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Will Jesus unverstanden sein?


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Rolf

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Will Jesus unverstanden sein?





Über den Autor
Thomas Lux ist verheiratet und hat zwei Kinder. Immer wieder neu staunt er darüber, dass sich der ewige Gott Menschen in der Bibel offenbart und sich auf das Kreuz festlegen lässt.


Frage von FM:

"Im Markus-Evangelium ist im Kapitel 4 unter den Versen 10 bis 12 von der sogenannten Verstockung Jesu die Rede.Jesus sagt:
"Aber für diejenigen, die draußen stehen, erzähle ich alles in Gleichnissen, damit sie sehen und doch nichts erkennen, hören und doch nichts verstehen, so dass sie nicht umkehren können und keine Vergebung finden."
Ich habe Probleme mit dieser Textstelle. Will Jesus wirklich, dass die Zuhörer nichts verstehen, nicht umkehren können und keine Gnade finden?"
Will Gott den Menschen nicht helfen?
Den in der Frage geäußerten Eindruck macht der Bericht des Markus in der Tat auf den ersten Blick. Seine Botschaft stünde jedoch im krassen Widerspruch zu folgender Aussage von Paulus:


Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.
1.Timotheus 2,4


Meiner Erfahrung nach erscheinen manche Stellen der Bibel wohl dissonant, widersprechen sich bei genauerer Betrachtung jedoch in der Sache nicht. In der Annahme, dass Paulus in 1.Timotheus 2,4 unmissverständlich lehrt, möchte ich gegenüber dem vordergründigen Verständnis des Markustextes auch seine Parallelberichte in Lukas und Matthäus danach überprüfen, wie sie diese Jesus-Rede verstehen und wie sie das Verstandene darlegen. Der Vergleich kann uns dann helfen, diese "sperrige" Markusstelle klarer zu verstehen.



Wie wird Jesus in Matthäus wiedergegeben?



Matthäus schreibt die zu klärende Aussage Jesu in folgenden Worten auf:


Darum rede ich zu ihnen in Gleichnissen. Denn mit sehenden Augen sehen sie nicht und mit hörenden Augen hören sie nicht; und sie verstehen es nicht. Und an ihnen wird die Weissagung Jesajas erfüllt, »Mit den Ohren werdet ihr hören und werdet es nicht verstehen; und mit sehenden Augen werdet ihr sehen und werdet es nicht erkennen Denn das Herz dieses Volkes ist verstockt: Ihre Ohren hören schwer und ihre Augen sind geschlossen, damit sie nicht etwa mit den Augen sehen und mit den Ohren hören und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren, und ich ihnen helfe.«
Matthäus 13,13-15


Jesus macht eine Bestandsaufnahme: "Sie sehen und hören und verstehen nicht. Das ist Fakt. Hierin sehen wir die Erfüllung von Jesajas prophetischen Worten und, weil sie nicht sehen und nicht hören und sowieso nicht verstehen, darum kann ich auch in Gleichnissen reden. Ihr Jünger versteht es aber und deshalb erkläre ich euch auch noch die Gleichnisse." Er handelt hierbei nach der in Sprüche 9,9 dargelegten Empfehlung:


Gib dem Weisen, so wird er noch weiser werden; lehre den Gerechten, so wird er in der Lehre zunehmen.
Sprüche 9,9


Aus dieser nüchternen Bestandsaufnahme wird bei Matthäus - und ebenso bei Lukas (Lukas 8,18) und bei Markus (Markus 4,25) - der Satz:


Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.
Matthäus 13,12


Bei Matthäus endet dieser Abschnitt damit, dass Jesus den Jüngern sagt, wie glücklich sie sich schätzen dürfen, seine Augen- und Ohrenzeugen zu sein (Matthäus 13,16 f.).

Der behandelte Absatz ist bei Matthäus durch das Gleichnis vom Sämann (Matthäus 13,1-9) und seine Auslegung (Matthäus 13,18-23) literarisch gerahmt. Daher steht er auch in inhaltlichem Zusammenhang mit der Verkündigung des Evangeliums an Menschen, die es hören und bei denen es nicht bis ins Herz vordringt (ein Herz wie Fels), sowie an Menschen, die es hören und bei denen es viel Frucht bringt (ein Herz wie gutes Land).
Die beabsichtigte Aussage des gesamten Textabschnitts ist: Ihr Jünger (gemeint sind dann dadurch auch alle Leser des Evangeliums) seid privilegiert, in dieser Zeit des "Wortausteilens" zu leben. Also - seid gutes Land und nicht felsig wie die anderen da draußen, die Jesus zwar zuhören, aber nicht verstehen (wollen), was er sagt.



Wie notiert Lukas die Jesus-Worte?

Lukas bietet - wie auch Markus - die Auslegung des Gleichnisses vom Sämann (Lukas 8,11-15) zwischen dem angesprochenen Gedankengang zu Jesu Reden in Gleichnissen und dem Hören derselben. Was bei Matthäus in einem Block steht, finden wir bei Lukas und Markus gesplittet, weshalb wir die Stellen vor (Lukas 8,9-10; Markus 4,10-12) und nach der Gleichnissauslegung (Lukas 8,16-18; Markus 4,21-25) zusammen betrachten müssen, um sie zu verstehen. Inhaltlich verlaufen der Bericht von Lukas und Markus weitestgehend parallel; ihr Zielgedanke ist die Aufforderung zum offenen Hinhören:


So seht nun darauf, wie ihr zuhört...
Lukas 8,18



Wer Ohren hat zu hören, der höre! Und er sprach zu ihnen: Seht zu was ihr hört!...
Markus 4,23-24


Darauf folgt die zuspitzende Begründung, wobei die Lukas von Markus deutlich unterstrichen wird:


...Wer da hat dem wird gegeben, wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er meint zu haben.
Lukas 8,18



Mit welchem Maß ihr messt, wird man euch wieder messen, und man wird euch noch dazugeben. Denn wer hat, dem wird gegeben; und wer nicht hat, dem wird man auch das nehmen, was er hat.
Markus 4,24-25


Auch die Folgerung für Außenstehende gibt Lukas etwas schwächer wieder als Markus:


...den anderen (ist es) in Gleichnissen gegeben, damit sie es nicht sehen, auch wenn sie sehen, und nicht verstehen, auch wenn sie es hören.
Lukas 8,10


Wie bei Matthäus macht Jesus in den Lukas- und Markusstellen eine Bestandsaufnahme und ist nicht etwa derjenige, der Menschen verblendet (wie es Gott beispielsweise durch Jesaja in Jesaja 6,9 tut). Wenn also bei Matthäus, Lukas und vermutlich auch bei Markus die Verstockung einiger Zuhörer bereits vorausgesetzt ist und nicht durch Jesus in seiner Gleichnisrede geschieht, wann ist sie dann geschehen?



Welche Zuhörer sind verstockt und wodurch?


Jesaja sollte Israel wegen ihres fortwährenden Ungehorsams verstocken. Es handelte sich dabei um eine Reaktion (!) Gottes auf ihr Handeln gegen ihn. Die Juden blieben durch diese Verblendung in ihrer Schuld stecken, bis Gott durch sein Gericht (Invasion Babylons, Tempelzerstörung und Exil) wieder Gerechtigkeit für ihren Ungehorsam hergestellt hatte. Daraufhin erbarmte sich Gott über sein exiliertes Volk und führte sie zurück in ihr Land, um ihnen eine weitere Chance zu geben.

Offensichtlich gibt es nun unter den Zeitgenossen Jesu immer noch oder wieder Menschen, die verblendet sind. Paulus schreibt über Israel:


Aber bis auf den heutigen Tag, wenn Mose gelesen wird, hängt die Decke vor ihrem Herzen. Wenn Israel aber sich bekehrt zu dem Herrn, so wird die Decke abgetan.
2.Korinther 3,15-16


Ausführliche behandelt er Israels Zustand in Römer 9-11. Paulus geht fest davon aus, dass Gott sich am Ende ganz Israels erbarmt (Römer 11,32). In der Zwischenzeit - solange Israel nicht für das Evangelium zugänglich ist - wendet sich Gott allen anderen Menschen zu, um sie Israel zuzuführen. Folglich geht Paulus auch davon aus, das ein Teil Israels verstockt ist, das heißt Jesus nicht als seinen Herrn und Erlöser anerkennen kann.

Dies entspricht auch dem, was Jesus im Markusbericht voraussetzt: es gibt Menschen, die (Glauben an Jesus) haben und Menschen, die (ihn) haben nicht. Ersteren wird (das Wort - wie ein Same) gegeben, den anderen erzählt Jesus in Gleichnissen.
Er verstockt die Hörer zwar nicht aktiv, doch löst er sie auch nicht aus ihrer Verstockung. Sie sind Fels, Weg und Dornen; Gottes Wort fällt wohl auf sie, doch sie sind nicht in der Lage, es zu begreifen und an Jesus zu glauben.



Ist überhaupt noch sinnvoll, dass Jesus und die Jünger predigen?
Dennoch verbietet Jesus seinen Jüngern ein falsches ökonomisches Denken:


Zündet man etwa ein Licht an, um es unter den Scheffel oder unter die Bank zu setzen? Keineswegs, sondern um es auf den Leuchter zusetzen. Denn es ist nichts verborgen, was nicht offenbar werden soll, und ist nichts geheim, was nicht an den Tag kommen soll.
Markus 4,21


(siehe auch Lukas 8,16 und Matthäus 5,15, Matthäus 10,26).

Folglich ist der Zustand der Verstockung auch bei Markus nur eine vorübergehende Erscheinung und nicht das Endergebnis. Es soll - wie bei Paulus - (am Ende) alles offenbar werden.



Jesus – nur für Insider?

Warum nun drückt sich Jesus bei Markus in Markus 4,11f. so eigenartig aus? Warum gibt Markus die Jesusrede so ausschließend und abstoßend wieder?

Eine Perspektive, die uns unserem Verständnis von Gemeinde sehr fremd erscheint, ist die von "Drinnen und Draußen". Sie war im ersten Jahrhundert nach Christus jedoch noch sehr verbreitet und schlägt sich biblisch am stärksten schlägt in den Johannesbriefen und im Markusevangelium nieder.
Markus betont beispielsweise sehr oft, dass diejenigen, die ein Wunder mit erlebten, darüber schwiegen. Was geschah will nun er – Markus - seinen Lesern (vielleicht einer Gemeinde, deren Lehrer er war) exklusiv mitteilen. Diejenigen, an die er sich wendet, werden so zu Insidern (was - soziologisch betrachtet - eine Gemeinschaft nach innen festigt).

Zu diesen zählt das Verständnis von "Drinnen und Draußen" alle, die wie die Jünger das Evangelium hören und glauben, bei denen der Same auf gutes Land fällt und gute Frucht bringt. Bei wem dies nicht der Fall ist, der hat sich (zumindest vorübergehend) disqualifiziert; er gehört zu den Verstockten, die alles nur in Gleichnissen hören und bei denen der Same nicht aufgegangen ist.

In dieser Sichtweise steckt natürlich auch der Appell, in der Gemeinschaft bzw. Gemeinde (evtl. der des Markus) zu bleiben.



Fazit

Jesus verstockt in der leider so titulierten "Verstockung Jesu" nicht, sondern die Verstockung geht seiner Rede voraus.


Alle, die glauben, bleiben in seiner Nähe und fragen nach dem Sinn der Gleichnisse, sie haben und ihnen wird noch dazu gegeben. Alle anderen haben keinen Glauben und sie werden nicht gezwungen, ihn anzunehmen.

Jesus zwingt niemandem den Glauben an sich auf, beauftragt jedoch die Jünger, auch denen "draußen" von ihm weiter zu sagen und ihr Licht nicht unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter stellen - auch wenn die draußen verstockt sind und weiterhin nicht glauben.

Für die "drinnen" ergibt sich aus dieser Erzählung ein dreifaches:

Wir sollen Jesus fragen, wenn wir ihn nicht verstehen.

Wir sollen hören und wie fruchtbares Land für seine Worte sein.

Wir sollen das, was uns gegeben ist, wie ein Licht auf dem Leuchter in die Finsternis scheinen lassen.


ER ist das Licht, das die Finsternis durchbricht, und die Finsternis konnte dieses Licht nicht auslöschen.
Johannes 1,5


Sie wird es auch in alle Ewigkeit nicht können!



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