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Die USA regiert der Knochen-Kult


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Rolf

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Die USA regiert der Knochen-Kult


von von Uthmann, Jörg und Schmitz, Gregor Peter

George W. Bush und John Kerry haben nicht nur dasselbe Ziel, sie teilen auch ein kleines Problem: An der Universität Yale waren sie beide Mitglieder der obskuren Studentenverbindung "Skull and Bones"

Es war einer jener Januartage 2004, an denen John Kerry alles sein wollte, nur kein Ostküstenpatrizier. In New Hampshire liefen die demokratischen Vorwahlen, Kerry ging morgens öffentlich zum Eishockey-Spielen und erzählte nachmittags, von Vietnam-Kameraden flankiert, dass im Kugelfeuer die Herkunft gar nichts zähle. Aber dann kriegten sie ihn: Es waren drei Worte, die ihm ein Demonstrant mit schwarzer Farbe auf weißem Tuch gemalt entgegenstreckte: „Skull and Bones“, zu Deutsch: Schädel und Knochen. Warum schweigt der liberale Demokrat Kerry zur Mitgliedschaft in dieser studentischen Geheimverbindung? Stur guckte er an der Tuch-gewordenen Vergangenheit vorbei. Sein Pressesprecher rief: „John Kerry hat zu dem Thema absolut nichts zu sagen.“

Es war einer jener Februartage 2004, an denen George W. Bush alles sein wollte, nur kein Geheimniskrämer. Der Präsident empfing im Oval Office den Großinquisitor des US-Fernsehens, Tim Russert, um den verflixten Schlamassel zu den Irak-Kriegsgründen aufzuhellen – und als er fast durch war, kam noch diese eine Frage: Ob er sich denn noch erinnere an die Jahre mit „Skull and Bones“ – und ob er damals Kerry getroffen habe? Bush presste nur heraus, was er schon in seiner Autobiografie „A Charge to Keep“ erwähnt hatte: „In meinem dritten Studienjahr trat ich Skull and Bones bei, einer Geheimgesellschaft, die so geheim ist, dass ich dazu weiter nichts sagen kann.“

Wer immer die amerikanischen Wahlen gewinnt – eines steht jetzt schon fest: Der nächste Präsident hat in Yale studiert, und er ist ein „Patriarch“, also ein Alter Herr der Studentenverbindung „Skull and Bones“. Wer es schafft dort Mitglied zu werden, muss sich ein Leben lang an ein Schweigegelübde halten. John Kerry wurde 1966 aufgenommen, Bush zwei Jahre später. Im Zweikampf um das Weiße Haus wollen beide das Thema partout vermeiden: Kerry, weil es an seine privilegierte Herkunft erinnert und das neue Image als Kämpfer gegen Privilegien und „Big Business“ gefährdet. Und Bush, weil die Geschichte den Vorwurf speist, er habe das Weiße Haus in eine Hochburg von Geheimnisträgern verwandelt.

Natürlich fördert so viel Geheimniskrämerei Gerüchte, vor allem in den USA. In einem Land, wo die Verschwörungstheorien blühen, fällt die Geschichte auf fruchtbaren Boden. Von einem sinistren Netzwerk ist die Rede, mit dessen Hilfe die alten Familien der Ostküste – die Harriman, die Buckley, die Rockefeller, die Taft, die Bundy und die Bush – ihre Macht konservieren. Bonesmen, so glauben viele, beherrschen die CIA und den Council on Foreign Relations.

Der Totenkopforden wurde 1832 von William Russell gegründet, angeblich nach dem Vorbild deutscher Studentenverbindungen. Heute befindet sich der Hauptsitz der Gesellschaft in der Hauptstraße des gotisch-verschnörkelten Yale-Campus: 64 High Street. Einladend ist das Gebäude nicht – es heißt „The Tomb“ – „die Gruft“. Die Backsteinfassade erinnert an ein Mausoleum, sie ist fensterlos. Rechts und links hat sie jeweils zwei schießscharten-artige Öffnungen, umrahmt von einem kalkweißen Stuck mit der Anmutung eines Schreins. In der Mitte der Hausfront befindet sich eine schwarze Tür, die gewaltig hochragt wie das Eingangsportal eines Fantasietempels. Zwei dicke Schlösser und ein silberner Drehring schmücken das Tor, darauf steht: „Die bold“: „Stirb ohne Angst“.

Was sich hinter dem Portal verbirgt, bleibt Normalsterblichen verborgen: Angeblich sind dort eine Menge Skelette und Schädel ausgestellt, die vielleicht von dem nahe gelegenen Friedhof entwendet wurden, der an derselben Straße liegt. Vielleicht wurden sie auch nie dorthin gebracht. Ein Skelett im Inneren der Gruft soll einst Madame Pompadours lieblichen Körper gestützt haben. Einige morbide Memorabilien in der Gruft verraten deutsche Einflüsse. Auf einem Kupferstich sind vier Totenköpfe zu sehen mit der Unterschrift: „Wer war der Thor, wer Weiser, wer Bettler oder Kaiser? Ob arm, ob reich, im Tode gleich.“ Eines der Vereinslieder wird zur selben Haydn-Melodie gesungen wie die deutsche Nationalhymne.

Was hat so viel Morbidität mit Bildungseliten zu tun? Den Anfang der Geheimgesellschaften in Amerika machten die Freimaurer, die George Washington und Benjamin Franklin zu ihren Mitgliedern zählten. Im 19. Jahrhundert kämpften sie gegen den Vorwurf der Subversion. Als ein gewisser William Morgan 1825 verschwand, nachdem er gedroht hatte, die Geheimnisse des Ordens zu enthüllen, wandte sich die gute Gesellschaft entsetzt ab. Danach entstanden neue Bruderschaften – Odd Fellows, Foresters, Druids, Red Men und Elks. Juden organisierten sich im Bnai Brith, Iren im Ancient Order of Hibernians, die frühe Arbeiterbewegung als Knights of Labor. Einige scheuten das Licht der Öffentlichkeit aus triftigem Grund – wie der Ku Klux Klan, der die Emanzipation der Schwarzen durch Brandstiftungen und Lynchmorde zu verhindern suchte. Auch die Studenten organisierten sich bald – doch im Gegensatz zu deutschen Burschenschaften verfolgten sie keine politischen Ziele. Es entstanden Ranglisten ihrer Exklusivität, heute würde man vielleicht sagen: ihrer „Coolness“. Und diese Hackordnung gilt noch immer. Niemand braucht sich an der Universität Yale seiner Mitgliedschaft bei Scroll and Key oder Wolf’s Head zu schämen. Aber bei Skull and Bones oder zum Beispiel im Porcellian Club in Harvard dabei sein zu dürfen, ist doch noch eleganter.


Auf den vielen Websites, die sich mit „Skull and Bones“ beschäftigen, wird von bizarren Aufnahmeritualen berichtet, in denen neue Mitglieder in offenen Särgen masturbieren und ihre Sexgeschichten ausbreiten sollen. Auch ist die Rede von finanzieller Sicherheit bis ans Lebensende. Von fünfstelligen Geldgeschenken zur Graduierung. Von einer eigenen Insel mit Frauen zur Unterhaltung der Mitglieder. Vor zwei Jahren wurde dem „New York Observer“ ein Film zugespielt, der Bonesmen zeigt, die allem Anschein nach die Sitten persiflieren, über die die Außenwelt so gerne mutmaßt: Ein als George W. Bush verkleideter Zeremonienmeister droht dem Novizen mit analer Vergewaltigung: „I’m gonna ream you like I reamed Al Gore!“ Später wendet er seine Aufmerksamkeit einer blutbesudelten, nackten Frau zu: Während er sie symbolisch enthauptet, küsst der Novize einen Totenschädel.

Im Hollywoodstreifen „The Skulls“, der auf die Gemeinschaft anspielt, stirbt ein allzu neugieriger Journalist, als er im Hauptquartier herum schnüffelt. So weit die Mythen.

Die von den Gerüchteköchen in den sinnlichsten Farben ausgeschmückte Privatinsel gibt es tatsächlich. Ein Patriarch schenkte seinen Bundesbrüdern Deer Island im St. Lawrence River an der kanadischen Grenze. Doch anstatt der Hetären, die der Gast erwartet, herrschen dort spartanische Verhältnisse.

Das Aufnahmeritual beschreibt ein Insider als Mischung von Geisterbahn und Harry Potter. Sexuelle Exzesse kommen dabei nicht vor. Dagegen trifft es zu, dass in den Sitzungen, die zweimal in der Woche stattfinden, auch die Offenlegung des Intimlebens auf der Tagesordnung steht – ein Programm übrigens, das seit der Aufnahme von Boneswomen zweifelsohne an Vielfalt gewonnen hat.

Die wichtigsten Fakten, die bekannt sind, sind die Mitgliederlisten. Sie sind ein offenes Geheimnis, weil sich frisch graduierte Mitglieder jedes Jahr während der Examensfeiern in Yale zu erkennen geben. Tatsächlich sind viele ehemalige Mitglieder hochrangig: CIA-Obere und mächtige Wall-Street-Broker, das Planungsteam des US-Atombombenprojekts, der Gründer des Time-Magazins – und bisher drei US-Präsidenten: William Taft, George Bush und George W. Bush. „Im Verhältnis zu nur 15 Graduierten pro Jahr sind das viele Präsidenten“, findet Alexandra Robbins. Die junge Yale-Absolventin hat das Buch geschrieben: „Skull and Bones, the Ivy League and the Hidden Paths of Power“. Die wichtigste Mission der Gesellschaft, berichtet Robbins, sei es, Mitglieder in hohe Ämter zu spülen. Deswegen kreise ein großer Teil der Treffen während eines Jahres um die beste Auswahl des neuen Jahrgangs.

John Kerry war 1966 eine Art Traumkandidat: aktiv in drei Sportteams, Vorsitzender eines Politikclubs. Bush hingegen (schwacher Student, schwacher Sportler, guter Trinker) konnte in dem Geheimclub auf seinen Familienstammbaum vertrauen. Sein Vater war aktives Mitglied; insgesamt waren neun Bushs Mitglieder.

„So unterschiedlich die Aufnahmen von Bush und Kerry waren, so aktiv sind sie bis heute“, berichtet Robbins. George W. hat fünf Mitglieder des Geheimbundes in seine Administration berufen.

Jacob Weisberg, Chefredakteur des Internetmagazins Slate, erzählt die Geschichte, wie Senator Kerry ihn in den achtziger Jahren in sein Büro einlud und als neues Mitglied gewinnen wollte. Als der rebellische Weisberg Kerry fragte, wie er es mit seiner liberalen Haltung vereine, für eine elitäre Geheimorganisation zu werben – die zu der Zeit noch keine Frauen aufnahm – wurde Kerry wütend. Er sei mit misshandelten Frauen marschiert, er kämpfe für Frauenrechte. Weisberg lehnte das Angebot ab. Und Kerry streut heute das Gerücht, er habe 1991 die Aufnahme von Frauen bei „Skull and Bones“ mit durchgesetzt.

Die Regeln der Geheimhaltung hat der Bund schriftlich fixiert, sagt Robbins. Gespräche mit Nicht-Mitgliedern, die sie „Barbaren“ nennen, oder gar mit der „barbarischen“ Presse sind genauso verboten wie Blickkontakte mit Fremden den vor dem Hauptquartier. Ein Test belegt das Ansprechen von Personen, die die Gruft verlassen, ist vergebens.

Robbins beklagt einen „Angriff auf unser Verständnis von offener Demokratie“. Damit artikuliert sie einen ähnlichen Vorwurf der Subversion wie er sich einst gegen die Freimaurer in den USA breit machte. Doch das Netzwerk sei heute gefährlicher, betont Robbins. Ehemalige würden sich gegenseitig mit Codewörtern zu erkennen geben und Posten und Macht zuschachern.

Andererseits überrascht es nicht, dass die Verbindung jedes Jahr einen neuen, topelitären Zirkel hervorbringt: Jede Organisation, die auf einem Campus wie in Yale 15 Persönlichkeiten filtert, hätte ein viel versprechendes Netzwerk vor sich. Der Mythos baut auf die diskrete aber doch bewusste Selbstvermarktung der Gruppe – Morbidität fasziniert und guter Zusammenhalt beeindruckt vor allem die „Barbaren“, die draußen stehen und staunen.

Wer draußen steht, kann manchmal durch eine halboffene Küchenluke beobachten, wie ein Koch pfeifend etwas brutzelt. Jeden Sonntagabend (und gelegentlich auch unter der Woche) kommt der Jahrgang zum Abendessen zusammen. Bezahlt von den Ehemaligen, serviert von Kellnern. Nach den Aussagen der rund hundert Mitglieder des Geheimbundes, die Alexandra Robbins einige Geheimnisse verraten haben, sind die Abendessen Rahmen für lange Debatten. Bei denen geht es meist um den Charakter und das Sexleben der Mitglieder, das jeder den 14 anderen detailliert darlegen soll.

Über Bush senior erzählt man, dass er seine ersten Schritte ins Ölgeschäft und seine erste Million mit der Hilfe anderer Bonesmen machte. Als sein Sohn Neil in einen Bankenskandal verwickelt wurde, wandte er sich vertrauensvoll an seinen alten Kameraden Lud Ashley, die Speerspitze der Bankenlobby in Washington. Ashley sorgte dafür, dass der Filius mit der Mindeststrafe davonkam, und übernahm obendrein seine Anwaltskosten. Als die Export-Import Bank den Kredit für Washingtons Alliierten Saddam Hussein 1989 nicht mehr verlängern konnte, änderte eine Gruppe aus Skull-and-Bones-Alumni das Gesetz und beseitigte so das unerwünschte Hindernis. Für echte Boneheads ist es offenbar nicht immer ehrrührig, sich auf die Seite von Barbaren zu schlagen – solange es wahre Barbaren sind.
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