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Ein Jahrhundert-Christ - Horst Marquard gestorben


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Rolf

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Ein Jahrhundert-Christ

 

02.11.2020

 

 

csm_marquardt_horst_rede_hand_740_www_thWie kaum ein anderer in den deutschsprachigen Ländern hat Horst Marquardt in den Jahrzehnten nach dem Krieg für die Verbreitung der christlichen Botschaft in den Medien gesorgt. Foto: www.thorstenindra.com

 

 

Horst Marquardt sorgte für mehr Evangelium in den Medien. Am 2. November ist er heimgegangen. Ein Nachruf von Helmut Matthies

 

Reformationstag 2020: „Ich warte auf den Anruf Gottes, dass er mich heimholt.“ So Horst Marquardt in einem Telefonat am Abend des Feiertages. Er klingt schwach, aber man kann ihn trotzdem verstehen. Zwei Tage später holt Gott „seinen“ Medienprofi im 92. Lebensjahr zu sich. 

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. Wie kaum ein anderer in den deutschsprachigen Ländern hat Horst Marquardt in den Jahrzehnten nach dem Krieg für die Verbreitung der christlichen Botschaft in den Medien gesorgt: Ab 1960 baute er den Evangeliums-Rundfunk (heute ERF Medien) zum erfolgreichsten christlichen Privatsender in Deutschland auf. Als er anfing, musste er sich erst mal Papier und Stifte für seinen Schreibtisch besorgen. Nicht mal das war vorhanden. Als er Ende 1993 als Direktor das Amt an Jürgen Werth übergab, wirkten beim ältesten deutschen Privatsender fast 200 Mitarbeiter. Die Zahl der Radiohörer und Fernsehzuschauer wurde damals mit rund einer Million angegeben. Alles wurde allein durch Spenden finanziert. 1993 sind es umgerechnet 12,4 Millionen Euro gewesen.

 

Warum idea gegründet wurde

 

Horst Marquardt litt darunter, dass in säkularen und kirchlichen Medien zu wenig über Evangelisation, Mission, Seelsorge und Theologie berichtet wurde. Deshalb suchte er das Gespräch mit kirchlichen Presseorganen. Nachdem man ihm dort signalisierte, gesellschaftspolitische Themen zu bevorzugen, gründete er zusammen mit führenden Repräsentanten der Evangelischen Allianz 1970 idea (Abkürzung für Informationsdienst der Evangelischen Allianz, seit 1998 Evangelische Nachrichtenagentur idea). Bis 2017 amtierte er als Vorsitzender des Medienunternehmens mit über 50 Mitarbeitern.

 

… und warum die KEP

 

Wichtig ist ihm auch gewesen, dass möglichst viele biblisch orientierte Medienwerke zusammenarbeiten. So rief er 1975 im Anschluss an den „Gemeindetag unter dem Wort“ in Stuttgart die Konferenz Evangelikaler Publizisten (KEP, heute: Christliche Medieninitiative pro) als Dachverband ins Leben. Alle drei Werke haben ihre Zentrale in der mittelhessischen Kleinstadt Wetzlar.

 

Ruhestand ist für ihn ein Fremdwort

 

„Ruhestand“ ist stets ein Fremdwort für ihn gewesen. Nachdem er mit 64 als Leiter beim Evangeliums-Rundfunk aufhörte, wurde er Internationaler Direktor der Radiomission „Trans World Radio“ (TWR) in Europa, den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, dem Mittleren Osten und Afrika. Da er die Verbreitung der christlichen Botschaft auch in den Gemeinden fördern wollte, initiierte er mit anderen den deutschen Zweig des Lausanner Komitees für Weltevangelisation (heute Koalition für Evangelisation). 14 Jahre fungierte er als Vorsitzender. Die meisten Menschen erreichte er aber vermutlich als Sprecher des „Wortes zum Sonntag“ von 1973 bis 1986. Heute wäre wohl ein evangelikaler Pastor wie er als Verkündiger in dieser von Millionen gesehenen Sendung in der ARD nicht mehr möglich.

 

Mit fast 70 eine neue Herausforderung

 

Als 1998 von zwei Unternehmern – Prof. Jörg Knoblauch und Karl Schock – an idea herangetragen wurde, doch für die Leser des auflagenstarken Wochenmagazins ideaSpektrum eine Veranstaltung anzubieten, ergriff er mit fast 70 diese Chance. Vom ersten Treffen 1999 in Fellbach leitete er bis 2017 den alle zwei Jahre stattfindenden dreitägigen Kongress Christlicher Führungskräfte (KCF). Dieser Arbeitszweig von idea entwickelte sich mit rund 3.000 Teilnehmern zum größten Wertekongress in Europa. Gerade hatte er im Alter von beinahe 88 den Vorsitz abgegeben, betätigte er sich danach bis zum letzten Atemzug als Blogger. Unter dem bezeichnenden Titel „Die Kraft der Schwachheit“ beschreibt der schon Sterbenskranke in seiner Internetkommentarreihe „Marquardts Bilanz“ am 26. Oktober, wie Gottes Wort im Leid zu trösten vermag.

 

Ein Visionär

 

Horst Marquardt ist immer Visionär gewesen. Eben war etwas geschafft, schon dachte er an Übermorgen. Gelassenheit und Geduld gehörten nicht zu seinen Stärken. Manches sah er lange voraus, bevor es eintraf: die Digitalisierung, aber auch die Gefahren des Islams (er wurde 1999 Mitbegründer des evangelischen Instituts für Islamfragen, das er acht Jahre leitete). Marquardt blieb bis zum Schluss der Evangelisch-methodistischen Kirche treu, als deren Pastor er von 1955 bis 1960 in Berlin und Wien wirkte. Doch es bekümmerte ihn sehr, dass „seine“ Kirche einen für ihn theologisch viel zu liberalen Kurs einschlug.

 

Bis in unser Telefonat am Reformationstag beschäftigte ihn auch die 2016 erfolgte Spaltung der Evangelikalen in Deutschland in einen eher liberalen und einen theologisch konservativen Flügel. Am liebsten hätte er auch jetzt noch mit einem Appell zur Versöhnung in die Debatte eingegriffen. Doch dem Sterbenskranken wurde deutlich gemacht, jetzt sei für ihn beten dran. 62 Jahre ist er mit seiner 2017 gestorbenen Frau Irene verheiratet gewesen. Vier Kinder wurden ihnen geschenkt, zehn Enkel und drei Urenkel. Sein einziger Sohn litt an Schizophrenie. Jede Woche fuhr sein Vater von Wetzlar bis nach Marburg, wo er lebte und 2012 im Alter von 55 Jahren starb.

 

Er erlebte zwei sozialistische Diktaturen

 

Horst Marquardt gehört zu den letzten Zeitzeugen eines ganzen Jahrhunderts mit Zweitem Weltkrieg und zwei Diktaturen in Deutschland. 1929 in Berlin geboren, wuchs er in der schlesischen Hauptstadt Breslau auf. Wie viele andere wurde er als Hitlerjunge „ein begeisterter Nationalsozialist“. Er erinnert sich: „Wurde nicht sogar sonntags im Gottesdienst für den Sieg des Führers und der Truppen zu Lande, zu Wasser und in der Luft gebetet?“ Er musste als noch 15-Jähriger beim Volkssturm im Februar 1945 in Breslau helfen, die Rote Armee aufzuhalten. Horst Marquardt im Rückblick: „Nicht genug mit einer Fehleinschätzung. Ich ließ mich nach der Flucht aus Schlesien ein zweites Mal ideologisch verführen. Ich wohnte nach Kriegsschluss in jenem Teil Deutschlands, der von den sowjetischen Truppen besetzt wurde, der späteren DDR. Am Tage nach dem Einmarsch begann die KPD ihr Wirken. Das imponierte mir. Und wie sie argumentierte, das leuchtete ein. Später beschäftigte ich mich mit dem Marxismus-Leninismus. Was für ein Konzept zur Weltbeglückung – dachte ich. Doch bald – Gott sei Dank sehr bald – gingen mir die Augen auf. Ich war damals als Redakteur bei einer kommunistischen Rundfunkanstalt in Potsdam tätig. Es irritierte und ärgerte mich, dass ich der ‚Parteilinie‘ mehr verpflichtet zu sein hatte als der Wahrheit. Das machte mir zu schaffen. Die Erkenntnis: Du hast dich ein zweites Mal verführen lassen – diesmal vom roten Sozialismus –, war schmerzlich.

 

Vom Kommunisten zum Christen

 

Ich fragte mich, wie es in meinem Leben weitergehen sollte. Eines Tages stand ich vor meinen Büchern. Hatte eines die Antwort auf meine Fragen? Wie beiläufig griff ich ein Neues Testament. Ich hatte es nie gelesen. Ich blätterte und hielt inne bei 2. Timotheus 3,14ff: ‚Du aber bleibe bei dem, was du gelernt hast und was dir anvertraut ist; du weißt ja, von wem du gelernt hast und dass du von Kind auf die Heilige Schrift kennst, die dich unterweisen kann zur Seligkeit durch den Glauben an Christus Jesus ...‘ Das schlug ein. Bis dahin hatte ich alles ‚Religiöse‘ weit von mir gewiesen. Darum wusste ich auch nicht, dass sich ein Mensch zu Jesus Christus bekehren kann. In jener Stunde erlebte ich jedoch meine Bekehrung. Blitzartig wurde mir bewusst: Durch dieses kleine Büchlein spricht Gott zu mir. Alle Diskussion und Argumentation über und gegen Gott war wie ausgelöscht: Dieser Gott hat mir christusgläubige Eltern geschenkt. Sie hatten mir den Weg zu Christus gewiesen. Ich hatte ihn nicht gehen wollen. Jetzt erinnerte mich Gott: ‚... du weißt ja, von wem du gelernt hast ...‘ Erschreckend bewusst wurde mir der Abstand zu Gott und die Macht der Gottlosigkeit (Sünde) in meinem Leben; aber auch der sehnliche Wunsch, ungeschehen machen zu können, was bisher in meinem Leben falsch gelaufen war. In den Tagen danach las ich mit Heißhunger das Neue Testament. Eine neue Dimension eröffnete sich mir. Ich begriff, dass man Vergebung seiner Sünden erbitten und empfangen kann, weil Jesus Christus zur Vergebung der Schuld gestorben ist. Gott schenkte mir Glauben an ihn. Ich wurde gewiss: Meine Sünde ist vergeben. So wurde ich Christ. Die Erfahrung war so umwerfend, dass ich sehr schnell den inneren Auftrag empfand, anderen zu sagen, was ich erlebt hatte.“

 

Ein Studienkollege wurde Stasi-Mitarbeiter

 

Horst Marquardt kündigt beim kommunistischen Rundfunk, wird Gemeindehelfer in einer methodistischen Gemeinde in Neuruppin, die ihn zwei Jahre später zum Studium an das Theologische Seminar der Methodisten nach Frankfurt am Main schickt. Einer seiner Studienkollegen – Gerd Bambowsky – wird ihn, idea und andere 20 Jahre später bespitzeln. Er erwies sich als einer der schlimmsten kirchlichen Stasi-Mitarbeiter überhaupt.

 

Ein Politiker: Sein Gebet hat mir geholfen

 

Horst Marquardt zeichnete aus, ein Mann des Gebets zu sein. So gut wie niemand ging aus seinem Büro, ohne dass er nicht mit ihm zuvor gebetet hätte. Ein früherer Chef des Bundespräsidialamtes bekannte nach einem Besuch bei ihm: „So etwas habe ich noch nie erlebt, obwohl ich ja nun vielen Bischöfen begegnet bin. Dass Horst Marquardt mit mir gebetet hat, berührte mich nicht nur. Es hat mir auch geholfen.“ Manche könnten das als „Masche“ missdeuten. Doch für Marquardt entsprach es einer geistlichen Grundhaltung: „Nur das, was vor Gott getragen wurde, bekommt auch Hand und Fuß.“ Für mich ist es ein Vorrecht, dass ich 43 Jahre mit Horst Marquardt zusammenarbeiten konnte. Unvergessen ist mir eine für ihn typische Haltung. Ich stand Anfang 1977 kurz vor dem 1. Theologischen Examen in Heidelberg. Ich sollte wegen eines Engpasses bei idea erst mal für ein Jahr einspringen, bevor ich meine Ausbildung beenden sollte. Am Sonnabend vor der Prüfungswoche besuchten mich zwei Kommilitonen. Sie empfahlen dringend, das Examen zu verschieben, bestünde doch die Gefahr durchzufallen. Denn ich hatte zuvor das kirchenkritische „Rotbuch Kirche“ mit herausgegeben, das für große Aufregung bei Kirchenleitungen sorgte. Verzweifelt rief ich Horst Marquardt an. Seine Reaktion ist mir noch heute gegenwärtig: „Verschoben wird nicht. Sie machen ab Montag Examen, und wir beten.“ So lief es denn auch.

 

Er blieb ein Beter bis zum Schluss. Als großer Segen hat sich für ihn erwiesen, dass er in den letzten vier Jahren eine kleine Wohnung im Hause seiner Tochter Bettina und ihres Mannes Kristian Baade im westfälischen Minden beziehen konnte. Beide – er als Fachkrankenpfleger – sorgten bis zur letzten Minute für ihn. Im Telefonat bekannte er am Reformationstag: „Ich habe nie den Satz von Paulus so richtig nachvollziehen können, den er im Brief an die Philipper (1,23) schrieb: ‚Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christus zu sein, was auch viel besser wäre.‘ Jetzt möchte ich es auch.“ Trotzdem fiel es ihm schwer loszulassen. Dabei litt er schrecklich unter Luftnot. Sterben ist nicht einfach. Schließlich aber wurde sein letzter Wunsch am 2. November um 16 Uhr erfüllt. Er starb nach einem Abendmahl im Kreise seiner Familie. Ein Mann Gottes ging heim zum Vater im Himmel.

 

 

(Der Autor, Helmut Matthies (Brandenburg an der Havel), ist von 1978 bis 2017 Leiter von idea gewesen. Seitdem ist er Vorsitzender des Trägervereins der Nachrichtenagentur.)


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