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Zinzendorf - ein Vater des Pietismus


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Rolf

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Ludwig Nikolaus Graf Zinzendorf - ein Vater des Pietismus




Eine religionsgeschichtliche Einordnung



von Rolf Wiesenhütter zum 300. Geburtstag von Ludwig Nikolaus Graf Zinzendorf


Was ist Pietismus?


Diese Bezeichnung ist ursprünglich hergeleitet von dem lateinischen Wort Pietät, was übersetzt soviel bedeutet wie Ehrfurcht oder Achtung. Der Pietismus, das war so etwas wie eine kleine „Nachreformation.“ In dieser Bewegung taten sich Leute zusammen, die sich gegen die klassische, orthodoxe Kirche mit ihrem Vernunftglauben wandte. Eine Bewegung, die in ihren Anfängen für eine ziemliche Verwirrung sorgte, weil sie sich in ihrer Frömmigkeit gegen die wissenschaftliche Theologie stellte. Wir können uns vorstellen, dass es zu überaus harten Auseinandersetzungen gekommen ist, als plötzlich eine Bewegung auftrat, die eine ungewöhnlich scharfe Kritik am wissenschaftlich – logischen Denken aussprach. Da fielen Sätze wie: „Durch das theoretische Denken werden alle anderen abqualifiziert.“ Und man machte nun für alles, was in der kirchlichen Arbeit nicht recht gelingen wollte, das wissenschaftliche, philosophische und humanistische Denken verantwortlich. Der beginnende Pietismus war eine Bewegung, die sich selbst mit dem Anspruch beschrieb, allgemeingültige Wahrheiten in stürmischen Zeiten zu bewahren, während sie dies der klassischen orthodoxen, wohlgemerkt, evangelischen Kirche absprach.

So war der Pietismus in seinen Anfängen. Im Laufe der Zeit hat man sich allerdings einander angenähert und zu einer, wie ich meine, nicht ungesunden Mischung aus wissenschaftlich denkender Theologie und pietistischem Anspruch gefunden.
Graf Zinzendorf allerdings steht nicht für diese Anfänge des Pietismus. Er ist sozusagen auf diese geistliche Strömung gestoßen. Und er hat nach einer anfänglichen Orientierungsphase keineswegs so ohne Weiteres mit dem Gedankengut des Pietismus sympathisiert, von dem er letztlich nur einen Teil übernommen hat. Aber wie kam es zu dieser kritischen Haltung des einfachen Volkes gegenüber der Wissenschaftsfrömmigkeit?

Begonnen hat das tatsächlich schon zu der Zeit, als Kopernikus und Galilei eine große, ganz Europa durchziehende Bewusstseinskrise durch die Zerstörung des geozentrischen Weltbildes verursachten. Innerhalb dieser neuen Wissenschaftslage und angesichts damit einhergehender wachsender Bibelkritik war die klassische Orthodoxie nicht mehr in der Lage, wegweisende und befreiende Antworten zu geben. Stattdessen verteidigte die klassische Kirche immer verbissener die Verbalinspirationslehre. Damit öffnete sie schließlich durch ihren Intellektualismus der Aufklärung die Pforten, was dann zu einem ausgeprägten theoretisierenden Atheismus führte, den die Kirche nicht zu bekämpfen vermochte. Das Volk wurde unruhig. Die Laien rebellierten in nicht gekanntem Ausmaß. So kam es, dass der eigentliche Vorläufer des Pietismus Jakob Böhme war, der 1574 – 1624 in Görlitz lebte und das ehrenwerte Schusterhandwerk erlernt hatte. Dieser Jakob Böhme fing an zu mystizieren, schrieb darüber an die dreißig Bücher und kam im Jahr 1600 zu seiner, wie er es nannte „Zentralschau“ die darin bestand, dass er über Nacht und Finsternis, über Leid und Böses meditierte und daraus folgernd testierte, dass ein von Gott gewollter Gegenpol vorhanden sein müsste, damit sich das Licht offenbaren kann.

Die Synthese erblickte er in der Christuswirklichkeit, und damit war der anfängliche Radikalpietismus geboren. Daneben gab es im Württembergischen einen Mann namens Johann Valentin Andreä. Der lebte etwa zur gleichen Zeit und verfasste eine Schrift zur Kirchenreform, die den Namen „Theophilus und die Utopie Christianopolis“ hatte. Sie enthielt eine Fülle von Ideen, die der Pietismus aufgriff. Die Kirche allerdings hielt dies für Ketzerei. Schließlich gab es noch einen Mann namens Johann Arndt, der zur gleichen Zeit in Jena lebte und der ein Buch mit dem Titel : „Vier Bücher vom wahren Christentum“ herausbrachte. Dieser Johann Arndt legte hiermit das lutherische Erbauungsbuch seiner Zeit vor, wurde dafür in seiner lutherischen Rechtgläubigkeit anerkannt und später zum Superintendenten von Celle ernannt.

Heute ist bekannt, dass sich Zinzendorf in diesen Schriften sehr gut auskannte. Der erste allerdings, der aus diesen Büchern ein Lehrverständnis entwickelte, war Philipp Jakob Spener (1635 – 1705), der zunächst Freiprediger im Straßburger Münster und dann 20 Jahre lang Pfarrer in der Frankfurter Barfüßergemeinde war. Die letzten 14 Jahre war er Probst an St. Nikolai in Berlin. Durch diese Tätigkeit hatte Spener weitreichenden Einfluss auf die brandenburgisch– preußische Kirchen- und Hochschulpolitik, und er war der Seelsorger unzähliger hochgestellter Persönlichkeiten aus ganz Deutschland. Philip Jacob Spener machte für die damalige Kirchenwelt etwas völlig Neues. Er legte ein Programm auf, das hieß: „Intensivierung des Bibelstudiums der Laien angesichts einer Bibelkritik, bzw. Bibelferne, Praktizierung eines allgemeinen Priestertums der durch mitverantwortliche Aktivierung mündig gewordener Laien im kirchlichen Leben, um die reine Pastorenkirche in einer von Luther nicht gewollten Aufblähung des Amtes zu korrigieren, Verwirklichung eines Christentums der Tat, damit es nicht zur leeren Deklamation werde, Ausrichtung der Predigt auf das missionarisch Seelsorgerliche, und schließlich unter gewaltigem Widerstand der Orthodoxie schlug er vor, besondere Versammlungen mit denen abzuhalten, die mit Ernst Christ sein wollten, in denen auch Laien das Wort auslegten.“ In Frankfurt und Berlin wurden diese Pläne bald unter dem immensen Druck der Kirche wieder verworfen. Nur in Württemberg traf man schließlich eine kirchenrechtliche Regelung dahingehend , dass dort entsprechende Stunden mit freier Entfaltung abgehalten werden konnten. So kommt es, dass heute davon gesprochen wird, dass der Pietismus in Württemberg entstanden ist, obwohl das gar nicht der Fall ist.

Diese ganzen Dinge wurden übernommen von August Hermann Franke (1663 – 1767) der die Spenerschen Gedanken zu einem wirkungsmächtigen Ganzen zusammenfasste. Durch ihn gelang der entscheidende Durchbruch des Pietismus in Brandenburg – Preußen, der damals der mächtigste Territorialstaat inmitten der deutschen Kleinstaaterei war. Und so entstand durch Francke der Hallesche Pietismus, der heute geschichtlich als die bedeutsamste Form des Pietismus anerkannt ist. Die wagemutigen pietistischen Theologiekandidaten aus Halle ließen sich überall hinrufen, zum Aufbau des petrinischen höheren Schulwesens, als dänische Missionare nach Südindien, als Schulpädagogen nach England und in den Orient. Der deutsche Pietismus wurde ein Exportschlager, und so kam es schließlich, dass Franke den zu seiner Zeit in Sibirien gefangenen Heimwehkranken schwedischen Kriegsgefangenen durch – man merke auf - baltische – pietistische Adlige am Zarenhof die Postverbindung mit ihrer Heimat vermittelte. Franke, der die vorhergehenden Elemente aufgriff, plante eine Generalreform der Welt aus den Kräften eines erweckten Christentums, eine reale Verbesserung in allen Ständen in und außerhalb Deutschlands, in Europa und in allen Teilen der Welt. Halle sollte das Zentrum dafür bilden. Allerdings wurden diese Pläne nur in den Anfängen verwirklicht.

Hier in Halle geht Graf Zinzendorf zur Schule und hier wurde er mit den Ursprungsgedanken des Pietismus konfrontiert. Er beginnt seine geistliche Tätigkeit auf den Fundamenten Speners und Frankes. Alles, was er jetzt tut, ist eigentlich Ausdruck dieser Theologie. Die Architektur der Brüdergemeine, die er als Asyl für Geradheit und Wahrheit ansieht.Das gottesdienstliche Leben in der Vielfältigkeit der liturgischen Versammlungen. Die Brüderlichkeit – die Brüderische Architektur ist Ausdruck seiner Theologie. Die Aufhebung der Standesschranken – nicht Herrschaft sondern Gemeinschaft – vor der Erkenntnis, dass vor Gott alle Menschen gleich seien.

Seine Lehre über die Stellung der Frau – für seine Zeit unvorstellbar, wenn man die kulturellen Zusammenhänge der damaligen Zeit kennt, in der selten Wohn – und Arbeitsstätte voneinander getrennt waren, wo der sogenannte Hauspatriarch die normale Einrichtung in Kultur und Gesellschaft war, da trat Zinzendorf auf und lehrt: „...weil Christus alle Menschen – Männer und Frauen – gleichermaßen liebt, werden im Glauben an Ihn die Geschlechtsunterschiede unwesentlich: Denn um ihn herum hört alles, alle Umstände, Geschlecht, Stand, äußere Situation, Gemütsbeschaffenheit, Gutes und Böses ganz auf. Man ist eben eine Menschenseele – und ER ist der Menschenfreund.“ Je älter Zinzendorf geworden ist, um so mehr hat er sich für die kirchliche Gleichstellung von Mann und Frau eingesetzt. Er begründet das theologisch in dem er sagt: „Ich verstehe die Unterordnung der Frau als durch den Sündenfall hervorgerufene Strafe (1.Mo.3,16), die aufgrund der dem Menschen im Opfer von Jesus geschenkten Vergebung beendet ist.“ Weitere Bereiche sind Zinzendorfs Theologie zur Seelsorge und zu Erziehungsfragen. Er entwickelt ein theologisch begründetes Arbeitsethos, Grundsätze für den Handel und eine brüderische Wirtschaftsordnung, die er allesamt quasi in ein biblisches Menschenbild, in eine Sechs – Punkte Theologie formt. Diese Theologie, die bis heute die Theologie des Pietismus ist, konnte überleben, und sie zeigt Ansätze bis in unser heutiges Denken und Handeln.

1. Zinzendorfs Lehre von Jesus Christus

Jesus Christus steht beherrschend im Zentrum von Zinzendorfs Glauben und Leben, nicht nur aus biblischer Begründung, sondern vor allem auch von der geistigen Grund- lagenkrise her zu verstehen, die Europa nach den Schrecken des dreißigjährigen Krieges erfasst hatte. Deutschland hatte in diesem Krieg ein Drittel seiner Bevölkerung verloren. Die führenden Köpfe Europas suchten nach einem neuen Lebensfundament jenseits des Konfessionalismus, der zur Katastrophe des Krieges geführt hatte. Sie glaubten, dies durch das Sprengen der kirchlichen Fesseln erreichen zu können. Immanuel Kant (1724 –1804) sprach später vom Heraustreten des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Viele Intellektuelle verbanden mit der Forderung nach einer Befreiung von kirchlichen Fesseln eine deistische oder sogar atheistische Weltanschauung. Das Zeitempfinden war von den Nachwirkungen des langen Krieges und dem endgültigen Bekanntwerden der Entdeckungen der Neuen Welt Galileo Galileis und Johannes Keplers geprägt. Ein Gefühl der Verlorenheit auf der Erde und im unendlichen Kosmos bemächtigte sich vieler Zeitgenossen.

Zinzendorf, der bis zu seinem 10. Lebensjahr von seiner Großmutter Henriette Freiin von Gerstorf erzogen wurde, erlebte mit, wie selbst eine der gebildetsten Frauen der damaligen Zeit mit Glaubenszweifeln zu kämpfen hatte. Aber durch diese Erziehung erlebte er schon als Sechsjähriger eine bewusste Hinwendung zu Jesus Christus, der ihm fortan Heiland und Bruder wurde und mit dem er vertraulichen Umgang pflegte. Doch bereits im 8. Lebensjahr ergriffen den geistig hochsensiblen Knaben Zweifel atheistischer Natur. Er schrieb später selbst darüber: „In meinem achten Jahre lag ich eine Nacht ohne Schlaff....die raffiniertesten Ideen der Atheisten entsponnen sich von selbst vor meinem Gemüthe...Weil aber mein Herz dem Heilande, und ich ihm in einer empfindlichen Aufrichtigkeit zugetan war, ..... So hatten die seit dem immer wiederkommende Speculationen und Vernunft – Schlüsse keine andere Gewalt bey mir, als mich zu ängstigen und mir den Schlaf zu verderben, aber auf mein Herz nicht den geringsten Effekt.“ Und Zinzendorf fragt zuerst, wie ein Mensch Zugang zu Gott bekommt. Er hält gegenüber der Aufklärung fest, das der Grund eines gewissen Glaubens nie die eigene Vernunft, sondern allein die dem Menschen von Gott geschenkte Offenbarung sein kann.

Und stellt auf der Grundlage der personalen Mitte der Offenbarung fest: „In Christus ist alle Seligkeit des Glaubens zusammengefasst.“ So formuliert er: „Zugang zu der Grund- wahrheit des christlichen Glaubens bedeutet: Der Schöpfer muss für die Kreatur sterben, wenn er sie selig machen will und die Seligkeit erhält man nur durch den Heiligen Geist, also durch Gott selbst. Damit es dazu kommen kann, muss dem Menschen Christus in der Predigt als der am Kreuz verwundete Mann , der die Sünden getragen hat, vor Augen gemalt werden. Bekommt dann eine Seele Verlangen nach der Bekanntschaft mit ihrem Schöpfer, Heiland und Freund, so weiß sie gleich, an wen sie sich zu halten hat.“ Daraus entsteht Zinzendorfs Lehre vom Umgang mit dem Heiland, die Gemeinschaft mit dem auferstandenen Gekreuzigten, der den Menschen durch sein Sterben die Versöhnung mit Gott erwirkt hat. Die evangelikale Theologie ist geboren.

2. Zinzendorfs Schriftverständnis

Nach Zinzendorfs Hinwendung zu Jesus Christus erfolgte seine Hinwendung zur Heiligen Schrift.Er sagt: „Denn ich habe das Unglück gehabt, dass ich nicht bei der Bibel begonnen habe, über diese Materie zu denken, sondern ich bin vielmehr „in medio“ einer philosophischen Meditation angenehm süpreniert und erfreut worden, als ich meine Gedanken mit der Bibel korrespondent fand.“ Die Beobachtung der alleinigen Mittlerschaft von Jesus Christus zwischen Gott und Mensch, die seinen Glauben seit frühester Kindheit geprägt hat, fand er im Zentrum der Bibel, was zu seiner Hochschätzung für die Schrift führte. Damit lehnt er sich sehr stark an das von Luther formulierte theologische Erkenntnisprogramm, als er in den Berliner Reden 1738 die Bibel als „einzige Quelle der Offenbarung von Gott“ definiert.

3. Zinzendorfs Trinitätslehre

Zinzendorf war der Überzeugung, dass der Glaube an die Dreieinigkeit dem Christen zur Herzenswahrheit werden muss. Die Trinitätslehre stößt ja bis zum heutigen Tag – nicht anders als im 18. Jahrhundert - bei vielen bestenfalls auf rationale Zurkenntnisnahme, oft aber auf Unverständnis oder Ablehnung. Er formuliert : „Echte Erkenntnis der Trinität gibt es nur, wenn die ganze Person des Erkennenden vom dreieinigen Gott ergriffen wird. Es soll ein so hoher Grad an Gottesgewissheit erreicht werden, dass man den Glauben an die Dreieinigkeit mit dem Essen und Trinken vergleichen kann.“ Der Hörer soll sich die verkündigte Wahrheit einverleiben; sie soll Teil seiner selbst werden. Und Zinzendorf spricht sehr poetisch vom Fühlen und Spielen und von der Freude an der Trinität.

4. Zinzendorfs Verständnis von Kirche und Gemeinde

Dies ist ein weiteres Zentrum seiner Theologie. Der Schwerpunkt seines Denkens war, dass Christus und der Gemeinde zusammengehören wie die beiden Brennpunkte einer Ellipse. Er prägt die Gedanken von der weltweiten Geschwisterschaft derer, die Jesus Christus nachfolgen. Damit formuliert er die Fortführung des 3. Glaubensartikels über die unsichtbare, weltweite Kirche, als er sagt: „Die eigentliche und ganze Gemeinde Christi ist nicht sichtbar, sondern unsichtbar. Sie umfasst grundsätzlich alle Gläubigen. Glied der unsichtbaren Kirche wird ein Mensch ohne eigene Leistung allein durch den Glauben an die Versöhnungstat von Jesus Christus.“ Dabei nimmt Zinzendorf durchaus eine positive Haltung zu den verschiedenen Konfessionen ein. Er knüpft hier an das Verständnis von Christoph Matthias Pfaff (1676 – 1760) an, der die Vorstellung der konfessionellen Glaubenslehren als verschiedene Erziehungsweisen Gottes verstand.

5. Zinzendorfs Lehre vom Heiligen Geist

Das „Werk des Heiligen Geistes bei den Kindern Gottes“ ist geprägt durch seine Vorstellung vom „Lehramt des Heiligen Geistes.“ Er erklärt dazu: „Nach der Himmelfahrt von Jesus hütet der Geist dessen Haus, die Erde. Glaubt ein Mensch an Jesus Christus, so wird er von ihm in die Schule des Heiligen Geistes übergeben. Dieser verlässt ihn dann nicht mehr, sondern pflegt und erzieht ihn bis zum Tod, ja darüber hinaus bis zur Auferstehung.“ Dabei bezieht sich die Pflege des Heiligen Geistes zuallererst auf die Erhaltung des Glaubens. Wenn das geschehen ist; wenn der Mensch an die Wunden Jesu glaubt, dann wird er in die Schule genommen und durch alle Klassen geführt, denn der Heilige Geist ist die Quelle aller Gotteserkenntnis. Der Graf hat seiner Lehre vom Heiligen Geist so große Bedeutung beigemessen, dass er sie als Voraussetzung einer Erweckung äußert. Und er spricht davon, dass diese Lehre gemeindeerhaltend wirkt, weil der Heilige Geist in die Gemeinden von Zeit zu Zeit Buße und Vergebung wirkt, was sich als ständige Korrektur und Erneuerung in der bestehenden Gemeinde auswirkt.

6. Die Missionstheologie Zinzendorfs

Hier wurde Zinzendorf maßgeblich von den Gedanken August Hermann Frankes geprägt.
Christus selbst ist das Missionsmotiv. Durch sein Streben, Seelen zu gewinnen, bevollmächtig und verpflichtet er die Gemeinde, seine Gehilfin bei der weltweiten Verkündigung seiner Botschaft zu sein. Sie soll, so Zinzendorf, in der Sprache der Brautmystik ausgedrückt, die Braut in der Welt für Christus freien. Die große Hochzeit ist noch nicht vorbei, die Seelen sind noch nicht heimgeholt, der Leib ist noch nicht ganz vollständig. Deshalb bestand das Ziel Herrnhuts darin, Heiden zu Jüngern zu machen. Damit war Zinzendorf ganz auf der Linie des Halleschen Pietismus. Sein Missionsziel war entscheidend von seinem Kirchen- seinem Gemeindebegriff geprägt. Er ist der Überzeugung, dass der 3. Glaubensartikel von der unsichtbaren Kirche alle Konfessionen durchzieht und seine Braut bei der Wiederkunft von Jesus aus allen Nationen zusammenführt. Deshalb wollte er die einzelne „Seele für das Lamm“ gewinnen. Und er sagt: „Nur wenn der Heilige Geist mit jedem Herzen „in specie“ zu tun hat und einen Menschen zur Aufnahme des Evangeliums vorbereiten würde, wäre der Weg zur Einzelbekehrung geebnet und die Missionspredigt sinnvoll.

Was für ein mutiger Mann mit welchem enormen geistlichen Anspruch. Er hat sich nicht nur Freunde gemacht in seinem Umfeld. Im Gegenteil: Nicolaus Ludwig Graf Zinzendorf wurde für seine Auffassungen von der orthodoxen Christenheit mit mehr als 1000 theologischen Anklagen überzogen. Man nötigte ihm Rechtfertigung für seine sicherlich revolutionären theologischen Ansichten ab, die den Menschen aus der Anonymität seiner religiösen Überzeugungen herausholte und „Farbe bekennen“ verlangte. Aber er war ein Mann von tiefer Glaubensüberzeugung und Festigkeit, die er oft in seinen Liedern zum Ausdruck brachte. Bereits als Vierzehnjähriger schrieb er anlässlich seiner Konfirmation ein Lied mit folgendem Text:

So ist es denn geschehen:
Ich habe Gott gesehen.
Er hat sich eingefunden
und sich mit mir verbunden.
Er hat mich Liebes – Kranken
bei seligen Gedanken
zu seinem Tisch geleitet
und teure Kost bereitet.

Wie dank ich`s Christi Liebe,
die aus dem treusten Triebe
sich, um mich zu erheben,
ins Niedrige gegeben.
Wie dank ich`s seinem Herzen
das soviel herbe Schmerzen
für mich, der sie verschuldet,
aus lauter Lieb erduldet!

Und nach dem Liebesmahle
gib, das ich dir bezahle
die selige Gelübde
darin sich Jesus übte.
Es wird an mir gesehen
Sein Tod und Auferstehen
Sein Kampf und überwinden,
sein Suchen und sein Finden.






















































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