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Die Mehrheit der Kunden unterstützt den Wahnsinn


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Rolf

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Gedanken zum Sonntagsshopping: Die Mehrheit der Kunden unterstützt den Wahnsinn




Ein Kommentar von Brenda Berning


25.11.2007


Der Sonntagschutz ist stark gefährdet. Nicht jeder findet das schlecht. Doch die Konsequenzen werden sich unweigerlich dann abzeichnen, wenn der Sonntag als „Ruhetag“ einmal nicht mehr existiert. Gleichzeitig ist die aktuelle Diskussion ein Fingerzeig auf das eigentliche Problem: Unsere Gesellschaft.

Seit der Förderalismusreform im Jahre 2006 ist das Ladenschlussgesetz nicht mehr als ein durchgeweichter Damm. Und die Arbeitnehmer im Einzelhandel haben wenig Hoffnung auf Besserung. Nicht genug, dass sie in der Woche schon fast rund um die Uhr an die Arbeit müssen. Nun werden sie auch noch gezwungen, vermehrt an den Feiertagen die Kunden zu verwöhnen.

Was seit einigen Jahren schon Gang und Gebe ist, wurde durch die Entscheidungsfreiheit der Länder noch verstärkt: Die Anzahl der verkaufsoffenen Sonntage reicht in den verschiedenen Bundesländern mittlerweile von vier bis zu zehn Sonntagen pro Jahr. Adventssonntage inbegriffen, in Berlin sogar alle vier.

Der evangelischen Kirche geht das zu weit, weshalb sie nun Verfassungsbeschwerde einreichte. Die Erfolgschancen sind freilich gering, hat doch in der Vergangenheit das oberste deutsche Gericht bereits befunden, die Sonntagsöffnung sei mit der Verfassung vereinbar. Die Entscheidung gegen die sonntägliche Arbeitsruhe fiel damals im Juni 2003 trotz des Artikels 139 unseres Grundgesetzes, wo es heißt: „Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erbauung gesetzlich geschützt.“

Damals war es die Kaufhof AG, die gegen das Verbot klagte, die Läden an Sonn- und Feiertagen zu öffnen. Wegen "Beeinträchtigung der Chancengleichheit und der unternehmerischen Freiheit“.

Verständlich, dass Unternehmer nicht hinnehmen wollten, dass in Großbahnhöfen der Einzelhandel an den Feiertagen florierte, während sie selbst nur zusehen durften. Das Urteil, der Karlsruher Richter wurde von vielen als „wichtiger Schritt Richtung Chancengleichheit im Einzelhandel“ gefeiert.

»Öffnungszwang«

Aber eben nicht von allen. Heinrich Deichmann, Deutschlands größter Schuhverkäufer, beschreibt die Zwickmühle, in der der Einzelhandel steckt: „Viele unserer Filialen befinden sich in Einkaufszentren mit Betreiberpflicht. Wenn man da nicht öffnet, fliegt man raus.“ Und auch in normalen Stadtzentren kann der Geschäftsmann die Öffnung seiner Läden nicht so einfach begrenzen. Denn die Mehrheit der Kunden unterstützt den Wahnsinn: „Angesichts des Kundenzulaufs an verkaufsoffenen Sonntagen", bedauert der engagierte Christ, "kann ich mir eine Schließung nicht erlauben“. Schließlich geht es auch um die Verantwortung für tausende von Arbeitsplätzen.

Diente der Sonntag also früher den meisten Menschen als Tag der Besinnung, als Tag für den bewussten Gottesdienst und als Tag für die Gemeinschaft mit der Familie, so nutzt die Mehrheit der Deutschen heute den Sonntag als Tag zur persönlichen Zerstreuung. Nicht weiter schlimm an sich, soll doch jeder Entspannen wie er mag. Doch die veränderte Sicht auf den Sonntag verändert auch die Bedürfnisse: „Wobei kann ich besser entspannen als beim Shoppen?“ fragt sich der Eine. „Was kann es besseres geben als sonntags im Fitnessstudio zu hecheln?“ meint ein Anderer.

„Dem veränderten Kundenverhalten Rechnung tragen“ bezeichnete die Kaufhof AG die Neuerung ihrer Öffnungszeiten. Auch die Karlsruher Richter begründeten ihre Entscheidung 2003 so. Die Bevölkerung hat eben ein „erheblich verändertes Freizeitverhalten“.

Was steckt dahinter?

Doch steckt dahinter nicht mehr? Ist es nicht ein zutiefst egoistischer Wunsch des gemeinen Konsumenten, zu fordern, dass sich tausende von Arbeitnehmern am Sonntag hinter die Verkaufstheken zwängen und ihrem (leider nun) alltäglichen Geschäft nachgehen? Auf ihre Familien verzichten und dabei oft nicht einmal Lohnzuschlag erhalten?

Klar ist: Wer am Sonntag einkaufen geht, muss sich bewusst machen, dass er damit die Abschaffung der Sonntagsruhe fordert. Deshalb liegt der Schutz des Sonntag nicht in der Verantwortung der Politik, sondern in der Verantwortung unserer verrückten Konsumgesellschaft. Ist es nicht bizarr, dass in Zeiten von Burnout-Syndrom und boomenden „Finde-dich-selbst“-Ratgebern der Sonntagsruhe kaum noch Bedeutung beigemessen wird? Menschen bekommen Depressionen, weil ihnen alles über den Kopf wächst. Und Freundschaften, Ehen und Familien zerbrechen oft letztendlich deshalb, weil niemand für niemanden Zeit hat. Die Konsequenzen einer kompletten Abschaffung des letzten gemeinsamen „freien“ Tages kann man sich ausmalen.

Bei solchen Aussichten sollte sich jeder fragen, was mehr wiegt: Das Recht auf ungebremste Konsumwut oder das Recht auf gemeinsame Sonntagsruhe. Wir dürfen gespannt sein, wie das Gericht entscheidet. Ich fürchte allerdings, es bleibt uns nur das klare Recht auf unseren eigenen Selbstverwirklichungswahn.

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