Zum Inhalt wechseln

Welcome to Irrglaube und Wahrheit
Register now to gain access to all of our features. Once registered and logged in, you will be able to create topics, post replies to existing threads, give reputation to your fellow members, get your own private messenger, post status updates, manage your profile and so much more. If you already have an account, login here - otherwise create an account for free today!
Foto

Forum Gespräche im Kreuzgang


  • Bitte melde dich an um zu Antworten
Eine Antwort in diesem Thema

#1
Rolf

Rolf

    Administrator

  • Administrator

  • PIPPIPPIP
  • 34204 Beiträge
  • Land: Country Flag
Forum Gespräche im Kreuzgang


Please Login HERE or Register HERE to see this link!




Ich habe mal eine Frage an das Forum:

vor kurzem hat mich ein Bekannter darauf angesprochen, dass es bestimmte protestantische "Untergruppierungen" (den Begriff Kirche oder Sekte möchte ich nicht verwenden, da ich nicht weiß, welcher passt) geben soll, die eine besondere Ansicht vertreten. Danach sollen nur die in den Himmel kommen bzw. nur die im Himmel ein glückliches Leben haben, die zu Lebzeiten auf der Erde wirtschaftlich sehr erfolgreich waren.

Davon habe ich noch nie was gehört und sofort an Scientology gedacht. Er meinte aber, so etwas mal bei Max Weber (dem Soziologen) gelesen zu haben. Kann mir da jemand was zu sagen?
  • 0

#2
Rolf

Rolf

    Administrator

  • Topic Starter
  • Administrator

  • PIPPIPPIP
  • 34204 Beiträge
  • Land: Country Flag

Please Login HERE or Register HERE to see this link!






Hallo Kalli,

ich denke, hier liegen ein paar Mißverständnisse vor.

Natürlich gibt es viele protestantische Gruppen, und einige von ihnen vertreten ein sogenanntes "Wohlstandsevangelium", d.h. wenn Du richtig glaubst, wird Gott Dich materiell segnen. Das ist in den USA verbreitet,

die neueste Form dieses theologischen Irrsinns in Deutschland hat unter dem Namen der "Wort und Geist" Gemeinden von Röhrnbach im Bayerischen Wald aus ihren Anfang genommen.

Sofaklecks hat recht mit seinem Hinweis auf Calvin. Alle größeren Theologen haben sich mit der Frage der Prädestination (Vorherbestimmung) zum Heil oder zum Unheil auseinandergesetzt. Eine besonders radikale Ansicht vertrat Johannes Calvin mit der sog. doppelten Prädestination - also Lehre der unabwendbaren Vorherbestimmung des Menschen zum Heil oder zum Unheil. Im calvinistischen Glaubenssystem galt weiterhin, daß der Mensch nicht erkennen kann, ob er zum Heil oder zum Unheil bestimmt ist. Änderbar ist dieser Ratschluß Gottes ohnehin nicht. Allerdings entwickelte sich die Vorstellung, daß bestimmte Lebensumstände Rückschlüsse darauf zuließen, ob man zum Heil oder Unheil bestimmt sei. Wirtschaftlicher Wohlstand, Gesundheit, Wohlergehen und sozialer Status wurden für die Calvinisten so zum Indikator für die Erwählung, während Krankeit, Armut usw. darauf hindeuteten, daß dieser Mensch nicht zum Heil erwähnt sein könne.

Der Unterschied zum amerikanischen Wohlstandsevangelium liegt darin, daß für Calvin das Wohlergehen nur ein Indikator für das bereits zugesprochene Heil ist, während für die Amis das Wohlergehen eine Folge des rechten Glaubens ist.

Nichts spricht jedoch für den gläubigen Calvinisten dagegen, durch Strebsamkeit und aufopfernde Arbeit auf diesen Wohlstand hinzuarbeiten und damit sich der Zeichen der eigenen Erwählung zu versichern. Besonders diesen Aspekt hat Max Weber in seiner bahnbrechenden Studie "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" untersucht. Für Weber war die Kombination aus Erwählungsglaube (oder soll man sagen: Verdammungsangst?), Arbeitsethik, Vergnügungsfeindlichkeit und Sozialkontrolle eine Grundbedingung für das Entstehen kapitalistischer Wirtschaftssysteme. Dies galt zunächst für die calvinistischen Gebiete in der Schweiz und den Niederlanden, wurde aber in einer weiteren Studie ("Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus") auf protestantische Gruppen wie Presbyterianer und Methodisten in Großbritannien und Nordamerika ausgedehnt.

Alle diese Gruppen vertreten aber gewiß nicht die Lehre, nur der Erfolgreiche komme in den Himmel. Im Gegenteil: Die Methodisten etwa waren in der Frage der Prädestionation eindeutig Arminianer, d.h. sie lehnten die Lehre der doppelten Prädestination explizit ab, u.a. mit der Begründung, daß diese Lehre ja gerade soziale Mißstände zementiere, indem sie das Los der Armen als gottgewolte Strafe für ihre Verdammung erscheinen lasse!). Dies ist ein klares Mißverständnis und läßt sich nicht in den Arbeiten Max Webers belegen.

Gruß
SD
  • 0