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ALLES “PSYCHO” - ODER?


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Rolf

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ALLES “PSYCHO” - ODER?




Roland Antholzer


In der Auseinandersetzung um die Frage, ob psychotherapeutische Methoden in der Seelsorge zur Anwendung kommen sollen, wird immer wieder deutlich, dass die diversen “Psycho”-Begriffe gründlich durcheinandergemixt werden. Das kam nicht zuletzt auch in den verschiedenen Verlautbarungen im Anschluss an den Kongress in Gießen zum Ausdruck. Vielen Christen ist die genaue Zuordnung von Begriffen wie “Psychologie”, “Psychotherapie”, “Psychoanalyse” oder “Psychiatrie” durchaus nicht klar. Sie klingen ja auch sehr ähnlich. Eine genaue Abgrenzung ist aber wichtig, weil es sonst zu manchen Missverständnissen kommen kann. Immer wieder wird mir die Frage gestellt, warum man denn so rigoros gegen jegliche Psychologie sei. Und immer wieder muss ich erklären, dass ich keineswegs pauschal gegen die Psychologie bin. Vielmehr habe ich in fast allen Publikationen zu diesem Thema wie auch in meinen Vorträgen ausdrücklich betont, dass ich die Existenzberechtigung der Psychologie anerkenne. Oder man wirft mir vor, ich würde schwer psychisch Kranken die notwendigen Medikamente madig machen. Auch das ein Vorwurf, der ins Leere geht. Alle diese Vorwürfe kommen wohl daher, dass auf diesem Gebiet eine Begriffsverwirrung herrscht. Ich möchte daher in diesem Artikel den Versuch machen, zur Begriffsklärung beizutragen. Es gehört nämlich nicht alles in denselben Topf, was mit “Psycho” beginnt.




PSYCHOLOGIE




Da wäre zunächst einmal der Begriff “Psychologie”. Vom Wortsinn her bedeutet Psychologie eigentlich Lehre (logos) von der Seele (psyche). Eine Psychologie als eigenständige Wissenschaft gibt es erst seit gut 120 Jahren. Zuvor war die Psychologie ein Teilgebiet der Philosophie, wo man mit deutender Methodik zum Verständnis der menschlichen Seele gelangen wollte. Dies kommt heute noch darin zum Ausdruck, dass in den Universitäten die Psychologie der philosophischen Fakultät zugeordnet ist. Heute versteht sich die Psychologie als eine erfahrungswissenschaftliche Disziplin. Als ihre Begründer werden die Physiologen Wilhelm WUNDT und Adolf FECHNER angesehen. Da man heute mit strengen naturwissenschaftlichen Forschungsmethoden arbeitet, hat man sich von der Seele als Forschungsgegenstand längst verabschiedet. Der Grund liegt darin, dass Immaterielles nicht mit den Methoden der Erfahrungswissenschaft erfassen kann. Die Psychologen selbst definieren ihre Disziplin daher als “Wissenschaft vom Verhalten und Erleben des Menschen”. Im Unterschied zur “Seele” sind das Verhalten und Erleben eines Menschen beobachtbar und messbar. Die Psychologie interessiert sich (im Unterschied zur Psychoanalyse) primär für den normal funktionierenden Menschen. Sie will wissen, wie der Mensch wahrnimmt, denkt, urteilt, Probleme löst, wie sich die kindliche Entwicklung vollzieht, wie man die Persönlichkeit des Menschen beschreiben kann, wie sich der Mensch im sozialen Kontext verhält usw. Die “Allgemeine Psychologie” will wissen, was alle Menschen gemeinsam haben, während sich die “Differentielle Psychologie” mit den Unterschieden zwischen Menschen befasst.

Die Problematik des empirischen Ansatzes liegt in der Sperrigkeit des Forschungsgegenstandes “Mensch”. Mit dem Menschen kann man nicht beliebig experimentieren, im Unterschied etwa zu chemischen Stoffen. Man muss sich an ethisch-moralische Regeln halten. Auch sind Ergebnisse nicht so beliebig wiederholbar wie in den sog. “harten Naturwissenschaften”. Ergebnisse der empirischen Wissenschaft sind immer nur vorläufig gültig. Sie gelten als wahr, so lange sie nicht widerlegt werden konnten. Sie sind – wenn der Forscher sich an die Regeln hält – weitgehend (aber nie absolut) objektiv und wertfrei. Eine kritische Distanz zu ihren Ergebnissen ist daher immer angebracht. Das ist aber für wissenschaftlich arbeitende und denkende Menschen selbstverständlich.

Psychologen sind tätig in Arbeitsämtern, beim TÜV, in der Wirtschaft, bei der Polizei, beim Militär und natürlich im klinischen Bereich (Beratungsstellen, Kliniken, Fachkrankenhäuser, Kinderheime, in freier Praxis). Die Forschungsergebnisse der Psychologie kommen in vielen Lebensbereichen zur Anwendung. Ergebnisse über die Wahrnehmung sowie das Zusammenspiel von Wahrnehmung und Reaktion werden in der Verkehrssicherheit verwertet, solche über das Mensch-Maschine-System in der Gestaltung von Auto- oder Flugzeugcockpits. Im beruflichen Alltag profitieren wir aus psychologischen Erkenntnissen, indem unser Arbeitsplatz nach ergonomischen Gesichtspunkten aufgebaut ist. Das dient der Vermeidung von Berufskrankheiten oder Berufsunfällen. In der Polizeipsychologie wendet man u. a. Einsichten über die menschliche Kommunikation an, um etwa Geiselnehmer zur Übergabe zu überreden. Psychologische Kenntnisse können auch in der Seelsorge hilfreich sein. Wer um die psychologischen Auswirkungen schwerer Traumatisierung weiß, wird zwar in der Seelsorge anders vorgehen als der Psychologe, kann aber anderseits schwerwiegende Fehler vermeiden. Dasselbe gilt im Umgang mit schwer depressiven oder psychotischen Menschen. Das sind nur einige Schlaglichter, um die Bandbreite psychologischer Forschung und Anwendung aufzuzeigen. Natürlich können die Einsichten der Psychologie auch zum Nachteil der Menschen eingesetzt werden, etwa zu deren Manipulation, um sich z.B. wirtschaftliche oder politische Vorteile zu verschaffen. Gegen einen Missbrauch ihrer Ergebnisse ist allerdings keine wissenschaftliche Disziplin gefeit.

Als Christen sollten wir der Psychologie in kritischer Distanz gegenüberstehen. Das hat nichts mit Ignoranz zu tun, sondern mit Realismus. In der Forschung tätige Psychologen wissen um die Begrenztheit ihrer Disziplin und um die Fallstricke, in die sie mit ihrer Forschung geraten können. Es besteht also für uns nicht die geringste Veranlassung, die Psychologie unkritisch zu bejubeln. So weit sie sich an die Beschreibung von überprüfbaren Zusammenhängen hält und wissenschaftlich sauber arbeitet, vermag sie brauchbares Wissen über das Erleben und Verhalten des Menschen zu gewinnen. Wissen nämlich, das aus Experiment und Beobachtung stammt, steht interessanterweise nie im Gegensatz zu Aussagen der Bibel. Und sollte es doch einmal vorkommen, so können wir geduldig warten, bis diese Hypothese irgendwann empirisch widerlegt wird.
Falsche Vorannahmen wie etwa Evolutionismus, Materialismus, Determinismus, Humanismus etc. führen zu einem unbiblischen Menschenbild und machen sich vor allem dann bemerkbar, wenn es darum geht, empirisch gewonnene Ergebnisse zu deuten, also Theorien zu formulieren. Die Theorien in der Psychologie sind deshalb für Christen nahezu ausschließlich inakzeptabel. Das gilt im besonderen Maße für Persönlichkeitstheorien und damit auch für die Persönlichkeitsdiagnostik, die ja auf solchen Theorien aufbaut.

So lange sich Psychologie auf beschreibender Ebene bewegt, sind ihre Aussagen dagegen weithin unproblematisch. Auf der Ebene der “Wenn-dann-Aussagen” gibt es eine Reihe psychologischer Erkenntnisse, die auch für die Seelsorge durchaus hilfreich sein können: Aussagen etwa über soziale Wahrnehmung, verbale und nichtverbale Kommunikation, über das Lernen, über die kindliche Entwicklung usw. Voraussetzung ist allerdings, dass wir ein biblisches Grundmodell vom Menschen haben, in das wir dann die beschreibenden Ergebnisse (keine Theorien!) psychologischer Forschung einordnen können. Das heißt, die Theoriebildung muss auf biblische Grundkonzepte aufgebaut werden. Nur von einem solchen Fundament her lässt es sich entscheiden, ob eine psychologische Aussage akzeptabel ist oder nicht.

Wichtig dabei wäre es, dass wir eine biblisch begründete Anthropologie haben. Bestehende anthropologische Konzepte der Theologie sollten allerdings dringend um biblische Einsichten über das psychische Leben des Menschen ergänzt werden, damit die Anthropologie mehr praktische Bedeutung für die Seelsorge gewinnt.




PSYCHOTHERAPIE




Die Psychotherapie ist eine spezifische Anwendung psychologischer Erkenntnisse im klinischen Bereich. Nicht jedes Gespräch, das zu dem Zweck geführt wird, einem Menschen in seelischen Problemen zu helfen, kann man Psychotherapie nennen. Erst folgende drei Bestimmungsstücke machen nach BASTINE eine Behandlung mittels Gespräch zu einer Psychotherapie: 1. Die Veränderungs-mittel sind psychologischer Natur, d.h. sie müssen in einem Bezug stehen zum psychologischen Grundlagenwissen; 2. Der Einsatz der Mittel erfolgt durch wissenschaftlich ausgebildetes Personal, das seine Tätigkeit wissenschaftlich begründet; 3. Es werden psychisch beeinträchtigte Personen behandelt. Angestrebt werden in der Psychotherapie im wesentlichen Autonomie und Ichstärke.

Tatsächlich trifft es nur auf wenige der auf dem Psychomarkt konkurrierenden Psychotherapien zu, dass sie sich auf empirisch-wissenschaftliche Erkenntnisse gründen. Sofern sie sich überhaupt schon wissenschaftlichen Erfolgskontrollen unterworfen haben (das trifft nur für etwa ein bis zwei Prozent aller Methoden zu), werden teils sowohl ihre unwissenschaftlichen Grundlagen als auch ihr fehlender bzw. schwacher Wirksamkeitsnachweis von weltlichen Forschern heftig kritisiert. Die meisten Therapien stellen eine Mischung aus Humanismus und Esoterik dar und haben ihrem Anspruch nach pseudoreligiösen Charakter.




PSYCHOANALYSE




Die Psychoanalyse ist eine spezifische Therapieform, die auf die Theorie der Tiefenpsychologie von Sigmund FREUD zurückgeht. FREUD gewann seine Überlegungen aus der Beobachtung und Behandlung von psychisch gestörten Menschen. Die Freud’sche Tiefenpsychologie stellt mehr ein Glaubenssystem dar als eine wissenschaftliche Theorie. Sie ist in ihrem Menschenbild biologistisch und in ihren wesentlichen Bestimmungsstücken (Ödipuslehre, Lehre vom psychischen Apparat und von der menschlichen Entwicklung, Traumatheorie) empirisch widerlegt worden.

Entsprechend sollte man von der Psychoanalyse als Anwendung dieser fragwürdigen Theorie keine Wunder erwarten. Auch von weltlichen Kritikern wird die Psychoanalyse eher einer Heilslehre zugeordnet als einer wissenschaftlichen Methode. Das Gesagte gilt prinzipiell auch für die andern tiefenpsychologischen Schulrichtungen (Komplexe Psychologie von C.G. Jung, Individualpsychologie nach Alfred Adler, Neopsychoanalyse nach Schultz-Hencke).




PSYCHIATRIE




Die Psychiatrie ist ein Fachgebiet der Medizin, das sich insbesondere mit Geistes- und Gemütskrankheiten befasst (schwere Depressionen, Psychosen, Schizophrenien, Zwangs- und Angstneurosen, Suchtkrankheiten, psychosomatische Störungen usw.). Sie geht diese Erkrankungen in erster Linie mit medizinischen Mitteln an, z. B. mit Medikamenten (Sedativa, Thymoleptika, Neuroleptika, etc.), Konvulsionstherapie (Elektrokrampftherapie), Schlafentzug, Ergotherapie, rehabilitative Maßnahmen und natürlich auch Psychotherapie. Ein Psychiater kann gleichzeitig Neurologe und Psychotherapeut sein. In den meisten Fällen sind psychotherapeutisch arbeitende Ärzte psychoanalytisch ausgerichtet. Bei aller Begrenztheit gerade dieser Disziplin können wir für so manche Fortschritte in der medikamentösen Behandlung von Depressionen und Geisteskrankheiten dankbar sein. Auch die Psychiatrie ist aus christlicher Sicht in manchen ihrer therapeutischen Ansätze kritisch zu beurteilen, kommt doch bei ihr das unbiblische Menschenbild weitaus stärker zum Tragen als bei den andern medizinischen Fachgebieten.

Schlussbemerkung

Ich hoffe, dass diese knappe Beschreibung der verschiedenen “Psycho-Begriffe” etwas zur Klärung beitragen konnte. Zum Schluss möchte ich noch einmal betonen, dass bei aller notwendigen kritischen Distanz eine differenzierte Beurteilung wichtig ist. Die Ablehnung jeglicher Psychologie für die Seelsorge übersieht nämlich die Tatsache, dass wir im Umgang mit andern Menschen immer von einer gewissen Psychologie ausgehen. Es ist eine sog. “naive Psychologie”, die sich aus allen Kenntnissen oder Annahmen darüber zusammensetzt, wie und warum Menschen in einer gewissen Weise agieren und reagieren. Dazu gehören alle erlernten Urteile und Vorurteile, unser Erfahrungswissen und unsere Menschenkenntnis. Die Frage ist also nicht, ob wir Psychologie einbeziehen, sondern auf welche Psychologie wir unser seelsorgerliches Tun gründen. Da wir also sowieso nicht unabhängig von einer gewissen Psychologie Seelsorge treiben können, plädiere ich dafür, dass man dann seine Psychologie reflektieren und biblisch absichern sollte. Wir machen es uns einerseits zu leicht, wenn wir einfach die akademische Psychologie zur Grundlage unserer Seelsorge erheben. Wir machen es uns aber ebenfalls zu leicht, wenn wir von unreflektierten psychologisch-anthropologischen Konzepten ausgehen. Wenn man die Mühe scheut, eine biblische Anthropologie zu entwickeln, sollte man auch die Finger von der wissenschaftlichen Psychologie lassen.

Andernfalls wird unversehens die Psychologie zur Grundlage der Seelsorge und es geschieht das, was auch in der Biologie geschehen ist: Man interpretiert die Schrift um, um sie an angeblich wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse anzupassen.
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Und noch eins ist wichtig: Auch wenn wir viel psychologisches Wissen und grundlegende Bibelkenntnis zur Verfügung haben, bleiben wir doch letztlich abhängig von der Leitung durch den Geist Gottes. Er allein weiß völlig und unfehlbar, was im Menschen ist. Wenn es in der Seelsorge darum geht, die Problematik unseres Gegenübers recht zu verstehen, sollten wir in Abwandlung von Psalm 139,23 beten: “Erforsche du ihn, Gott, und erkenne sein Herz; prüfe ihn und erkenne, wie er’s meint.” Er kann uns dann durch Seinen Geist das Verständnis aufschließen, so dass wir die Zusammenhänge recht zu erkennen vermögen. “Der geistliche Mensch aber ergründet alles und wird doch selbst von niemand ergründet” (1. Kor. 2,15). Und selbst wenn wir meinen, die Problematik recht erkannt zu haben, bleibt immer noch die Frage, wie ihm geholfen werden kann. Die entscheidende Hilfe wird niemals von der Anwendung psychotherapeutischer Methoden kommen, auch dann nicht, wenn diese empirisch abgesichert sind. Denn in der Seelsorge geht es grundsätzlich um geistliche Wirkungen, die wir nicht selbst hervorbringen können. Wir können nur die Wahrheit des Wortes Gottes gezielt in das Leben des andern hineinsagen (Thurneysen), alles übrige muss und wird Gottes Geist tun. Daher sollten wir in Abwandlung von Jer. 17,14 beten: “Heile du ihn, HERR, so wird er heil! Hilf du ihm, so ist ihm geholfen!”
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