Zum Inhalt wechseln

Welcome to Irrglaube und Wahrheit
Register now to gain access to all of our features. Once registered and logged in, you will be able to create topics, post replies to existing threads, give reputation to your fellow members, get your own private messenger, post status updates, manage your profile and so much more. If you already have an account, login here - otherwise create an account for free today!
Foto

"Viele Schulleitungen haben die Gefahren noch nicht erk


  • Bitte melde dich an um zu Antworten
Keine Antworten in diesem Thema

#1
Rolf

Rolf

    Administrator

  • Administrator

  • PIPPIPPIP
  • 34224 Beiträge
  • Land: Country Flag

Please Login HERE or Register HERE to see this link!







"Viele Schulleitungen haben die Gefahren noch nicht erkannt"






Schutz vor Handyfotos in der Umkleidekabine oder beim Wickeln: Der Beauftragte der Bundesregierung gegen Missbrauch kritisiert fehlende Konzepte und Ansprechpartner. von Christine Schniedermann


26. Januar 2015


ZEIT ONLINE: Sie kritisieren, dass insbesondere Schulen zu wenig Prävention gegen sexuellen Missbrauch betreiben. Was sind die Gründe dafür?

Johannes-Wilhelm Rörig: Der 2010 eingerichtete Runde Tisch "Sexueller Missbrauch" hat in seinem Abschlussbericht Empfehlungen für die Einführung von Schutzkonzepten in Einrichtungen herausgegeben. Tatsächlich haben aber erst ca. zehn Prozent der Schulen, die wir in den Jahren 2012/2013 bundesweit befragt haben, ein solches Schutzkonzept erarbeitet. Ich denke, viele Schulleitungen haben die Gefahren noch immer nicht erkannt. Dabei haben Schulen nicht nur einen Bildungs- sondern auch einen Schutzauftrag. Mittlerweile tausche ich mich mit der Kultusministerkonferenz und allen Kultusministern aus. Wir müssen gemeinsam dahin kommen, dass jede Schulleitung sexuelle Gewalt zum Chef-Thema macht. Diese Forderung ist dringend notwendig, denn nur in der Schule können wir alle Kinder erreichen und ihnen helfen.

ZEIT ONLINE: Welche Aspekte sollte so ein Schutzkonzept enthalten?

Rörig: Es sollte zunächst eine Risikoanalyse stattfinden. Sprich: Wie und wo könnte in einer Einrichtung ein Täter übergriffig werden, beispielsweise in der Umkleidekabine. Diese sollten Lehrer nur im Notfall betreten, außerdem sollte dort ein generelles Handyverbot gelten, auch für Kinder und Jugendliche untereinander. Dann müssen alle Pädagogen einen Verhaltenskodex einhalten: Gibt es in der Schule eine Selbstverpflichtung, mit der sich Unterzeichner unter anderem zu Handlungen im Verdachtsfall verpflichten? Gibt es einen Verhaltenskodex, der Regeln für Nähe und Distanz formuliert? Sollen die Türen beispielsweise beim Wickeln in einer Kita offenstehen? Darf ein Erzieher auf einer Jugendfreizeit mit Kindern in einem Zelt schlafen? Zudem sollten Mitarbeiter von Kitas, Schulen, Internaten, Sportvereinen, Krankenhäusern und kirchlichen Gemeinden, also überall dort, wo Kinder Erwachsenen anvertraut sind, geschult sein, um sensibel und kompetent auf Verdachtsfälle reagieren und den Kindern einen Weg zur Hilfe anbieten könnten. Wichtig ist außerdem, dass sowohl Schüler als auch Lehrer eine Beschwerdestelle oder verschiedene interne und externe Ansprechpartner kennen. Denn wenn der einzige Vertrauenslehrer der Täter ist, wird sich ein Kind ihm nie anvertrauen.

ZEIT ONLINE: Worauf sollten Lehrer noch achten?

Rörig: Lehrer müssen lernen, genau hinzusehen und Kindern vermitteln, dass sie für sie da sind und ihnen zuhören. Da ist es wichtig, dass die Pädagogen beispielsweise Verhaltensveränderungen von Kindern bemerken. Schutzkonzepte können helfen, hier Orientierung und Sicherheit zu finden. Spezialisierte Beratungsstellen können dabei sehr gut helfen. Zudem gibt es immer mehr sexuelle Gewalt unter Jugendlichen und durch digitale Medien. Auch auf das Versenden von Fotos mit sexuellem Inhalt muss die Schule Antworten finden. Präventionsangebote für Kinder und Jugendliche, Medienkompetenz und eine moderne Sexualpädagogik sollten gelebter Alltag in Schulen sein.

ZEIT ONLINE: Sie stellen in Ihrer Bilanz fest, dass Beratungsstellen unterfinanziert sind.

Rörig: Genau. Seit 2011 hat sich leider wenig bei der finanziellen Ausstattung der Beratungsstellen getan. Hier sind die Kommunen und Länder in der Pflicht. Denn es gibt beispielsweise zu wenige Beratungsstellen auf dem Land oder für Jungen und Männer.

ZEIT ONLINE: Außerdem haben außer dem Bund und den Ländern Mecklenburg-Vorpommern und Bayern die anderen 14 Bundesländer nicht in den eigens für Betroffene eingerichteten Fonds eingezahlt.

Rörig: Ich finde es für die Betroffenen inzwischen wirklich tragisch, dass die meisten Bundesländer ihrer Verantwortung bis heute nicht nachgekommen sind. Die Regelsysteme wie das Opferentschädigungsgesetz müssen zudem dringend reformiert werden.


ZEIT ONLINE: Immer wieder wird auch kritisiert, dass die Kirchen sich allein um die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle kümmern. Wie sehen Sie das?

Rörig: Ja, ich höre auch immer wieder Kritik von Betroffenen. Aber ganz pauschal lässt sich das nicht sagen. Es gibt sehr engagierte Gemeinden und Bistümer, die sich um Aufklärung bemühen. Ebenso gibt es welche, die sich um Entschädigung und Prävention bedauerlicherweise eher schleppend kümmern. Uns ist wichtig, dass bei der Aufarbeitung Beobachter und Betroffene mit einbezogen werden. Auch dies ist leider noch nicht selbstverständlich. Wir hoffen sehr, dass es ab 2016 eine unabhängige Aufarbeitungskommission geben wird, die auch Empfehlungen für Standards der Aufarbeitung abgibt.
  • 0