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Von den Nazis gestohlen: Die Wiederentdeckung eines Buches in Jerusalem


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Rolf

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Von den Nazis gestohlen: Die Wiederentdeckung eines Buches in Jerusalem

 

 

 

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Die lange Reise eines Buches Leviticus, das während der Nazi-Zeit in einem Keller in Wien versteckt wurde, bevor es schließlich seinen Weg in das Konservierungs- und Restaurations-Labor der Nationalbibliothek Israels fand.

 

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In den Sammlungen der Nationalbibliothek Israels begegnete uns vor kurzem eine

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. Das Buch war einem Jungen 1936 zur Bar Mitzwa geschenkt worden. Tragischerweise kamen der Empfänger des Geschenks und seine Familie einige Jahre später ums Leben. Die Nazis plünderten in der Reichskristallnacht und der folgenden Zeit viele jüdische Bibliotheken in Österreich. Dazu gehörten die Jüdische Gemeindebibliothek in Wien (die Bibliothek  der IKG) und die Bibliothek des Jüdischen Theologischen Seminars (ITLA), Privat-Bibliotheken, Buchläden und Verlagshäuser.

 

Die meisten Bücher wurden nach Berlin in die riesige Bibliothek geplünderter Bücher des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) gebracht. Teile dieser Bibliothek wurden bei der Bombardierung der deutschen Hauptstadt zerstört, andere Teile wurden nach dem Krieg entdeckt. Wir wissen nicht genau, welche Route dieses Bar Mitzwa-Geschenk nahm, aber in den 1950-er Jahren wurden dank der hartnäckigen Bemühungen der Nationalbibliothek und mit Hilfe des Religionsministeriums sowie mit Zustimmung der übriggebliebenen jüdischen Gemeinde Wiens viele Bücher, darunter dieses, in die Nationalbibliothek Israels gebracht. Ein von der Bibliothek angebrachtes Etikett informiert, dass das Buch von den Juden Wiens in Gedenken an die Opfer des Holocaust gespendet wurde.

 

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Gespendet von der jüdischen Gemeinde Wiens in Erinnerung an die Opfer des Holocaust“ – ein an dem während des Holocaust gestohlenen und später in Wien gefundenen Büchern angebrachtes Etikett

 

Einige Wochen später entdeckten wir ein weiteres interessantes Buch, das einst im Wien vor dem Holocaust einem Juden gehörte. Laut der alten Bibliotheksaufzeichnungen von 1956 wurde das Buch 

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, alsTeil der Arbeit des Projekts „Diaspora-Schatz“ zur Bibliothek geschickt, das nach dem Holocaust Bücher aus Europa nach Israel brachte.

 

Wir konnten an dem Buch zuerst kein Etikett finden, also war nicht klar, ob diese Ausgabe tatsächlich von den Nazis geplündert wurde.

 

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Pentateuch, Leviticus, 1797/98, Innenseite des Buchdeckels mit kaum sichtbarem Etikett unter dem Papier
 

Wegen des Verdachts, dass dieses Buch tatsächlich den Holocaust überlebt hatte, brachte ich zu Hagar Millman, einer Konservatorin der Abteilung des Labors für Konservierung und Restauration der Nationalbibliothek Israels. „Sobald das Buch im Labor ankam und angesichts der Möglichkeit, dass es den Holocaust überlebt hatte, nahm ich sofort unsere Spezialausrüstung zur  Hand, um festzustellen, was sich unter der Innenseite des Bucheinbandes befand“, sagt Millman.

 

„Es ist schwer meine Aufregung zu beschreiben, als ich das unter der Seite versteckte Etikett entdeckte. Ich wusste sofort, dass dies ein besonderer Gegenstand war, der eine verworrene Reise hinter sich hatte, bevor er schließlich die Nationalbibliothek erreichte und dass er eine faszinierende Geschichte haben musste.“

 

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Das freigelegte Etikett

 

Vor der Behandlung des Buches wurde ein schriftlicher Bericht über seinen Zustand erstellt, zudem wurde der Gegenstand fotografiert, damit wir seinen Zustand vor und nach der Restauration vergleichen konnten. Die Entfernung der Papier-Abdeckung des Etiketts und all der Klebereste war ein extrem heikler Prozess, der mehrere Stunden dauerte und Spezialwerkzeug erforderte – einen dünnen Spachtel, Pinzetten und ein Skalpell, kontrollierte Raumfeuchtigkeit und reversible Klebstoffe.

 

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Hagar Millman legt das verborgene Etikett frei
 

Auf der Rückseite des Buchdeckels fanden wir ein weiteres wichtiges Etikett, das von einem weißen Aufkleber und einer Stoffbindung am Rücken ebenfalls teilweise verdeckt war (das Buch war irgendwann neu gebunden worden, so das einen Stoffbindung das Etikett teilweise verdeckte).

 

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Das teilweise verdeckte Etikett des Instituts für Orientstudien auf der Rückseite des Einbandes vor der Restaurierungsarbeit

 

„Auch hier war sehr feinfühlige Arbeit vonnöten, bis ich in der Lage war das gesamte Etikett freizulegen, was es möglich macht die Geschichte des Gegenstandes zurückzuverfolgen“, sagt Millman.

 

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Das Etikett tritt unter einem gestreiften Stoffeinband hervor, dessen Überreste links zu sehen sind
 
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Der äußere Einband des Buchs mit dem Etikett des Instituts für Orient-Studien, der einmal von einem Aufkleber und später einer Neubindung verdeckt war.

 

Der Aufkleber „Spende“ der jüdischen Gemeinde Wien, der zum Teil verdeckt war, zeigt definitiv, dass das Buch aus Österreich nach Israel geschickt worden war. Aber das war nur die Hälfte der Geschichte.

Während des Krieges wurden viele Bücher aus der zentralen Bibliothek der Oberschule der NSDAP an Österreich weitergegeben; die Schule wurde vom Hauptideologen der Nazi-Bewegung, Alfred Rosenberg, gegründet. Die Bücher wurden überall in Europa geplündert, nicht nur bei der österreichischen jüdischen Gemeinschaft. Eine Unterschrift und ein Stempel auf den ersten Seiten des Buches und der vor kurzem im Labor freigelegte Aufkleber auf der Rückseite des Einbandes führten zur  Herkunft des Buches.

 

Laut dem Titelbild wurde das Buch 1798 in Wien gedruckt. Die Unterschrift oben auf dieser Seite war von einem Mann namens Sheftel Bientz, der wahrscheinlich einer der ersten Besitzer des Buches war. Auf derselben Seite gab es auch einen Stempel des Wiener Zweigs der Agudath Israel. Da war eine interessante Wendung, weil der Sekretär dieser Organisation in Wien die Person war, die die Ausgabe der Mesilat Yescharim 1936 dem Jungen zur Bar Mitzwa schenkte; er schrieb auch die Widmung darin. Es ist möglich, dass beide Bücher durch seine Hände gingen.

 

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Die Frontseite des Buchs mit der Unterschrift oben auf der Seite und dem Stempel des Wiener Zweigs der Agudath Israel

 

Das Etikett auf der Rückseite des Buchs lautet: Orientalisches Institut – Universität Wien und darunter findet sich das Wort Leihgabe, was andeutet, dass das Buch ursprünglich nicht der Universitätsbibliothek gehörte.

 

Wie kam ein Buch, das einer ultraorthodoxen Organisation gehörte, in die Universität Wien?

Kurt Schubert war ein österreichischer Student, der die Nazis und ihr Handeln ablehnte, aber aus offensichtlichen Gründen war er nicht in der Lage seine Meinung öffentlich zu äußern. Infolge seines Asthmas war er vom Militärdienst befreit und nutzten die Kriegsjahre, um akademischen Studien nachzugehen. Schubert schrieb sich an der Universität Wien ein, wo er bei Professor Viktor Christian studierte, einem Assyriologen, der auch Mitglied der SS war und zu seinen Forschungsaktivitäten gehörte die Exhumierung von Skeletten von Juden zum Zweck von Rassen- und Erbtests.

 

Als Teil der Bemühungen die Nazi-Ideologie unter deutschen Akademikern zu verbreiten, gründete SS-Chef Heinrich Himmler 1935 die Organisation Ahnenerbe. Universitäts-Forscher, die in der Organisation dienten, wurden damit beauftragt die Wurzeln des deutschen Volks festzustellen und die Überlegenheit der arischen Rasse zu beweisen. Ahnenerbe übergab aus jüdischen und anderen Bibliotheken geplünderte Bücher an Professor Christian und beauftragte ihn sie in der Hoffnung zu katalogisieren, dass sie den Forschern bei ihrem Studium der bald ausgelöschten jüdischen Rasse helfen würde. Während weitere Bücher aus Österreich, Deutschland und Polen ankamen, halfen Schubert und andere Studenten ihrem Professor bei seiner Arbeit.

 

Anstelle des Militärdienstes wurde Schubert zum Luftschutzwart gemacht. Im Dienst entdeckte er einen Keller im jüdischen Zentrum von Wien, in dem viele Bücher aus den Gemeindebibliotheken gelagert waren. Mit dem Argument, dass sie ein Brandrisiko seien gewann er Professor Christians Einverständnis die Bücher dem Institut für Orientstudien an der Universität Wien zu übergeben. So rettete Schubert rund 20.000 Bücher und als der Krieg endete, gab er sie dem zurück, was von Wiens jüdischer Gemeinde übrig geblieben war. Diese und andere Bücher gelangten schließlich nach Israel, begleitet von Schubert selbst, der eingeladen wurde den neuen Staat zu besuchen.

 

Der Pentateuch, den wir entdeckten, wurde vermutlich genau in diesem Wiener Keller aufbewahrt. Er wurde an die Universität Wien übergeben, zusammen mit den angehefteten Etikett der Universität und zur Verwendung für antisemitische akademische Forschung. Dank Schubert und der jüdischen Gemeinde Wien steht er heute in der Nationalbibliothek zur Ansicht und Forschung zur Verfügung.


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