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Alternativmedizin


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Rolf

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Alternativmedizin



Darstellung

Der Boom der Alternativmedizin ist nichts Neues. Schon Anfang des letzten Jahrhunderts gab es in Deutschland mehr nicht-ärztliche Naturheiler als Ärzte. Dieser Trend hat aber in den letzten Jahren weiter zugenommen, weil immer mehr Schulmediziner ergänzend andere Verfahren anbieten. Nach Angaben einer Allensbach-Umfrage soll sich in den vergangenen zehn Jahren die Anzahl der Ärzte, die als Zusatzbezeichnung „Homöopathie“ oder „Naturheilkunde“ führen, fast verdoppelt haben.

Für das weite Feld der Alternativmedizin gibt es unterschiedliche Bezeichnungen: Volks-, Erfahrungs- oder traditionelle Medizin, holistische oder Ganzheitsmedizin, unkonventionelle Heilweisen oder Komplementärmedizin. Alternativmedizinische Verfahren stellen im Grunde die Wiege der wissenschaftlichen Medizin dar. Denn bevor sich die akademische Schulmedizin in der Mitte des 19. Jahrhunderts konstituierte, gab es ein weites Spektrum von Heilern, im dem sich Quacksalber und Scharlatane mit erfahrungskundigen Apothekern und geschickten Chirurgen bunt mischten.

Laut der Weltgesundheitsorganisation steigt die Zahl der Nutzer von Angeboten alternativer Medizin und Naturheilkunde in den westlichen Industrienationen stetig an. So haben 70 Prozent der Kanadier, 49 Prozent der Franzosen und 42 Prozent der US-Amerikaner schon mindestens ein Mal in ihrem Leben Erfahrungen mit alternativen Heilungsmethoden gemacht. Nach einer Emnid-Umfrage halten 76 Prozent der Deutschen die Alternativmedizin für wirksam, auch wenn man ihre Effekte wissenschaftlich nicht erklären kann. Kinesiologie, Elektroakupunktur, Bach-Blütentherapie oder Heiledelsteine – die Verfahren sind vielfältig und vermischen wissenschaftliche Erkenntnisse mit esoterischen oder asiatischen Weisheiten.

In der Alternativmedizin wird behauptet, durch die Seele den Körper heilen zu können. Als häufig allzu simples Störungs- und Behandlungsmodell wird dabei die Annahme zugrunde gelegt: Von Natur aus sind Körper und Seele gesund, aber die Umwelt bzw. die Erziehung haben Schäden verursacht. Bestimmte Psychotechniken oder weltanschauliche Heilriten sollen nun dem Anwender Einstellungen und Haltungen vermitteln bzw. den Körper so beeinflussen, dass sich vorhandene „Blockaden“ auflösen und die Selbstheilungskräfte der Seele und des Körpers aktiviert werden.


Einschätzung

Alternative Heilverfahren gründen auf einer bestimmten Weltanschauung. Kommt ein derartiges Verfahren zur Anwendung, so werden auch seine Werte, Ideale und seine Ethik mit übermittelt. Zugespitzt könnte man sagen: In der Weltanschauung ist das Wirkprinzip eines alternativen Heilverfahrens verborgen. In der Regel widersprechen die Weltbilder der Alternativmedizin dem wissenschaftlichen Weltbild der Moderne. Diesen vormodernen Weltbildern entnehmen die Heilpraktiker vertrauensvoll ein Wissen, das gesunde Lebensführung vermittelt und (Selbst)-Heilungsprozesse in Gang setzen soll.

Der seit Jahrzehnten leidenschaftlich ausgefochtene Kampf zwischen einer wissenschaftlichen „Apparatemedizin“ und einer alternativen „Ganzheitsmedizin“ offenbart die Grenzen einer einseitigen Sicht- und Vorgehensweise: hier immer mehr Spezialwissen und Detailinformationen, aber auch beängstigende Nebenwirkungen und der Verlust menschlicher Würde, dort erstaunliche Heilerfolge, aber auch schwammige Begrifflichkeiten und keine überprüfbaren Wirksamkeitsnachweise.

Dennoch spricht vieles dafür, dass Weltanschauungen und Lebensdeutungen ein Heilungspotential enthalten. Die „Kraft der Wirklichkeitsdeutung“ kann natürlich auch zu eigenen Zwecken missbraucht werden – die Medizingeschichte ist voll von Beispielen, wo Quacksalber und Kurpfuscher in einer krankheitsbedingten Notlage als skrupellose Geschäftemacher zur Stelle waren und Hilfsbedürftigkeit und Gutgläubigkeit schamlos ausnutzten. Bis heute lässt sich mit vollmundigen Gesundheitsversprechen viel Geld verdienen.

An der Schnittstelle von wissenschaftlich begründeten Heilverfahren und weltanschaulichen Heilsversprechen erhält das zugrunde liegende Weltbild eine zentrale Funktion. Gerade bei alternativen Heilverfahren ist es ratsam, die weltanschaulichen Hintergründe genauer anzuschauen und zu prüfen, ob sie mit dem eigenen Weltbild übereinstimmen. Wenn Heilung von der Übernahme dieses Weltbildes abhängig gemacht wird, sollte es der eigenen Anschauung entsprechen. Neuere Studien zur Wirksamkeitsforschung der Alternativmedizin weisen unmissverständlich darauf hin, dass dem gemeinsamen Weltbild von Therapeut und Patient ein enormes Heilungspotential zukommt, das zu nutzen sich lohnt.

Dr. Michael Utsch, Januar 2005

Kritische Literatur
M. Bühring, Naturheilkunde, München 1997
R. Jütte, Geschichte der Alternativen Medizin, München 1996
M. Lambeck, Irrt die Physik? München 2003





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