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Warum Du mir nicht glauben wirst


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Rolf

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Warum Du mir nicht glauben wirst



Wenn sich eine unmittelbare Gefahr unserem Auge schnell und drastisch nähert, dann verschließt es sich von ganz alleine. Wir nennen dieses Phänomen, das zweifelsfrei schon so manchen vor Schmerz und Schlimmerem bewahrt hat, Reflex. Es gibt auch so etwas wie einen geistigen/seelischen Reflex, der unseren Kopf vor realistischen aber durchaus schmerzhaften Gedanken schützt. Damit meine Argumente verstanden werden können ist es wichtig das geistige Auge krampfhaft offen zu lassen, um genau sehen zu können wovon ich spreche. Ich weiß ganz genau, im tiefsten Innern willst Du das hier nicht lesen. Vieleicht weißt Du es noch nicht aber Du wirst feststellen, daß dein Geist sich aus reinem Selbsterhaltungstrieb zur Wehr setzt, einfache und logische Zusammenhänge anzuerkennen. Wenn ich mit anderen Menschen über Unangenehmes spreche (wohlgemerkt über Dinge die Ihnen selbst extrem unangenehm sind) stelle ich fest, daß Argumente und Schlüsse fast sofort nach dem Gespräch bei meinem Gesprächspartner wieder vergessen wurden. Sie sind oft nicht in der Lage diese wiederzugeben, weil ihr Kopf sie sofort verdrängt hat. Du mußt sehr aufpassen, damit dir nicht dasselbe passiert. Wann immer Du ein Argument oder einen Anhaltspunkt akzeptierst, dann frage Dich. Tue ich dieses, weil mir die Konsequenz aus diesem Argument zusagt, oder weil das Argument das Schlüssigste und das Einsichtigste ist.

Im ersteren Fall hat Dir wahrscheinlich Dein Gehirn eine Schnippchen geschlagen. Die pure Logik ist allein in der Lage uns von unseren schmeichelnden Gemütsregungen unabhängig zu halten, die nur wollen das wir uns in der Realitätsferne wohl fühlen, weil dies in der Realität anscheinend nicht möglich ist. Beispiele für diese geschickte Verdrängungstaktik unseres Denkapparates sind weitreichend bekannt und erforscht. Man denke nur an Menschen, die in ihrer Kindheit sexuell mishandelt wurden und später keinerlei Erinnerung mehr daran zu haben scheinen. Trotzdem ist dieses Thema unangenehm für den Betroffenen. Irgendwo tief im Unterbewußtsein weiß die weiße Masse schon, welche Geheimnisse sie vor uns versteckt hält und sie läßt sich nur sehr ungern in die Karten gucken. Auch an mir persönlich konnte ich diesen Mechanismus beobachten. Ich habe 20 Jahre lang fest an etwas geglaubt, obwohl mir Tatsachen vorlagen, die keinen Raum zum Zweifel über dessen Unwahrheit ließen. Mein Gehirn hat mir dabei so manches fadenscheinige Argument aufgebauscht und so mansches gute Argument heruntergespielt. Wirklich sicher sein, das etwas wahr ist kann man deshalb wirklich nur, wenn einem diese Wahrheit im tiefsten Inneren unangenehm ist und bleibt und man sie dennoch als logisch und einsichtig erkennt.

Nur dann ist man vor den Finnessen der weißen Masse geschützt. Bei einem nahen Verwandten beobachte ich heute noch sehr interessiert mit wieviel Arbeit und Mühe ihn seine grauen Zellen glauben lassen, der erste Mensch habe 4000 vor Christi gelebt und ein gutes Jahrtausend später, sei die komplette Menschheit durch die Sintflut ausgelöscht worden. Trotz der Flut an Hinweisen von menschlichem Leben weit vor diesem Datum und der Ahnenreihen der Ägypter die, die Flut anscheinend unbeschadet überlebt haben müssen, ganz abgesehen von der paradoxen Vorstellung, daß sich die Bewohner des australischen Kontinents schwimmend zum afrikanischen begeben haben sollen, um sich dort von der Arche retten zu lassen, findet er immer wieder Ausreden und auch andere erfolgreiche Wahrheitsverdränger, die zu Ruhm gekommen sind und nette Bücher zu diesem Thema geschrieben haben. Ihre Zahl ist abnehmend, aber Ihre Zuhöhrer sind dankbar für jeden Grashalm, an dem sie sich festhalten können, denn nicht selten hängt die Rechtfertigung eines ganzen Lebens von den zerbrechlichen Feinheiten Ihres spezifischen Glaubens ab.

So auch bei meinem nahen Verwandten. Nicht nur, daß er sich eingestehen müsste, das er 25 Jahre lang Märchenerzählern aufgesessen ist und ihnen fleißig Zeit und Geld geopfert hat, er würde sich zudem noch damit abfinden müssen, das die Versprechungen seiner Glaubensgemeinschaft über das schöne Leben nach dem Tod, genauso ins Wanken gerät, wie seine Ehe, da seine Frau noch viel besser verdrängen kann als er und mit einem ungläubigen Mann wohl nicht zurecht käme. All dies bereitet Schmerz und Unbehagen genug, um die Gefühlspolizei des Oberstübchens auf den Plan zu rufen. Da werden Argumente als zu ungenau verhaftet, oder als nicht nachweisbar (da man sich auch nicht weiter informieren möchte) exekutiert. Andere logische Schlüsse werden vorsorglich in Gewahrsam genommen, wo sie auch bleiben, teilweise für Jahre, teilweise für immer. Irgendwann erinnert man sich dann noch daran und sagt sich: "Ich habe mich mal damit beschäftigt, aber irgendwie konnte ich das damals erklären." Und schwups beenden wir den routinemäßigen Besuch unserer Vollzugsanstalt.

Neben der automatischen Verdrängung der Dinge, die uns unangenehm erscheinen, ist noch eine weitere Unart des Geistes in der Lage uns dem Offensichtlichen zu verschliessen. Ich nenne es die Musketier Methode. "Einer für alle, alle für einen" Meine Gesprächspartner bedienen sich dieser Methode nur allzu gerne und ich bin sicher, daß auch Du ab und an darauf zurückgreifst, ohne es Dir bewußt zu machen. Die Methode funktioniert folgendermaßen. Wenn jemand eine Argumentation vor Dir aufbaut, die logisch und nachvollziehbar ist, aber gleichzeitig ein Stück von Deinem Glauben oder Selbstwertgefühl angreift, dann geht dies verständlicherweise nicht ganz ohne Emotionen ab. Du kommst zu dem Punkt, das Du das Gesagte im Grunde nicht akzeptieren willst und sei es auch noch so einleuchtend. Diese Stellung nimmst Du manchmal bewußt, aber sehr oft auch unbewußt ein. Die unbewußte Variante trifft immer häufiger zu, wenn Du mit Deiner Ansicht durch eine lange Gewöhnungsphase gegangen bist, sprich einen großen Teil Deines bisherigen Lebens in Frage stellen müßtest. Folglich nimmst Du eine geistige Trotzhaltung ein.

Da Du aber dem Gesprächspartner etwas entgegnen mußt und ihn natürlich auch widerlegen möchtest, wartest Du alle seine Argumente geduldig ab und wartest auf das eine Argument, (das übrigens meist völlig losgelöst und auch unwichtig für die Argumentationskette an sich ist) das etwas wacklig daherkommt. Vieleicht ist es ein Gimmik, eine Lebenserfahrung des Betreffenden, die natürlich subjektiv und ohne echten Beweis daherkommt. Findest Du solch ein angreifbares Argument gehen schwupps die Pferde mit Dir durch. Endlich meinst Du den Schwachpunkt der gesamten Argumentation erkannt zu haben, machst eine abfällige Bemerkung wie: "Das kann man so oder so sehen." oder "Woher soll ich wissen, daß..." und übersiehst dabei völlig, daß der Rest absolut schlüssig und (ganz wichtig) von diesem Teil des Gesagten unabhängig ist. Da es wichtig ist eine solche Situation zu erkennen kommen wir zu einem einfachen Beispiel. Herr Huber will seinen Hund mit nach England nehmen. An der Fähre klärt ihn jemand über die Bestimmung auf, das Tiere erst in Quarantäne müssen und erklärt ihm dies folgendermaßen. "Herr Huber, ihr Hund kann heute nicht mit nach England, er könnte irgendeine Krankheit haben, die es in England nicht gibt, z.B. Tollwut, deshalb gibt es ein Gesetz das besagt, daß Tiere erst für einige Wochen in Quarantäne müssen."

Um Herrn Huber , der sehr an seinem Hund hängt eine zusätzliche Stütze zu geben sagt man ihm noch folgendes.: "Außerdem, tun ihrem Hund ein paar Wochen in der Quarantäne sicher ganz gut. Die Tiere werden dort hervorragend versorgt und sehen sie mal Ihr Hund sieht wirklich nicht ganz gesund aus." Heidewitzka, Herr Huber, der von einer Quarantäne wirklich nichts hören will, hat natürlich nur die Dinge gehört, wegen denen er sich beleidigt fühlen kann und (viel wichtiger) die er entkräften kann. Seine Argumentation dafür, daß sein Hund sofort mit nach England kann lautet folgendermaßen.: "Eine Unverschämtheit anzudeuten ich würde meinen Hund nicht gut versorgen, er hat es immer gut bei mir gehabt und gesund ist er auch. Wir waren erst letzte Woche beim Tierarzt. Er ist halt nicht mehr der Jüngste. Der Arzt hat gesagt er wäre für sein Alter noch kerngesund. Sie haben wohl kein Auge für Tiere." Herr Huber ist jetzt fest davon überzeugt, die Argumentation seines Gegenüber zerschlagen zu haben. Irgendwie ist ihm entgangen, das Argument Nummer 1, die gesetzliche Bestimmung auch Gültigkeit hat, wenn sein Hund letzte Woche beim Arzt war und auch, wenn er nur deshalb etwas heruntergekommen aussieht, weil er schon sehr alt ist.

Herr Huber wird des weiteren jede noch so deutliche Begründung seines Gegenüber ignorieren, da sie von einem Mann stammt der die Situation seines Hundes derart falsch einschätzt und ja offensichtlich mit Vorurteilen gegenüber seinem Hund behaftet ist. Was ein wenig wie eine Satire wirkt ist dennoch, wenn auch oft schwerer zu erkennen fester Bestandteil der meisten Gespräche mit Parteien unterschiedlicher Meinung. Um sich für neue Erkenntnisse und Einsichten offen zu halten ist es deshalb von immenser Bedeutung, die wirklich wesentlichen Stützen einer Argumentation aus dem Text des Gesprächspartners herauszuseihen. Die Ausschmückungen mögen interessant oder dümmlich sein, das tut im allgemeinen nichts zur Sache. Die Entwicklung dieser Fähigkeit ist um so wichtiger, da es die Wahrheit (wenn es sie denn gibt) leider nirgendwo im Konzentrat, sondern immer vermengt mit allerlei Gefühlsduselei, sprachlichen Ungenauigkeiten etc. etc. gibt. Versuche im ersten Ansatz nie Deinen Gesprächspartner zu widerlegen, sondern erst ihn zu verstehen. Wenn Du ihn verstanden hast und das eigentliche Fundament seiner Argumentation anzugreifen in der Lage bist, dann bitte.


Übungen für einen lernunfähigen Geist.

Wenn wir einmal etwas gelernt haben, dann wollen wir diesen Fall gerne abschließen. Der geistige Aktenordner wird säuberlich an seinen Platz gestellt und ein Bibliothekar hält Wache, daß keine kleinen Jungs kommen und mit Ihren Stiften in den Büchern herumkritzeln. Ob man eine neue Information akzeptiert hängt nicht davon ab, ob das neue Unerwartete, das uns begegnet richtiger oder wahrer ist, als das, was wir zu kennen glauben, sondern davon in welcher allgemeinen Anerkennung der steht, der es gesagt hat, ob es geschrieben oder gejodelt wurde, in welcher Zeitung es gedruckt wurde oder ob der Gesprächspartner einem vorher geschmeichelt hat oder nicht. Einem freundlichen Vertreter glaubt man nunmal eher, daß der Staubsauger locker 10 Jahre überlebt, auch wenn die Garantie nur 6 Monate beträgt. Wir sehen also unser Bibliothekar ist durchaus korrupt. Das müssen wir ihm abgewöhnen.

Die Aussage: "Wer schmeichelt lügt." und "Wer einen guten Ruf hat kann auch viel Mist erzählen ohne das man es merkt." sind leider oft wahr und diese Erkenntnisse müssen wir in leuchtenden Buchstaben über unsere Bibliothek hängen, damit sie eine Wirkung erzielen. Dabei ist das Ziel selbstverständlich nicht, daß ich alles glaube was mir unfreundliche Menschen erzählen und nicht was mir freundliche erzählen. Das Ziel soll sein, daß man in der Lage ist, sich völlig unabhängig von derartigen Äußerlichkeiten zu halten. Da unser eingebauter Bibliothekar jedoch so seine Schwierigkeiten damit zu haben scheint ist es schon erlaubt stark überzogene Aussagen für die andere Seite zu benutzen, um das Bild wenigstens halbwegs gerade zu hängen. Getreu nach dem Motto: "Sage es überdeutlich, sonst brauchst Du es gar nicht zu sagen." Benutze dieses Motto aber bitte nicht um zukünftige Aussagen von mir abzuschwächen, sonst wäre ich gezwungen es überüberdeutlich zu sagen, was oft nicht ganz so einfach ist.

Fangen wir einmal damit an, wie Altgewohntes gepaart mit Emotionen, Deine Logik ganz schön auf den Leim schicken können. Ein Mann fährt Auto. Er hat einen leichten Faible für sportliche Töff-Töffs und hat es gerade sehr eilig, also erlaubt er sich in der Stadt mit 65 km/h anstatt den üblichen nur von Fahrschulautos gefahrenen 50 km/h zu fahren. Ein Polizist blitzt ihn und weil eine Schule in der Nähe war, gibt das 200 DM Geldstrafe. Manche mögen jetzt sagen die Strafe ist verdient, manche Vater Staat hat mal wieder abgezockt. So gut wie niemand ist der Meinung, der Mann habe viel zu wenig Bestrafung genossen. Überlege und stimme mir zu, bevor Du weiterliest.

Stell Dir jetzt exakt die gleiche Situation vor. Dem sportlich fahrenden Mann springt aus heiterem Himmel ein Schulkind, welches er vorher unmöglich sehen konnte elegant vor den Kühler. Peng, das Kind ist tot. Ein Leben ist von hier auf jetzt für immer ausgelöscht. Der Mann wußte das eine Schule in der Nähe war und das Kinder manchmal die Angewohnheit haben unbedacht die Fahrbahn zu betreten oder Geschwindigkeiten von Autos falsch einschätzen. All dies wird zusammen mit den verzweifelten Eltern des toten Kindes in einer Gerichtsverhandlung durchgesprochen und der Fahrer bekommt 5000 DM Geldstrafe und ein Jahr den Führerschein entzogen. Manche mögen jetzt sagen, die Strafe ist verdient, andere regen sich auf, welch lächerliche Strafe für jemanden der durch sein unverantwortliches Handeln das Leben eines Kindes auf dem Gewissen hat. So gut wie niemand ist der Meinung, der Mann habe die Strafe überhaupt nicht verdient und man hätte ihn nach Leistung einer kleinen Summe Geldes wegen zu schnellen fahrens laufen lassen sollen, ohne ihn mit Gerichtsverhandlungen und anderem Getöse zu belästigen.

Wir sind solche Entscheidungen gewöhnt und unser Mitleid mit dem auf der einen Seite abgezockten Autofahrer und auf der anderen Seite, den armen Eltern des toten Kindes, lassen uns beide Strafen als gerechtfertigt erscheinen. Tatsache bleibt jedoch. Beide Autofahrer haben sich exakt des selben Vergehens schuldig gemacht, nur mit unterschiedlichen Ergebnissen, die außerhalb seines Einflusses waren. Man hat Russisch-Roulette gespielt (zugegeben mit einer Riesentrommel) und einmal war die Kammer voll. Aufgrund von Gewohnheit und Emotionen sind wir unfähig eine Situation objektiv zu beurteilen. Es geht mir nicht darum zu sagen, das jeder der 65 km/h fährt ins Gefängnis gehöhrt oder niemand bestraft werden sollte, sondern nur darum, das der Mann in beiden Fällen gleich betraft werden müßte, um die Strafe als gerecht und gerechtfertigt zu bezeichnen.

Oliver Jörns

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