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Das Reich der Engel


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Rolf

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Das Reich der Engel





Vortrag von Pfarrer Johannes Holdt




INHALT

Engel-Boom? (Einleitung)
I. Das Wesen der Engel
Philosophische Reflexion
II. Das Geheimnis der Engel in der Hl. Schrift
1. Engelsportraits in der Hl. Schrift
2. Die Aufgabe der Engel
a. Die Himmlischen Heerscharen
b. Die Hierarchien
c. Himmelsboten
d. Helfer der Menschen
III. Literaturempfehlungen
IV. Epilog: Brauchen wir die Engel?



Engel-Boom?

Nicht nur in den Medien, auch auf dem Buchmarkt sind Engel heute sehr gefragt. Dies ist nicht nur als esoterische Modeerscheinung, sondern vor allem als Anfrage an die Theologie und die Kirche zu werten: Haben wir ein Thema sträflich vernachlässigt, das nun andere aufgreifen?

Wo immer die Kirche ein ihr anvertrautes Glaubensgut, oder auch ein sakramentales und liturgisches Handeln unter den Tisch fallen läßt, finden sich andere, die es aufgreifen und es für sich zu vereinnahmen versuchen. Der Engel-Boom und vieles andere im Esoterikbereich und im Bereich der Sekten und neuen Religionen ist ein Mangelsyndrom. Für die Gewissenserforschung der Kirche und Theologie in dieser Hinsicht wären gleich zwei Bibelstellen geeignet: Das Gleichnis von den Talenten (Lk 19,11-27, in welchem Christus den Knecht verwirft, der die ihm anvertrauten Talente nicht einsetzt, sondern aus Ängstlichkeit versteckt), und das Gleichnis von dem Licht, das unter den Scheffel gestellt wird (Mt 5,15).

In den sechziger und siebziger Jahren glaubte man alles Übernatürliche aus dem Glauben ausblenden zu müssen, weil es dem "modernen Menschen" nicht mehr zumutbar sei. Man vergaß dabei, daß der moderne Mensch - wie der Mensch zu allen Zeiten - von Natur aus religiös ist, eine Antenne für das Göttliche hat (nach Schleiermacher: "Sinn und Geschmack fürs Unendliche") und nach dem Mysterium dürstet. Eine auf eine Soziallehre verkürzte Religion ist überflüssig, denn um sozial zu handeln, braucht man nicht Christ zu sein.


I. Das Wesen der Engel

Im Credo sprechen wir: "Ich glaube an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt."

Die Schöpfung hat danach zwei Bereiche: die sichtbare materielle Welt, und die himmlische, (für uns) unsichtbare Welt. Unsere alltägliche Erfahrungswelt ist also noch lange nicht das Ganze. Es gibt "mehr zwischen Himmel und Erde, als unsere Schulweisheit sich träumen läßt" (Shakespeare), und der Mensch ist nicht das Ende der Schöpfung.

Das Vierte Laterankonzil (1215) hat genau definiert, was unter dem Begriff "unsichtbare Welt", den wir im Credo verwenden, zu verstehen ist:

"Wir glauben fest und bekennen ... daß Gott der eine Ursprung aller Dinge ist, der Schöpfer der sichtbaren und unsichtbaren, der geistigen und der körperlichen. Er hat in seiner allmächtigen Kraft zugleich von Anfang der Zeit an beide Ordnungen der Schöpfung aus dem Nichts geschaffen, die geistige und die körperliche, d.h. die der Engel und die der irdischen Welt und dann die Menschen, die gewissermaßen beide umfaßt, da sie aus Geist und Körper besteht. (Der Teufel) nämlich und die anderen Dämonen wurden zwar ihrer Natur nach von Gott als gut geschaffen, aber sie wurden durch sich selbst böse. Der Mensch aber sündigte aufgrund der Eingebung des Teufels)." (DH 800)




Philosophische Reflexion

Im Konzilstext wird unterschieden zwischen körperlicher Schöpfung und geistiger Schöpfung und dem Menschen, der sowohl körperlich als auch geistig ist. Das Schöpfungswerk gleicht einer Pyramide, die stufenförmig aufgebaut ist. Ihre unterste Stufe bildet die rein materielle Schöpfung, die unbelebte Materie; es folgt die belebte Schöpfung: Tier- und Pflanzenwelt. Der Mensch steht "in der Mitte der Schöpfung" (Albertus Magnus). Er gehört zur körperlichen Schöpfung, weil er einen Leib hat und den Naturgesetzen unterliegt; er ist aber auch ein geistiges Wesen, weil er Bewußtsein und freien Willen besitzt.

Nun ist es denkmöglich (und große Denker und Philosophen wie Platon oder Heisenberg waren davon überzeugt, daß es sich so verhält), daß es auch rein geistige Wesen gibt. Das heißt Wesen, die wie der Mensch Bewußtsein und Freiheit besitzen, Personen sind, aber nicht an Materie gebunden sind. So stellen wir uns - dies sei in Parenthese gesagt - übrigens ja auch unsere eigene Existenz nach dem Tod vor: als unabhängig von Raum und Zeit und Materie.

Die Engel sind somit - rein metaphysisch, seinsphilosophisch - zu definieren als: außermenschliche Intelligenzen, oder: immaterielle personale Wesen.

Der Unterschied von Mensch und Engel ähnelt somit dem von Mensch und Tier, Mensch und untermenschlicher Schöpfung: Der Engel ist dem Menschen weit überlegen. Dies zeigt sich auch darin, daß, wenn sich in der Hl. Schrift Engel den Menschen nähern, ihr erstes Wort an den Menschen immer lautet: "Fürchte dich nicht!" - Wahrhaft furchterregend und fremd muß die Erscheinung des Engels für den Menschen sein. Und doch sind sie auch verwandt, Mensch und Engel: Beide sind Geschöpfe, wie es in einem Wort des hl. Thomas von Aquin zum Ausdruck kommt:

"Gott ist nicht ein Teil des Alls, sondern er ist über dem ganzen All; er besitzt, zuvor und auf überragende Weise, die ganze Vollkommenheit des Alls in sich. Der Engel aber ist ein Teil des Alls." (ST I 63, 3 ad 2)

Engel und Menschen besitzen beide Vernunft und Freiheit, und das heißt: die Befähigung zur Liebe. Sie sind beide zum Dienst Gottes berufen.

Wir wissen, daß die körperliche Schöpfung, die Natur, unglaublich reich und vielfältig und bunt und voller Leben ist. Dasselbe dürfen wir nun in noch viel höherem Maße von dem unsichtbaren Universum annehmen; es muß faszinierend und reich und reich bevölkert sein. Im Buch Daniel lesen wir:

"Ich sah: Ein Strom von Feuer (ging vom Thron Gottes aus): Tausendmal Tausende dienten ihm, zehntausendmal Zehntausende standen vor ihm." (Dan 7,9)

Hier sei ein weiteres Mal Thomas von Aquin zitiert:

"Der katholische Glaube hält fest, die Zahl der Geistwesen, welche wir Engel nennen, sei für Gott eine begrenzte, für uns aber eine unbegrenzte Zahl." (2d.3,1,3)




Bevor wir uns den biblischen Aussagen über die Engel zuwenden, sei ein Zwischenergebnis festgehalten:

Der Glaube an eine unsichtbare Welt ist kein irrationales Ammenmärchen, er läßt sich vernünftig begründen: Nicht nur die wichtigste philosophische Schule, der objektive Idealismus (Platonismus), sondern auch alle Hochreligionen der Menschheit lehren die Existenz der unsichtbaren (göttlichen) Welt und die Existenz unsichtbarer, dem Menschen überlegener personaler Wesen. Platon selbst spricht vom Reich der unvergänglichen Wahrheit und Schönheit, von der unsere Werdewelt nur ein Schatten ist. Eine wichtige Rolle spielt die Angelologie im Islam und auch im orthodoxen Judentum.





II. Das Geheimnis der Engel in der Hl. Schrift

Der Glaube ist nicht widervernünftig. Aber er ist übervernünftig. Die Vernunft kann uns zwar sagen, daß es möglich und plausibel ist, daß es außermenschliche Intelligenz gibt (solche Ahnungen äußern sich auch in Phänomenen wie dem Ufoismus!), Genaueres über die Beschaffenheit und die Bestimmung und auch die Absichten solcher Wesen können wir aus uns selbst heraus aber nicht wissen. Hier ist der Mensch auf die Offenbarung angewiesen, auf die Mitteilung der Wahrheit durch Gott. Die göttliche Offenbarung ist uns in der Hl. Schrift gegeben. In ihr finden wir auch die Wahrheit über die Engel.

1. Engelsportraits in der Hl. Schrift

Im Fortgang des Buches Daniel wird die Erscheinung eines Engels beschrieben:

"Ich hob meine Augen auf und sah, und siehe, da stand ein Mann, der hatte leinene Kleider an und einen goldenen Gürtel um seine Lenden. Sein Leib war wie ein Türkis, sein Antlitz sah aus wie ein Blitz, seine Augen wie feurige Fackeln, seine Arme und Füße wie helles, glattes Kupfer, und seine Rede war wie ein großes Brausen. Aber ich, Daniel, sah dies Gesicht allein, und die Männer, die bei mir waren, sahen's nicht; doch fiel ein großer Schrecken auf sie, so daß sie flohen und sich verkrochen. Ich blieb allein und sah dies große Gesicht. Es blieb aber keine Kraft in mir; jede Farbe wich aus meinem Antlitz, und ich hatte keine Kraft mehr. Und ich hörte seine Rede; und während ich sie hörte, sank ich ohnmächtig auf mein Angesicht zur Erde. Und siehe, eine Hand rührte mich an und half mir auf die Knie und auf die Hände, und er sprach zu mir: Daniel, du von Gott Geliebter, merk auf die Worte, die ich mit dir rede, und richte dich auf; denn ich bin jetzt zu dir gesandt. Und als er dies mit mir redete, richtete ich mich zitternd auf. Und er sprach zu mir: Fürchte dich nicht, Daniel." (Dan 10, 5-12)

Für eine Verniedlichung und Verharmlosung der Engel besteht nach der Beschreibung Daniels keinerlei Veranlassung oder Berechtigung. Wenn auch die Erscheinung der Engel - je nach ihrer Ordnung - unterschiedlich ausfällt, sind Engel nicht die lieblichen, prallen Puttenbabies der Barockkirchen. Selbst unseren Schutzengel, den sich manche vielleicht mit einer sanften, fürsorglichen, mädchenhaften Ausstrahlung vorstellen, denken wir uns doch immer auch - groß!

Die Engel, die uns in der Bibel begegnen, sind voller Hoheit und Größe und Geheimnis. Deutlich wird dies besonders im letzten Buch der Schrift, der Apokalypse, die voller Engelsvisionen ist. Dort erscheinen die Engel als "Blitze" und "laute Donnerschläge" (Offb 4,5), als Wesen mit je sechs Flügeln, ringsum und innen besät mit Augen (Offb 6,8), das bedeutet: Sie haben an der allsehenden Kraft Gottes teil. Ein machtvolles Engelsportrait ist das folgende:

"Und ich sah einen andern starken Engel vom Himmel herabkommen, mit einer Wolke bekleidet, und der Regenbogen auf seinem Haupt und sein Antlitz wie die Sonne und seine Füße wie Feuersäulen. Und er hatte in seiner Hand ein Büchlein, das war aufgetan. Und er setzte seinen rechten Fuß auf das Meer und den linken auf die Erde, und er schrie mit großer Stimme, wie ein Löwe brüllt. Und als er schrie, erhoben die sieben Donner ihre Stimme. (Offb 10, 1-3)"

Licht, strahlendes Licht, und Feuer scheint zur Engelserscheinung fast immer zu gehören; weil sie zu einem Reich des Lichts gehören und zu Gott, der "ein verzehrendes Feuer ist" (Hebr. 12,29). Auf jeden Fall wird dies deutlich: Der Engel ist nicht von unserer Natur. Wir sind Sterbliche, Erdlinge. Der Engel ist ganz anders. Rainer Maria Rilke in den Duineser Elegien faßt es in Worte: Ein jeder Engel ist schrecklich.



2. Die Aufgabe der Engel

a) Die himmlischen Heerscharen

Ein häufiger Name Gottes im AT ist "Herr der Heerscharen" (Jahwe Zebaoth). Gott ist der, dem die himmlischen Heerscharen in vollkommener Hingabe und Verehrung dienen, vgl. Ps 103:

"Der Herr hat seinen Thron im Himmel errichtet, sein Reich herrscht über das All.. Lobt den Herrn, ihr seine Engel, ihr starken Helden, die seine Befehle vollstrecken, seinen Worten gehorsam. Lobt den Herrn all seine Scharen, seine Diener, die seinen Willen vollziehen."

Der Dienst der Engel, der "starken Helden", besteht in einem Zweifachen: im Lobe Gottes und im Vollstrecken der Befehle Gottes.

Kosmische Liturgie

Nach wiederholter Aussage der Schrift dienen Engel Gott in einer Art von himmlischem Gottesdienst, einer kosmischen Liturgie. Unser irdischen Gottesdienst ist nur ein schwacher Abglanz dessen, was in der unsichtbaren Welt unablässig zur Verherrlichung der göttlichen Majestät geschieht.

Daran werden wir auch in jeder Meßfeier erinnert: Kurz vor dem Höhepunkt der Eucharistie, der Wandlung, stimmen wir ein in das Dreimal Heilig, das Trishagion der Engel, von dem der Prophet Jesaja in einer Vision berichtet:

"In dem Jahr, als der König Usija starb, sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron, und sein Saum füllte den Tempel. Serafim standen über ihm; ein jeder hatte sechs Flügel: mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien deckten sie ihre Füße, und mit zweien flogen sie. Und einer rief zum andern und sprach: Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll! Und die Schwellen bebten von der Stimme ihres Rufens, und das Haus ward voll Rauch." (Jes 6, 1-4)

Eine ähnliche Schau hat der Seher Johannes, der die Apokalypse schrieb:

"Und als das Lamm das siebente Siegel auftat, entstand eine Stille im Himmel etwa eine halbe Stunde lang. Und ich sah die sieben Engel, die vor Gott stehen, und ihnen wurden sieben Posaunen gegeben. Und ein anderer Engel kam und trat an den Altar und hatte ein goldenes Räuchergefäß; und ihm wurde viel Räucherwerk gegeben, daß er es darbringe mit den Gebeten aller Heiligen auf dem goldenen Altar vor dem Thron. Und der Rauch des Räucherwerks stieg mit den Gebeten der Heiligen von der Hand des Engels hinauf vor Gott." (Offb 8, 1-4)

Die Engel sind also zuerst die kosmischen Liturgen, die Altardiener vor dem himmlischen Thron und vor dem ewigen Hohenpriester Jesus Christus. Gleichzeitig stellen sie eine Verbindung zwischen dieser kosmischen Verherrlichung Gottes und dem irdischen Gebet der Kirche her: sie bringen die Gebete der Heiligen (i.e. der Gläubigen) vor Gott.

Daraus zieht die klassische Theologie den Schluß, daß beim liturgischen Handeln der Kirche immer auch Engel anwesend sind, die eine Brücke zum Himmel schlagen, vgl. Johannes Chrysostomus:

"Zu dieser Zeit [scil. der Messe] umringen selbst Engel den Priester; das ganze Heiligtum und der Raum um den Altar ist angefüllt mit himmlischen Heerscharen, dem zu Ehren, der auf dem Altare liegt." (sermo de resurrectione 3)

Der hl. Ambrosius mahnt:

"O daß auch uns bei Beräucherung des Altares, bei der Darbringung des Opfers der Engel zur Seite stünde, ja sichtbar erschiene! Denn zweifle nicht an der Gegenwart des Engels, wenn Christus zugegen ist, Christus geopfert wird." (Expos.Ev.Lc.I,12)

Engel sind also Mitträger unserer Liturgie. Nach Origenes (De Orat. 31,5f.) gibt es beim Gottesdienst eine doppelte Gemeinde: die der Menschen und die der Engel. So ist es auch erklärbar, warum in der Ikonographie Engel in liturgischen Gewändern dargestellt werden.

Auch in den Worten des Römischen Meßkanons kommt diese Vorstellung zum Ausdruck, wenn es heißt: "Wir bitten dich, allmächtiger Gott: Dein Heiliger Engel trage diese Opfergabe auf deinen himmlischen Altar, vir deine göttliche Herrlichkeit." Die Messe ist also weit mehr als bloß eine Gemeindeversammlung oder ein schönes Gemeinschaftserlebnis. Sie hat eine kosmische Tiefendimension. Es gilt das Wort aus dem Hebräerbrief:

"Ihr seid gekommen zu dem Berg Zion und zu der Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, und zu den vielen tausend Engeln, und zu der Versammlung und Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel aufgeschrieben sind, und zu Gott, dem Richter über alle, und zu den Geistern der vollendeten Gerechten und zu dem Mittler des neuen Bundes, Jesus, und zu dem Blut der Besprengung, das mächtiger ruft als das Blut Abels." (Hebr 12, 22-24)




B) Die Hierarchien

Aus den Visionen des Jesaja und des Johannes und den anderen Stellen ergibt sich folgendes Bild: Es gibt verschiedene Dienste und Ordnungen unter den Engeln, solche, die ganz nahe, direkt bei Gott stehen: die Seraphim ("die Brennenden") und solche, die das Rauchopfer darbringen (die sieben Erzengel), und noch andere. Die Bezeichnungen unterscheiden sich: Seraphim, Cherubim. Es gibt solche Engel, die anderen Anordnungen geben, folglich gibt es Rangunterschiede (so heißt Michael in Dan 10,13: "einer unter den ersten der Engelfürsten"; in Judas 9: "Erzengel"). Bei Paulus findet sich in Eph 1,21 und Kol 1,16 ein ganzer Engelkatalog: "Fürsten und Gewalten, Mächte und Herrschaften und Throne".

Analog zur sichbaren Schöpfung gibt es also auch in der unsichtbaren Welt eine differenzierende Ordnung und eine hierarchische Gliederung. In der theologischen Tradition gliedert man die Engel in

9 Chöre, die in
3 dreigliedrige (triadische) Hierarchien (Rangstufen) aufgeteilt sind:

Oberste Hierarchie: Seraphim - Cherubim - Throne Mittlere Hierarchie: Herrschaften - Kräfte - Mächte Untere Hierarchie: Fürstentümer - Erzengel - Engel

In der Präfation der Messe wird dieser Hierarchien ausdrücklich gedacht:

"Darum singen wir mit den Engeln und Erzengeln, den Thronen und Mächten, und mit all den Scharen des himmlischen Heeres den Hochgesang von deiner göttlichen Herrlichkeit..."

In der Tradition geht (im Anschluß an Dionysius Areopagita und Thomas von Aquin) die Mehrheit der Lehrer davon aus, daß besonders die letzte Hierarchie, die Chöre der Fürstentümer, Erzengel und Engel dem irdischen Bereich, d.h. dem Dienst an den Menschen zugeteilt ist. Die Fürstentümer seien für das Wohl der Staaten und Völker zuständig (das Buch Daniel erwähnt die Engelfürsten der Perser und Griechen!); die Erzengel für das Wohl der Kirche und des Glaubens, zugeordnet besonders den kirchlichen Führungspersonen (im Buch Daniel ist Michael der Fürst des Gottesvolkes); die Engel schließlich sind dem einzelnen Menschen in seinen persönlichen Angelegenheiten als Schutzengel zugeordnet. Hohe kirchliche Würdenträger, in denen sich mehrere dieser Kategorien überschneiden, können demgemäß auch von mehreren Engeln "betreut" werden.


c) Himmelsboten

Die Hierarchien der Engel sind primär auf Gott ausgerichtet. Sie sind Gestalten der Anbetung und Verherrlichung des dreifaltigen Schöpfers. Sie sind auch Spiegel und Repräsentanten der göttlichen Herrlichkeit. Im Prisma der himmlischen Heerscharen bricht sich das göttliche Urlicht in sein ganzes Farbenspektrum auf - man denke nur an das Engelskonzert, das das auf dem Isenheimer Altar dargestellt ist!

Als Diener Gottes und der göttlichen Vorsehung sind die Engel auch auf den irdischen Plan und besonders den Menschen, und darunter wiederum besonders auf das Gottesvolk, hingeordnet.

Das Wort "Engel" kommt bekanntlich von dem griechischen Wort "angelos", zu Deutsch: Bote. Auf uns Menschen bezogen sind die Engel: Himmelsboten. Aufgabe des Engels ist es, die Verbindung zwischen Himmel und Erde aufrechtzuerhalten, dafür zu sorgen, daß die Welt nicht herausfällt aus ihrer Umlaufbahn um die göttliche Sonne und abstürzt ins bodenlose Nichts.

So hat der Patriarch Jakob die Engel in seinem berühmten Traum geschaut (Gen 28): Er sah eine Leiter, die von der Erde bis in den Himmel reichte, auf der die Engel Gottes auf- und niederstiegen. - Die Engel steigen vom Himmel herab, um den Menschen Kunde von Gott zu bringen. Und sie steigen von uns zu Gott auf, um von uns gleichsam "zu berichten", um unsere Gebete und Anliegen zu unterstützen, ja zuletzt: um unsere Seele in den Himmel zu geleiten, wie wir es in der Totenliturgie beten: Zum Paradies mögen Engel dich geleiten... " (So stellt es übrigens auch Jesus dar im Gleichnis vom armen Lazarus (Lk 16,19-30), der von den Engeln in Abrahams Schoß getragen wird.)

Die Engel und ihre Botschaften begleiten die ganze Heilsgeschichte des Alten und des Neuen Bundes: Im NT ist es die Botschaft des Erzengels Gabriel, die die Menschwerdung Gottes eröffnet und dieses Geheimnis auch zum ersten Mal ausspricht: "Du wirst einen Sohn gebären. Dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird Sohn des Allerhöchsten genannt werden..." (Lk 1,31f.). Ein Engel ist auch der Erste, der die Botschaft von der Auferstehung verkündet, als er zu den trauernden Frauen am Grab sagt: "Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?" (Lk 24,5)

Jesus spricht selbst oft von den Engeln: Wenn er sagt, daß bei den Engeln im Himmel Freude über jeden Sünder herrschae, der sich bekehrt (Lk 15, 10), oder in dem Wort während der Nacht am Ölberg, bei seiner Gefangennahme: "Glaubst du nicht, mein Vater würde mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel schicken, wenn ich ihn darum bitte?" (Mt 26, 53)

Mit diesem Bekenntnis zu den Engeln war der Herr keineswegs bloß "Kind seiner Zeit". Schon damals gab es die Position des Materialismus, der eine unsichtbare Welt leugnet. Diese Position nahm (Apg 23,8) unter den Juden die Partei der Sadduzäer ein, die bekanntlich auch die Auferstehung von den Toten leugneten.

Jesus hätte sich dieser Position anschließen können. Umso größeres Gewicht hat die Tatsache, daß er es nicht tut, ja die Sadduzäer mit harten Worten geißelt: "Ihr irrt euch; ihr kennt weder die Schrift noch die Macht Gottes." Und er bekennt sich in einem Atemzug zu den beiden Dingen, die von den Sadduzäern geleugnet werden:

"Nach der Auferstehung werden die Menschen nicht mehr heiraten, sondern sein wie die Engel im Himmel." (Mt 22, 29f.)

d) Helfer der Menschen

Gott bedient sich bei seiner Weltregierung, bei seiner Vorsehung und Fürsorge für jeden einzelnen Menschen geschöpflicher Mithilfe.

Das ist im natürlichen Bereich der Fall: Wir sagen, Gott ist der Schöpfer jedes einzelnen Menschen, aber Gott ruft den Menschen nicht ins Leben ohne Beteiligung der Eltern dieses Menschen. Theoretisch könnte Gott in seiner Allmacht alles allein tun und bewirken - aber er läßt die Geschöpfe an seinem Heilswerk teilhaben.

Auch in der übernatürlichen Ordnung gibt es ein System der Vermittlungen. Aus diesem Grund existiert die Kirche: Hier wird die übernatürliche Gnade durch das sakramentale Handeln von Menschen vermittelt.

In diesem System der Vermittlungen haben auch die Engel ihren Platz. So heißt es im Hebräerbrief:

"Sie sind alle dienende Geister, ausgesandt um deretwillen, die das Heil erben sollen." (Hebr 1,14)

Hier ist etwas äußest Bemerkenswertes gesagt: Die Engel, die von ihren natürlichen Befähigungen uns Menschen weit überlegen sind, sind bestimmt, den Menschen zu dienen. Sie sollen uns helfen auf unserem Weg zum Heil, d.h.: auf unserem Weg zu Gott und zum Ewigen Leben. Hier ist auch die tröstliche Stelle im 91. Psalm zu bedenken, in der es um die liebende Fürsorge Gottes für seine Gläubigen geht:

"Wer im Schutz des Höchsten wohnt, und ruht im Schatten des Allmächtigen; der spricht zum Herrn: "Du bist für mich Zuflucht und Burg, mein Gott, dem ich vertraue."

Und dann wird konkretisiert, auf welche Weise Gott für den Gläubigen sorgt und ihn vor allem Unheil beschützt ("vor der Pest, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die wütet am Mittag"):

"Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen. Sie tragen dich auf ihren Händen, daß dein Fuß nicht an einen Stein stößt."

Die Engel, die gesandt sind, um den Menschen zu behüten, zu begleiten und zu unterstützen, nennt die Kirche: Schutzengel.

Eine Schriftstelle, auf die sich diese Lehre stützt, ist das Wort Jesu über die Kinder: "Ihre Engel im Himmel schauen allezeit das Antlitz meines himmlischen Vaters" (Mt 19,15), oder auch die Stelle in Apg 12,13, wo von einem Engel des Petrus die Rede ist. Ein besonders anschauliches Beispiel gibt das Buch Tobit, das die Begleitung und Führung des jungen Tobias durch den Erzengel Raphael schildert.

Nach der allgemeinen Auffassung der Kirchenlehrer hat nicht bloß jeder getaufte, sondern jeder Mensch von Anbeginn seines Lebens an seinen besonderen Schutzengel. Ein Beispiel für die wirkliche Katholizität, die Weite und Menschenfreundlichkeit des katholischen Glaubens und für die Würde der menschlichen Seele:

"Wie groß ist die Würde der Seelen, daß eine jede von Geburt an zu ihrem Schutz einen Engel zugewiesen hat", sagt der hl. Hieronymus (In Mt III zu 18,10).

Der hl. Thomas von Aquin geht noch weiter. Der Dienst der Schutzengel beginnt nicht erst bei der Geburt, sondern schon bei der Empfängnis im Mutterleib:

"Die Kinder im Mutterschoß empfangen nicht die Sakramente der Kirche, weil sie nicht dem Wirken der Amtsträger unterstellt sind: sie sind vielmehr dem Wirken Gottes und der Engel unterstellt." (2 d II 2, 3 ad 3)

In der Kunst, besonders seit dem 19. Jh., hat der Schutzengel oft eine mädchenhafte Gestalt. Die Frage drängt sich auf, ob Engeln überhaupt ein Geschlecht eigen ist (hierüber hat Swedenborg viel nachgedacht). Primitiver Anthropomorphismus ist etwas, vor dem man sich in diesem Zusammenhang nicht genug hüten kann - wir dürfen nicht unsere menschliche Geschlechtlichkeit in die geistige Welt hineinprojizieren. Vorstellbar ist vielmehr das Umgekehrte: daß unsere Geschlechterpolarität Abbild und Gleichnis einer viel subtileren und zugleich noch faszinierenderen Polarität in der unsichtbaren Welt ist.

So darf man den weiblichen Typus des Schutzengels in der Kunst als Darstellung seines mütterlichen Dienstes verstehen. Es gibt andere Engel, die mehr die väterliche oder die brüderliche Liebe Gottes, auch die göttliche Gerechtigkeit und Allmacht repräsentieren - und die deshalb - wie Michael - als gewappnete Krieger in Erscheinung treten.

Man kann sich fragen: Was bindet die Engel jeweils an einen bestimmten Menschen? Nur ein Auftrag Gottes, der sie dazu sendet? Oder eine tiefere innere Gemeinschaft? Könnte der Schutzengel nicht so etwas wie unser himmlischer Zwillingsbruder sein? So fragt Alois Winklhofer mit Berufung auf Claudel:

"Vielleicht ist es so, daß nicht bloß jeder Mensch einen, sondern seinen Schutzengel hat, der ihm ganz persönlich und individuell zugeordnet ist; vielleicht auf Grund einer geheimen Verwandtschaft, die gerade zwischen ihm und jenem Engel besteht. Wäre es nicht denkbar, anzunehmen, daß jeder Mensch irgendwie nach dem Bild eines Engels, dessen, der ihm dann zu seinem Schutze beigegeben wird, geschaffen ist?" (A. Winklhofer, Die Welt der Engel, 87f.)

Hier ist Raum für Intuition - Raum auch für die Botschaft der Träume... Bedenkenswert sind die beiden folgenden Zitate:

"Nicht jeder, der von einem Engel erleuchtet wird, erkennt, daß er von einem Engel erleuchtet wird." (Thomas ST I 111, I ad 3). Manche Erleuchtungen gehen also möglicherweise, ohne daß wir es ahnen, auf unseren Schutzengel zurück.

Von Jeanne d'Arc, die, wie wir wissen, ihre eigene Sendung, gegen den "großen Jammer" Frankreichs zu kämpfen, auf den "Monsieur Saint Michel" zurückführte, wird das Wort überliefert: "Die Engel kommen oft zu den Christenmenschen, man sieht sie nur nicht. Ich selber habe sie oft bei ihnen gesehen."




III. Literaturempfehlungen

Laurentin, René : Der Teufel. Mythos oder Realität? Hauteville/Schweiz: Parvis-Verl., 1996.
Papst Johannes Paul II.: Die Engel. Sechs Papst-Katechesen, Stein am Rhein: Christianaverlag, 1988.
Rosenberg, Alfons: Engel und Dämonen. München: Kösel, 1986.
Wolff, Uwe: Das große Buch der Engel. Freiburg im Breisgau; Basel ; Wien: Herder, 1995.
Wolff, Uwe: Der gefallene Engel. Freiburg im Breisgau ; Basel; Wien: Herder, 1995.
Bernet, Anne: Die Engel - unsere himmlischen Helfer, Parvis-Verlag Hauteville 1998. (Die beste zur Zeit erhältliche Darstellung der katholischen Engellehre.)

Im Augenblick nur über Bibliotheken erhältlich sind die beiden ausgezeichneten dogmatischen Abhandlungen:

Winklhofer, Alois: Die Welt der Engel. Ettal: Buch-Kunstverlag, 1961.
Winklhofer, Alois: Traktat über den Teufel. Frankfurt am Main: Knecht, 1961


IV. Epilog

Brauchen wir die Engel? - Eine bornierte Frage. Wir wollen es besser wissen als der Schöpfer... Genauso könnte man fragen: Brauchen wir dieses unermeßlich große Weltall? Hätten es ein paar Milliarden Galaxien weniger nicht auch getan? Gott hat es gefallen, seine Größe und Schönheit zu offenbaren durch die Majestät des Weltalls ebenso wie durch die geheimnisvolle Welt der Engel.








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