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Ökumene-Träume in der Neuapostolischen Kirche


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Rolf

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04/12: Sekte reloaded - Osnabrück oder das Ende der Ökumene-Träume in der Neuapostolischen Kirche


Die Osnabrücker Predigt von Stammapostel Wilhelm Leber und ihre Auswirkungen.


Mit der Öffnung von Sekten und ihrer Hinwendung zur Ökumene ist das so eine Sache. Für Außenstehende ist es ungemein schwierig einzuschätzen, was intern wirklich vorgeht, welche Strömungen die Oberhand im Ringen um Veränderung haben, und wie sehr sich das interne Bild von der externen Darstellung unterscheidet.
Im Zweifel sollte man immer von der Dominanz der Konservativen ausgehen, die meist die stärkere Fraktion ausmachen.
Das ist in vielen Freikirchen so, und in Sekten daher noch viel stärker ausgeprägt. Schließlich ist die Kernlehre der Sondergemeinschaft, die den sektenhaften Charakter in Vergangenheit geprägt hat, meist ein konservatives Dogma aus der Frühzeit der Gemeinschaft, und es hatte viel Zeit sich zu festigen und alle Strukturen und Gedanken zu durchdringen.
So etwas legt man nicht so schnell ab, und es zu verändern braucht viel Zeit und Willen gegen Widerstände anzugehen - und ggf. Spaltungen in Kauf zu nehmen, wie bei den Adventisten geschehen.
Innerhalb der Neuapostolischen Kirche (NAK) zeigten sich zu Beginn des Jahres deutliche Anzeichen für einen solchen Willen und einen Aufbruch in Richtung Ökumene. Denn Stammapostel Wilhelm Leber, höchster Amtsträger der NAK, der weltweit ca. 11 Millionen Mitglieder angehören, davon 377.000 in Deutschland (sehr stark vertreten ist sie in Baden-Württemberg), verkündete einige Lehrkorrekturen.

Am 24. Januar 2006 geschah in Uster in der Schweiz Bemerkenswertes. Die NAK veranstaltete dort einen einen Informationsabend unter der Leitung von Stammapostel Leber persönlich, der in alle NAK-Gemeinden übertragen wurde.
Dort verkündete Leber einige Lehrkorrekturen, bzw. "Präzisierungen der bisherigen Glaubenslehre" der NAK.
Diese "Präzisierungen" betrafen vor allem das Heilsverständnis und die Exklusivität der NAK und das Taufverständnis. Neu am Taufverständnis ist vor allem die Anerkennung der Taufen anderer Kirchen, die im Namen des dreieinigen Gottes und mit Wasser getauft wurden. Allerdings: "Bestehen bleibt die neuapostolische Lehre von der Wiedergeburt als Kombination von Taufe und Versiegelung."

Die allgemeine Euphorie - vor allem innerhalb der progressiven und ökumeneorientierten Strömungen der NAK - war groß. Viele freuten sich über die angebliche Öffnung und es schien ein neues Zeitalter anzubrechen. Der Weg zur Freikirche erschien durchaus in sichtbarer Reichweite, die Mitgliedschaft in der ACK war kein reines Hirngespinst mehr.

Sogar der Beauftragte für Christliche Sondergemeinschaften der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), Dr. Andreas Fincke, stellte "verheißungsvolle Entwicklungen" (aus der Kompakt-Info der EZW zur NAK) innerhalb der Lehre der NAK fest, warnte aber zugleich, es bestehe kein Grund zu "ökumenischer Euphorie" (aus der Vollversion dieses Materialdienst-Beitrags).

Doch am Sonntag, den 26.11.06 stellte der Stammapostel in einer innerhalb der NAK Aufsehen erregenden Predigt in einer Osnabrücker Gemeinde einige harte Kernpositionen der exklusiven Sonderlehren des NAK-Selbstverständnis unmissverständlich klar und erteilte somit allen ökumenischen Bestrebungen - mehr oder weniger - eine Absage.
Folgende Aussagen machen das sehr deutlich (dieser Predigtzusammenfassung des NAK-Magazins glaubenskultur entnommen):

Es gibt keine größere Nähe zum Herrn als hier am Altar Gottes, als in der Gemeinschaft der Gotteskinder. Damit werten wir andere gar nicht ab, da kann es auch sehr schöne Dinge geben, sehr schöne Verhältnisse, das Bemühen, wirklich auch Gott zu gefallen. Das wollen wir gar nicht in Frage stellen. Aber die größte Nähe finden wir dort, wo der Herr sich an seinem Altar offenbart.
[...]
Am Apostelamt halten wir fest. Das ist eine Einrichtung, vom Herrn geschaffen.
[...]
Vielleicht lässt man stehen, dass der Heilige Geist notwendig ist, aber wie man ihn erlangen kann, da gibt es verschiedene Meinungen, Sehensweisen. Wir wollen ganz klar erkennen: Das ist an das Apostelamt gebunden. Und die Spendung des Heiligen Geistes ist notwendig, um in die Nähe Gottes zu kommen. [...] Es gibt [...] auch heute manche Versuche, auf andere Art und Weise in den Besitz des Heiligen Geistes zu kommen. Man meint, das muss nicht unbedingt durch einen Apostel geschehen. Es kann auch auf diese oder jene Weise sein, dass man mit dem Heiligen Geist erfüllt ist. [...] Es gibt keinen Ersatzweg. Es geht nicht. Man kann nicht auf andere Weise den Heiligen Geist besitzen oder die Gabe haben, diesen Heiligen Geist zu spenden. Das ist und bleibt eine Sache des Apostelamtes. Alle diese Ordnungen bestehen auf ewig.
[...]
Wir warten unverändert darauf, dass die uns gegebene Verheißung sich erfüllt. Der Herr will wiederkommen, um uns zu sich zu nehmen. Das ist unsere Freude, das ist Inhalt unseres Glaubens, das ist unsere Hoffnung. Dabei bleiben wir.“
[...]
Sündenvergebung. Auch sie ist an das Apostelamt gebunden. Wir bleiben bei dieser Überzeugung. [...] Wenn die Apostel nicht tätig werden, dann ist auch keine Sündenvergebung da. Ich kann das nicht ändern, ihr Lieben, das ist göttliche Ordnung. Daran wollen wir uns halten und orientieren, auch wenn das für manche ein bisschen schwer zu verstehen und sich darin zu bewegen ist. Aber es ist göttliche Ordnung, man kann nichts dazutun und auch nichts wegtun.

Die Aussagen stehen prinzipiell gut für sich alleine. Viel will ich dazu auch nicht schreiben. Es ist ziemlich deutlich, dass Leber das Apostalamt stärkt und die Exklusivität der NAK-Lehre betont. Der Heilige Geist kann nur von NAK-Aposteln gespendet werden. Die Sündenvergebung ist nicht an den Glauben an Jesus, sondern an das Apostelamt gebunden. Ohne die Apostel - so die Kernaussage - gibt es kein Heil. Da erscheint die Anerkennung von Taufen anderer Kirchen wie ein schlechter Witz, kein Zugestnändnis an die Ökumene, sondern eher ein externes Ablenkungsmanöver, um intern die Zügel der Exklusivität und die Macht der Apostel zu festigen.

Zahlreiche kritische und enttäuschte Stimmen von NAK-Mitgliedern im Internet lassen vermuten wie tief nun der Schock im progressiven und ökumenenahen Flügel sitzt.
Ein Mitglied etwa berichtet vom Osnabrücker Gottesdienst:

Was [...] passierte, macht mich nur noch wütend, traurig und sprachlos. [...] Ich habe den Stammapostel so noch nicht erlebt. Fast verbissen, trotzdem mild lächelnd verkündete er mit absolutistischer, fundamentalistischer Konsequenz seine Auslegung des Textwortes. Es gibt nur schwarz und weiß. Sämtliche Usterhoffnungen in 90 Minuten zerstört. Das ist das Ergebnis!

Das Netz ist eher ein Tummelplatz dieser progressiven, ökumenezugewandten Strömung der NAK, und deshalb sind da hauptsächlich enttäuschte und zornige Kommentare zu lesen. Einige fühlen sich sehr verletzt und verschaukelt, andere zweifeln an ihrem Dienst für die NAK.
Doch die Konservativen, die klassischen Sektierer, dürften ihre Freude an den Worten Lebers haben und nun weiter an die Exklusivität der NAK glauben, entgegen allen Anzeichen der Öffnung.

Das NAK-nahe Magazin Christ im Dialog kommentiert:

Wie sehr die Erwartungshaltung vieler Gläubiger enttäuscht wurde, wird auch dadurch deutlich, dass sich Berichte von Kirchenaustritten und Amtsnieder- legungen häufen.

Das Magazin spricht sogar lediglich von einem "suggerierten Aufbruch":

Beruhte die Hoffnung auf eine Öffnung der NAK auf reiner Autosuggestion der Ökumeniker? Wohl kaum. Vielmehr ist das Verhalten des Stammapostels bzw. der Kirchenleitung selbst die Ursache der Hoffnung auf einen ökumenischen Aufbruch der NAK.

Eine klare Absage an ökumenische Bestrebungen blieb demnach bisher nicht nur aus, vielmehr suggerierten die Aussagen und Bemühungen der Kirchenleitung einen ökumenischen Aufbruch [...]

Und das obwohl die Lehränderungen einen solchen Aufbruch bei genauerem hinsehen nicht wirklich hergaben und somit ein Öffnungsprozess somit nie fundiert erfolgt ist:

Es ist [...] festzustellen, dass die von Stammapostel Leber am vergangenen Sonntag gehaltene Predigt keineswegs einen „Rückschritt“ in einem Öffnungsprozess darstellt, sondern dieser Öffnungsprozess auf dogmatischer Ebene nie begonnen hat.

Von außen betrachtet erscheint es einem nun völlig klar. Die letzten Monate der Euphorie, der angeblichen "Öffnung" wurden wirksam öffentlich propagiert, beinahe im Stil einer Imagekampagne, untermauert von Lehrkorrekturen, die bei genauerem Hinsehen eigentlich keine waren. Leber hat mit viel diplomatischem Geschick innerhalb seiner Gemeinde und einer geschickt eingesetzten Öffentlichkeitsarbeit (s. idea-Interview) die NAK in die Nähe der Freikirchen gerückt, inklusive angestrebter ACK-Mitgliedschaft. Dabei vergleicht er die Sonderlehren der NAK ganz offen (und nicht ganz zu unrecht) mit dem exklusiven Taufverständnis der Baptisten:

idea: "Aus Sicht der ACK müßten Sie dafür beispielsweise die Lehre von der Heilsnotwendigkeit des Apostelamtes aufgeben."
Leber: "Dann dürften auch die Baptisten aufgrund ihres Sakramentsverständnisses nicht Mitglied der ACK sein. Ganz zu schweigen von der Katholischen Kirche, die sich als alleinige Kirche versteht. Für eine Mitgliedschaft werden wir die Lehre vom Apostelamt auf keinen Fall aufgeben."
[aus]

Für den Leser suggerierte dieses - von vielen durchaus als "bemerkenswert" eingestufte - Interview, dass die NAK sich auf einem guten Weg in Richtung Freikirche befindet.
Und wer, der sich nicht intensiver damit beschäftigt, kann in der heutigen christlichen Gemeindevielfalt schon eine Christliche Sondergemeinschaft von einer Freikirche unterscheiden?! Die Grenzen sind ohnehin nicht selten fließend.
Zum Beitritt zu den Baptisten beötigt man die Erwachsenentaufe, zur Zugehörigkeit zur NAK eben die Versiegelung oder die Heilsnotwendigkeit des Apostelsamts. Und die Sache mit der Katholischen Kirche stimmt ja auch irgendwie. Was soll an der NAK also weiterhin so schlimm sein?

In Osnabrück zieht Leber nun wieder die Zügel an, bringt intern alles zurück auf Kurs, bevor größere ökumenische Hoffnungen in der Gemeinschaf gehegt werden, stellt die Konservativen zufrieden und festigt somit seine Macht und Autorität als Stammapostel, der mit geschickten Veröffentlichungen eine ökumenische Öffnung propagiert und verbreitet hat, die eigentlich gar nicht stattgefunden hat. Und diese Mäßigung und Zähmung des eigenen Sektenimages, die allen suggeriert wurde, wird der NAK sicher neue Möglichkeiten erschließen, öffentlicher und missionarischer agieren zu können.
Was für ein "bemerkenswerter" Schachzug von Leber.

Ob aufgrund der Ereignisse in Osnabrück die Tendenz der Spaltung innerhalb der NAK nun verstärkt wird, bleibt abzuwarten. Die Kritik wird jedenfalls nicht verstummen, die ökumenische Strömung wird weiter Diskussionen und Debatten führen, die der Kirchenleitung weniger gefallen werden.
Aber immerhin, und das ist der große Pluspunkt der NAK gegenüber den Zeugen Jehovas und den Mormonen, sind dort inzwischen Diskussionen und freie Meinungsäußerung weitgehend möglich, ohne dass man gleich Repressionen zu erwarten hat.

Doch um eines abschließend mal klar festzuhalten: Die NAK ist und bleibt eine Christliche Sondergemeinschaft, bzw. eine Sekte. Wie die Zeugen Jehovas oder die Mormonen. Daran hat sich auch 2006 nach den "Lehrkorrekturen" von Uster nichts geändert, das hat Wilhelm Leber in Osnabrück sehr klar bewiesen.

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