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Ex-Prostituierte: "Ich habe gemerkt, wie knapp ich überlebt hatte"


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Rolf

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Ex-Prostituierte: „Ich habe gemerkt, wie knapp ich überlebt hatte“
 
 
3. Mai 2023
 

Sophie Hoppenstedt prostituierte sich schon als Teenager. Hier erzählt sie von ihrer Kindheit in einer christlichen Pflegefamilie, Vergewaltigungen, Drogenkonsum – und wie sie dank eines alten Mannes den Ausstieg schaffte.

 

Sophie, wie sah deine Kindheit aus?

 

Sophie Hoppenstedt: Meine Mutter hatte ein Verhältnis mit einem amerikanischen GI, der in Deutschland stationiert war. Sie hat sich aber schon vor meiner Geburt von ihm getrennt – und erkrankte später an einer paranoiden Schizophrenie. Das heißt, sie war sehr aggressiv, unberechenbar und hat mich extrem vernachlässigt. Ich wurde wohl auch sexuell missbraucht, aber da war ich sehr jung und kann mich deshalb nicht richtig daran erinnern. Mit vier Jahren bin ich dann zu christlichen Pflegeeltern gekommen. Mit 15 habe ich mich auf einem Jugendfestival für Jesus entschieden.

 

Rebellion gegen christliche Pflegeeltern

Wie lebte es sich in der Pflegefamilie?

 

Hoppenstedt: Meine Pflegeeltern waren sehr gläubig, sehr konservativ, sehr streng. Die haben in meiner Jugend versucht, Kontakte zu Männern zu unterbinden. Das hat aber dazu geführt, dass ich noch mehr auf diese Schiene gegangen bin. Ich wollte rebellieren.

 

Wie ging es weiter?

 

Hoppenstedt: Ich habe angefangen, mich mit Männern aus dem Internet zu treffen. Da kam es auch zu Gewalt. Meine Pflegeeltern haben gesagt: “Wenn du dich so anziehst, dann passiert dir halt sowas.” Ich habe ihnen überhaupt nicht mehr vertraut und sie mir auch nicht. Es gab ständig Ärger. Sie drohten mir, dass sie mich ins Heim schicken, wenn ich mich weiter so verhalte. Mit 16 Jahren war mir das alles zu viel. Ich bin abgehauen – und dann selbst im Heim gelandet.

Als Escort-Girl das große Geld gemacht

 

Wann bist du in die Prostitution gerutscht?

 

Hoppenstedt: Ich habe mich, seit ich 14 war, gelegentlich mit Männern getroffen. Aber das war nicht ökonomisch notwendig. Meistens war das für Drogen oder einfach nur so. Nach einem Drogenentzug fing es dann richtig an.

 

Mit 18 habe ich mich bei einer Escort-Agentur angemeldet [eine Escort-Agentur vermittelt Frauen oder Männer, die gegen ein Honorar für eine vereinbarte Zeit ihre Gesellschaft anbieten; in der Regel handelt es sich um eine Form der Prostitution; Anm. d. Red.] und damit ziemlich viel Geld verdient. Ich verdiente zwischen 10.000 und 20.000 Euro im Monat und konnte mir alles kaufen, was ich wollte. Das war toll als 18-jähriges Mädchen. Ich hatte das Gefühl, dass mein Leben plötzlich einen Sinn hatte. All das Schlechte hatte ich erlebt, damit ich jetzt reich werden kann. Durch Prostitution.

 

Natürlich bin ich nicht reich geworden: Ich habe viele Drogen genommen und bin viel Shoppen gegangen, habe große Partys gefeiert. Alle möglichen Leute haben bei mir gewohnt und sich durchgeschnorrt. Furchtbar.

 

Wie lange hast du als Escort gearbeitet?

 

Hoppenstedt: Nach einem halben Jahr habe ich bei der Agentur schon wieder aufgehört. Die sind mir zu fordernd geworden. Ich hatte eine Eierstock- und eine Nierenbeckenentzündung, war zweimal im Krankenhaus deswegen und musste viele Drogen nehmen, um die Schmerzen überhaupt ertragen zu können. Trotzdem hat die Agenbtur Druck gemacht und wollte, dass ich Termine wahrnehme.

 

Sie haben mir dann gedroht, wenn ich immer absage, bekomme ich keine Termine mehr. Trotz Krankheit habe ich also weitergearbeitet. Heute weiß ich, dass man von einer Eierstockentzündung unfruchtbar werden kann, wenn man nicht zum Arzt geht. Damals jedoch habe ich mich wochenlang nicht behandeln lassen, bis es richtig übel wurde.

 

„Vor der Kamera hatte ich das Gefühl permanent erniedrigt zu werden“

Was kam nach deiner Zeit bei der Escort-Agentur?

 

Hoppenstedt: Ich habe dann als Cam-Girl in der Amateurbranche angefangen. Und zwar richtig erfolgreich, auch wenn ich nicht mehr so viel wie vorher verdient habe. Ich fand es aber noch aus anderen Gründen weniger gut als die Prostitution. Vor der Kamera hatte ich das Gefühl, permanent erniedrigt zu werden und das auch noch mitzubekommen.

 

Bei der Prostitution gab es so einen Schalter in meinem Kopf, der meine Gefühle abgeschaltet hat. Ich habe einfach funktioniert, wie ein Roboter. Ich habe mich für nichts geschämt. Klar, hatte ich Schmerzen, aber die waren auszuhalten. Ich habe alles wie durch Watte wahrgenommen. Meine körpereigenen Mechanismen haben mich betäubt, teilweise natürlich auch die Drogen.

Und das hat vor der Webcam nicht mehr funktioniert?

 

Hoppenstedt: Nein, ich war mir jederzeit meiner Taten bewusst. Ich wusste nicht, wer am anderen Ende sitzt. Ob die Leute mich kennen, ob das zufällig ein Nachbar ist. Die ganze Anonymität war weg. Ich fand das furchtbar. Ständig musste ich noch einen Kundenfetisch befriedigen und dabei über die eigenen Grenzen gehen. Sobald das Geld gestimmt hat, habe ich Dinge gemacht, wo ich sonst gesagt habe: Das würde ich niemals tun. Ich habe jeden Tag mehr an Selbstachtung verloren.

Suizidversuch auf wundersame Weise überlebt

 

Wie ist dir der Ausstieg aus der Prostitution gelungen?

 

Hoppenstedt: Eine Freundin wurde 2015 von einem Freier vergewaltigt, den ich ihr geschickt hatte. Das ging mir sehr nahe. Ich habe mich schuldig gefühlt. Gleichzeitig war ich ohnehin schon depressiv und hatte das Gefühl, dass mein Leben keinen Sinn mehr hat. Und so habe ich versucht, mich umzubringen.

 

Ich habe mich in die Badewanne gelegt und mir die Pulsadern aufgeschnitten. Ich hatte eine Geschichte über Franz von Assisi im Kopf, die aber gar nicht stimmt. Ich dachte, er wäre heiliggesprochen worden, weil er sich für Jesus umgebracht hatte. Deshalb habe ich gesagt: “Ach Gott, ich will gar nicht heilig werden, ich will einfach nur zu dir.” Ich habe ziemlich viel Blut verloren und bin ohnmächtig geworden.

 

Wie hast du das überlebt?

 

Hoppenstedt: Keine Ahnung. Nach ein paar Stunden bin ich wieder aufgewacht und habe eine Stimme gehört, die gesagt hat: “Es ist für dich noch nicht an der Zeit zu sterben. Ich habe noch einen Plan für dich.” Ich habe das gar nicht hinterfragt, sondern bin einfach aufgestanden und schlafen gegangen.

 
 

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