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Mein Weg zum islamischen Glaubensbekenntnis


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Rolf

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Mein Weg zum islamischen Glaubensbekenntnis




Nach den Festnahmen der beiden Deutschen, die nach ihrem Übertritt zum Islam Bomben legen wollten, wird über das Innenleben von Konvertiten gerätselt. Der Autor und Politiker Peter Schütt beschreibt auf WELT ONLINE, warum er Muslim geworden ist und was er von "Instant-Konvertiten" hält.



In den Islam bin ich weder hineingeboren noch wurde ich eines guten Tages Knall auf Fall in den Islam hineingestoßen. Ich bin mehr als mein halbes Leben lang auf der Suche nach der wahren Religion gewesen, und ich werde diese Suche, so Gott will, bis zu meinem Lebensende und vermutlich auch darüber hinaus fortsetzen.

Konvertiert bin ich in meinem Leben nur ein einziges Mal. Mit neunzehn Jahren bin ich, um der Enge meines lutherischen Elternhauses zu entfliehen, katholisch geworden. Das war damals ein tiefer Einschnitt in meinem Leben, ein Bruch mit meiner Familie, mit allen Freunden und mit allem, was mir vertraut war.

Als ich dreißig Jahre später mein islamisches Glaubensbekenntnis öffentlich bekundete, habe ich diesen letzten Schritt nicht als Bruch erfahren, sondern als einen weiteren Schritt auf meinem aufhaltsamen religiösen Erkenntnisweg.

Faszination in der Kindheit

Tatsächlich begann die Faszination für den Islam schon in meiner frühen Kindheit. Ich bin aufgewachsen in einem winzig kleinen Dorf an der Niederelbe, in dem es in den ersten Jahren nach dem Krieg noch kein elektrisches Licht gab. Wir gehörten zur britischen Besatzungszone, und die Siegermacht war bei uns durch sechs Turban tragende indisch-muslimische Soldaten vertreten. Sie waren im Dorfgasthof einquartiert und zogen uns Kinder nahezu magisch an. Sie beschenkten uns mit Datteln und Feigen, ließen uns am Radio ihre Musik mithören und erlaubten uns zuzuschauen, wenn sie sich zu ihren Gebeten verneigten. So hat sich das islamische Ritualgebet schon früh in mein Gedächtnis eingeprägt.

Nicht weit von meinem Heimatdorf entfernt liegt Lüdingworth, dessen altehrwürdige Kirche mit ihrer brausenden Orgel ich mit kindlicher Ehrfurcht bestaunt habe. Der Pastor fand Gefallen an meiner Neugier und erzählte mir vom größten Sohn des Ortes, von Carsten Niebuhr. Niebuhr, den Herder und Goethe den „ersten deutschen Hadschi“ nannten, hatte zweihundert Jahre früher Arabien bereist und als erster Deutscher eine genaue Beschreibung der Heiligtümer in Mekka und Medina veröffentlicht. In der Lüdingworther Kirche wurden Auszüge aus diesen Berichten aufbewahrt. Sie erfüllten mein jugendliches Herz mit brennender Neugier und gaben so meiner inneren Reise einen ersten Orientierungspunkt.

Auch in meinem Studium bin ich immer wieder mit dem Islam in Berührung gekommen. Meine Doktorarbeit habe ich über die Barockdramen des Andreas Gryphius geschrieben. Eines davon heißt „Katharina von Georgien“ und spielt zur Hälfte im persischen Isfahan. Katharinas Gegenspieler ist Schah Abbas, der Khomeini des 17. Jahrhunderts. Er versucht mit List und Lustversprechen, seine christliche Rivalin in den Harem zu locken. Für mich waren die Gryphiusstudien ein Anlass, mich gründlicher mit der Kunst und Kultur des islamischen Orients zu befassen.

Es war für mich ein intellektueller und ein spiritueller Gewinn, dass ich in einem internationalen Studentenheim, im Hamburger Europakolleg, vier Jahrelang Tür an Tür mit Studenten aus dem Iran, aus Ägypten und aus Nigeria gewohnt habe. Wir haben Tage und Nächte lang miteinander gestritten, nicht zuletzt über Glaubensfragen, und wir haben in der Bibliothek des Hauses regelmäßige interreligiöse Dialoge mit christlichen, jüdischen und muslimischen Diskutanten geführt.

Für mich war der Islam damals zuballerst eine Befreiungstheologie für die Völker der Dritten Welt. Als ich zu Beginn der Studentenbewegung das Denkmal des deutschen Kolonialschlächters Hermann von Wissmann vor den Toren der Hamburger Universität zum Stürzen brachte, war ich in den Augen der Justiz zwar der Rädelsführer, aber ich stand nicht allein. Zu der Tat angestiftet hatten mich nicht zuletzt meine afrikanisch-muslimischen Mitbewohner aus dem Europakolleg.

Es wird in aller Regel unterschlagen, dass der Schahbesuch im Frühjahr 1967 nicht nur ein wesentlicher Impuls für die Studentenrevolte war, sondern auch zum Auslöser für eine erste intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Islam in Deutschland wurde. Bei den Teach-ins, die Bahman Nirumand in fast allen Universitätszentren leitete, ging es immer wieder um die Streitfrage, ob die Revolution oder der Islam den Iran und andere Entwicklungsländer aus dem Elend erlösen sollten.
Zur selben Zeit, als der SDS am Hamburger Bornplatz einen Keller anmietete, richteten sich die „Musketiere“ – so nannte man die muslimischen Studenten – auf der gegenüberliegenden Seite im Lagerraum eines jüdischen Zeitschriftenhändlers ihren ersten Gebetsraum ein. Nach der Revolte bin ich selber erst einmal in der moskautreuen DKP gelandet, aber andere 68er waren mir um mehrere Schritte voraus und fanden schon damals den Weg zum Islam, unter ihnen Paul Gerhard Hübsch, der Leiter des Frankfurter Club Voltaires, der sich fortan Hadayatullah nannte und es bis zum Imam der Ahmadiyya-Bewegung gebracht hat, der Psychologe Ahmed Kreusch, der heute zu den bekanntesten Vertretern des Sufismus in Deutschland zählt, und last not least der Architekt Bodo Rasch, der später nach Saudi-Arabien ging und dort die beweglichen Kuppeln über der Prophetenmoschee in Medina entwickelte. Als „Allahs Schattenmann“ genießt er heute in der islamischen Gemeinschaft weltweite Anerkennung.

Frühe Irrtümer

Als Mitglied der DKP und ihres Parteivorstandes unterlag ich dem Irrtum, Sozialismus und Islam gehörten zusammen wie die zwei Seiten einer Medaille: der Sozialismus zeige den Weg zur Gerechtigkeit auf Erden, der Islam zur göttlichen Gerechtigkeit. Ich war Gast des Mufti von Taschkent, des höchsten Repräsentanten des Islam in der Sowjetunion, lauschte ergriffen seinen hehren Bekundungen zur muslimischen Ethik und wollte nicht wahrhaben, dass er sein Amt im Auftrage des KGB ausführte.

Ich beschrieb in meinem Buch „Ab nach Sibirien“, wie prächtig sich Islam und Kommunismus im sowjetisch beherrschten Mittelasien ergänzten, und traf schließlich bei einer Mittelostkonferenz im Hamburger Orient-Institut zum ersten Mal Annemarie Schimmel. „Dschimmileh“ war zunächst entsetzt über meine kommunistischen Tiraden. Als sie aber meinen Bericht über Samarkand hörte, war sie halbwegs versöhnt. Sie betrachtete lange den Umschlag meines Buches, auf dem Hammer und Sichel prangten, und sagte dann zu mir: „Lassen Sie doch bitte den Hammer weg. Dann bleibt die Sichel übrig, sie wird zur Mondsichel und zeigt Ihnen den Weg zum Islam.“ Diesen Ratschlag habe ich beherzigt, und fortan habe ich bei ihr immer wieder Rat geholt. Ihre Islambücher wurden für mich zu Wegweisern.

1987 wurde ich als „Islamsuchender“ in den Iran eingeladen. Damals war Khomeini noch an der Macht, der Krieg mit dem Irak war noch in vollem Gange, und auf dem Märtyrerfriedhof sprudelte der Blutbrunnen so ekelerregend, dass ich beinahe in Ohnmacht gefallen wäre. Diese Reise hatte für mich eher eine abschreckende, eine verzögernde Wirkung, und ich brauchte noch ein paar Jahre mehr, bis ich 1991 endgültig mein Glaubensbekenntnis ablegen konnte – nicht wegen, sondern trotz Khomeini.

Differenzierte Auseinandersetzung mit der Religion


Das Islamische Zentrum an der Hamburger Außenalster wurde zu „meiner Moschee“. Schon seit den Tagen der Islamischen Revolution war die Moscheelange, bevor ich auch formell Gemeindemitglied wurde, für mich ein wichtiger Anlaufpunkt geworden. Dort war, wie es sich für eine moderne Moschee gehört, immer etwas los, dort gab es schon sehr früh bemerkenswerte interreligiöse Dialoge, interessante Referenten aus der ganzen islamischen Welt und bedeutende Geistliche und Gelehrte wie Mohammed Khatami, den späteren Reformpräsidenten des Iran, wie den Philosophen Abdulwahad Falaturi, Halima Krausen, die erste deutsche Imamin und mein Lehrer Mehdi Razvi, der mir schließlich mein Glaubensbekenntnis abgenommen hat.


Ich gehöre der vom Imam Razvi l967 begründeten deutschsprachigen Muslimgemeinde jetzt mehr als anderthalb Jahrzehnte an. Wir sind ein offener Kreis und treffen uns jeden Samstagnachmittag. Zu uns kommen Muslime wie Nichtmuslime, Christen, Juden, Buddhisten, Esoteriker und sogar erklärte Atheisten. Zum Übertritt wird bei uns keiner gedrängt, im Gegenteil: Instant-Konvertiten, die uns gelegentlich über den Weg laufen, sind uns suspekt. Die Erfahrung zeigt: sie bleiben nicht lange. Sie haben den Koran und den Islam kaum studiert, haben oft gänzlich falsche Vorstellungen und bringen selten die nötige Geduld auf, die erforderlich ist, um in die Geheimnisse des Glaubens einzudringen. Wir arbeiten sehr gründlich.
1967 hat Iman Razvi mit der Deutung der ersten Sure angefangen. Halima Krausen, die vor zwei Jahren seine Nachfolge angetreten hat, ist jetzt bei Sure 41 angelangt. Das ist den Spontanbekehrten viel zu langsam und zu beschwerlich. Auf dem Papier Muslim zu werden, ist nicht schwer. Man muss nur vor Zeugen das Glaubensbekenntnis ablegen. Aber ein wahrer Muslim wird man nicht von heut auf morgen, nicht von Stund an. Um mit dem Herzen ein gottergebener Muslim zu werden, bedarf es mehr als eines Lippenbekenntnises und eines Crashkurses, es bedarf eines lebenslangen Lernprozesses. Man muss jeden Tag von neuem anfangen.
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