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2. Privatoffenbarungen


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Rolf

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2. Privatoffenbarungen




In unserer Zeit, in der alles bloß auf das Diesseitige, Immanente reduziert zu sein scheint, in der Bezüge auf Jenseitiges und damit auf Gott oft scheinbar völlig aus dem Empfinden, Denken und Reden der Menschen verschwunden sind, muss eine Privatoffenbarung von großer Wirkung sein. Hier sieht man doch, dass es Gott wirklich gibt, denn wie wäre das Geschehene anders zu erklären als mit Bezug auf Gott? - Privatoffenbarungen zeigen dann, dass der Himmel nicht so zu und verrammelt ist, wie es meist der Fall zu sein scheint. Mit einer Privatoffenbarung ist zugleich auch folgendes gegeben:

eine Botschaft bzw. die Bestätigung einer Botschaft
die Auszeichnung und Bestätigung einer Person
die Auszeichnung einer bestimmten Gruppe

Gleich vorweg: Nur eine verschwindend kleine Zahl von Privatoffenbarungen kann als echt bezeichnet werden! Der Hl. Paul vom Kreuz schreibt in einem Brief: "Wisse, dass von all den Visionen und Auditionen ..., die ich selbst gehabt habe, nur ein kleiner Teil, ein ganz kleiner Teil wahr und gut gewesen ist". Ja, er sagt sogar in einem Brief: "... unter hundert, ja vielleicht tausend dieser artikulierten Auditionen sind kaum eine oder zwei wahr".

Es stellt sich demnach mit dieser Frage nach der Echtheit zugleich die Einsicht in die reale Gefahr von Täuschungen bzw. Selbsttäuschungen. Diese Gefahr wird von den Meistern des geistlichen Lebens offenbar als nicht gering eingeschätzt. Der Jesuit A. Poulain, Verfasser eines Klassikers des geistlichen Lebens, schreibt, dass selbst bei frommen und normalen Menschen drei Viertel ihrer Visionen gut gemeinte, harmlose, aber eben doch Täuschungen seien.



2.1 Welche Bedeutung haben Privat-Offenbarungen?

Die ganze Problematik der Privatoffenbarungen wird dort deutlich, wo die Autorität Gottes und seiner Heiligen für eine (nämlich meine!) jetzt von einem bestimmten Menschen kundgetane Überzeugung in Anspruch genommen wird: Handelt es sich wirklich um Gottes Willen? Oder überhöhe ich bestimmte Überzeugungen von mir und damit zugleich mich, indem ich mich auf die Autorität Gottes (oder Mariens) berufe?

Im neuen "Katechismus der Katholischen Kirche" ist den Privatoffenbarungen ein Abschnitt gewidmet: "Im Laufe der Jahrhunderte gab es so genannte 'Privatoffenbarungen', von denen einige durch die kirchliche Autorität anerkannt wurden. Sie gehören jedoch nicht zum Glaubensgut. Sie sind nicht dazu da, die endgültige Offenbarung Christi zu 'vervollkommnen' oder zu 'vervollständigen', sondern sollen helfen, in einem bestimmten Zeitalter aus ihr zu leben. Unter der Leitung des Lehramtes der Kirche weiß der Glaubenssinn der Gläubigen zu unterscheiden und wahrzunehmen, was in solchen Offenbarungen ein echter Ruf Christi oder seiner Heiligen an die Kirche ist" (KKK, 67).

Hier wird eine deutliche Unterscheidung getroffen zwischen der Offenbarung Christi, die endgültig ist, und den Offenbarungen, die jene weder vervollkommnen noch vervollständigen. Im Christus-Geheimnis hat sich Gott definitiv erschlossen und geoffenbart, und die heiligen Schriften sind das gültige Zeugnis dieser Offenbarung. Alles Spätere ist darauf bezogen.

Jeder Katholik hat demnach für sich die Freiheit, nicht an eine Erscheinung zu glauben; das gilt selbst für Lourdes, wo die kirchlichen Dokumente Begriffe verwenden, wie sie für eine Anerkennung gebräuchlich sind. Dies steht in der Tradition der Ausführungen Papst Benedikts XIV. zu diesem Thema (18. Jhd.), der auch den Zweifel gegenüber kirchlich anerkannten Privatoffenbarungen gestattet, sofern dies mit "geziemendem Respekt" geschehe.



2.2 Kriterien für eine Beurteilung

Wann ist davon auszugehen, dass ein "echter Ruf Christi oder seiner Heiligen an die Kirche" gegeben ist? Der Katechismus gibt zwei Hinweise:

Anerkennung durch die kirchliche Autorität.

Glaubenssinn der Gläubigen unter Leitung des Lehramtes. Der Glaubenssinn kann unterscheiden, ob etwas ein Ruf Christi und seiner Heiligen ist oder nicht. Damit wird ein Gesichtspunkt genannt, der in das Umfeld der "Unterscheidung der Geister" gehört. Festzustellen, ob also eine "Privatoffenbarung" gegeben ist oder nicht, gehört wesentlich in den Bereich "geistlicher Unterscheidung".

"Dort, wo der übernatürliche, von Gott gewirkte Ursprung einer Vision behauptet wird, ist diese Behauptung zu beweisen, nicht vorauszusetzen; der Bejaher, nicht der Zweifler oder Verneiner hat nach allen Grundsätzen der Theologie die Beweislast. Solange also eine bestimmte Erscheinung 'natürlich' geklärt werden kann, kann der Erweis der Übernatürlichkeit einer bestimmten Erscheinung nicht als erbracht gelten" (Karl Rahner).

Tatsächlich kann man aber in der Praxis nicht selten den umgekehrten Eindruck haben: Die bloße Behauptung, eine Erscheinung gehabt, eine Offenbarung, ein Wort oder Bild vom Herrn empfangen zu haben, erhält ein solches Übergewicht, dass die Beweislast völlig umgekehrt wird und eine Prüfung fast ausfällt. Allerdings gibt es natürlich auch viele, die umgekehrt es genauso kategorisch ablehnen, dass Gott auch auf diesem Weg uns etwas sagen könne.

Zunächst lautet die Frage: "Was hat sich hier psychisch zugetragen, mit welcher Gewissheit oder Wahrscheinlichkeit lässt sich der natürliche bzw. nicht natürliche Zusammenhang feststellen?" Nicht übersehen werden dürfen die Fragen nach der psychischen, moralischen und geistlichen Verfassung des Sehers und die Frage nach den Wirkungen auf die, denen bestimmte Privatoffenbarungen mit dem Anspruch auf Geltung vorgetragen werden. Unter dem Gesichtspunkt der religiösen Heilsbedeutsamkeit relativiert sich die Frage für den religiösen Menschen, ob die Gottgewirktheit innerhalb oder außerhalb der natürlichen Gesetze liegt, da dieser auch in einem "natürlich erklärbaren" Vorgang mit Recht die freie Gnade Gottes für sein Heil erblicken kann. Wenn Gott auch auf mannigfaltige Weise zu uns redet, dann heißt das noch lange nicht, dass die wichtigsten Weisungen gerade durch Visionen ergehen. Gut ist letztlich, was uns zu besseren Christen macht.

Der im Katechismus der Katholischen Kirche angesprochene "Glaubenssinn" zielt auf eine Befähigung, aus dem Glauben und mit den "Augen des Glaubens" Gegebenheiten daraufhin prüfen und beurteilen zu können, ob sie dem Glauben entsprechen, ihn fördern und vertiefen, oder ob sie dem Glauben widersprechen und ihn gar zerstören. Das Lehramt ist seiner grundsätzlichen Zuständigkeit wegen angefragt, aber auch, weil es um eine Anerkennung für die Kirche in ihrer Öffentlichkeit geht.

Ein Lieblingsthema von Traditionalisten in angeblichen Privatoffenbarungen ist die Handkommunion. Angenommen, wir treffen auf einen Menschen, dessen menschliche und geistliche Integrität uns tief beeindruckt. Dieser wirkt mit großem Nachdruck, vielleicht sogar Eifer dafür, die Handkommunion abzuschaffen und die Mundkommunion wieder verpflichtend zu machen. Dieser Mensch wird uns, wie gesagt, unter Umständen tief beeindrucken, weil wir spüren, wie sehr ihm dies ein geistliches Anliegen ist. Obwohl wir also die Echtheit seines geistlichen Anliegens wahrnehmen würden (damit doch auch, dass dies vom Geist Gottes angestoßen ist), würden wir uns doch (zu Recht!) gleichzeitig frei fühlen, anders zu entscheiden. Das schließt nicht aus, dass dieses erlebte Engagement uns etwa dahin nachdenklich machen könnte, ob mit unserer Form eucharistischer Verehrung alles stimmt. Zusätzliche Berufungen auf Visionen und Privatoffenbarungen könnten solche Nachdenklichkeit sicher verstärken, wenn hier menschlich und geistlich alles stimmt und überzeugt - aber nur dann! Grundsätzlich verändert würde in der Regel dadurch nichts.




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