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Das fluchende Klassenzimmer


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Voodoo-Seminar





Das fluchende Klassenzimmer





Von Christina Horsten | ZEIT ONLINE 9.10.2008


An der neuseeländischen Massey Universität sorgt ein Seminar über Magie für Aufregung. Kritiker vermuten dahinter gar einen Versuch, einen religiösen Kult zu gründen


An der neuseeländischen Massey Universität sorgt ein Seminar über Magie für Aufregung. Kritiker vermuten dahinter gar einen Versuch, einen religiösen Kult zu gründen

Palmerston North ist ein kleines, ruhiges Städtchen auf Neuseelands Nordinsel, in dem eigentlich nicht viel passiert. Mitten in Palmy, wie die Einheimischen ihr Städtchen nennen, in einem Büro der Massey Universität, sitzt Dozentin Gina Salapata und wundert sich, wo plötzlich die ganze Aufregung herkommt. Seit sie mit zwei Kollegen zusammen das Seminar „Magic and Witchcraft“, zu Deutsch „Magie und Hexerei“, unterrichtet, steht ihr Telefon nicht mehr still. Zeitungen haben darüber berichtet, von allen Seiten wird Salapata angefeindet. „Wir hatten überhaupt keine Ahnung, dass wir mit dem Seminar so viel Aufmerksamkeit in den Medien bekommen und so eine große Kontroverse auslösen würden.“

Die aus Griechenland stammende Salapata lebt seit 14 Jahren in Neuseeland und ist Dozentin für Klassische Altertumswissenschaften an der Massey Universität. Sie bemüht sich immer, neue spannende Themen für Seminare zu finden. „Wir versuchen in den Altertumswissenschaften gerade wegzukommen von den traditionellen Themen und das Fachgebiet eher über neue, interessante Themen anzugehen, die mit Geschichte, Literatur und Kunst gleichermaßen zu tun haben. Ich habe beispielsweise schon ein Seminar über Liebe und Sexualität in der Antike abgehalten und ein Kollege eins über Krieg.“ Bei der Recherche stieß die 48-Jährige auf das Thema Magie. „Ich dachte, das könnte sehr spannend werden. Als mir dann auch noch eine Kollegin etwas über Magie bei den Maori, den Ureinwohnern Neuseelands, erzählte, war die Idee für das Seminar geboren.“

Das Seminar „Magic and Witchcraft“ können Teilzeitstudenten der Geschichte, Philosophie und Altertumswissenschaften seit diesem Jahr belegen. Es geht um Magie und Hexerei in Antike, Mittelalter und Früher Neuzeit, sowohl in Europa als auch bei den Maori in Neuseeland. „Während des Seminars beleuchten die Studenten den Glauben, die Werte, die Strukturen und die Spannungen innerhalb der betroffenen Gesellschaften“, heißt es im kommentierten Vorlesungsverzeichnis. Vier Module sind auf zwei Semester verteilt, die Teilnehmer schreiben zwei Essays und legen eine dreistündige Abschlussprüfung ab.

Ein Seminar wie jedes andere auch – hätte sich Gina Salapata nicht auch eine praktische Übung überlegt. Anstatt eines Essays durften die Studenten in ihrem Modul auch eine selbst gebastelte Voodoo-Puppe oder einen selbst verfassten Fluch abgeben. „Das war aber, anders als viele Zeitungen hier in Neuseeland geschrieben haben, optional“, sagt Salapata. „Außerdem ging es nicht darum, einfach irgendwie eine Voodoo-Puppe zu basteln oder sich einen Fluch auszudenken, sondern es ging um learning by doing. Anstatt dass die Studenten antike Flüche schriftlich analysieren, habe ich sie selbst einen entwerfen lassen. Das setzt voraus, dass sie die antiken Flüche und die Literatur dazu studiert haben.“

Doch gerade dieses learning by doing stieß auf scharfe Kritik in den neuseeländischen Medien. „Man muss sich wirklich fragen, ob dieser Kurs dazu beiträgt, gute Bürger zu erziehen, und ihnen Fähigkeiten beibringt, die sie später in ihrem Job benutzen können“, kritisierte beispielsweise der Chef von Neuseelands Wirtschaftslobbyverein BusinessNZ, Phil O’Reilly, in der Tageszeitung New Zealand Herald. Ein Blog zum Thema auf der Internetseite der Tageszeitung verzeichnete innerhalb weniger Wochen Hunderte Einträge. Viele kritisieren den Kurs dort als nutzlos und überflüssig. „Die haben es wohl ein bisschen übertrieben mit Harry Potter“ schreibt beispielsweise James aus Auckland. Catius aus Howick, einem Vorort von Auckland, mäkelt: „Das ist wieder mal eine nutzlose Qualifizierung, die den Absolventen helfen wird, später an der Tankstelle oder im Videoladen in ihrem Dorf zu arbeiten. So ein Blödsinn.“

Andere Kommentare sind noch weitaus drastischer. „Ich kann das nicht unterstützen. Das ist doch ein schlecht versteckter Versuch, einen religiösen Kult zu gründen. Ein Schritt zurück, weg von einer zivilisierten Gesellschaft“, schreibt beispielsweise ein anonymer neuseeländischer Blogger und fordert: „Der Kurs muss verboten werden.“ Michael aus West Harbour formuliert es noch deutlicher: „Dieser Kurs ist absolut unangemessen – als Nächstes wird es wohl auch noch einen Kurs geben, wie man Terrorakte verübt?“

Solche Kommentare machen Salapata sauer. „Die Medien machen da aus einer Mücke einen Elefanten, und die Kommentare zeigen, wie engstirnig und voreingenommen einige Menschen sind.“ Sie bringe ihren Studenten ja nicht bei, wie man Magie praktiziere, sie lehre über Magie.

Die 120 Studenten des Seminars sind auf ihrer Seite. „Ich finde den Kurs bisher ganz toll“, sagt die aus Zimbabwe stammende 30-jährige Paula Doodge. „Schon seit ich als kleines Mädchen viele Bücher über Hexen und Magie gelesen habe, bin ich davon fasziniert und froh, dass ich jetzt endlich wissenschaftlich fundiertes Wissen dazu erwerben kann.“ Zum Vorwurf, der Kurs sei nutzlos, sagt sie: „Seit wann gehen wir denn nur wegen der Abschlüsse an die Uni? Wir gehen da doch auch hin, um unseren Horizont zu erweitern. Ich glaube, dass das Wissen über unsere Geschichte, und das schließt die Existenz von Hexerei und Magie ein, genauso nützlich ist für einen Studienabschluss, nur auf eine andere Art und Weise.“

Gina Salapata und ihre Kollegen wollen weitermachen und die Kritik ignorieren. Auch die von einer sehr unerwarteten Seite: „Einige moderne Hexen haben mich kontaktiert und mir vorgeworfen, ich sei nicht qualifiziert, Hexerei zu lehren. Aber die haben natürlich auch nicht verstanden, worum es in dem Kurs geht.“
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