Zum Inhalt wechseln

Welcome to Irrglaube und Wahrheit
Register now to gain access to all of our features. Once registered and logged in, you will be able to create topics, post replies to existing threads, give reputation to your fellow members, get your own private messenger, post status updates, manage your profile and so much more. If you already have an account, login here - otherwise create an account for free today!
Foto

Reformatorisch – was ist das?


  • Bitte melde dich an um zu Antworten
Keine Antworten in diesem Thema

#1
Rolf

Rolf

    Administrator

  • Administrator

  • PIPPIPPIP
  • 34223 Beiträge
  • Land: Country Flag

Please Login HERE or Register HERE to see this link!







Reformatorisch – was ist das?





Bernhard Kaiser

(zuerst erschienen in Bekennende Kirche 3, Juli 2000, S. 10-13;
für die Veröffentlichung im Internet durchgesehen)

„Wie kann der Mensch vor Gott gerecht sein?“

Dies ist bekanntlich die Ausgangsfrage der Reformation.
Die Antwort, die sie anhand der Bibel gegeben hat, ist klar: Allein aus Gottes Gnade,
durch den Glauben an Jesus Christus (Röm 1,16 f.; 3,21-24), der aus der Verkündigung von Gottes
Wort kommt (Röm 10,14). Doch gibt es heute im Blick auf die zentrale Lehre von der Rechtfertigung
keine Einigkeit mehr, weder in den Kirchen der Reformation noch unter den Evangelikalen.
Darüber hinaus ist die Bedeutung vieler anderer zentraler Aussagen der Reformation bis
zur Unkenntlichkeit verblaßt.

Wir nennen uns bewußt „reformatorisch“ und signalisieren damit, daß wir uns theologisch den
Lehren der Reformation zuordnen – nicht in sentimentaler Nostalgie oder im Konservieren äußerer
Formen, sondern darin, daß sie mit der Reformation die Heilige Schrift als Gesetz und Evangelium
wieder neu und klar herausstellen. Dies ist in unserer Zeit ebenso notwendig wie vor 500
Jahren. Was heißt nun „reformatorisch“? Ich möchte dies anhand des viermaligen „allein“ näher
bestimmen.

1. Allein die Schrift

Daß die Bibel für den Glauben und die Theologie maßgeblich sein muß, wußte die römische Kirche
schon vor der Reformation. Doch immer wieder schoben und schieben sich unterschiedliche
Autoritäten vor die Bibel. Es bilden sich Schulen und Traditionen der Schriftauslegung, die die
Bibel erklären wollen. Aber häufig erreichen sie genau das Gegenteil: Die Schrift wird durch
unterschiedliche und oft widersprüchliche menschliche Traditionen verdunkelt. Nicht selten
wendet sich dann der Außenstehende ab, weil der Streit der Lehrmeinungen nur Skepsis gegenüber
der Heiligen Schrift selbst hervorruft.

Die Reformation hat demgegenüber sehr entschieden von der Klarheit der Heiligen Schrift gesprochen
und die Bibel selbst zum Maßstab für alle Auslegung gemacht. Also: Nicht die Auslegung
erleuchtet die Schrift, sondern die Schrift ist das Licht, das die Auslegung leuchten läßt.
Luther sagt: „Derhalben zwingt uns die Not, mit aller Lehrer Schriften zur Biblien zu laufen und
allda Gericht und Urteil über sie zu holen; denn sie ist allein der recht Lehenherr und Meister
über alle Schrift und Lehre auf Erden.“ Das heißt für uns: Wir beziehen das Licht für die Auslegung
der Bibel nicht aus der kritischen Vernunft, der historischen Forschung, einer kirchlichen
Tradition oder einem theologischen System, sondern aus der Schrift selbst.

„Allein die Schrift“ heißt auch, daß die Schrift Heilsmittel ist. Sie sagt uns, wer Jesus war und
was er getan hat. Durch sie – wenn sie gepredigt oder gelesen wird – schafft Gott den Glauben
und die Erkenntnis Christi, denn der Geist Christi kommt nicht neben oder über ihr zum Menschen,
sondern weil sie von seinem Geist geredet ist, kommt er mit ihr zum Menschen.
Das reformatorische Bekenntnis zur Bibel geht schließlich davon aus, daß die Bibel in allen Aussagen
wahr ist, weil sie Gottes Wort ist. Dieser Tatbestand ist der Grund aller Glaubensgewißheit.

2. Allein Christus

Auch daß Christus der Erlöser und Versöhner ist, wird von der römischen Kirche bekannt. Doch
um die durch Christus erworbene Gnade auszuteilen, bedarf es nach römischer Lehre weiterer
Vermittler. Maria, Heilige, Priester, Sakramente und vor allem die Kirche selbst schieben sich
zwischen Christus und den Christen. Doch weil Christus als Gottessohn zugleich ganz Mensch ist
und wirklich auf unserer Seite steht, weil er allein für uns vor Gott getreten ist, darum kann es
keine weiteren Mittelspersonen geben. Christus reicht vollkommen aus.

„Allein Christus“ heißt natürlich auch, daß es neben Christus keinen anderen Heilsweg gibt. Andere
Religionen wird es zwar immer geben, und Menschen werden mit ihnen ihre Heilserwartungen
verbinden, aber nur Christus hat uns mit Gott versöhnt. Kein anderer hat getan, was er getan
hat, und kein anderer konnte dieses tun.

„Allein Christus“ heißt schließlich: Christus steht in seinem Leiden und Sterben sowie in seiner
Auferstehung und Himmelfahrt als unser Stellvertreter. An unserer Statt hat er sich selbst geopfert
und die Strafe für unsere Sünden erlitten und uns mit Gott versöhnt. Er ist der Gerechte, in
dem wir vor Gott gerecht sind. Wir haben in ihm immer ein vollkommenes, fertiges Heil, das
durch kein menschliches Werk oder menschliches Erlebnis ergänzt werden kann. Auf sein Werk
kann der Glaube bauen.

Christus ist das Zentrum der Heiligen Schrift. Von ihm sprachen die alttestamentlichen Propheten
und auf ihn hin führt die alttestamentliche Offenbarung. Von ihm handelt das Evangelium. Sein
Leiden und Sterben, seine Auferstehung und Himmelfahrt sind die großen Themen der Bibel.
Christus steht im Widerspruch zu einer Christlichkeit, die vornehmlich den Menschen, sein Erleben,
seine Befindlichkeit und seinen religiösen Werke beschreibt.

3. Allein aus Gnade

Mit dem Begriff Gnade bezeichnet die Bibel Gottes gnädige Gesinnung gegenüber dem Sünder.
Sie meint damit nicht eine geistliche Tugend, die dem Menschen durch ein Sakrament eingeflößt
wird und ihn zu einem guten Menschen macht, wie es die römische Kirche lehrt. Gottes gnädige
Gesinnung gegenüber den Menschen wird in Christus offenbar. Christus macht in seinem Werk
deutlich, daß Gott den Menschen so sehr liebt, daß er sich nicht scheut, seinen Sohn, den er lieb
hat, in den Tod zu geben, um die Menschen mit sich selbst zu versöhnen. Gott ist also um Christi
willen gnädig.

Daß ein Mensch zu Christus kommt und gerettet wird, ist also an keiner Stelle sein eigenes Verdienst.
Verdient hat der Mensch seiner Sünden wegen das Gegenteil, nämlich Zorn und Verdammnis.
Gott tut auch nichts Unrechtes, wenn er einen Menschen nicht rettet. Es ist aber Gottes
freie Entscheidung, wem er gnädig ist und wem er es gibt, an Christus zu glauben. Kein Mensch
kann ihn dabei beeinflussen. Kein Mensch kann mit seiner Entscheidung, seiner Bekehrung oder
seinem religiösen Bemühen Gott veranlassen, ihm gnädig zu sein.

Diese Einsicht wird den Menschen entweder dazu bringen, sich in seinem Unglauben und seiner
Selbstherrlichkeit von Gott abzuwenden. Er wird mit den Achseln zucken und sagen: „Dann kann
ich ja nichts dafür, wenn ich verloren gehe.“ Oder er wird sich eingestehen, daß er verloren ist
und nur gerettet werden kann, wenn Gott ihm gnädig ist. Er wird sich vor Gott demütigen und ihn
bitten: „Herr, sei mir Sünder gnädig!“ Kein Mensch wird von sich aus eine solche Bitte aussprechen.
Eine solche Bitte zeigt vielmehr, daß Gott es ihm gegeben hat, sich selbst vor Gott recht
einzuschätzen. Diese Bitte ist schon Ausdruck des von Gott gewirkten Glaubens, daß Gott ihn
ohne Verdienst rettet. Ihm gilt die Zusage Gottes, gerecht zu sein. Gott wird es ihm geben, die in
Christus offenbare Gnade zu begreifen, darauf zu bauen und auf Grund der Zusagen Gottes im
Glauben gewiß zu sein. So wird ihm die Gnade Gottes in Christus zum höchsten Gut.

4. Allein durch den Glauben

Es liegt im Wesen des rechten, christlichen Glaubens, von den eigenen Werken wegzusehen und
auf das Werk Christi zu bauen. Die natürliche Einstellung des Menschen ist die, daß er selbst
etwas zu seinem Besten tun möchte und tut. Der Gottlose wird dies etwa dadurch tun, daß er, wo
immer er kann, Vorteile für sich herausschindet. Möglicherweise versucht er dies sogar auf kriminellem
Wege. In derselben Haltung will sich der religiöse Mensch durch seine guten Werke
vor Gott empfehlen. Er meint, er habe es selbst in der Hand, wie Gott zu ihm stehe. Daher nimmt
er zum Beispiel Gottes Gebote und versucht, sie zu erfüllen. Weil er es nicht kann, hofft er darauf,
daß Gott sein Bemühen, sie zu halten, anerkennt und ihn dabei noch mit der Kraft des Heiligen
Geistes unterstützt. Doch er merkt nicht, daß er sich auf einem Irrweg befindet, denn durch Werke
kann kein Mensch vor Gott gerecht werden. Die Haltung, die Gott ehrt, ist die des Vertrauens.
Indem der Mensch den Zusagen Gottes vertraut, macht er deutlich: Gott ist wahrhaftig, er wird
mich nicht betrügen, ich rechne fest damit, daß ich wirklich in Christus gerecht und heilig bin,
obwohl ich selbst ein Sünder bin.

„Allein aus Glauben“ gilt auch für das Leben als Christ. Es ist ein Irrtum, zu meinen, der Glaube
sei nur für die Sündenvergebung und die Rechtfertigung zuständig, und diese hätten bei der Bekehrung
ihren Platz. Wenn man aber bekehrt sei, dann sei man zur Heiligung gerufen, und diese
beinhalte nichts anderes, als daß man Gottes Gebote halte. Wer Christsein so versteht, macht es
zu einem einzigen großen Krampf, denn auch der Christ wird das Gesetz Gottes an keinem Tag
seines Lebens erfüllen. Er ist und bleibt in seinem Wesen ein Sünder, und er kann die Gebote
nicht erfüllen.

Lebt er aber im Glauben, dann wird die Einsicht in die geschenkte Gerechtigkeit sein Herz erfüllen
und ihn willig machen, zur Ehre Gottes zu leben. Er hat im Licht des Gesetzes Gottes gesehen,
daß er ein Sünder ist, und erkannt, was Sünde ist. Er hat das Urteil Gottes über seine Sünde verstanden.
Er ist mit Gott einsgeworden, daß etwa Lüge, Diebstahl und Ehebruch Unrecht sind.
Und er hat Christus erkannt. Er weiß, daß Christus der neue Mensch ist, der von Gott neu geschaffen
ist. Diesen schätzt er höher und will ihn gewinnen. Aus dieser Einsicht heraus versagt er
sich der Sünde und tut, was Christus ihm zu tun gibt. Heiligung ist Sache des Glaubens! Sie wird
ein täglicher Kampf sein, und der Christ wird immer wieder die Neigung zur Sünde bei sich
wahrnehmen. Aber sein Glaube trägt ihn darin, zur Sünde Nein und zu Christus und guten Werken
Ja zu sagen.

Mit diesen vier Bestimmungen weist die Reformation zu dem dreieinigen Gott, der im Mittelpunkt
sowohl der Theologie als auch des christlichen Lebens steht. Seine Erwählung, sein Werk
in Christus, sein Wirken im Heiligen Geist sind der Gegenstand der Theologie und des Glaubens.
Hier steht nicht der Mensch mit seinen Bedürfnissen, Erlebnissen und seiner Frömmigkeit im
Mittelpunkt. Für den Menschen aber und für die Kirche gibt es nichts Größeres, als durch den
Glauben an Gottes Handeln teilzuhaben und ihn darüber zu lieben und zu loben.[b]
  • 0