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Lesbisch-queeres Pastorinnen-Ehepaar im niedersächsischen Dorf


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Rolf

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Lesbisch-queeres Pastorinnen-Ehepaar im niedersächsischen Dorf

 
 

 

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Veröffentlicht am: 01.12.2019 um 15:48 Uhr

Wie ein lesbisches Pastorinnen-Ehepaar ein niedersächsisches Dorf durcheinanderwirbelt

 

stefanie-links-und-ellen-radtke-sind-pas

 

Eime. In Eime, einem kleinen Dorf im Landkreis Hildesheim, lebt und arbeitet ein lesbisches Pastorinnen-Ehepaar. Daran mussten sich die Bewohner gewöhnen – und die beiden Frauen auch.

 

Jetzt im Herbst leuchtet Eime. Eingeschlossen von Ackerflächen und Wald, gelegen in einem seichten Tal, könnte es kaum idyllischer sein. Ein Kopfsteinpflaster führt von der Wohnung Ellen und Stefanie Radtkes zur evangelischen Kirche. 

 

Dort trifft das Pastorinnen-Ehepaar auf Nachbarn. Stefanie Radtke bleibt stehen. Kurze Nachfrage, wie der Urlaub war. Smalltalk. Dann weiter. Unterwegs heben beide immer wieder die Hand und grüßen vorbeifahrende Auto- oder Radfahrer. Auf dem Friedhof neben der Kirche die nächste Plauderei. Und die Frage der Rentnerin, ob Frau Pastorin denn bald mal wieder zum Seniorennachmittag käme.

 

Ellen Radtke drängt zum Weitergehen. „Dafür habe ich meine Frau auch; Ellen hält die Zeit und unsere Termine im Blick“, erklärt Stefanie Radtke. Beide tragen eine Smartwatch am Handgelenk. Sie sind viel beschäftigt. Immer wieder blinkt die Uhr auf und erinnert sie an Verabredungen. Diese technische Spielerei wirkt inmitten der dörflichen Kulisse merkwürdig modern. Genau wie ihre Besitzerinnen. Ellen trägt Lederjacke und eine Kette, an der ihr Smartphone befestigt ist. Stefanies dunkelblonde Haare sind kurz geschnitten und an einer Seite abrasiert.

 

"Doppelt krass" für Eime

 

Die beiden Frauen sind die sprichwörtlichen bunten Hunde von Eime. Jeder der 1900 Bewohner scheint die Pastorinnen zu kennen. „In jedem Haus wurde schon einmal über uns gesprochen“, vermutet Stefanie Radtke. Ihre Anwesenheit sei für die Eimer immerhin „doppelt krass“, sagt sie. Es gab vor ihr nie eine Pastorin und lesbisch ist sie auch noch. 

 

Seit zweieinhalb Jahren arbeiten und wohnen die Radtkes in Eime, einer beschaulichen Gemeinde im Landkreis Hildesheim. Stefanie arbeitet als Pastorin für Eime und einigen umliegenden Orten. Auch Ellen ist Pastorin. Sie springt bei Personalnotstand in Gemeinden der Region ein. Ansonsten ist sie für die evangelische Kirche Deutschland in Hannover tätig.  

 

Kumpeline oder Schwester

 

Als Kumpeline, Schwester oder das andere Mädchen bezeichnen ältere Gemeindemitglieder Stefanie Radtkes Frau. „Sie akzeptieren uns, aber nicht jeder versteht unsere Beziehung“, sagt Eimes Pastorin.

 

Es gibt Leute in dem kleinen Dorf, die haben was gegen die Ehe der Frauen. Eine Familie sei einfach gar nicht mehr im Gottesdienst aufgetaucht. Einmal habe es bei einem Gemeindefest Gerede hinter dem Rücken der beiden Frauen gegeben,so erzählt es Stefanie Radtke. Daraufhin sei ein 94-jähriger Mann mit den Worten „Jetzt halt endlich den Mund, du alte Schnepfe“ für seine Pastorinnen in die Bresche gesprungen. Menschen wie er seien der Grund, warum sich beiden nicht vorstellen können, wieder in der Stadt zu leben.

 

Beim Theologiestudium in Berlin haben sich Stefanie und Ellen kennengelernt. Die Hauptstadt ist Stefanies Heimat. Ellen stammt aus Rheine.

 

Einen Plausch auf der Straße

 

„Ich möchte alle Menschen in meiner Gemeinde kennen“, sagt Stefanie Radtke. „Da bist du gut dabei“, erwidert ihre Frau. Auf der Straße einen Plausch halten und wissen, was die Menschen bewegt, die sie zufällig treffen: Das ist in Berlin schwer vorstellbar.

 

Nur die Hauptstraße, die mitten durch den Ort verläuft, stört die Ruhe. Aber Dank der Durchfahrenden haben sich sogar gleich zwei Supermärkte angesiedelt. Ansonsten ist nicht viel los: Es gibt einen Deko-Laden und eine Dönerbude. Das wars. Und gleich zwei Pastorinnen.  

 

Personalmangel auf dem Land

 

Das ist auf dem Land eine Seltenheit. Personalmangel macht der evangelischen Kirche zu schaffen. Zumindest ist es fern der Städte schwer, junge Geistliche zu gewinnen, bestätigt die Landeskirche Hannover. Zurzeit gibt es 75 vakante Stelle im Bereich der Landeskirche, die sich vor allem in den ländlichen Bereichen befinden.

 

„Die Eimer haben Glück mit uns“, sagt Stefanie Radtke und lacht dabei. Denn auch für sie beide ist der Ort ein Glücksfall. Landleben, wie sie es sich vorgestellt haben. Ein guter Ort um Kinder aufzuziehen. Die Radtkes stecken mitten in der Familienplanung.

 

Das erste Mal aber als das Paar im Auto von Hannover nach Eime gefahren war, hatte Stefanie Radtke geweint. Es regnete, erzählt sie. Alles war grau. Da wollte sie nur noch weg.

 

Toleranter als gedacht

 

Voraus ging der ersten Begegnung mit ihrer neuen Heimat eine Ungerechtigkeit, die ihre Reaktion verständlich macht. Bei homosexuellen Pastoren darf die Gemeinde im Vorfeld entscheiden, ob sie mit der Wahl einverstanden ist. „Ohne uns überhaupt zu kennen“, beschwert sich Ellen Radtke. Und tatsächlich sei die Abstimmung im Gemeindevorstand nur knapp zugunsten des Paares ausgefallen. Der Vorstand sei sich, laut den Radtkes, unsicher gewesen, wie die Gemeinde auf zwei Lesben reagiert. „Ich denke, der Vorstand hält die Gemeinde für weniger tolerant, als sie ist“, erklärt Stefanie Radtke.

Dass die beiden ein Paar sind, ist kein Geheimnis im Dorf. Händchen halten mögen sie zwar nicht, aber sie küssen sich - "auch vor den Konfirmanden", erzählt Stefanie Radtke. "Manchmal vergesse ich, dass wir queer sind. Wir sind so normal."

 

Die Radtkes haben das Gefühl, dass die Gemeinde durch sie gewonnen hat. Die Eimer Pastorin erzählt von queeren Jugendlichen in ihrem Einzugsbereich, für die die beiden ein Vorbild sein können.

 

Der Sockesdienst

 

Außerdem gibt es jetzt diesen einen besonderen Gottesdienst einmal im Quartal, den die Gläubigen nicht verpassen wollen. Gerade erst hat Stefanie Radtke den Kindern und Jugendlichen vermittelt, dass es Gott überall gibt. Ja, auch zum Beispiel in Socken. Daraus ist der Sockesdienst entstanden, den das Paar gemeinsam entwickelt hat. 

Und die Kirche ist sonntags voll: Das ist keine Selbstverständlichkeit. 

Die Radtkes sind standesamtlich verheiratet, kirchlich nicht. Die gleichberechtigte Trauung gibt es für homosexuelle Paare seit Mai 2019 in der Landeskirche Hannover. Vorher hätten sie sich lediglich segnen lassen dürfen. 

 

„Das ist die größte Diskriminierung“, findet Stefanie Radtke. Irgendwann wollen sie sich kirchlich trauen lassen, gerade passt es nicht in die Planung. Jetzt stehen erst einmal Kinder an. Die Eimer werden sich auch daran gewöhnen.

 

 


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