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John Nelson Darby und der Darbysmus


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Rolf

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Hermes, Walter





John Nelson Darby und der Darbysmus






Im Schoße einer reichen irischen Familie wurde John Nelson Darby am 18. November 1800 in dem Badeorte Bournemouth2 (Südengland) als jüngster Sohn seiner Eltern geboren. Sein Vater war John Darby of Leap Castle, Kings County, Irland. Ursprünglich studierte er Rechtswissenschaft und bestand die Prüfungen mit Auszeichnung. Eine innere Nötigung ließ ihn aber auf die ruhmvolle Laufbahn des Juristen verzichten. Er ging zur Theologie über, wodurch es zu einem völligen Bruch mit dem Vater kam. Mit 25 Jahren wurde er Diakon der englischen Kirche und erhielt im folgenden Jahre (1826) die Priesterweihe durch den Erzbischof Magee. Bald danach wurde er in dem kleinen Calary in der Grafschaft Wicklow Pfarrer. Aber auch hierhin hatte ihn die Ruhelosigkeit über die Fragen der Seele begleitet. Nach langen Irrungen kam er zur Erkenntnis des Heils in Christus, wobei der bekannte W. Kelly sein Philippus war.2 In großem Segen arbeitete er hierauf unter den irischen Katholiken. Aber die innere Verbindung mit der Kirche seiner Geburt war längst erschüttert durch Zweifel an der sogenannten »apostolischen Sukzession «, d. i. die Behauptung der ununterbrochenen Aufeinanderfolge der Päpste und Kirchendiener von Petrus her, durch dessen angebliche Handauflegung. Sie muß durch einen Bischof geschehen und soll allein zum Priester- und Hirtendienst berechtigen. Zu dieser Auffassung halten auch alle altkatholischen Kirchen unbedingt, die deutschen nicht ausgenommen. Sie erblicken darin das Hauptmerkmal der wahren Kirche. Deshalb bedarf ein römischer Priester in England bei seinem Übertritt nicht einer neuen Weihe, muß aber den römischen Irrlehren entsagen, um angestellt werden zu können; umgekehrt dagegen braucht ein vom Festlande kommender Prediger keiner Irrlehre zu entsagen, um dort angestellt werden zu können, müßte indessen vorher die Priesterweihe empfangen, weil die englische Hochkirche jede nicht von einem Bischofe vorgenommene Ordination für ungültig hält. Hierzu kam ein Zerwürfnis Darbys mit seinem Erzbischof, dem er in einer Schrift in der Kirchenfrage widersprochen hatte. Auch war er schon bekannt geworden mit seinen späteren Mitarbeitern und Freunden und dadurch für freiere Auffassungen über die Gemeinde Gottes aufgeschlossen. Da legte er sein Amt freiwillig nieder und begann 1827 in Dublin sich mit den neuen Bekannten in völlig freier Weise zu versammeln.

Unter diesen war auch der bekannte Georg Müller3 (1805-1898), mit dem er später allerdings zerfiel. Es waren die Kreise der sogenannten »Plymouth-Brüder«, so genannt nach der englischen Hafenstadt, wo die Bewegung großen Eingang fand. Der neuen Erkenntnis widmete er sich mit gewaltiger Aufopferung bis zu seinem am 29. April 18814 erfolgenden Tode. Seine ganze nicht geringe Tatkraft samt seinem großen Vermögen, das ihm ein Onkel hinterlassen hatte, setzte er dafür ein. Herkunft und Verwandtschaft ließ er fahren, blieb ohne Familie und arbeitete auf zahlreichen Reisen unter großen Opfern rastlos für die neue Überzeugung. Damals war seine Einstellung weitherzig und milde, wie die derzeitige der Plymouth-Brüder. Erst auf dem Festlande entstand, im Gegensatz zu der Réveil-Bewegung (Erweckung) in Genf, Darbys innere Verengerung und damit sein System der angeblichen Einheit. Sie ist für ihn von nun an das Merkmal der Gemeinde Gottes. An diesem Punkte zeigte es sich immer deutlicher, daß er doch den Romanismus seiner Geburtskirche nicht überwunden hatte. Die Übereinstimmung ist manchmal geradezu verblüffend! So kann z. B. bis auf ein einziges Doppelwort der Satz eines Neueren Wort für Wort auch hier unterschrieben werden: »Nur die einheitliche römisch-katholische Kirche kann für die Einheit der ganzen Christenheit in Betracht kommen, kann die Gemeinschaft sein, der sich zum Zwecke der Einigung alle Christen organisch eingliedern müssen. Nur wenn alle Christen zu dieser Erkenntnis gelangen und danach handeln, ist die wahre Einheit im Sinne Christi möglich.« (Aus: von Ruville, »Vorwärts zur Einheit«, Mainz 1928.) Den Grundsatz von nur einer zu Recht bestehenden Gemeinde übersteigerte er derart, daß er nun glaubte und lehrte, gleich nach den Tagen der Apostel sei ein Fall geschehen, die Gemeinde lebe jetzt in den »Tagen des Verfalls«, und es gebe keine Kirche mehr, die dem Herrn gefalle, und alle Bemühungen hierum trügen den Stempel menschlichen Eigenwillens an sich; was einmal verdorben und zerbrochen sei, werde auch von Gott nicht wiederhergestellt. Der eigentümliche Selbstwiderspruch, der dann alles andere auch in Frage stellt, wird dabei nicht bemerkt. Auch später ist er zu der völligen Loslösung von seiner kirchlichen Vergangenheit niemals mehr gekommen. Es ging ihm nach dem Wort: »Es kommt von seiner Mutter der Sohn doch niemals los.« Dazu kam seine Schulung im begriffsmäßigen Denken, die ihm von der Rechtswissenschaft her eignete. Sie ließ ihn stets geneigt bleiben, für die Wege seines Erkennens feste Formen und Formeln zu suchen.

Die englische Hochkirche ist ein Gemisch von Romanismus und Protestantismus mit einem gewissen Einschlag des Evangeliums. Der Romanismus war derjenige Roms, wie er zur Zeit der Reformation bestand, also ohne die spätere Einfügung der Marienverehrung und vor allem nicht mit der überragenden Stellung des Papsttums. Dieser Protestantismus aber hat wenig gemein mit der hohen Glaubensart Luthers. Er entsprang dem Gegensatz des Königs Heinrich VIII. mit dem Papst, der mit Rom zerfiel, weil ihm dieser in seinen Ehebruchs- und Ehescheidungssachen nicht zu Willen war. Auch mit Luther konnte er sich nicht finden. So wurde die englische Staatskirche wohl äußerlich romfrei, innerlich aber blieb die großartige Anlage des römischen Kirchensystems mit der veräußerlichten Gottesdienstaufmachung voll Schönheit, Pracht und Pomp. Es blieben auch die meisten Lehrzusätze Roms, soweit sie damals schon vorhanden waren. Die staatliche Beteiligung am Kirchenregiment verschaffte aber stets eine gewisse Freiheit des Denkens. So war es möglich, daß es auch hier immer lebendige Zeugen des Evangeliums gab, die sich ungestört betätigen konnten, was allerdings nicht dem stets aufs Ganze gehenden Darby gegeben war.

Seine fleißige Feder hat in zahlreichen Schriften zu fast allen Lehrpunkten Stellung genommen; zu allen neutestamentlichen Büchern hat er Auslegungen geschrieben. Die Gesamtausgabe seiner Schriften zählt im Englischen 39 Bände. Vertieft man sich in sie, so bekommt man den Eindruck: Er scheint unbewußt des Sinnes gewesen zu sein, wenn er in allem das Gegenteil lehre und annehme, als es der römische Lehrbegriff bot, an dem er zuschanden geworden war, so ergebe sich die biblische Wahrheit. Man kann bekanntlich in der Mathematik eine Aufgabe scheinbar völlig in ihr Gegenteil verkehren, indem man die Vorzeichen (plus und minus) vertauscht, wobei aber in Wirklichkeit alles beim alten bleibt. Auch bei Lehren und Denkvorgängen ist das möglich. So ist das philosophische System Nietzsches allermeist dadurch entstanden, daß in demjenigen Schopenhauers alle Lehren ins Gegenteil verkehrt wurden: böse ist in gut und gut in böse umgewandelt. Unwillkürlich hat auch Darby so gehandelt. Die Form ist durch die Formlosigkeit ersetzt; wobei doch alles liturgischen Charakter hat und die Predigt zurückgedrängt ist; das Brotbrechen ist anstatt der Messe zum Mittelpunkt der Gemeindezusammenkünfte gemacht worden; das Abendmahl gilt dort wie hier als Opfer, wobei angeblich Lob und Dank geopfert wird; die Betrachtung des Wortes steht hinter dem Abendmahl weit zurück, und seine Auslegung ist an beiden Stellen vorgeschrieben und gebunden; für die Gemeindebeschlüsse gibt es keine Irrtumsmöglichkeit; die Schriften anderer liest man nicht, will es nicht, soll es nicht; viele achten die Elberfelder Bibelübersetzung, wie die lateinische Vulgata, dem Urtext gleich, wovon auch tatsächlich viele Jahre auf deren Titelblatt etwas zu lesen war; man nennt sich »die Versammlung« und nimmt an, nur durch sie könne die Einheit des Leibes Christi dargestellt werden, so daß dort jedes Kind Gottes hinbefohlen wird, um seinen »Platz« einzunehmen; in dem durch eine ungeschriebene Verfassung organisierten Gemeindeverband haben alle Gemeinden aufzugehen; Mitgliederlisten werden keine geführt, weil ja die andern alle auch hinzugehören, ebenso wie sie zum Leibe Christi zählen; das Sinnbildliche im Kultus ist zwar völlig abgeschafft, wird aber in der Lehre mit großer Vorliebe (Stiftshütte, Opfer usw.) gepflegt; sogar die Lehre von der apostolischen Sukzession, der Wegewinkel, an dem Darby abbog, kehrt wieder in der Behauptung, Älteste könnten nur von Aposteln berufen werden. Indem man vom sogenannten »Wüstenweg der Versammlung« redet, sagt man anscheinend das Gegenteil von der römischen Lehre, nach der sich die Gemeinde seit Pfingsten im Stande der Erhöhung, des Triumphes, befinde; aber mit der sogenannten Darstellung der Einheit und der Herrlichkeit Christi steht man auf demselben Boden. So widersinnig es sich auch anhört, so ist es doch tatsächlich der Fall, daß diese gewissenhaften Biblizisten neben die Schrift Alten und Neuen Testamentes die mündliche Überlieferung stellen, indem neben die irrtumslose Bibel die irrtumslose Bibelauslegung tritt. Der vorurteilsfreie Beurteiler stößt hierauf bei der Beobachtung, daß die Auslegung der Schrift völlig an das Wort und Vorbild Darbys gebunden ist, das ohne Prüfung hingenommen werden soll, als sei er ein inspirierter Ausleger gewesen wie Paulus u. a., als habe z. B. seine Auslegung der Himmelreichsgleichnisse denselben Wert wie die der »heiligen Menschen Gottes« (2. Petrus 1, 20. 21), die diese u. a. bieten in Hebräer 7, 1-10; Galater 4, 22-31; Matthäus 2, 15. Beachtet man diese Verwandtschaft mit dem Lehrbegriff Roms nicht, so befindet man sich einer fremden Welt gegenüber und kann auf den Gedanken kommen, man habe eine Sekte vor sich.

Immer wieder betonen Darby und seine Schüler ihre gänzliche Voraussetzungslosigkeit. Sie sind völlig der Überzeugung, der Darbysmus sei eine ungesäte Pflanze, keinem andern Boden entwachsen, als dem der Schrift. Dabei ist jedoch der Nachweis der Katholizität unmöglich. Aber auch die obige Aufzählung tut deutlich das Gegenteil dar und führt auf die schon genannte Abhängigkeit von der romfreien und doch römischen Hochkirche Englands, auch wenn sich niemand dessen mehr bewußt ist. Während die Kirchenlehre auf dem Boden Wittenbergs das Gewissen und die Persönlichkeit nicht binden will, steht sie hier über dem Glauben des einzelnen; dort ist die Losung: Gewissen und Verantwortung, hier heißt sie: Kirche und Gehorsam. »Dem Katholiken ist seine Kirche ein Gegenstand und eine Quelle des Glaubens. An diese sichtbare Kirche, an ihre Heiligkeit und Unfehlbarkeit glauben, das glauben, was die Kirche lehrt, das heißt ein Katholik sein.« (Sohm.) Das Neue Testament erklärt allerstärkstens, die persönliche Gemeinschaft mit dem erhöhten Herrn sei das Geheimnis des Christentums, eine Erkenntnis, die ja Kraft und Schwäche des Protestantismus zugleich ist; hier geht beständig die Gefahr um, diese Gemeinschaft an äußere Formen und Bedingungen zu knüpfen. Das ist das Wesen des Katholizismus, seine Schwäche und zugleich seine Kraft. »Die Zugehörigkeit zum äußeren Organismus, welcher durch Bischöfe und Presbyter vertreten wird, ist das Gesetz, welches jedem einzelnen Christen auferlegt wird.« (Sohm.) Demgemäß steht der Ruf zur Kirche auch vor allem andern, wenigstens in der persönlichen Seelsorge.

Diese hier so scharf hervorgehobenen Linien sind allerdings bei Darby und den Seinigen nur abgeschwächt vorhanden, oft kaum erkennbar und durchschimmernd, viel auch verdeckt und niedergehalten durch reichen Wahrheitsgehalt an andern Stellen. Immerhin, sie sind unleugbar da und sind mehr oder weniger das Knochengerüst jenes Lehrsystems, auf das jeder klar Sehende auch zu seiner Zeit stößt.

Auffallend ist auch die Ähnlichkeit in der Erscheinung und Wirkung nach außen! Die kleinste römische Dorfkirche mit dem Amt des schlichten Dorfkaplans und der größte und schönste Dom, in dem Bischöfe und Kardinäle amtieren, sind völlig übereinstimmend in der sogenannten Gottesdienstform, ganz gleich in welchem Lande es ist. So ist es auch auf diesem Boden: von Königsberg bis Basel, von Holland bis Schlesien begegnet uns ein und dieselbe Formlosigkeit, dieselbe Art zu beten, dieselbe Schriftauslegung mit Gebrauch derselben Worte und Wendungen; das ist der Fall, wenn ein hochgestellter Beamter oder Offizier redet, ein Besitzender, ein Arbeitgeber, ein Handwerker, ein Landwirt oder ein ungelernter Arbeiter, ein Gebildeter oder ein Ungebildeter - der Wissende erkennt sogleich die Leute und weiß sofort, wo er ist. Selbst dem Äußern scheint diese religiöse Heimat das Gepräge zu geben, ähnlich wie es auch Rom mit seiner Einebnung der Eigenart hat, was schon zur völligen Entpersönlichung durch Ertötung der von Gott geschenkten Selbstheit geführt hat. Man denke an den bekannten Typus gewiegter Geschäftsleute, fähiger Wirtschaftsmenschen, und an die allezeit kampfgerüsteten und bekehrungsfreudigen Brüder und Schwestern, deren Freude groß ist, wenn sie andern ihre Überzeugung und Eigenart nehmen konnten, die das Gemeinschaftsleben aller Gemeindekreise fast beständig unter das Störungsfeuer ihrer Angriffe nehmen. Ausgetretene und Ausgeschlossene wandeln sich höchst selten und kehren sich nicht vom System ab, selbst wenn sie schwere und bittere Erfahrungen gemacht haben; müssen sie eine neue geistliche Heimat suchen, so bleiben sie in derselben doch immer Eingänger und Außenseiter. Das weibliche Geschlecht sucht sich bei Heiraten stets der Versammlung zu erhalten. Schwierigkeitsmenschen, Verneinungsleute und unruhige Geister kommen im Hafen dieses Systems zur Ruhe.

Unfehlbar erfolgt nach kürzerer oder längerer Zeit immer der Übertritt, sobald sich jemand an einer Stelle hat beeindrucken lassen und sich bejahend auf diesen Lehrgrund gab. Zu viele Kinder Gottes finden es leichter, Anhänger eines Systems zu sein, als lebenslang Schüler der Schrift, zumal wenn dann noch angenommen werden soll, es sei haargenau dem Worte Gottes entnommen. Nicht umsonst sagt K. von Hase: »Für die meisten Menschen ist die Freiheit im Reiche des Geistes viel schwerer zu tragen, als die Last der Unfreiheit.« Darin liegt die große Anziehungskraft des Darbysmus auf viele Menschen, die freilich bei andern genau gegenteilig wirkt!

Wohl fordert der Darbysmus eine gewisse Fähigkeit und Schulung im Denken. Aber das ist nicht das Denken, das zur verantwortungsbewußten Eigenpersönlichkeit werden läßt. Es ist nur die Einführung in das System, das dann oft mit Selbstbewußtsein und Rücksichtslosigkeit als das der Schrift vertreten wird, ohne jedes Rechnen mit der Tatsache: »Unser Wissen ist Stückwerk.« (1. Korinther 13, 9.) Die persönliche Überzeugung gilt der unbedingten Wahrheit an sich völlig gleich. Unbewußt versammelt man sich nicht auf Grund der auszulegenden, sondern auf Grund der ausgelegten Heiligen Schrift, die in der Theologie John Nelson Darbys niedergelegt und begründet ist. Der Darbysmus ist für die Zahl derer, die wohl denken können, aber nicht ohne Anlehnung an andere und nicht im Unterschied von den rechts und links Mitwandelnden, es sei denn, sie dürfen deren Eigendenken und Selbstverantwortung als Irrtum achten.

Durch John Nelson Darby und seine Schüler ist aber dem Volke Gottes der letzten hundert Jahre auch in vielem gedient worden, und in manchem sind sie vorbildlich gewesen. Sie haben auch viele aufbauende Arbeit getan, was nicht verkannt werden darf. Darby und die Seinigen waren es, die manche vergessenen Lehrgebiete und Lehrpunkte der gläubigen Gemeinde erst wieder in den Gesichtswinkel rückten und an die Verpflichtungen dagegen erinnerten, wenn solches Dienen auch nicht frei von Einseitigkeiten und Irrtümern war. Zu nennen ist hier z. B. der Unterschied zwischen Israel und der Kirche, und das Beachten des Zwischeneinkommens der Zeit der Gemeinde. Ihr Betonen der Wahrheit: »Alles in Christus«, auf Grund der Tatsache: »Ihr seid vollkommen in ihm«, (Kolosser 2, 10) war durchaus angebracht gegenüber einem einseitigen Armsünderchristentum, das nie der Heilsgewißheit froh werden läßt. In Deutschland schenkten sie der Gemeinde Gottes auch manche Lieder dieses Tones und regten zum Dichten anderer an; wenn sie mit ihren Wüstenliedern auch etwas übertrieben haben und über deren Singen zu Reichtum und Ansehen kamen - eine Wahrheit hatten sie dem Volke Gottes auch damit zu sagen. Darby selbst war mit seiner guten Dichtergabe der Vater und Tonangeber dieser Lieder gewesen. Die Hervorhebung der Zusammengehörigkeit des Volkes Gottes hat trotz der von ihnen gegebenen schiefen Zeichnung auf den Allianzsinn fruchtbar gewirkt.

Ähnliches gilt in bezug auf die Scheidung und Trennung der Kinder Gottes von der Welt, wo auch von hier aus vorbildlich gewirkt und vorgegangen wurde, wenn auch mit Übertreibungen und Einseitigkeiten, die schließlich die wirklichen Grenzen des Volkes Gottes gar nicht mehr erkennen ließen. Die Lehre von den letzten Dingen haben die Staatskirchen früher fast gar nicht getrieben und die Freikirchen oft wenig glücklich, wie z. B. die vor Darby schon aufgetretene irvingianische Bewegung. Brüder von dort waren es, die ihr einigermaßen wieder Bahn brachen und manche zu Freunden des prophetischen Wortes machten, die es sonst kaum geworden wären, wodurch sich dann auch andere besser durchsetzten, wie Gaußen in Genf, der schon ein Jahrzehnt vorher hierin die Feder angesetzt hatte. Zwar hatte auch schon Tersteegen gesungen: »Lasset uns anbeten«; aber ein Teil des Verdienstes, daß man heute Anbetung auch anderwärts als das letzte Ziel des Gottesdienstes achtet, gebührt jener Seite. Hier hat man auch die Nichtprediger für das Forschen im Wort herangezogen, etwas, das man ehedem fast ganz den Gelehrten überließ. Damit haben sie das Verdienst, daß sie zuerst eine wörtliche Bibelübersetzung ins Volk brachten, die dem wirklichen Stande der Textforschung entsprach, die sogenannte Elberfelder Bibel. Sie hat freilich nie Luthers einzigartiges Werk überschatten oder gar verdrängen können, obwohl dessen notwendige Nachprüfung dadurch eigentlich erst in Fluß kam. Erst um die Jahrhundertwende wurde deren Alleinherrschaft als wörtliche Übersetzung in den Kreisen des Pietismus durch andere Arbeiten abgelöst.

Noch zu seinen Lebzeiten ist über Darby und sein Werk viel Schweres dahingegangen. Er verlor fast alle seine Freunde und Mitarbeiter, oder sie verloren ihn. Nie abreißende Spaltungen und Trennungen haben ihm den Lebensabend verdüstert und sind in ihren Auswirkungen auch bis auf das Festland gekommen und haben die Stoßkraft der Bewegung sehr gelähmt. Deshalb sind auch kaum starke Kräfte der Erneuerung auf das englische Volksleben von dem Darbysmus ausgegangen, wie das z. B. unbestreitbar beim Methodismus der Fall gewesen ist. Diese Erscheinung wird aber auch ebensoviel zurückgehen auf die römische Auffassung, das Abendmahl sei dem Wort übergeordnet. Rom kann sich die Hintansetzung und Unterschätzung des Wortes eher erlauben, denn es ist Massen- und Volkskirche, nicht Missions- und Werbegemeinde. Auch die Beteiligung an der Inneren und Äußeren Mission entspricht nicht den großen Möglichkeiten, die Gott Darby und seinen Leuten geldlich anvertraute. Spaltungen im Namen der vermeintlichen Einheit haben gezeigt, daß es nur eine Einheit des Geistes gibt, aber keine Einheit des Leibes. Will man sie heute auf dem Boden der Unvollkommenheit schon herstellen, so macht man der Risse immer noch mehr, und anstatt daß gesammelt wird, wird zerstreut. Der Generalnenner der Einigung für alle Gläubigen ist eben in dieser Zeit doch nicht zu finden. Dieser Gang der Dinge braucht nicht Wunder zu nehmen: ein Edelreis des Evangeliums auf einen römischen Stamm gepfropft, wird nie eine andere Entwicklung nehmen können!
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