Wort-des-Glaubens, WORT+GEIST und die Gnosis
Christoph Markschies, evangelischer Theologe, Kirchengeschichtler und seit 2006 Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin beschreibt den schwierigen Begriff Gnosis anhand eines typologischen Modells:
„Wir verstehen im folgenden unter „Gnosis“ solche Bewegungen, die ihr besonderes Interesse an der vernünftigen Erfassung von Sachverhalten durch Einsicht („Erkenntnis“) in theologischen Systemen niederlegen, die in der Regel durch ein bestimmtes Ensemble von Ideen oder Motiven in den Texten gekennzeichnet sind:
1. Die Erfahrung eines vollkommen jenseitigen, fernen obersten Gottes;
2. die unter anderem dadurch bedingte Einführung weiterer göttlicher Figuren oder Aufspaltung der vorhandenen Figuren in solche, die dem Menschen näher sind als der ferne oberste Gott;
3. die Einschätzung von Welt und Materie als böser Schöpfung und eine dadurch bedingte Erfahrung der Fremdheit des Gnostikers in der Welt;
4. die Einführung eines eigenen Schöpfergottes oder Assistenten; er wird mit der platonischen Tradition „Handwerker“ – griechisch: „Demiurgos“ – genannt und zum Teil nur als unwissend, zum Teil aber auch als böse geschildert;
5. die Erklärung dieses Zustandes durch ein mythologisches Drama, in dem ein göttliches Element, das aus seiner Sphäre in eine böse Welt fällt, als göttlicher Funke in Menschen einer Klasse schlummert und daraus befreit werden kann;
6. eine Erkenntnis („Gnosis“) über diesen Zustand, die aber nur durch eine jenseitige Erlösergestalt zu gewinnen ist, die aus einer oberen Sphäre hinab- und wieder hinaufsteigt;
7. die Erlösung durch die Erkenntnis des Menschen, „daß Gott (bzw. der Funke) in ihm ist“, sowie schließlich
8. eine unterschiedlich ausgeprägte Tendenz zum Dualismus, die sich im Gottesbegriff, in der Entgegensetzung von Geist und Materie und in der Anthropologie äußern kann.“
(„Die Gnosis“, 2001, S. 25f.)
Die Gnosis ist wahrscheinlich eine Entwicklung innerhalb des Christentums, vornehmlich ab dem 2. Jahrhundert, als die christlichen Missionare in den Metropolen des Mittelmeerraumes mit anderen Kulten in Konkurrenz traten (u.a. griechischer Philosophie, persischem Zoroastrismus) und Gruppen und Strömungen entstanden, die fremde Antworten auf die Frage nach dem Guten und dem Bösen, der Schöpfung und der Natur des Erlösers in die christliche Lehre zu integrieren versuchten.
Die Punkte 1., 2. sowie 6. treffen in mehr oder weniger starker Ausprägung auch auf die orthodoxe christliche Theologie zu. Problematisch sind dagegen 3., 4., 5., 7. und 8.. Verschiedene Religionsphilosophien und häretische Gruppen haben in der Geschichte gnostisch beeinflußte, dualistische Weltsichten vertreten. In welchem Maße Wort-des-Glaubens, bzw, WORT+GEIST Übereinstimmungen zu diesen Traditionen aufweist, wollen wir hier ein wenig untersuchen.
Thema: „Die Einschätzung von Welt und Materie als böser Schöpfung“ und „die Einführung eines eigenen Schöpfergottes, der zum Teil nur als unwissend, zum Teil aber auch als böse geschildert wird“
Zu erklären, weshalb neben einem vermeintlich guten und ewigen Gott eine böse und vergängliche Welt voll Leid existiert, und dabei zu bestimmen, wie Gut und Böse sich zueinander verhalten, ist das Grundanliegen jedes dualistischen Weltbildes. Betrachtet man verschiedene Religionen, Geistesströmungen oder Häresien, so läßt sich dabei eine Skala vom radikalen zum moderaten Dualismus erarbeiten. Die Frage auf die es ankommt ist: Wer hat die Welt, wer hat den Menschen geschaffen, bzw. wer herrscht in welchem Maß über diese?
1. radikaler Dualismus
Der Manichäismus, eine von Mani (gest. 276 n. Chr.) gegründete synkretistische Religion in der Elemente des Buddhismus, des Zoroastrismus und des Christentum zusammengefaßt sind, ging davon aus, daß Funken des göttlichen Lichts von der Finsternis gefangen wurden. Im Schlagabtausch zwischen Gut und Böse erschuf der gute Gott zwar die Materie, um das Böse darin einzufangen, das böse Prinzip aber den Menschen, um sich durch diesen immer weiter fortpflanzen zu können. Das Ziel der Welt und der Lehre Manis war die Befreiung der göttlichen Funken aus der Materie (dem menschlichen Körper), damit beide Prinzipien wieder auf ewig voneinander geschieden wären.
Die Bogomilen, eine häretische Bewegung auf dem Balkan, die vom 10. bis zum 15. Jahrhundert aktiv war, glaubten, daß Gott zwei Söhne hatte. Der ältere Satanael saß an zweiter Stelle neben Gott zu seiner Rechten, zettelte allerdings eine Rebellion und wurde aus dem Himmelreich geworfen. Allerdings formte er, der die Kraft des Demiurgen besaß die Welt, wie sie in der Genesis beschrieben ist. Als er jedoch Adam formen wollte mußte er die Begrenztheit seiner Macht erkennen und Gott doch um Hilfe bitten, dem Menschen die Seele zu geben. Sie beide würden dann über Adam herrschen. Doch Satanael brach sein Wort. Für die Bogomilen spielte Christus (Gottes jüngerer Sohn) nur eine Nebenrolle. In den fleischlichen Leib eines Erlösers schlüpfte dagegen der Erzengel Michael, der auch nicht geboren wurde, sondern durch Marias Ohr in die Welt kam.
2. gemäßigter Dualismus
Die Katharer bis zum Konzil von St-Félix-de-Caraman (1167 oder 1174-77): bis zur Übernahme des radikalen bogomilischen Dualismus glaubten die Katharer, an einen einzigen, allmächtigen, guten Gott. Luzifer (ein Geschöpf) und einige Engel hätten gesündigt und wären aus dem Himmel vertrieben worden. Nur mit Hilfe eines guten Engels als Helfer formten sie die materielle Welt, von der Luzifer anschließend behauptete, er sei ihr Schöpfer. Bei der Erlösung ginge es lediglich um diejenige der bösen Engelsseelen, die Luzifer in menschliche Körper verpflanzt hatte.
3. Biblische Lehre/Christentum
Das Böse in der Welt wird der Potenz (Möglichkeit) des freien Willen des Menschen (wie auch der Engel) zugeschrieben, Gottes Gebot zu folgen oder nicht. Gott ist uneingeschränkt Schöpfer der Welt. Die materielle Welt ist nicht das Ergebnis einer Katastrophe (Fall der Lichtfunken) und ihr Zweck ist nicht der eines Gefängnisses. Der Mensch als Gottes Geschöpf brach durch den Sündenfall Gottes Gebot, was die von Gott bestimmte Strafe des Todes nach sich zog. Die gefallene Schöpfung ist seitdem zur Vergänglichkeit bestimmt. Der Mensch ist lebt durch das Prinzip der Sünde in natürlicher Entfernung von Gott und kann diesem aus eigener Kraft nicht wohlgefallen. In Jesus Christus nahm Gott die Strafe seiner Gerechtigkeit, den Tod, für die Sünden der Menschen auf sich.
Der Teufel spielt dabei eine Nebenrolle. Er verfügt über keine kreativen Kräfte und beherrscht den Menschen und die Welt nicht aufgrund eines Rechtstitels, sondern durch Manipulation und Verführung, deren einziger Zweck die Aufrechterhaltung der Trennung von Gott ist.
Wo steht Wort-des-Glaubens?
Die Wort-des-Glaubens-Theologie kann aufgrund verschiedener Einzelaspekte bereits als gemäßigter Dualismus verstanden werden. Wort-des-Glaubens behauptet nicht, daß die Welt das Produkt des Teufels/ des Demiurgen wäre, aber sie räumen dem Teufel eine Macht und Verfügungsgewalt über Gottes Schöpfung und den Menschen ein, die diese genuin dämonisiert. Verantwortlich dafür ist eine besonders extreme Interpretation der Folgen des Sündenfalls mit der auch die Lösegeld-Theologie zusammenhängt, derzufolge Jesus die Menschheit in der Hölle vom Teufel mit seinem Opfer freikaufen mußte.
Die Lösegeld-Theologie: Jesus litt in der Hölle als Opfer für Satan
E.W. Kenyon (1876-1948) schreibt in „The Wonderful Name of Jesus“:
„Es ist offensichtlich, daß die ganze Heerschar der Dämonen, als sie Jesus in ihrer Macht sahen es einfach darauf anlegten, sich seiner zu bemächtigen, ihn zu überwältigen, und sie hielten ihn in furchterregender Knechtschaft, bis der Ruf vom Thron Gottes hindurchdrang, daß Jesus den Forderungen der Gerechtigkeit Genüge getan hatte, daß das Sündenproblem nun erledigt worden war; und die Erlösung des Menschen war nun Wirklichkeit geworden. Als dieser Ruf die finsteren Regionen erreichte, stand Jesus auf und schleuderte die Heerscharen der Finsternis fort und traf Satan zum grausamen Kampf. Gott hat dieses Opfer [Anm. der Höllenqual Jesu] zum Nutzen der Gemeinde erbracht.“
Joe McIntyre, der mit seinem Buch „Kenyon – The true story“ Kenyon gegen die Häresievorwürfe in Schutz nehmen möchte, sah keinen Grund Kenyon im Punkt des „Höllenopfers“ zu korrigieren. Im Gegenteil schreibt er und zitiert Kenyon:
„Sie [Kenyon und seine Schüler] bejubelten die Wahrheit der Schrift, die ein großer Teil der Kirche vergessen hatte: Es war das Drama von Christi Tod und der siegreichen Auferstehung, das Kenyon und seine Schüler ergriffen hatte.
“ ("E.W.Kenyon - The true story", 1997, S. 123)„Wir sahen es Stück für Stück. Wir sahen einen Menschen besiegt am Kreuz hängend, die Forderungen der Gerechtigkeit tragend. Wir sahen Ihn in die Hölle gehen, die Folterungen der Verdammten ertragend, bis die ganze Hölle erfreut aufschrie. Aber aus den Tiefen stand Er auf und blieb triumphierend über Tod, Hölle und das Grab.“
Andere Wort-des-Glaubens-Lehrer haben diese Theologie ebenso deutlich vertreten (Kenneth E. Hagin schrieb es von Kenyon ab). Kenneth Copeland schrieb:
„Er [Jesus] erlaubte dem Teufel Ihn in die Tiefen der Hölle zu zerren..... Er ließ es zu sich unter Satans Kontrolle zu begeben.... Jeder Dämon der Hölle fiel über Ihn her um Ihn auszulöschen.... Sie folterten Ihn über ein Maß hinaus, daß sich jemals jemand hätte vorstellen können. Für drei Tage erlitt er alles, was man nur erleiden konnte.“
("The Price of It All" S. 3)
Fortsetzung folgt.