auf seiner Web-Seite verkauft hatte, das Stück zu einem Dollar. Das war originell und funktionierte - allerdings nur ein einziges Mal. Dante brauchte auch etwas Originelles.

Mitte Dezember loggt er sich ein bei Ebay, der größten Auktionsplattform der Welt, und tippt ein Verkaufsangebot: "Seele zu verkaufen", schreibt er, "Zustand: gebraucht." Der Käufer der Seele erhalte eine schriftliche Bestätigung, außerdem verpflichte sich Dante Knoxx, zehn Prozent der Einkünfte aus seiner Musik abzugeben, jährlich drei Bäume zu pflanzen sowie einen jährlichen Report über seinen Seelenzustand zu verfassen. Startgebot: 25.000 Pfund, rund 27.000 Euro. Bei Sofortkauf sollte die Seele 700.000 Pfund kosten.

Am nächsten Tag bekommt er Post. Mitglieder religiöser Gruppen schreiben, er könne seine Seele gar nicht verkaufen, die gehöre nämlich Gott.

Die Seele zu verkaufen ist ein beliebtes Motiv in der Kunst, im "Faust" und im "Freischütz" zum Beispiel wird mit dem Teufel gehandelt. Dante Knoxx weiß, dass er an ein Tabu rührt, aber intensiv beschäftigt hat er sich mit dem Thema nicht. "Homer Simpson hat seine Seele für einen Donut verkauft", sagt er, "aber das ist jetzt nicht Literatur, oder?"

Im "Faust" lohnt sich der Seelenverkauf noch einigermaßen. Mephisto nimmt Faust mit auf die Reise, er zeigt ihm Hexenküchen und führt ihm das Gretchen zu. Bei Ebay aber bringt der Seelenverkauf nichts.

Das Internet ist banal, längst nicht mehr zauberhaft. Die Idee, dass man dort alles verkaufen kann, kommt Dante zehn Jahre zu spät. Ebay löscht die Auktion kurz vor Schluss, ganz nach Vorschrift, einen Bieter gibt es da noch nicht.

Seelenverkauf verstößt gegen die Ebay-Bestimmungen, man darf im Internet nur Gegenständliches anbieten. Klügere Anbieter als Dante Knoxx versteigern Geister in Gläsern, da hat der Kunde etwas zum Anfassen. BBC Radio One kaufte mal ein Glas, in dem sich laut Werbung der Geist von George Harrison befand - "möglicherweise".

Die Seele von Dante Knoxx blieb unverkauft. Egal, sagt er. Und hat schon einen neuen Plan, das "Eine-Million-Songs-Projekt": Eine Million Bands sollen ihm je ein Pfund überweisen und dürfen dafür einen Song auf seine Web-Seite laden - so soll die größte Song-Sammlung der Welt entstehen.

Verglichen mit den anderen Projekten läuft es diesmal richtig gut. 16 Lieder hat er schon.


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