Zum Inhalt wechseln

Welcome to Irrglaube und Wahrheit
Register now to gain access to all of our features. Once registered and logged in, you will be able to create topics, post replies to existing threads, give reputation to your fellow members, get your own private messenger, post status updates, manage your profile and so much more. If you already have an account, login here - otherwise create an account for free today!
Foto

Wer vergiftet unsere Lebensmittel?


  • Bitte melde dich an um zu Antworten
Keine Antworten in diesem Thema

#1
Rolf

Rolf

    Administrator

  • Administrator

  • PIPPIPPIP
  • 34225 Beiträge
  • Land: Country Flag

Please Login HERE or Register HERE to see this link!



Online






Wer vergiftet unsere Lebensmittel?






Von Walter Krämer


„Stimmt es, daß ich mich mit BSE anstecken kann,
wenn ich lange auf meinem Rindsledersofa sitze?“
- Ein besorgter Leser an die Rheinische Post in Düsseldorf -


Was haben die Dioxin- und die EHEC-Aufregung des Jahres 2011 gemeinsam?
Weniger als man denkt. Eigentlich nur die Gesundheitsgefahr durch
Lebensmittel – bei EHEC real und bei Dioxin imaginär. Darüber hinaus ist
die Massenhysterie wegen Dioxin zu Beginn des Jahres mit der gemäßigten
Sorge über EHEC überhaupt nicht zu vergleichen. Denn wahre Panik bedarf
der Panikmacher (Grüne, Greenpeace, foodwatch usw.), und diese hielten
sich in der EHEC-Affäre bemerkenswert zurück.

So wie sie auch alle anderen natürlichen Gefahren durch Lebensmittel nicht
beachten. Die in zwei Muskatnüssen enthaltenen Mengen der Gifte Myristicin
- auch in Dill und Petersilie - und Elemicin z. B. reichen aus, ein Kind
umzubringen. Die hochgiftige Blausäure kommt in Bittermandeln – da
allerdings in abnorm hoher Konzentration – und in fast allen anderen
pflanzlichen Lebensmitteln, besonders konzentriert auch in Leinsamen vor -
mehr als zwei Kochlöffel täglich, und man darf den Doktor rufen. Das in
Käse enthaltene Tyramin gefährdet Personen, die sogenannte MAO-Hemmer als
Antidepressiva oder gegen Parkinson nehmen, mit den Folgen Bluthochdruck
und Herzinfarkt. Honig enthält den Krankheitserreger Clostridium
botulinum, bei Babys kann das zu einer Lähmung des Darmes und einer
hartnäckigen Verstopfung führen. Rohe Grüne Bohnen - schon fünf bis sechs
Stück - rufen schwerste hämorrhagische Gastoenteritis hervor, und auch die
besten biologisch angebauten Karotten enthalten das Nervengift Carotatoxin
plus eine ganze Reihe weiterer giftiger Substanzen sowie sogenannte
Isoflavone, die eine östrogene Wirkung besitzen, also weibliche
Sexualhormone imitieren. Äpfeln, Birnen oder Pflaumen enthalten giftige
Kaffeesäure, Aprikosen, Kirschen, Pfirsiche und Pflaumen enthalten
Chlorogensäure, Orangen enthalten d-Limonen (können Allergien auslösen),
kaltgepreßtes Olivenöl enthält Perchlorethylen. Und das stärkste
Nervengift der Welt, Botulinustoxin, von dem zwei Milliardstel Gramm einen
Menschen töten, wird von einem Bakterium produziert, das völlig natürlich
in Fleischwaren gedeiht; weniger als ein Gramm davon würden ausreichen,
ganz Deutschland zu entvölkern.

Viele dieser von Natur aus in Pflanzen enthaltenen Stoffe sind nicht nur
giftig, sondern auch als Krebserzeuger oder Chromosomenbrecher (sog.
Klastogene) nachgewiesen. Z. B. kann das Allylisothiocyanat, ein
Abbauprodukt des in Kohl enthaltenen Sinigrin, schon in einer 200.000 mal
niedrigeren Konzentration – bei 0,0005 Milligramm pro Kilogramm -
Chromosomenbrüche erzeugen (abgekürzt auch ppm = „parts per million“ =
Teilchen pro Million). Und Kohl enthält bis 590 ppm natürlich
hergestelltes Sinigrin, Rosenkohl bis zu 1500 ppm, brauner Senf sogar bis
zu 72.000 ppm. Und einer der stärksten krebsfördernden Stoffe überhaupt,
das Aflatoxin, wird in der Natur von einem Schimmelpilz gebildet, der auf
Brot, Wurst oder Käse wächst.

Nach einer vielzitierten Studie des angesehenen amerikanischen
Biochemikers Bruce N. Ames und Koautoren machen diese von der Natur
produzierten Gifte und Pestizide in Gewicht gemessen fast 100 Prozent
(genau: 99,99 Prozent) aller Pestizide in unserer Ernährung aus. „Nach
unserer Berechnung sind 99,99% - nach Gewicht – aller Pestizide in
amerikanischen Nahrungsmitteln solche, die von den Pflanzen selbst
produziert werden, um sich gegen ihre Feinde zu verteidigen,” schreibt
Ames in den Proceedings of the National Academy of Science. “Die
natürlichen Chemikalien bestreiten den Riesenanteil aller Chemikalien in
unserer Ernährung und sollten deswegen als Vergleichsmaßstab dienen, wenn
wir die mögliche Krebsgefährdung durch synthetische Chemikalien
quantifizieren […] Pflanzen erzeugen Gifte aller Art als Schutz gegen
Pilze, Insekten und andere Tiere. […] Zehntausende dieser natürlichen
Pestizide wurden bereits entdeckt und jede bisher analysierte Pflanzenart
enthält davon mehrere Dutzend […] Nach unserer Schätzung essen Amerikaner
ungefähr 1,5 g natürlicher Pestizide pro Tag, ungefähr 10.000 mal so viel
als sie an synthetischen Pestiziden zu sich nehmen.“

Dieser Artikel von Ames, in der berühmten Fachzeitschrift Proceedings of
the National Academy of Sciences bereits im Jahr 1990 erschienen, hat in
den Wissenschaften für ein gehöriges Umdenken gesorgt. Aber leider nur
dort. Die Verbraucher essen weiter unbekümmert und in großen Mengen
natürliche Gifte aller Art und geraten in Panik, wenn von künstlichen
Pestiziden oder Zusatzstoffen die Rede ist. Nach einer Umfrage von
Greenpeace aus dem Jahr 2007 wollen 71% aller Bundesbürger, dass überhaupt
keine Rückstände künstlicher Pestizide in Obst und Gemüse enthalten sind,
und nur 2,1 Prozent sahen in den Rückständen von Pflanzenschutzmitteln
kein Problem. Und stolze 88,8 aller Bundesbürger fordern sogar, dass
konventionell angebaute Waren wie etwa Tafeltrauben, bei denen wiederholt
„zu hohe“ Rückstände festgestellt werden, grundsätzlich nicht mehr
angeboten werden dürfen.

Kein Wunder, denn auch zu den modernen Massenmedien ist die Übermacht der
natürlichen über die künstlichen Pflanzengifte noch nicht durchgedrungen,
hier dominieren weiterhin Meldungen wie “Neuer Schock! So werden unsere
Kartoffeln vergiftet!“ So überschreibt etwa eine große
Fernseh-Programmzeitschrift einen typischen reißerischen Bericht über
Pestizide in der beliebten deutschen Knollennahrung. „Jede Knolle fünfmal
chemisch behandelt. Wer soll das noch essen?” Und so geht es weiter:


“Das hat uns gerade noch gefehlt. Die Kartoffel in Verruf – vergiftete
Atmosphäre um die Knolle, die zur begehrtesten Frucht der Deutschen
wurde. Die neuen haarsträubenden Geschichten um die Pflanze, die
Geschichte machte: Fünfmal Gift, bevor die Kartoffel auf den Tisch kommt!


Gift als Dünger (bis zu 180 kg pro ha)
Gift als Unkrautvernichtung
Gift zur Krautabtötung
Gift als Keimhemmittel
Gift als Bodenaufbereiter…



Tatsachen: 50 chemische Gifte dürfen in Deutschland beim Kartoffelanbau
eingesetzt werden […] Belastend vor allem: Nitrate aus der Überdüngung
(werden im Körper in krebserregendes Nitrit umgewandelt).”


Usw., die ganze Seite rauf und runter… Man ist versucht, dem Schreiber
dieser Zeilen drei Pfund Bio-Kartoffeln einzustopfen. Deren grüne Stellen
enthalten, wie die grünen Stellen anderer Kartoffeln auch, große Mengen
des hochgiftigen Solanins. Dieser Stoff gehört wie Koffein und Nikotin zu
der Gruppe der Alkaloide, ein halbes Gramm davon, und man ißt niemals im
Leben mehr Kartoffeln. Aber schon sehr viel kleinere Dosen können zu
Magen-Darm-Beschwerden führen. Im Jahr 1978 ist es in England zu einer
Massenvergiftung durch Solanin in den Kartoffeln einer Schulküche
gekommen. Ähnliche Massenvergiftungen durch Nitrate oder künstliche
Pestizide, ohne die so manche Kartoffel heute niemals auf den Teller
käme, sind dagegen bislang nicht bekannt.

Trotzdem gelangen immer wieder alarmistische Pressemitteilungen wie die
folgende vom 4. Februar 2010 auch in die seriösen Medien; wie leider
üblich wird darin die Faktenlage zumindest mit Worten umgedreht. Eine
Greenpeace-Studie hatte 1150 Pflanzenschutzmittel auf ihre Gefährlichkeit
für Mensch und Umwelt überprüft und 17 Spritzmittel gefunden, die von
deutschen Verbrauchern besonders häufig durch Lebensmittel aufgenommen
werden. „Darunter weiterhin das BASF-Produkt Iprodion auf Kopfsalat, das
trotz seiner vermutlich krebserregenden Wirkung eingesetzt wird. Oder das
neurotoxisch wirksame Fungizid Cyprodinil von Syngenta, das Greenpeace in
Tafeltrauben festgestellt hat. Im Vergleich zur 2008 von Greenpeace
publizierten Schwarzen Liste hat sich die Zahl der gefährlichen Pestizide
von 327 auf 451 erhöht.“

Greenpeace hat ein Fungizid in Tafeltrauben festgestellt! Gibt es eine
Meldung mit noch weniger Informationsgehalt? Liebe Leute von Greenpeace:
belegt mal einen Kurs in Lebensmitteltoxikologie! Oder lest mal den
Artikel von Bruce Ames. Es gibt nämlich nicht nur 451 gefährliche
Pestizide in unseren Lebensmitteln, wie in Eurer Liste, sondern Tausende
davon, jedenfalls sehr viel mehr als ihr gefunden habt. Aber tröstet euch:
Irgendwann findet ihr die auch.

„Wenn wir sicherstellen wollen, dass solche Gifte in Zukunft aus unserer
Nahrung verschwinden, dann müssen wir vermehrt auf Bio-Lebensmittel
zurückgreifen“ lese ich zu dieser Studie im Internet. „Diese sind zwar
teurer, machen aber wenigstens nicht krank.“


Na dann guten Appetit!


Prof. Dr. Walter Krämer ist Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik
an der Universität Dortmund und Autor mehrerer Bestseller. Im aktuellen
Artikel nimmt er Inhalte seines neuen, im Herbst dieses Jahres bei Piper
erscheinenden Buches Die Panikmacher vorweg. Zuletzt veröffentlichtete er
bei NovoArgumente Online „Castor und Leukämie“.

  • 0