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Besser wird's nicht


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Rolf

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Armut in Deutschland




Besser wird's nicht





Die Geschichte vom Tellerwäscher, der es zum Millionär bringt, gehört ins kapitalistische Märchenland. Fakt ist: Sind die Eltern arm, bleiben es ihre Kinder häufig auch - ihr Leben lang.




Von Christoph Schäfer


icht nur Vermögen lässt sich vererben, auch Armut wird häufig von einer Generation an die nächste durchgereicht. Die Fachwelt spricht mittlerweile schon von "Sozialhilfe-Dynastien". Gemeint sind Familien, in denen Armut auf eine jahrzehntelange Tradition zurückblicken kann. "Trotz des Wirtschaftsaufschwungs steigt die Zahl dieser Familien schnell an", erklärt Jürgen Borchert, Richter am hessischen Landessozialgericht und Mitautor des "Kinderreports 2007".

Borchert erklärt das Phänomen wie folgt: Familien, in denen der größte Teil des Einkommens aus eigener Erwerbstätigkeit stammt, sind grundsätzlich aufstiegsorientiert und begrüßen Werte wie Fleiß, Pünktlichkeit und Bildung. In Familien, die vor allem von staatlicher Hilfe leben, geht Borchert zufolge diese Grundhaltung irgendwann verloren und wird infolgedessen auch dem eigenen Nachwuchs nicht übermittelt. "An diesem Punkt wird Armut erblich", sagt Borchert.

Jeder Sechste in Deutschland lebt in Armut

Allerdings ist Armut nicht gleich Armut. Fachleute unterteilen das Phänomen in subjektive Armut (der Betroffene fühlt sich arm, ist es aber nicht wirklich), absolute Armut (wenn es ums nackte Überleben geht) und relative Armut (das Leben ist gesichert, das soziokulturelle Existenzminimum hingegen nicht).

In Entwicklungsländern interessiert der Grad an absoluter Armut: Einer Definition der Vereinten Nationen zählt demnach derjenige als arm, der weniger als einen US-Dollar am Tag zum (Über-)Leben hat. In vollentwickelten Industriestaaten wie der Bundesrepublik ist hingegen die relative Armut entscheidend. Gemäß EU-Definition lebt in relativer Armut, wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens verdient.

Konkret ist nach einer Studie des Statistischen Bundesamtes vom Dezember vergangenen Jahres relativ arm, wer im Jahr 2004 in Deutschland als Single nicht über 856 Euro verfügbares Einkommen im Monat hinauskam. Bei einer Familie mit zwei Kindern liegt die Grenze bei 1798 Euro im Monat. Insgesamt waren laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung im Jahr 2005 etwa 17 Prozent der Menschen in Deutschland armutsgefährdet, vier Prozentpunkte mehr als im Jahr 2000.

"Das Armutsproblem nimmt zu, sowohl quantitativ als auch qualitativ", erklärt Claus Schäfer von der Hans-Böckler-Stiftung. Gemeint ist, dass nicht nur die Zahl der armen Menschen insgesamt steigt, sondern auch die Zahl derer, die langfristig in der Sozialhilfe verharren.

"Es gibt Familien, die in zweiter oder dritter Generation von staatlichen Transfers leben", sagt Schäfer. Bei diesen Familien handele es sich zwar nicht um die Mehrheit der Sozialhilfeempfänger, jedoch um eine "wachsende Minderheit".

"Systematisch benachteiligt"

Grundproblem dieser "wachsenden Minderheit" ist meist Arbeitslosigkeit, häufig in Kombination mit fehlenden Schul- und Ausbildungsabschlüssen. "Bildungschancen werden vererbt", heißt es schon im aktuellen Armutsbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2005. Demnach haben Kinder von Eltern mit hohem sozialen Status eine 2,7fach größere Chance, ein Gymnasium zu besuchen, als Kinder von Facharbeitern. Die Wahrscheinlichkeit, ein Studium zu beginnen, ist bei Wohlhabenden sogar um das 7,4fache größer.

Jedes vierte Kind, dessen Eltern keinen Schulabschluss haben, wird später ebenfalls von staatlichen Transfers leben. Wenn mindestens ein Elternteil einen solchen vorweisen kann, ist es nur jedes zehnte Kind. Haben Vater und Mutter keinen Job, ist auch ihr Kind mit wesentlich höherer Wahrscheinlichkeit später arbeitslos.

Dass Deutschland bei der Bildungspolitik erheblichen Nachholbedarf zeigt, hat sich mittlerweile sogar bis zu den Vereinten Nationen herumgesprochen: Im März dieses Jahres kritisierte UN-Sondergesandter Vernor Munoz, dass insbesondere arme Schüler, Migrantenkinder und Schüler mit Behinderungen durch das dreigliedrige Schulsystem in Deutschland "systematisch benachteiligt" würden. Ort der Kritik: der UN-Menschenrechtsrat in Genf.

(sueddeutsche.de)



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