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"Es hätte enorme Symbolwirkung"


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"Es hätte enorme Symbolwirkung"




Mit seinem Vorstoß, die "Satanischen Verse" von Salman Rushdie in einer Kölner Moschee zu diskutieren, hat der Journalist Günter Wallraff eine heftige Debatte losgetreten. Im Interview mit ZEIT online erklärt er seine Motive.


Günter Wallraff


ZEIT online: Herr Wallraff, für Ihren Vorstoß, Salman Rushdies "Satanische Verse" in der Moschee in Köln-Ehrenfeld lesen zu lassen, haben Sie eine sehr kontroverse Debatte ausgelöst.

Günter Wallraff: Ja, damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Die Diskussion schlägt unglaubliche Wellen. Das Verrückte dabei ist: Ich werde im Moment eher von bestimmten Feuilletonisten angegriffen als von den Mullahs.

ZEIT online: Haben Sie von Seiten der muslimischen Gemeinde gar keine Kritik erfahren?

Wallraff: Bisher nicht. Vielleicht, weil bekannt ist, dass ich meinen Vorschlag nicht als Provokation losgelassen habe, sondern aus einer aktuellen Situation heraus. Ich wurde aufgefordert, Mitglied des Moscheebeirats zu werden. Grundsätzlich befürworte ich den Neubau dieser Moschee, aber ich wollte mich nicht als Abnicker hergeben. Als es dann hieß, in der Moschee sollten auch Kulturveranstaltungen und offene Diskussionen stattfinden, entstand ganz spontan mein Vorschlag: Dann fangen wir doch mal mit dem verfemten Buch von Salman Rushdie an.

ZEIT online: Das kann man schon als gezielte Provokation auffassen. Wie hat der Trägerverein der Moschee, Ditib, diesen Vorschlag aufgenommen?

Wallraff: Erstaunlicherweise hat der Bevollmächtigte der Ditib, Bekir Alboa meinen Vorschlag überhaupt nicht als Provokation verstanden. Zwei Tage später habe ich ihn und andere Vertreter der Moscheengemeinschaft zu mir nach Hause eingeladen und wir haben in einem konstruktiven Gespräch über die Lesung gesprochen. Wir müssen nun noch auf die Zustimmung der Vorstände der Moscheengemeinschaft warten, die momentan im Urlaub sind.

ZEIT online: Sie rechnen mit Zustimmung?

Wallraff: Es wird noch darüber verhandelt, wann und wie die Lesung stattfindet, zum Beispiel in einer Reihe von Veranstaltungen. Aber ich wette, sie findet statt.

ZEIT online: Haben Sie keine Angst, dass die Aktion die gesellschaftlichen Gräben eher vertieft als dass sie zur Integration beiträgt?

Wallraff: Ich habe immerhin jetzt schon erreicht, dass sich zum ersten Mal eine Moscheengemeinschaft - und noch dazu die größte in Deutschland - öffentlich von der Rushdie-Fatwa distanziert hat. Das schafft auch in muslimischen Kreisen Diskussionsbereitschaft.

ZEIT online: Die Offenheit, die Sie von einer Moschee fordern, wird bei christlichen Kirchen nicht verlangt.

Wallraff: Eine Kommentatorin hat mir vorgehalten, es wäre so, als würde man in einer katholischen Kirche einen Schwulengottesdienst abhalten. Das wäre meiner Ansicht nach auch durchaus angebracht und ich wäre der erste, der sich dafür stark machen würde. Aber es gibt einen elementaren Unterschied: Selbst wenn jemand so etwas machen würde, würde er deswegen nicht mit dem Tode bedroht werden wie Salman Rushdie.

ZEIT online: Sie haben Rushdie während der Fatwa gegen ihn mehrfach bei sich aufgenommen. Was sagt er selbst zu dieser Diskussion?

Wallraff: Damit will ich ihn nicht behelligen. Er darf da nicht reingezogen werden. Wenn die Aktion gelingt, würden sich auch andere Muslime öffentlich gegen die Fatwa aussprechen. Es hat doch auch eine enorme symbolische Wirkung, wenn eine Moscheengemeinschaft diese Lesung veranstaltet: Muslime fangen an, sich mit dem Thema konstruktiv auseinanderzusetzen. Das hat es noch nie gegeben.

ZEIT online: Denken Sie denn, dass die Mehrheit der muslimischen Gemeinschaft sich tatsächlich an dieser Debatte beteiligen wird?

Wallraff: Die Welt ist dabei, sich zu verändern. Die Muslime, die jetzt in der deutschen Gesellschaft heranwachsen, sind nicht die Gewaltbereiten. Sondern sie fangen an, zu vergleichen und sich die positiven Seiten ihrer jeweiligen Kulturen zu eigen zu machen und das Rückständige hinter sich zu lassen. Vielleicht ist das auch nur ein Traum von mir. Aber wir müssen über den Tag hinausdenken und jede Möglichkeit nutzen, jungen Muslimen zu vermitteln, dass sie dazugehören. Dazu gehört auch, sich mit ihnen über tabuisierte Themen öffentlich auseinanderzusetzen.

Die Fragen stellte Carolin Ströbele
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