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Als »Protestant« auf dem Katholikentag


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Rolf

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Als »Protestant« auf dem Katholikentag





Jesus.de-


Von Christine Winkler



24.05.2008


Man sollte doch erwarten können, auf einem Katholikentreffen christlichen Inhalten zu begegnen - leider entpuppte sich dies auf dem Katholikentag als ganz schwierig.

Das nenn ich mal einen perfekten Einstieg in meinen Katholikentag: Da zieht doch tatsächlich der Fronleichnamszug genau an der Haltestelle vorbei, an der ich auf meine Bahn warte. „Lobet den Herren…“, schallt es mir entgegen. Ich ertappe mich dabei, wie ich leise mitsumme. Sowas nennt sich Vorfreude.

Keine Frage: Man muss Großveranstaltungen mögen. Muss bereit sein, den Stempel „katholisch“ zu tragen – und sei es nur für einen Tag. Immerhin scheinen sie in Osnabrück ihre katholischen Gäste zu mögen. „Herzlich Willkommen in der Stadt des Katholikentages“, empfängt mich die Durchsage einer freundlichen Bahn-Mitarbeiterinnenstimme, ehe ich den meinen Erkundungsweg durch die Stadt beginne. Den richtigen Weg zu finden, fällt nicht schwer, da an jeder Ecke zig Helferinnen und Helfer stehen, die schnell einen Stadtplan zücken und den Weg zum Schlossgarten, zum Gepäckcontainer oder zu den nächstgelegenen Toiletten erklären.

Ein Blick auf das Programmheft zeigt: Der 97. Katholikentag ist ein politischer. Klimapolitik oder Arbeitsmarktpolitik – hier kommt alles zur Sprache. Übervolle Säle bestätigen, wie relevant die Themen für die Besucher des Katholikentages sind.,

Bei der Diskussion über eine gerechte Klimapolitik schlägt sich Bundeskanzlerin Merkel tapfer, obwohl sie sich immer wieder kritisch hinterfragenden Plakaten wie „Frau Merkel, wo bleibt die Kerosinsteuer?“ ausgesetzt sieht. Klimaschutz bedeute, die natürliche Lebensgrundlage zu sichern, erklärt sie unbeirrt. In dem einen sind sich alle einig: Kirche muss sich für die Schöpfung einsetzen und darum auch klimafreundlich werden.

Etwas theologischer wird es in einem Uni-Hörsaal, wo Religionswissenschaftler und Zen-Lehrer sich über die Möglichkeit austauschen, Zen und Yoga christlich zu leben. „Wie viel Gutes und Wahres anderer Religionen verträgt das Christentum“, ist die zentrale Frage der Veranstaltung. Doch zu einer richtigen Debatte unter den Teilnehmern kommt es bei diesem Thema nicht. Man müsse Offenheit zeigen und prüfen, was in der eigenen Tradition richtig ist, so der Grundtenor der Referenten. Gerade vor dem Hintergrund der steigenden Zahl von Bundesbürgern mit Migrationshintergrund müsse die Theologie der Zukunft dialogisch sein. Das klingt erst einmal logisch.

Doch als Dr. Manuela Kalsky, Theologin und Initiatorin einer interreligiösen Website „Vielheit statt Einheit“ vorschlägt, frage ich mich, ob hier nicht schlicht versucht wird, unterschiedliche Religionen zu vermengen. Entweder aus dem Geist der postmodernen Auflösung absoluter Wahrheiten oder als Konfliktvermeidungsstrategie. Im interreligiösen Dialog steht der liebe Frieden schließlich hoch im Kurs. Ein bisschen Kontroverse hätte gerade bei diesem Thema nicht geschadet.

Der Katholikentag versucht, gut anzukommen. Auch wenn dabei das eigene Profil etwas verloren geht. Seien es die zahlreichen Angebote zum Klimaschutz oder das Kulturangebot unter anderem mit Culcha Candela, die mit so mancher Liedzeile eigentlich so gar nicht den Geschmack der Katholiken treffen dürften. Viele Veranstaltungen entpuppen sich zu Publikumsmagneten, doch leider sind es gerade die, die mit Christsein umheimlich wenig gemein haben.

Auf dem Weg zur nächsten Veranstaltung mache ich einen kleinen Abstecher in die Innenstadt zur Kirchenmeile. Hier tummeln sich viele Besucher, genießen das schöne Wetter und die ausgelassene Stimmung. Dass gerade in der Stadt des Katholikentages die Geschäfte an Fronleichnam geöffnet haben, scheint hier kaum einen Katholiken zu stören. Stattdessen begegnen mir teils aufgekratzte, teils schon ein wenig erschöpft wirkende Teilnehmer – ja, die Nacht in Massenquartieren hinterlässt ihre Spuren. Außer bei einem Teilnehmer auf vier Pfoten. Der Berner Sennenhund, ebenfalls stolzer Besitzer einer Dauerkarte, hechelt zufrieden vor sich hin und wartet, wo sein Herrchen als nächstes hingehen will. Der Katholikentag scheint für jeden etwas zu sein, groß oder klein, Mensch oder Tier.

Absolutes Highlight meines Besuchs beim Katholikentag ist Ben Becker mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg. Die Show „Die Bibel – Eine gesprochene Symphonie“ findet unter freiem Himmel im Schlossgarten statt und ist atmosphärisch eigentlich nicht zu überbieten. Als Ben Becker schließlich mit seiner sonorigen, durchdringenden Stimme die Schöpfungsgeschichte liest, musikalisch mit Geigen und Celli untermalt, lauschen hunderte von Menschen dem Wort Gottes.
Ein bisschen erinnert mich Ben Becker an einen Märchenerzähler - nur dass er kein Märchen erzählt. Ob ihm dies selbst auch so klar ist, kann ich nicht sagen, seine Art Auszüge aus der Bibel zu Rezitieren ist jedenfalls fesselnd und eine besonderes Erlebnis. Natürlich ist Ben Becker ein Bühnenmensch. Er steht gerne im Zentrum und ist sich seines Stimmtalents durchaus bewusst. Aber das tut den Worten keinen Abbruch.

Auf meinem Heimweg kommt mir eine Gruppe Jugendlicher entgegen, die T-Shirts mit dem Aufdruck „Ich bin katholisch, Atheismus kann jeder“ tragen. Wer nichts von einem solchen Katholikentag mitnehmen kann, hat zumindest diese eine Erkenntnis: Katholiken sind stolz auf ihre Konfession. Das war anders vor dem Weltjugendtag. Ein bisschen befremdlich finde ich das schon, als Christ zu einem Treffen von Christen zu fahren und mich dann doch als Protestant unter Katholiken zu fühlen – ausgeschlossen aus dem katholischen Club.

Vielleicht muss das so sein an einem Katholikentag. Ökumene hin oder her.
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