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Bloß nicht Hillary!


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Rolf

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RELIGIÖSE RECHTE IN DEN USA



Bloß nicht Hillary!





Von Gregor Peter Schmitz, Washington

Wer Präsident werden will, braucht sie: Die religiöse Rechte ist für die Republikaner die wichtigste Wählergruppe. Bei einer Konferenz in Washington buhlten alle Top-Bewerber um die Gunst der Gläubigen. Und die könnten trotz manch radikaler Stimmen pragmatischer sein als erwartet.


Washington - Ross Conley ist 38, er lebt bei seiner Mutter, und er hat sie nur ungern allein gelassen dieses Wochenende. Sie erholt sich gerade von einer Operation, da hätte sie ihn daheim brauchen können. Doch Ross musste einfach fahren, den ganzen Weg von Mars, Pennsylvania, nach Washington. Um vom Mord an unschuldigen kleinen Babys zu berichten.

Über den kann der Kommunikationsdirektor von "Faith 2 Action" zehn Minuten ohne Pause sprechen. Er fuchtelt dabei mit grell-bunten Farbfotos von zerstocherten Föten in der Luft. So schnell spricht Conley, dass die daumendicken Brillengläser fast beschlagen. Er nimmt sie ab, putzt, und seufzt: "Das ist ja nicht alles. Wenn die Demokraten an die Macht kommen, verschärfen die die Gesetze. Dann können wir ins Gefängnis kommen, wenn ein Homosexueller zusammengeschlagen wird. Weil wir angeblich die Leute aufhetzen."

Dabei verkündet die Broschüre auf seinem Tisch doch nur, dass Homosexualität eine Sünde ist - die einen in die Hölle bringt. Schon verflixt. Gut, dass Ross sich dieses Wochenende mal mit Freunden beraten kann. Ray Mooney zum Beispiel, am Stand ein paar Meter weiter. Der hat weiße Haare und trägt eine gelbe Krawatte, auf die dick weiß gedruckt ist: "Choose Life". Mooney war Makler, aber vor zwei Jahren hat er realisiert, dass Jesus ihn auserwählt hat. "Er hat mich berufen, hauptamtlich gegen Abtreibung zu kämpfen."

So weit ist Paul Johnson noch nicht, drei Tische rechts davon. "Tagsüber bin ich IT-Programmierer", sagt er etwas verlegen. Aber in seiner Freizeit vertieft sich Johnson ganz in die Rechtsschlachten zur Homo-Ehe, gegen Pornographie. Neben seinem Stand lugen schwarze T-Shirts mit blutroter Schrift herüber. "Change - or die!" steht auf denen.

Willkommen zum "Values Voter Summit" in Washington. Rund 2500 Delegierte sind für drei Tage nach Washington gekommen. Zu Workshops darüber, wie fundamentale Christen im liberalen Sumpf liberaler Medien und Unis überleben können. Oder wie Darwin endlich aus den Schul-Lehrplänen verschwinden könnte. Am Abend schauen sie gemeinsam den Monumentalfilm "Die zehn Gebote", am Morgen feiern sie Gottesdienst im riesigen Ballsaal des Tagungshotels.

Alle Präsidentschaftskandidaten machen ihre Aufwartung

Die "Values Voters": Sie vereinen Gruppen gegen Abtreibung, gegen Schwulenehe, für starkes Militär, für Familienwerte und Kreationismus, gegen Pornographie und liberale Richter. Sie bringen sehr laute Stimmen zusammen wie die von Conley, Mooney oder Johnson. Doch ebenso ganz leise Vertreter wie den gemütlich-dicken Bauunternehmer Dick Landquist aus der Nähe von Seattle. "Ich wünsche mir einfach einen konservativen Präsidenten, der wie Reagan für Familienwerte steht", sagt Landquist ruhig. "Gegen den ganzen Schweinekram im Internet. Für starkes Militär. Und für Richter am Obersten Gerichtshof, die Abtreibung illegal machen."

Die religiösen Konservativen findet man in allen Schichten: Vielköpfige Modellfamilien in teuren Kleidern und Anzügen sitzen neben Frauen in sehr einfachen sackähnlichen Kleidern und zerlesenen Bibel-Ausgaben unterm Arm. Neben ihnen kleben Blogger hinter ihren Laptops, die blitzschnell die Kongressbotschaft auf Tausende christlicher Websites und Radiostationen transportieren.

Denn dieser "Values Voter Summit" ist die vielleicht wichtigste politische Veranstaltung des republikanischen Vorwahlkampfs. Alle neun Präsidentschaftsbewerber machen ihre Aufwartung. Sie wissen um die ungeheure Macht der religiösen Rechten. Bei der letzten Präsidentschaftswahl stellte sie rund jeden vierten republikanischen Wähler. Sie haben einst Ronald Reagan ins Weiße Haus gehievt, dann George W. Bush. Dessen Wahlkampfguru Karl Rove wollte sie auf Jahrzehnte an die Republikanische Partei binden. Er umgarnte sie mit der Ernennung konservativer Richter am Obersten Gerichtshof, mit dem Kampf gegen die Schwulen-Ehe. Doch Bush und seine Partei enttäuschten sie mit liberaler Immigrationspolitik und mit Sexskandalen - und bauten keinen klaren Nachfolger auf.

Bestenfalls höflicher Applaus für Guiliani


Also buhlen alle führenden Bewerber an diesem Wochenende darum, der neue konservative Gewährsmann zu werden: Ex-Senator Fred Thompson, Nummer zwei in den Umfragen, wirbt, dass er im Oval Office erst einmal beten würde. Ex-Gouverneur Mitt Romney, wegen seines mormonischen Glaubens vielen religiösen Wählern verdächtig, verspricht dramatisch, den "Ozean aus Schmutz" trockenzulegen, den das Internet in amerikanische Haushalte spüle - und eine "Heiligkeit des Lebens" in Amerika einzuführen, die keine Abtreibungen mehr zulasse.

Aber eigentlich dreht sich alles um zwei Reden. Samstagmorgen, 9.15 Uhr: Rudy Giuliani. Der führt in den Umfragen unter republikanischen Bewerbern klar. Viele Experten glauben, dass ihn nur noch die religiöse Rechte aufhalten kann. Über keinen Kandidaten hegen die so ernste Zweifel wie den zweifach geschiedenen New Yorker, der für Schwulenehe und Abtreibung steht.

Im Prinzip hat Giulianis Bewerbung hier so viel Aussicht auf Erfolg wie Gabriele Paulis Kandidatur beim CSU-Parteitag. Der sonst so aggressive ehemalige Ex-Bürgermeister spricht langsam und nervös. Kurz erinnert er daran, wie er die Pornoleute vom New Yorker Times Square vertrieben hat, wie stark er war im Kampf gegen den Terrorismus. Bestenfalls höflicher Applaus. Dann muss er über Abtreibung reden, und verhaspelt sich fast fatal. Statt mehr Adoptionen verspricht er um ein Haar mehr Abtreibungen. Nervöses Gelächter, von ihm und den Zuhörern. Doch irgendwann scheint Giuliani genug vom Anbiedern zu haben. Ob es nicht besser sei, ihnen ehrlich zu sagen, dass er in manchen Punkten anderer Meinung ist, als sein Fähnchen in den Wind zu hängen? "Sie und ich wissen doch, dass ich nicht perfekt bin."

Der Abtreibung-Holocaust-Vergleich



Die Sätze sind erstaunlich ehrlich. Die Zuhörer bleiben zurückhaltend. Aber: Sie stoßen ihn auch nicht weg. Und dann, zwei Stunden später: Mike Huckabee. Der ist ein gelernter Prediger aus dem Süden. In den Umfragen liegt er meist nur an fünfter Stelle, viel Geld hat er auch nicht. Aber seine halbstündige Rede zeigt, was sich die religiöse Rechte von einem Kandidaten erhofft. "Ich komme nicht zu Euch, ich komme von Euch", eröffnet er - und sichert sich so schon zu Beginn seiner Rede die erste "standing ovation", die Guiliani nur einmal zum Schluss seiner ganzen Rede bekommt. So geht es weiter. Abtreibung? Das nennt Huckabee lieber legalen Holocaust. Und überhaupt: Müssen sich Kandidaten, die sich auf Gott berufen, nach sozialen Normen richten? Müsse man nicht eher die sozialen Normen dem Willen Gottes anpassen? Nach den Worten ist kein Halten mehr im Saal.

Eine Stunde nach Huckabees Rede sitzt Doug Welch beim Kaffee und strahlt immer noch. "Das sind mal die Emotionen gewesen, auf die wir warten", jubelt der Beamte aus Kalifornien. Er ist ein nüchterner Mann, er hat wenig übrig für Abtreibungsfanatiker und Schwulenhasser. "Aber ich will, dass die Kandidaten wie Huckabee Leidenschaft zeigen für unsere Sache." Bauunternehmer Sundquist neben ihm nickt zustimmend. Und doch hat auch Giuliani ihn beeindruckt. "Vor seiner Rede habe ich gedacht, für den könnte ich nie sein. In den Vorwahlen werde ich ihn auch nicht unterstützen. Aber wenn er die Kandidatur gewinnt, würde ich ihn wohl wählen."

Fünf Dollar für Reagan-Sticker

Später am Nachmittag kommen die Ergebnisse einer Probeabstimmung unter den Konferenzteilnehmern raus. Huckabee schneidet hervorragend ab, Giuliani liegt weit abgeschlagen. Doch trotz der mageren Resultate kann das Wochenende als Sieg für Giuliani gelten. Rick Scarborough, einer der einflussreichsten Sprecher der religiösen Rechten, sieht in ersten Interviews Giulianis Chancen plötzlich sprunghaft gestiegen. Er mag in den Vorwahlen nicht auf die religiöse Rechte zählen können. Aber sie werden ihn kaum blockieren, sollte er Kandidat werden. Denn: Ihm wird trotz aller Bedenken am ehesten zugetraut, gegen Hillary Clinton zu bestehen.

Draußen vor dem Tagungssaal verkauft Rentner Rick Sticker mit dem Aufdruck: "Anything but Hillary" - Alles, bloß nicht Hillary. Rick nennt sich wertkonservativ, aber er würde Giuliani unterstützen, weil der Clinton schlagen kann. Trotz dessen zwei Scheidungen. "Ich war 46 Jahre verheiratet, ich hätte meine Frau oft erwürgen können", grinst Witwer Rick. "Wenn es nicht mehr geht, muss man eben gehen." Und außerdem sei es eh nicht so wichtig, was der Kandidat denke - solange er nur wirklich konservative Richter am Obersten Gerichtshof ernenne.

Doch die Sticker der aktuellen Kandidaten verkaufen sich nur mittelprächtig. Ricks Bestseller sind noch immer die Ronald-Reagan-Sticker. "Die habe ich am häufigsten abgesetzt", sagt er. Dabei kosten die fünf Dollar. Doppelt so viel wie alle anderen.




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