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Faszination und Verwirrung heutiger Partnerbeziehungen


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Rolf

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Faszination und Verwirrung heutiger Partnerbeziehungen






Intim vor der Ehe? Verhältnisse ohne Heirat? Familie in Auflösung?

Gerhard Naujokat



Die herausgehobene Aufgabenstellung von Mann und Frau

Es war der besondere Schöpfungsakt Gottes am Anfang der Welt, dass er den Menschen als Mann und Frau schuf. Diese Gefährtenschaft bedeutet Bestimmung, Auftrag und gemeinsame Verantwortung. Sie ist eine Zweiergemeinschaft, die getragen wird vom Willen zu gegenseitiger Liebe und Treue für die Zeit des Lebens. Mann und Frau ergänzen und beglücken einander. In der Ehe findet die menschliche Zuneigung ihre Formung und ihren Sinn, erfährt die Liebe zwischen zwei Menschen den nötigen Halt und Schutz. Dieses gemeinsame Leben ist mehr als eine Interessen und Wohngemeinschaft. Sie ist die intensivste Verbindung, die es zwischen Menschen überhaupt geben kann und betrifft die Ganzheit beider Personen. Gehen Mann und Frau eine Ehe ein, dann begründen Sie damit eine feste, alles umfassende Existenz, die die einzelnen Lebensbereiche hineinnimmt in eine gemeinsame Verantwortung. Denn die Ehe ist das schützende Gefäß für das kostbarste Gut im Zusammenleben von Mann und Frau, nämlich der Liebe. Als das zarteste Gefühl ist es zugleich das schwankendste und empfindlichste und bedarf daher zu seiner Bewahrung einer bergenden Kontinuität und eines bindenden Haltes. Den schafft die Ehe mit ihren rechtlichen Voraussetzungen und Folgen. Liebe ist auf Dauer nur lebensfähig, wenn Ehe sie schützt und behütet.

Liebe ist kein Spiel, kein nackter Hunger nach Sex, kein romantischer Hauch, weder Anbetung noch Schwäche. Sie ist eigentlich menschenunmöglich, wenn auch sehr menschlich, sehr irdisch. Sie ist größte Freude und kann tiefstes Leid sein. Liebe in der Ehe ist Reife und Last, die mittragen und mitverantworten will und muss. Hingabe und Opfer sind das Salz der gemeinsamen Partnerschaft, die oft durch Schmerzen hindurchgeht. Erst in reifer Last offenbart sich Wert und Gewicht der Ehe. Sie macht sich frei von Gefühlsschwankungen, weil sie "Stiftung Gottes" ist. Sie wurde vom Schöpfer eingesetzt und ist eine Gabe seiner Hand. Für den Einzelnen ist es eine seelische Hilfe, wenn er im Konfliktfall weiß, dass Gott hinter seiner Ehe steht. Er ist die belebende und bewahrende Kraft.


Aus zwei Leben wird ein gemeinsames Leben, wird ein neuer lebendiger Organismus. Zwar ist dieses neue Gefüge Ehe noch schwach, unsicher und anfällig, bleibt auch unvollkommen, aber es wird von Gottes Gnade getragen. Das Spannungsverhältnis zwischen Mann und Frau wird dabei nicht aufgehoben. Man sagt, dass die Hälfte aller Freuden auf Erden, aber auch die Hälfte allen Unglücks dieser Spannung entstamme. Der Kampf der Geschlechter brachte Millionen Opfer, seelisch Verwundete und psychisch Zerbrochene. Aber vom Ursprung her ist die Ehe zur Freude bestimmt und kann positive Initiative entwickeln, nicht verbissenen Geschlechterkampf. Die sich lieben, verletzen sich öfter, aber sie verbinden sich auch. Eheleute sollten einander helfen, ein tiefes und weites Mann Frau Sein zu praktizieren.

Die Existenz zweier Geschlechter in ihrer Polarität ist schöpfungsbedingt. Es gibt kein menschliches Wesen, das nicht Mann oder Frau wäre. Das ist weder ein Versehen des Schöpfers noch eine Nebensache. Die Zweigeschlechtlichkeit besitzt eine gottgewollte Grundstruktur. Zwar ist jeder Mensch einmalig er selbst, dennoch findet er seine Erfüllung in der Begegnung mit dem Du. Das muss gewiss nicht immer Ehe bedeuten, da es auch eine Berufung zur Ehelosigkeit gibt, zeigt sich aber in der ehelichen Liebe zwischen Mann und Frau in besonderer Tiefe. Wobei die sich darstellende Geschlechtlichkeit viel umfassender ist als der bloße Geschlechtstrieb und nicht mit ihm gleichgesetzt werden darf. Eine natürliche Sehnsucht führt die Geschlechter zueinander. Dabei geht es aber um mehr, als nur um die leibliche Vereinigung. Das Wort "Lebensgemeinschaft" muss in seiner ganzen Dimension verstanden werden. Es bedeutet das völlige Aufgehen ineinander nach Leib, Seele und Geist, mit allen Empfindungen, dem Gemüt und Gefühl. Einer schenkt sich dem andern im höchsten Vertrauen. Das Ich und das Du wachsen zu einer innigen Einheit zusammen.

Diese Art Ehe ist nicht überholt, weder ein morscher Ast noch ein alter Zopf, sondern immer noch die Grundlage der Familie und das Nest der Kinder. Ein "Krieg der Geschlechter" ist weder angebracht noch wünschenswert, denn im Grunde bekämpfen Mann und Frau einander nicht. Natürlich gehört zum Gelingen genügend Einfühlungsvermögen, ein Ausloten der inneren Bereitschaft und eine Beschränkung des Ego, damit niemand in der Ehe überfahren und erdrückt wird. Sinn bekommt alles, wenn man sich gegenseitig motiviert und nicht provoziert.

Die Faszination der ehelichen Liebe darf nicht an der Sattheit sterben, aber das Leben zu zweit ist auch kein ständiges Feuerwerk und keine heiminterne Nonstopshow. Verständnis und Zärtlichkeit bedürfen der Geborgenheit und der Geduld. Ehepartner müssen sich langsam aneinander heranlieben, um sich verstanden und angenommen zu fühlen. Wer ständig auf der Suche nach besseren Möglichkeiten und besonderen Situationen ist, wird sich nie seelisch vertiefen und mit dem andern verschmelzen können. Empfindungen müssen sich einspielen. Man lernt, sensibler zu reagieren und die körperlichen Beziehungen nicht nach der Quantität, sondern nach der Qualität auszurichten.

Jedes Ehepaar sehnt sich danach, das Schönste und Höchste zu erleben. Mit Technik ist das aber nicht zu erreichen, weil beide biologischen Uhren nur selten derartig aufeinander abgestimmt werden können. Der Traum des täglichen Supererlebnisses bleibt ein Märchen. Tabulose Vorstellungen und überdehnte Erwartungshaltungen, von Illustrierten und sonstigen Ratgebern propagiert, führen in die Irre, weil sie das Bild der Frau und ihrer Reaktionsmöglichkeiten verkürzt und verfälscht darstellen. Man trage daher nicht solche Verzerrungen in die Ehe hinein, die die öffentliche Medienlandschaft dreidimensional auf Hochglanzpapier und Farb TV ständig anbietet. Für die Begegnung in der Ehe gibt es kein Schema, kein Zahlengesetz und keine festgefügte Form. Die Bandbreite und den Spielraum bestimmt nur das Ehepaar. Hier sollte sich niemand von einem eventuellen Pflichtmaß oder gar von Statistiken abhängig machen und manipulieren lassen. Auch der hormonelle Triebdruck des Mannes ist nicht das Maß der Dinge. Die individuelle gemeinsame Gefühlslage sollte im Vordergrund stehen, wahrscheinlich mit einer etwas stärkeren Berücksichtigung der Empfindungen der Frau. Sie ist in ihrer Körperlichkeit enger verbunden mit psychischen Vorgängen. Leib und Seele sind voneinander abhängig.

Verunsichert werden Paare oft im Blick auf den öffentlichen Trend. Das Schrill Grelle, das Geschmacklos Aufdringliche ist mit einem großen Fragezeichen zu versehen. Die tägliche Vermarktung und Vernacktung des Menschen bedeutet für eine Partnerschaft keine Festigung, sondern eher einen Anstoß zum Auseinanderdriften. Gefühle werden dabei meist getötet und nicht belebt. Darüber hinaus birgt die Körperlichkeit als Konsumartikel die Gefahr in sich, dass immer neue Varianten und stärkere Reize nötig werden, um Lust zu empfinden. Entgleist sexuelle Lust aber zum bloßen Hautangebot, dann wird die Ehe ausgezogen und ausgesogen, abgebrüht und übersättigt und ständig steigenden Begierden ausgesetzt. Eine aggressive Ausuferung der Venacktung blockiert schließlich die wünschenswerten Empfindungen.

Jede Ehe lebt auf ihrer zwischenmenschlichen Ebene von Verstehen, Einsicht und Dankbarkeit. Das ist ein Fundament, das zur Gemeinsamkeit benötigt wird. Das Paar wird einen Reifungsprozess durchstehen und Veränderungen erleben. Erlebnisse und Begegnungen formen das Paar wie die Hände einen Tonkrug. Jeder prägt den andern. Das muss mit Vorsicht und Verantwortung geschehen und mit Rücksicht auf die Psyche und Andersartigkeit des Partners. Dass zur Reife auch Reifeschmerz gehört, muss von beiden innerlich akzeptiert werden. Jeder Veränderungsprozess beginnt im eigenen Herzen. Der Mensch ist das einzige Wesen, das um die entscheidenden Fragen von Sinn und Inhalt der Ehe und des Lebens weiß. Man wird bereit, sich selbst zu überwinden und nicht den anderen. Ehe ist und bleibt immer Geschenk. Mit Geschenken sollte man aufmerksam und respektvoll umgehen.




Orientierung zum Verhalten Jugendlicher vor der Ehe




Mit der Liberalisierung der Ehegesetze und des pluralistischen Lebensverständnisses verliert die Ehe heute weitgehend ihr Fundament und ihre Ausschließlichkeit, so dass sie in der Vorstellung vieler Zeitgenossen zunehmend eine Intimgruppe unter anderen darstellt, die man beliebig eingehen und wieder aufheben kann. Dem gegenüber hat die christliche Gemeinde die bleibende Bedeutung der Ehe, ihre ethische und geistliche Verwurzelung zu betonen und dazu beizutragen, sie auch in einer Zeit der Krisen und Gefährdungen zu bewahren und zu stärken. Daran könnten sich Jugendliche ausrichten und ihr Leben aufbauen.

Aber wie soll das geschehen, wenn das gesamte Umfeld freizügige Formen annimmt? Woran sollen sich junge Menschen orientieren, wenn ihnen kein Eheleitbild gegeben wird, sondern öffentliche Tendenzen eine andere Richtung weisen? Die Formen verschiedener Lebensgemeinschaften variieren und ergänzen sich nicht nur durch "offene Ehen" und "Partner auf Zeit", sondern auch durch Dreiecks und Vierecksverhältnisse, durch gleichgeschlechtliche Paarungen und andere Alternativen. Alles wird derzeit propagiert und probiert. Was dem jungen Menschen begegnet und vor Augen kommt, kann ihn zutiefst verwirren.

Unter den heutigen Bedingungen der "Normenpluralität" haben sich die Möglichkeiten erweitert, das Miteinander der Geschlechter nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Eine breite Fächerung und Vielfalt von Interessen und Verhaltensweisen tun sich auf. Das liegt nicht nur an den technischen und pharmazeutischen Angeboten, sondern an der Offenheit und Orientierungslosigkeit auf dem gesellschaftlichen Gebiet. Es bedarf daher für junge Menschen vermehrt der Führung Gottes, um in den schwierigen Fragen unserer Lebensproblematik zurechtzufinden. Gottes Ordnungen sind ja keine Fessel und kein Zwang, sondern ein hilfreiches Angebot im Durcheinander der Zeit. Biblische Ethik bedeutet dabei nicht eine geistige Entmündigung oder eine geistliche Dressur, sondern ein Maßnehmen, ein Ausrichten an ewigen Werten. Der Mensch wird auf diesem Wege nicht allein gelassen. Psalm 119, Vers 105 drückt das feinsinnig und treffend aus, wenn von Gottes Wort gesagt wird, dass es: "meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege ist". Es gibt also gottgewollte Wegweisung und geistliche Maßstäbe in den Spannungen unserer Zeit.

Die Orientierung in Partnerschaftsfragen und das intime Verhalten vor der Ehe bleiben dennoch für junge Menschen und nicht nur für diese schwierig und problematisch, weil die gesellschaftlichen Vorgaben sich ständig weiter von biblischen Normen entfernen. Das Faktum des freizügigen Umgangs, das Angebot der Medien, der Markt der Vielfältigkeit u.a. verstärkt die Unsicherheit der oft noch labilen jungen Leute. Es schwankt nicht nur der Wille zur Ehe, sondern auch der Weg zur angemessenen Partnerfindung und erst recht die sexuelle Auffassung. Warum so argumentieren einige sollte man die Chance nicht nutzen, um für später Erfahrungen zu sammeln? Da gibt es doch greifbar für jeden Flirtschulen, Singleclubs, Kontakttreffs, Telefonsex und Internet Erotik. Tausend Möglichkeiten, ein überregionaler Boom! Auf allen Kanälen steht derzeit fließbandgefertigte zweckentfremdende Lust zur Verfügung. Warum nicht Kenntnisse sammeln?

Und die Erwachsenen machen. es ungeniert vor: Trennung, Scheidung, Partnerwechsel und Partnertausch. Clubs schießen wie Pilze aus dem Boden, die Partyzeiten, Pärchenabende und Swinger-Treffs freiweg und erlaubt anbieten. Dazu gehört die neue Lust an der Technik mit neuen Sexstimulationen im Computerservice. Die eigene Phantasie muss sich zu nichts mehr aufschwingen. Das personale Du aus Fleisch und Blut weicht dem Computerbild, der Elektronik und den Geräten, die alles erlauben. Über Hardware und Software befriedigt sich der Liebesautist, der vor dem Bildschirm mit seinem Phantom allein bleibt. Wo die Liebesbeziehung auf Dauer immer mehr zum Risiko, wo die Zahl der alleinlebenden Erwachsenen aus Eheenttäuschung oder Eheskepsis immer größer wird, hat offenbar die unverbindliche sexuelle Begegnung, in welcher Atmosphäre auch immer, neue Attraktion gewonnen: die Minutenfrau und der Stundenmann, vorübergehend, leihweise, call-and-swing. Trend und Experiment gehen heute vom Ehrlichen bis zum Obszönen. Die einen glauben an die Anreicherung oder Verminderung der Schlafzimmerunlust, die anderen bringen sich auf Tour per Videos und Pornos oder buchen die Thai Reise ins Unterleibsglück. Fernsehsendungen kramen genüsslich in diesem Thema. Die Unverschämtheiten nehmen kein Ende. So offen, geil, gewalttätig und gemein war wohl noch keine Zeitepoche. Aber langsam und massiv merkt man inzwischen, dass purer Sex ohne seelischen Zweiklang innerlich einsam macht und auf Dauer verzweifeln lässt.

Der junge Mensch hat es unheimlich schwer, mit seinem seelischen Liebesbedürfnis und seinem erwachenden körperlichen Begehren durch diesen vermarkteten Dschungel zu finden. Wie soll er sich verhalten, den Partner erleben, Zärtlichkeit anwenden, Enthaltsamkeit versuchen, eine verbindliche Verpflichtung eingehen oder Partner einfach konsumieren? Wo liegen die Unwägbarkeiten und Grenzen des Verhaltens? Unendliche Fragen und nicht kalkulierbare Unsicherheiten umgeben unsere jungen Erwachsenen.



Eltern und jungen Menschen können folgende Leitlinien hilfreich sein:

Der Heranwachsende hat einen Anspruch darauf, in gewisser Ruhe und Abschirmung den Reifungsprozess zu durchstehen und die Phase des geschlechtlichen Werdens seelisch gesund zu erfahren. Dieser sexuellen Reifung sollte der natürliche und selbstverständliche Schonraum nicht genommen werden. Erfährt dieser Reifungsvorgang durch verfrühte sexuelle Betätigung oder durch oft wechselnde Partner eine Unterbrechung, kann es zu einem Stillstand der charakterlichen und seelischen Entwicklung kommen. Es besteht eine Wechselwirkung zwischen frühzeitigen Verhältnissen und persönlicher Reifung. Ausgewachsene Männer und Frauen können psychisch in einer Entwicklungsphase des Jugendlichen oder gar des Kindes steckengeblieben sein. Das charakterliche Reifen der Persönlichkeit bedarf u.a. der sexuell-erotischen Spannung, um zur Vollendung zu kommen. Ein vorzeitiges Ableiten des Spannungsgrades durch zu frühe intime Freundschaften kann daher die seelische und sexuelle Reifung des Heranwachsenden beeinträchtigen. Das "Glück der großen Liebe" wird meist erst in gereiftem Zustand nach angemessenem und zu empfehlendem "Warten" erlebt.

1. Erste intime Kontakte

Sexuelle Früherlebnisse (auch Petting) wirken prägend. Die Verführung durch Erwachsene oder raffinierte Jugendliche kann seelische Schäden hervorrufen. Selbst Eltern sind manchmal unbewusst daran beteiligt, wenn ihre Kinder eine falsche Weichenstellung erfahren, sexuell labil oder andersartig werden.

Zu frühe intime Kontakte beeinflussen die Psyche (besonders des Mädchens) und können zu sexueller Hörigkeit führen. Verfrühte Sexualität ist ein schädigender Eingriff in die sich noch entfaltende Gefühlswelt.

Besonders für die Frau bedeutet die erste Hingabe eine nicht nur körperliche Prägung. Der Intimkontakt greift tief in das seelische Leben ein und gestaltet dieses grundlegend um. Die Bindung an den ersten Partner kann sich bis in die Ehe hinein auswirken. Eine verbleibende seelische Barriere kann die Ehe schwierig machen. "Intimsexuelle Ersterlebnisse hinterlassen bleibende Spuren im Sinne der Prägung. Mädchen sind davon mehr betroffen als Jungen, so dass sie, wenn diese erste Beziehung auseinandergeht, oft gar kein richtiges Verhältnis zu einem anderen Partner finden können" (Professor Seiß). Spätere Nöte vieler Menschen zeigen, dass ein solch verfrühter Erlebnisstoß zu einem Knick in der Wesensentfaltung führen kann.

Petting berührt die sexuell empfindsamen Stellen und bringt den Körper in Erregung. Ich kann mich nicht der Meinung anschließen, Petting sei ein Kompromiss oder zumindest ein gutes Ausweichverhalten im Blick auf das Verlangen einer intimen vorehelichen Beziehung. Es ist auch keine mögliche Alternative zum vorehelichen Verkehr, sondern ein direkter geschlechtlicher Kontakt.

Petting ist keine Möglichkeit des gegenseitigen Kennenlernens. In allen anderen Situationen ist der Partner besser "auszuprobieren" ob man etwa zusammenpasst als beim Sex. Ausprobieren, verfrühter Sex, kann niemals Liebe, sondern wird neugieriges Triebverhalten sein. Die Rede vom "qualifizierten Umgang der Geschlechter vor der Ehe durch ein abgestuftes Petting" kann nur die Phrase eines unverantwortlichen Lustprinzips sein, das das junge Zittern eines erstmaligen Liebeserwachens nicht mehr kennt. Nur die Durchtriebenheit des wissenden Erwachsenen ist imstande, in großer Differenziertheit einen "Stufenplan" zu erstellen mit einer penibel festgesetzten Programmfolge des Petting. In keiner Altersphase wird es gelingen, die emotionalen Unwägbarkeiten des Pettingspiels und des weitgefächerten sexuellen Intimverhaltens ohne seelische Schäden pädagogisierbar zu machen. Es ist Ironie und Illusion zugleich zu meinen, hierdurch dem Jugendlichen die Gewissheit zu geben, "frei von Schuldgefühlen sich seiner Geschlechtlichkeit erfreuen" zu können.

2. Nicht alles gleich haben wollen

Verantwortliche Liebe schließt die Kultivierung des Triebes ein. Die Disziplinierung menschlicher Triebhaftigkeit ist auf allen andern Gebieten des Lebens unumstritten. Das bloße Lustprinzip im Blick auf sexuelle Triebgegebenheiten kann unmenschlich sein. Ein gewisses Maß an Triebverzicht ist daher unvermeidlich. Das betrifft nicht nur bestimmte Einschränkungen während der Jugendzeit, sondern wird schon in der Kindheitsphase praktiziert werden müssen.

Die Aufgabe der Eltern ist es, dem Kind verstehbar zu machen, dass man nicht alles und immer haben kann. Es wird dem späteren Leben zugute kommen, wenn man auf ungehemmte Befriedigung manipulierter oder triebbedingter Wünsche verzichten lernte.

Auch im Erwachsenenalter und in der Ehe ist die unmittelbare Befriedigung spontan auftretender sexueller Wünsche selten möglich. Zurückhaltung und Rücksichtnahme können nur gelingen, wenn die Chance frühzeitiger Einübung wahrgenommen wurde. So öffnen sich überhaupt erst die Möglichkeiten menschlicher Gemeinsamkeit. Nur so entsteht Kultur. Schon Sigmund Freud wies darauf hin, dass Triebverzicht eine notwendige Voraussetzung der Kultur sei. Es geht nicht um irgendeine Art von Verklemmung, sondern um Integrierung der Sexualität in die gesamte Persönlichkeit, um Steuerung und Kontrolle durch die Person. "Das Tier wird durch seine Organe belehrt, der Mensch belehrt seine Organe"(Goethe).

3. Warten ist besser

Biologisch kann man schon sehr früh Vater und Mutter werden, seelisch ist man noch nicht in der Lage, das zu verkraften. Körperliches Wachstum und seelische Reife fallen auseinander und schränken die Tragfähigkeit ein. Wir haben jährlich einige tausend junge Mütter und Väter im Kindesalter. Mädchen können mit 9, 11, 14 Jahren schwanger sein. Junge Väter haben wir mit 12 Jahren. In dieser Wachstumsphase ist dieses Geschehen mit Sicherheit noch nicht die "Partnerbindung" oder "die Liebe des Lebens". Hier haben wir es mit Unwissenheit, versäumter Aufklärung, Neugierde und Spielerei zu tun; nicht zuletzt mit Schuld der Eltern. Auch im späteren Teenageralter sind eine verfrühte sexuelle Praktik und das zu frühe Kind eine kaum zu tragende seelische Belastung. Von einer "Einübung in ein glückliches Sexualleben" kann nicht die Rede sein, eine Vermenschlichung findet nicht statt, eine sexuelle und seelische Verzerrung wird die Folge sein. Werden hier zusätzlich enttäuschende Partnerbeziehungen sichtbar, dann sind diese bei Mädchen nachhaltiger und tiefgreifender als bei Jungen.

Der geschlechtliche Umgang steigert keineswegs immer die Lebensfreude und den Genuss. Im Gegenteil: Trotz Verhütungsmittel werden Mädchen häufig nicht fertig mit der Angst, doch ein Kind zu bekommen. Diese Angst kann sich zur Panik ausweiten, wenn sich die Periode verzögert. Oft kommt es zu körperlichen Funktionsstörungen, zu Appetitlosigkeit und Schlaflosigkeit bis hin zu Selbstmordimpulsen.

Bei Mädchen kann sich eine tiefe Enttäuschung einstellen, dass zu dem jungen Mann trotzdem kein entsprechender Vertrauenskontakt entstanden ist, den sie doch suchte. Das, was beide eigentlich wollten, fanden sie nicht. Die Verfrühung des Intimverkehrs gefährdet die Identitätsfindung des jungen Menschen und seine charakterliche Ausreifung.

4. Die Ehefähigkeit kann man nicht erproben

Lieben zu lernen heißt nicht, vorehelich die Lust erkunden und einüben zu wollen, was gar nicht zu erproben ist. Die Geburt, den Tod und die Ehe kann man nicht erproben wollen. Die Reifezeit zu seelischer Gefühlsvertiefung zu nutzen, die Persönlichkeit zu voller Erlebnis-fähigkeit zu entfalten ist eine Aufgabe dieser spannungsgeladenen Zeit. Von daher wird dann schöpfungsbedingt das echte Liebesbedürfnis entstehen und der Mensch gefunden werden, mit dem man reife Liebe erlebt. Sexuelle Lust ist nicht gleichzusetzen mit der Fähigkeit zu lieben.

Intime Beziehungen als solche, können weder die Ehetauglichkeit noch das Zueinanderpassen beweisen. Eine eheähnliche Erprobung der Partnerschaft ist nicht möglich, da die Situation vor der Ehe durch andere Voraussetzungen gekennzeichnet ist als in der Ehe.

Schon von den äußeren Einschränkungen her, der nicht immer angemessenen Umgebung, einer gewissen Unruhe und Ungeborgenheit sind die Bedingungen für Zärtlichkeiten meist ungünstig. Sich seelisch aufzuschließen fällt besonders den Mädchen in solch einer Lage schwer und lässt Wärme und Entspannung für ein erfüllendes Erlebnis kaum aufkommen. Harmonie kann man hier nicht testen. Selbst in der Ehe bedarf es eines langen und geduldigen Bemühens, um eine körperliche und seelische Übereinstimmung zu erreichen. Hier sind Ordnungsstrukturen gegeben, die ohne die Gefahr der seelischen Verkümmerung nicht übergangen werden können. Der junge Mensch sollte sich darum eine realistische Selbst-einschätzung zulegen und ein gesundes Wartevermögen aufbauen. Er darf der Führung Gottes vertrauen, die ihn nicht zu kurz kommen lässt.

5. Nicht sich selbst betrügen

Liebe darf keine Ersatzhandlung werden, die etwa nur einem spontanen Drang der Hormone folgt. Dann wäre die Objektivität der Partnerfindung nicht mehr gegeben. Eine objektive Prüfung des Partners ist kaum mehr möglich, sobald die Schamschwelle überschritten wurde. Das intime Handeln vor der Ehe schränkt meist ein klares Urteilsvermögen ein. Die gefühlsmäßig bedingte Urteilsschwäche und eine mangelnde Differenzierungsfähigkeit trüben die Selbstkontrolle und Eigeneinschätzung. Hier wäre eine nüchterne Beurteilung, "ob man zueinander passt", kaum noch gegeben. Die psychische und sexuelle Abhängigkeit hat eingesetzt und vernebelt die klare Sicht auf die tatsächliche Realität der Partnereignung. Zu leicht betrügt man sich selbst in dieser Situation. Ein voreheliches Zusammenleben erschwert die Freiheit der endgültigen Entscheidung.


6. Verlobungszeit ist Prüfungszeit

Verlobung ist noch nicht die endgültige Bindung zweier Partner, sondern eine gegenseitige Probezeit, die eine Freigabe des anderen durchaus beinhalten muss. Sind die seelischen Bindungen aber durch den Intimverkehr zu stark geworden, reicht oft die logische Erkenntnis allein nicht aus, um die Trennung zu vollziehen. Darum sollten sich Verlobte der Trennungsmöglichkeit nicht berauben.

Zärtlichkeiten in der Verlobungszeit sollten nur so weit gehen, dass ein Abbruch der Beziehungen noch möglich wird, ohne dass schwer heilende Verletzungen entstehen. Für ein Mädchen kann der Intimverkehr ohne den Schutz der Ehe eine nie heilende Wunde werden.

7. Dem Drängen widerstehen

Eine Mussheirat ist keineswegs ideal und im Einzelfall kaum anzuraten. Auch im Zeitalter verbreiteter und fast perfekter Verhütungsmittel ist das unerwünschte Kind durchaus möglich. 85 bis 90% aller Frühehen werden nur geschlossen, weil ein Kind unterwegs ist. Hieran wird deutlich, dass vorhandene Möglichkeiten kein Freibrief sind für Willkür. Raffinesse und Technik sind kein Ersatz für Verantwortung, und ausgeklügelte Berechnung hat nicht immer einen wirksamen Stellenwert.

Gerade die verfrühten und übereilt geschlossenen Ehen stehen in besonderer Gefahr der unverhältnismäßig schnellen Zerrüttung. Das zeigt die Scheidungsstatistik. Nicht selten ist dann später gegen das gemeinsame Kind eine unüberwindbare Abneigung vorhanden. So zeigt sich, dass manch eine Bindung vorschnell war und den tieferen seelischen Bedürfnissen nicht entsprach. Liebe ist ein Spannungsfeld, Geschlechtlichkeit wie Elektrizität: eine unverzichtbare wertvolle Kraft aber nur unter Kontrolle, sonst tötet sie.

8. Nicht Sex zuerst, sondern Verständnis und Vertrauen

Für die Hingabe vor der Ehe besteht keine biologische Notwendigkeit und kein seelisches Muss. Verfrühte voreheliche Intimität geht zum Teil auf den körperlichen Triebdruck besonders des jungen Mannes zurück. Es besteht eine geschlechtsspezifische Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern. Die unmittelbaren Bedürfnisse des Jungen richten sich mehr auf körperliche Sexualität, die des Mädchens auf seelische Geborgenheit und auf gemütstiefe Erotik. Das Durchhalten des Spannungsbedürfnisses verhilft zur charakterlichen Reifung. Wirklich echte Argumente für ein sexuelles Probieren vor der Ehe sind in der Regel nicht gegeben. Im Gegenteil: Zum Liebenlernen gehört, in dieser Phase einem spontanen Drang widerstehen zu können. Eine Abspaltung der Lust kann den Weg in die Liebe verbauen.

Viele Gespräche mit Mädchen zeigen auch, dass diese die zu frühe Intimität als Bedrängung und Angst erfahren. Im Grunde sucht die junge Frau eigentlich auch der Mann nicht nur Sexualität, sondern Verstehen und Vertrauen. Es bleibt sehr dahingestellt, ob das Mädchen heute wirklich in der Achtung des Mannes steigt, wenn es unbedenklich einwilligt.

Lust allein ist noch keine Antwort auf die geistig-seelischen Bedürfnisse des Menschen. Paul Tillich schreibt: "Lust zu suchen um der Lust willen heißt, die Wirklichkeit nicht anerkennen. Bloße Lust bleibt in der Illusion. Freude wird geboren aus der Einigung mit dem Wesen. Freude ist nur da möglich, wo es uns zu Personen treibt, nicht aufgrund dessen, was wir von ihnen bekommen können, sondern aufgrund dessen, was wir sind."

Darum genügt es dem Liebesbedürfnis des Menschen niemals auf Dauer, nur sexuelle Befrie-digung zu erleben. Es wird letztlich nicht um die körperliche, sondern um die seelische Liebesfähigkeit gehen.

9. Experimente vorher erleichtern keine Ehe

Enthaltsamkeit vor der Ehe garantiert noch keine in allen Punkten glückliche Ehe. Disziplin vor der Ehe ist noch keineswegs eine Gewährleistung der Treue in der Ehe, aber in jedem Fall eine Erleichterung, wenn nicht sogar eine gewisse Vorbedingung. Denn wer schon vorher mehrere Bezugspersonen hatte, wird auch nachher ein seelisches Bedürfnis gleicher Art verspüren.

Eine Ärztin sagte: "Von Menschen, die vor der Ehe sexuell zugänglich waren, kann man nicht erwarten, dass sie sich nach der Heirat wie durch ein Wunder ändern." Wer seelisch anders vorprogrammiert war, wird es nur sehr schwer wohl nur unter inneren Schmerzen fertig bringen, sich ein Leben lang an eine Person zu binden. Sexuelle Experimente vor der Ehe sind keinerlei Hilfe in der Ehe, da jeder Mensch wieder ganz anders und ganz neu ist. Ein körper-lich und seelisch gesundes Paar braucht keine Wegbereiter vor der Ehe. Jedenfalls haben wissenschaftliche Befragungen ergeben und bestätigen damit die seelsorgerlichen Beobach-tungen , dass Menschen, die vor der Ehe häufiger wechselten, das auch in der Ehe praktizieren.

Voreheliche Intimität ist kein Vorzug für die spätere Ehe auch nicht im Blick auf den Partner der ersten Wahl, den man zu heiraten gedenkt. Es ist auch nicht so, dass etwaige Komplikationen in der Ehe vermieden werden könnten durch voreheliche Kenntnisse und Erkenntnisse.

10. Reifung braucht Zeit

Es entsteht nicht selten Enttäuschung und Traurigkeit nach dem erstem Intimverkehr. Diese Reaktion ist psychologisch bedingt und verständlich. Hierbei ist die unterschiedliche erotisch-sexuelle Veranlagung von Mann und Frau zu beachten. Beim Mann ist die sexuelle Reaktion vorhanden, beim Mädchen bedarf es eines Erwachens, eines Geweckt-Werdens. Hier setzt dann ein wachstümlicher Prozess des Frauseins ein. Sexualität hat beim Mädchen in einem Werdegang zu reifen, der nicht zu krass eingeleitet werden darf. Eine Schockwirkung in dieser Beziehung kann durchaus zeitweilige Gefühlskälte zur Folge haben. Der Prozess des sexuellen Reifwerdens erstreckt sich meist über eine gewisse Zeitspanne, kann sogar ein bis drei und mehr Jahre beinhalten. Schon daran wird deutlich, dass dies vorehelich kaum möglich ist. Die Zeit, die Geborgenheit, die Ruhe und das absolute Vertrauen sind in dem bisherigen Rahmen noch nicht gegeben.

Ohne intime Beziehungen stehen jedem jungen Partner objektivere Möglichkeiten zur Verfügung, Lebenserfahrungen allgemeiner Art zu sammeln, um den anderen nach seinem Charakter und seiner Eignung als Ehegefährten einschätzen zu können.



11. Die neutestamentliche Einschätzung

Im Neuen Testament wird über voreheliche Beziehungen in direkter Weise nicht gesprochen. Auf eine konkrete Bibelstelle kann nicht verwiesen werden. Das hat seinen Grund und seine Bedeutung. Denn die Themenstellung war durch die Botschaft des Alten Testamentes geklärt, so dass neutestamentlich begriffliche Umschreibungen zu finden sind, wie Reinheit, Ordnung, Zucht und damit die Disziplinierung der Leiblichkeit unüberhörbar zur Sprache kommt. Voreheliche Intimbeziehungen stehen im Neuen Testament einfach nicht zur Debatte. Sie gehören nicht in die Grundordnung der Nachfolge Jesu und in den Rahmen des vom Geiste Gottes geprägten Menschen. Es ist an keiner Stelle von gelegentlicher Paarung die Rede. Und voreheliche Sexualpraktiken sind eben keine Ehe, sondern nur eine gelegentliche oder mehrmalige Paarung, die von der Bibel nicht bejaht wird. Dafür spricht das Neue Testament aber eindeutig und klar von der Ehe und dem Auftrag intimer Körperlichkeit. Jedoch immer nur dann, wenn das Eheverhältnis gemeint ist, also die endgültige und unlösbare Verbindung zweier Menschen.

Im Zusammenhang mit dieser festgemachten Bindung (sprich Ehe) ist dann auch von der intimen Gemeinschaft der Partner die Rede. Es wird eindeutig von der Verpflichtung der Partner füreinander gesprochen: 1 Kor 7, 3 5. Die Bibel nimmt das Thema also auf, aber immer geht es um die Lebenslänglichkeit der Bindung.

Biblisch gesehen ist daher der Ehebeginn ohne vorlaufenden Geschlechtsverkehr so eindeutig, dass gar kein ausdrückliches Votum Gottes gesprochen werden musste. Im übrigen sagt das Schöpfungswort aus 1 Mose 2, 24 etwas darüber aus, dass Liebende nicht schon vor der Ehe einander alles schenken sollten, womöglich mit der Begründung, sie seien doch vor Gott eins. Da setzt Gott einen Riegel davor und sagt: "Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen und sie werden ein Fleisch sein." Nämlich: Erst wenn ein Mensch Vater und Mutter verlassen kann, wird er seinem Partner angehören! Mit "verlassen" ist nicht nur der "Ortswechsel" gemeint. Durch Studium und Berufsausbildung ist heute der junge Mensch oftmals recht bald genötigt, rein geographisch sein Elternhaus zu verlassen. "Verlassen" im tieferen Sinne bedeutet mehr: eine gesicherte Verselbständigung und die Möglichkeit zur rechtlichen Absicherung und der Übernahme voller Verantwortung.


Ungebundene Partnerschaft oder rechtskräftige Ehe?

Es ist auch im christlichen Bereich unverblümte Wirklichkeit geworden, dass Junge oder Ältere in eine gemeinsame Wohnung zusammenziehen. An Heirat denken sie nicht, oft noch nicht einmal an ein geregeltes Zusammenleben. Die formelle Ehe steht nicht zur Debatte. Andere leben wie in einem unausgesprochenen Ehevertrag zusammen, vollziehen aber nicht die zivilrechtlichen Schritte einer standesamtlichen Heirat. In der Regel haben beide Teile daheim Angehörige, die das im stillen nicht gern billigen möchten, jedoch nach außen zu akzeptieren genötigt sind.

Haben diese Paare recht, wenn sie die Ehe als etwas Einschränkendes oder gar Zwanghaftes empfinden? Man möchte einerseits die partnerschaftliche Beziehung, aber andererseits die persönliche Freiheit.

Ein junges Paar begegnet mir: "Wir lieben uns. Aber wir wollen nicht heiraten. Keiner weiß vom andern, wie er sich charakterlich entwickeln wird. Bei einer Auseinanderentwicklung ersparen wir uns heiße Debatten und schmutzige Wäsche. Es lebt sich auch so miteinander. Wir möchten nicht das bürgerliche Joch." Gewiss wird jeder Partner einen Entwicklungs-prozess durchmachen. Da aber beide zur gleichen Zeit und unter gleichen Umständen das Leben bewältigen müssen und freudige wie notvolle Situationen erleben, werden sie sich auch gemeinsam in fast gleicher Richtung entwickeln, wenn sie sich aneinander gebunden fühlen. Es ist ein integrierender Prozess, der beide näher bringt und fester verbindet. Diesen kreativen Vorgang erlebt man, wenn man letztlich voneinander abhängig ist und nicht individuelle persönliche Freiheiten und geheime Hintertüren offen hält. Um Tag für Tag miteinander auszukommen, wird man nicht umhin können, die gewöhnlichen Pflichten zu erfüllen. Damit eignet man sich aber den Lebensstil an, den man gerade umgehen wollte, der aber doch unausweichlich wird.

Es gibt ein Urbedürfnis nach einem bergenden Zuhause. Dieses Bedürfnis wird nicht gestillt durch Vorbehalte und berechnendes Verhalten mit der Möglichkeit des Abspringens. Wer mit dem Gedanken eines beliebigen Rückzuges in die Partnerschaft geht, bringt ein grundsätz-liches Erfordernis von vornherein nicht mit ein. Die Befriedigung des eigenen Ichs stünde dann im Mittelpunkt. Der Wert des Menschen neben mir wird damit verringert. Ich habe nicht die Bereitschaft zum Verzicht. Zusammenwohnen zu diesem Zeitpunkt wird zur Kränkung des anderen. Jedes Aussteigen hinterlässt dann sicherlich seelische Schäden und innere Verletzungen. Es werden Bedrückung, Verunsicherung und unterschwellige Ängste zurückbleiben. Nichts geht im Leben spurlos vorbei. Intime Partnerschaft schon gar nicht. Und wenn doch ein Kind unterwegs ist, dann ist dieses Kind auch bei verbesserter Gesetzgebung für das Leben benachteiligt.

Ist denn eine spontan aufkündbare Lebensgemeinschaft überhaupt lebenswert? Hans Hattenhauer, Professor für Deutsche Rechtsgeschichte, nannte das "ein Problem mit Zeitzünder". Ist es nicht meist das Mädchen, die ältere Frau, die hier auf dem Pulverfass sitzt? Die Probleme werden nicht gleich spürbar sein, die Schwierigkeiten kommen dann aber um so handfester. Der Staat schützt nur die legitimierte Ehe durch das Grundgesetz. "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung" (Artikel 6, Abs. 1). Es ist also keine Rechtsgrundlage vorhanden, wenn das ungeordnete Zusammenleben eines Tages auseinandergeht. Was ist mit gemeinsam erworbenem Besitz? Welche Ansprüche hat der einzelne? Wie sehen die Versorgungsmöglichkeiten für eventuell vorhandene Kinder aus? Sind Kinder jetzt schutzlos? Wie soll man die Dinge regeln, wenn keine Regeln festgelegt wurden?

Zusammenwohnen ohne Heirat ist eine Sache für Tage des Sonnenscheins. Wenn aber Sturmzeiten kommen? Wenn sich vorher manches in Liebesgefühlen erschöpft hat, dann zerrinnt in der Anfechtung alles in Sekundenschnelle. Weder das Gefühl noch der Verstand können eine tragende Grundlage für dauernde Lebensgemeinschaft bilden. Dazu wird der Schwächere ständig mit Furcht belastet sein und ein Stückchen Angst im Herzen tragen, ob und wann wohl der Zeitpunkt kommt, dass der andere davongeht. Intime Wohngemein-schaften werden meist unter Vorbehalt und Distanz geführt.

Auch das Leben in getrennten Wohnungen kann heute in Betracht gezogen werden. Ich lasse mir doch meine Unabhängigkeit nicht nehmen; ständig kann ich ihn nicht um mich haben", sagt sie aufrichtig. Man macht die Beobachtung, dass dauerndes Beisammensein in Form engster Wohngemeinschaft in manchen Fällen zur Belastung wird. Einer geht dem andern auf die Nerven. Dann nimmt man zwei verschiedene Wohnungen und besucht sich gegenseitig. Ist hier wieder die Scheu vor dem Risiko? Leidet man unter Bindungsangst? Die räumliche Trennung dieses Verhältnisses bringt noch weniger Rechte oder gar Vorrechte. Man spricht dann kaum noch von "Verhältnis", sondern von "aufgeklärten Beziehungen. Wenn nur die Sexualität funktioniert! Die Ehe werde sowieso als rechtsverbindliche Ordnung über kurz oder lang verschwinden. Steckt etwas im Menschen, dass einer lebenslangen Festlegung widerstrebt?

Auf der anderen Seite wissen wir um offene Beziehungen, die kaum oder nur schwer zu lösen sind, selbst wenn die Partner gerne auseinandergehen möchten. Der intime Umgang hat Hörigkeiten und Abhängigkeiten geschaffen. Die seelischen Bindungen sind so stark geworden, dass eine Trennung größte Schwierigkeiten bereitet, obwohl beide Partner sie nachdrücklich wünschen. Das Auseinandergehen einer Ehe auf Probe ist manchmal schwerer als die Scheidung einer herkömmlichen Ehe. Die Beziehung war durch starke seelische Empfindungen verknotet. Aber der stabilisierende Rahmen fehlte, um alles Nötige formell regeln zu können. Man gehört nicht mehr zusammen, kann sich seelisch aber nicht trennen.

Eine unverbindliche Gefährtenschaft, die jederzeit kündbar ist, erreicht nicht den Tiefgang wirklicher Gemeinsamkeit. Die Ehe ist ein Ergebnis der Schöpfungsordnung Gottes, die aller menschlichen Erfahrung vorausgeht und über allem persönlichen Ermessen steht. Natürlich zeigt sich hier die Kluft zwischen der biblischen Haltung und dem menschlichen Verhalten, zwischen einer überpersönlichen Eheordnung und der individuellen Prägung durch den Zeitgeist. Gott aber wollte Ehe und nicht eine Ersatzbeziehung.

"Gott segnete sie", stand am Anfang der Menschheitsgeschichte über dem ersten Ehepaar. Diese Verheißung gilt auch heute. Ermutigen wir junge Menschen zur Entscheidung ohne Vorbehalte, helfen wir ihnen zum vollen persönlichen Einsatz ohne ein Ausblenden späterer Schwierigkeiten. Hilfe zur Ehe ist Hilfe zum Leben.


Die "Ehe auf Dauer" hat Zukunft

Paare ohne Trauschein leben durchaus nicht immer wild und hemmungslos, sondern oft sehr solide. Sie lassen sich nichts zuschulden kommen und möchten diese Partnerschaftsform respektiert und anerkannt wissen. Denn schließlich gibt selbst die Ehe in unserer Zeit keine Gewähr für Dauerhaftigkeit und Tiefe. Gewalttätigkeiten in der Ehe und die steigenden Scheidungsziffern berechtigen sehr wohl zur Skepsis. Darum sind Menschen, die keine Ehe wollen, keine Exoten. Die Politik und die Gesetzgebung nehmen sich dieser Gruppierung freundlich an. Hier findet sich ein Spiegel dessen, dass sich die sozialen Daseinsformen der Menschen, ihre Rollen, Einstellungen und Empfindungen gewandelt haben. Alle Gesell-schaftsstrukturen und das Beziehungsgefüge wurden aufgelockert, gleichzeitig verunsichert. Es gibt daher Menschen, die die neue Form als Prothese nutzen, um sich dem Gefühl mangelnder persönlicher Identität zu entziehen. Andere Paare haben offenbar einen besonders hohen Anspruch an die Qualität dieser Bindung. Es fehlt aber allen eine wie auch immer definierte Sicherheit in dieser Beziehung. Unversehens kann man hier durch die Maschen fallen. Daher zeigt die allgemeine Beobachtung, dass sich die offizielle Ehe als dauerhafter erweist als eine freie Partnerbeziehung. Die Fähigkeit zur Bindung ist aber nicht angeboren. Diese muss entwickelt, gelernt, ausgestaltet und differenziert werden.

Der Institution Ehe gebührt Achtung und Wertschätzung, auch wenn bei einigen Paaren hier und da der Putz bröckelt und abfällt. Das begründet noch nicht eine Abwertung und eine Verzeitlichung der Ehe. Zwar mag eine "ewige Großliebe" selten und überzogen sein, gibt aber keinen Anlass, von der grundsätzlichen "Endlichkeit der Ehe" zu reden. Die Ehe auf Dauer ist nicht das Problem, sondern die falschen Erwartungen und egozentrischen Einstellungen, die träumerischen Vorgaben und Erlebniswünsche, die nicht realisierbar sind.

Zu bedenken ist natürlich eine neue Tatsache: Noch vor 150 Jahren dauerte eine institutionell geschlossene Ehe im Durchschnitt nur zwölf bis fünfzehn Jahre, weil nach dieser Zeit entweder der Mann im Krieg oder die Frau im Kindbett starben. Heute kann eine Ehe durchaus fünfzig Jahre währen und wird damit zum besonderen Geschenk, aber auch zu einer Situation, die Durchhaltekraft erfordert und Treue vor die Bewährung stellt. Aber der innige Wunsch vieler Paare nach Ausschließlichkeit und bleibender Harmonie ist ungebrochen. Denn zur Ehe im biblischen Sinne gehört ein lebenslanges Durchhalten, nicht vergrämt und verbittert, sondern erfreut und erfüllt. Und wenn das so ist, dann kann man auch unmissver-ständlich öffentlich dazu stehen.

Es gibt keine Gesellschaft ohne Normen; darauf haben auch liberale Soziologen und Völkerkundler immer wieder hingewiesen. Normen und dazu zählt die Ehe haben eine erleichternde, klärende und damit entlastende Funktion im Zusammenleben. Gegen sie kann man zwar revoltieren und kann sie kritisieren; aber das kann man nur, weil sie da sind und man weiß, worum es sich handelt. Ein konturloses Zusammenleben erlaubt dies nicht. Wer meint, auf eine kurze Probeehe ein ganzes Eheglück aufbauen zu können, der irrt. Ein bloßes Zusammenwohnen besitzt nicht die Norm und die rechtlichen Möglichkeiten, die der formellen Ehe zur Verfügung stehen. Wer gesunde Ehen und Familien in unserer Gesellschaft und unserem Volk möchte, muss einiges mehr dafür tun, dass die Ehe Anerkennung, Attrakti-vität und Bestand verspricht. Dann werden junge Leute wieder Mut bekommen, sie zu führen.

Die christliche Ehe bewährt sich, indem ihr Beginn und ihr Verlauf der göttlichen Ordnung unterstellt werden. Ehe hat nämlich auch mit Gehorsam oder Ungehorsam dem gegenüber zu tun, der sie gestiftet hat. In einer konsequenten Haltung billigen daher Christen den vom Staat verordneten öffentlichen Rechtsakt, der die Partnerschaft absichert. Die Gesellschaft, in der wir leben, muss wissen, wer als Mann und Frau zusammengehört. Das war zu allen Zeiten so. Die Stille zweier Herzen genügt dafür nicht. Es ist ein Trugschluss zu meinen, auf die Beur-kundung der Liebe und die Absicherung der Partnerschaft verzichten zu können.

Wenn gegenwärtig aber vom Staat und seinen Institutionen der Wert und die bisherige Form der Legalität der Ehe herabgesetzt und gesellschaftspolitisch entwertet wird, dann müssen Kirchen und Gemeinden einen geistlich-biblischen Weg einschlagen und von sich aus der Ehe und der Eheschließung einen neuen Rang und eine bindende Wertigkeit geben. Denn es gibt heute kein gesetzlich definiertes und staatlich vorgegebenes Eheleitbild mehr. Alle Arten und Variationen von Lebenspartnerschaften sollen künftig politisch und rechtlich anerkannt werden. Daran sollte die christliche Gemeinde zu Gunsten eigener Rechte und Pflichten anknüpfen und aufbauen.

Da der Staat mit der Herabstufung und der Verwässerung des Eherechts eine Lücke aufgetan hat, stellt sich für den Christen immer stärker die Frage, ob nicht die Kirchengemeinschaft dieses Vakuum zu füllen hat und eine stärkere Funktion und verlässlichere Bindung der Partnerschaft entwickeln sollte bis in die Trauungsformalität hinein. Alles unter geistlichen Aspekten und biblischer Grundorientierung, dass die Ehe vor Gott vollständig und endgültig einander verpflichtet, unwiderruflich für die guten und schlechten Tage, bis der Tod sie scheidet. Durch die Abstriche, die von staatlicher Seite ausgehen und durch den anhaltenden Prozess der Pluralisierung, wird es für Lebenspartner und Gemeinden nötig, mehr Eigen-verantwortung und Maßnahmen zur Festigung des Eheleitbildes zu übernehmen. Das würde zweifellos auch die Familie und deren Funktion stärken und erneut ermutigen, im Rahmen der Gemeindearbeit das geistliche Mitwirken von Ehe und Familie einzubringen.


Zerfall der Familie Gefährdung des Staates?

Das Zerbröseln der Familienzusammengehörigkeit ist gegenwärtig handfest spürbar und wird in vielen Familien leidvoll wahrgenommen. Fast zu spät beginnt man darüber nachzudenken. Die Aktualität ist gegeben, weil die Auflösungserscheinungen der Familie stärker werden und die Zahl der Singlehaushalte kontinuierlich wächst, in einigen Großstädten bereits die fünfzig Prozentgrenze überschritten hat. Immer mehr Menschen leben demnach allein und scheinbar unabhängig.

Die Gruppe der Singles setzt sich zusammen aus den Jungen, noch nicht Gebundenen und nicht Bindungswilligen, sodann aus den Getrennten und Geschiedenen im mittleren Alter, ferner im höheren Lebensalter aus den Alleingebliebenen und Verwitweten. Umfang und Bedeutung dieses dramatischen Drittels nehmen ständig zu. Gerade die explosiv gestiegenen Scheidungsziffern haben einen hohen Anteil an der Versinglelung und lassen in besonderer Weise die Frage aufkommen, ob dieser Zustand auf Dauer gesund sein kann oder mit der Zeit zu einem um sich greifenden Krankheitssymptom unserer Gesellschaft führt. Die Ursachen sind nämlich nicht nur statistischer, sondern unterschwellig mehr psychologischer und ethischer Art. Mit anderen Worten: Der Mensch von heute hat außerordentliche Probleme damit, sich zeitlos an einen anderen Menschen zu binden und mit ihm gemeinsam ein lebenslang angelegtes Familienkonzept zu verwirklichen.

Obwohl der Staat Ehe und Familie in Artikel VI des Grundgesetzes zu schützen und zu fördern verspricht und durch Steuerbegünstigungen, Kindergeld und anderes dies auch versucht, geschieht das offenbar bei weitem nicht hinreichend genug, um den ohnehin schwachen Mut zu dauerhaften Partner- und Familienbindungen zu stärken Diesen Förde-rungsbemühungen stehen nämlich starke Wünsche und Ängste entgegen. Der Mensch der pluralistischen Konsumgesellschaft will offenbar in seinen Entscheidungen unabhängig, in seinem Privatleben ungestört, in seinen Vorlieben und Befindlichkeiten unbehelligt und vor allem von Augenblick zu Augenblick unverbindlich leben. Zwar weist unsere Gesellschaft augenfällige Kollektivierungstendenzen auf, dennoch wird im Gegenzug in weitem Rahmen ein Hang zur Individualisierung und Isolierung und damit zur Selbstbezogenheit gefördert. Sind wir auf einem narzisstischen Weg?

Das erfahren die meisten heute schon von klein auf: Eine deutsche Durchschnittsfamilie hat 1,2 bis 1,4 Kinder. Das heißt, dass gegenwärtig in der Regel Einzelkinder aufwachsen. Diese Solisten gewöhnen sich daran, dass sich möglichst alles um sie dreht. Sie müssen nicht teilen, nicht austauschen und brauchen sich nicht für andere Geschwister verantwortlich zu fühlen. Sie genießen Wohlwollen, Förderung und oft genug Verwöhnung. Ihre Ansprüche werden gesteigert, ihr Pflichtgefühl bleibt häufig unterentwickelt. Das alles wirkt sich nicht nur in der Kindheit aus, sondern auch in späteren Leben.

So leben wir in einer ausgesprochen "narzisstischen Einzelkindgesellschaft", in der die Menschen es schwer haben, sich auf kommunikative Dauerbindungen einzulassen. Weil sie in dieser Hinsicht keine Erfahrungen haben, scheuen sie diese auch. So wird manche Heirat von jungen Leuten hinausgeschoben bestenfalls gehen sie zum Standesamt, wenn ein Kind unterwegs ist. Aber auch das ist. oft nicht mehr zwingend. In Deutschland hat sich die Zahl der unehelichen Kinder in den letzten zehn Jahren etwa verdoppelt. Das hängt nicht mit einer wilden Promiskuität oder einer sittlichen Verrohung zusammen, sondern ist ein Ausdruck von Verweigerung einer legalisierten Elternverantwortung. Man möchte möglichst unverbindlich verbleiben und wenn erforderlich, ohne größere Komplikationen aussteigen können.

Die Zerstückelung und Auseinanderzerrung der Familie erlebt diese hautnah daheim in der täglichen Realität. Die Angehörigen finden sich in einer Einzelsituation wieder und sind praktisch im Rahmen des Familiengeschehens nur noch schwer zusammenzuhalten. Jeder Beteiligte unterliegt einem unterschiedlichen Zeitplan im Gefüge der Arbeits- und Schulpflicht, der variierten Interessen und der gesellschaftlichen Zwänge. Zuhause kommt man und geht, wie man will oder muss nicht nur aus Lust und Laune , sondern weil Vorgaben von außen dazu nötigen. Die früher üblichen gemeinsamen Mahlzeiten (oder gar Abende und Wochenenden) sind Seltenheit geworden, Essens und damit Gesprächszeiten kaum zu koordinieren. Der Familientisch findet vielleicht noch an Festtagen statt, Schnellimbiß und Fastfood treten an seine Stelle. In der Küche sucht sich jeder zu seiner Zeit aus dem Kühlschrank, was ihm essbar und schmackhaft erscheint und zieht sich herunterschlingend allein in irgendeine Ecke zurück, möglichst mit laufendem Fernsehprogramm. Jeder begegnet irgendwann jedem, aber die Familie als solche splittet auseinander. Ein intensiveres Kennenlernen des Wesens engster Familienangehöriger wird dadurch erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht. Freud und Leid des andern dringen weniger tief ein, die eigene Hektik übertönt familiäre Dringlichkeiten. Man nimmt hauptsächlich sich selbst wahr. Hier stirbt mit der Zeit die bergende Wärme, die Zuflucht, das Zuhause, das heimische Nest. Die familiäre Klammer wird schnell schwächer und hält nicht
mehr zusammen. Man weicht in Discos, Clubs und Cliquen aus, die älteren in interessen-gebundene Gruppen und Stammtische, hobbypflegend, sportbegeistert oder politikgefärbt, ideologisiert und thematisch oft eingeengt.

Das alles sind nicht gerade empfehlens- und wünschenswerte Entwicklungen und Merkmale unserer Gesellschaft. Die natürlichen Bezüge zwischen Partnern sowie Eltern und Kindern kommen nicht zur Entfaltung. Eine emotionale Harmonie gefriert und wird bestenfalls durch technische Bezüge aufgefangen. Die Folgen zeigen sich darin, dass Kinder früh verunsichert und an die kollektiven Erziehungs- oder Beeinflussungsapparaturen angeschlossen werden, im besten Fall im Kinderhort und Kindergarten, zugespitzt durch Fernseh- und Videokulturangebote. Das bedeutet weniger Elternwärme und gleichzeitig seelische Isolierung. Die nächsten Schritte sind fast vorprogrammiert: Nikotin- und Alkohol-missbrauch, Drogenkonsum, enthemmte Sexualität und schließlich Aggressivität und Brutalität. Hier entsteht eine absteigende Negativ-Skala, zunehmend reizerfüllt von Pseudoabenteuern und bestimmten Sensationen, deren Steigerung wir zur Zeit in beängstigender Form erleben können. Das Endergebnis des konsequenten Narzissmus ist der von allen Skrupeln befreite Sadismus gleich, ob er sich ästhetisch, erotisch oder politisch geriert. Diese Formen gehen oft ineinander über und entwickeln eine eigene sanfte bis rohe Gewaltkultur, die inzwischen schamlos auf allen publizistischen Ebenen ihr Programm und ihre Ideologie verkündet. Bloße Normalität strahlt heute anscheinend keinen Reiz mehr aus oder ist zumindest weder fernseh- noch publikumswirksam.

Eine ähnliche Zuspitzung vollzieht sich auf der politischen und staatlichen Ebene. Die Ansprüche bewegen sich zwischen Nachgiebigkeit und fordernder Robustheit, spiegeln sich in der Vermassung und im Konsumwahn. Eine Art von "Verameisung" sorgt dafür, dass die Millionenebene der Bürger sich mit bescheidenen "Freuden" zufrieden gibt und die gesamte Gesellschaft möglichst auf unmündigem Niveau gehalten wird. Das muss in unserer intelligenten und verkopften Welt nicht ideologische Absicht sein, ist aber oft die Folge des technisierten, schematisierten und verkabelten Systems. Die bürgernahen Informationen, Erkenntnisse und Umsetzungsprozesse sind nur als Massenware zu haben und erreichen und bewegen sich bestenfalls auf einer mittleren geistigen Ebene. So entstehen Massenmeinungen und Massenproteste, ohne dass der einzelne individuell davon wirklich überzeugt sein muss. Die politischen und staatlichen Kräfte welcher Art und Richtung auch immer bevormunden die gesellschaftliche Menge und legen dem einzelnen die Argumentation in scheinbar schlüssiger, oftmals kurzschlüssiger Art in den Mund. Ist dadurch eine "Verkindlichung" der breiten Masse vorprogrammiert?

Wie so vieles hat der große französische Historiker Alexis de Tocqueville schon vor 150 Jahren in seinem berühmten Werk über Amerika diese Entwicklungen visionär vorausgesehen: "Ich erblicke eine Menge einander ähnlicher und gleichgestellter Menschen, die sich rastlos im Kreise drehen, um sich kleine und gewöhnliche Vergnügungen zu verschaffen, die ihr Gemüt ausfüllen. Jeder steht in seiner Vereinzelung dem Schicksal aller anderen fremd gegenüber; ... was die übrigen Mitbürger angeht, so steht er neben ihnen, aber er sieht sie nicht; er berührt sie, aber er fühlt sie nicht; er ist nur in sich und für sich allein vorhanden...". Angesichts dieser Situation prophezeit er allerdings den totalitären Staat nach dem Muster, das später der englische Utopist Aldous Huxley in seiner "Schönen neuen Welt" ausmalt. Tocqueville sieht die Funktion des modernen Staates als "eine gewaltige, bevormundende Macht, die allein dafür sorgt, ihre Genüsse zu sichern und ihr Schicksal zu überwachen. Sie ist unumschränkt, ins einzelne gehend, regelmäßig, vorsorglich und mild. Sie wäre der väterlichen Gewalt gleich, wenn sie wie diese das Ziel verfolgte, die Menschen auf das reife Alter vorzubereiten; statt dessen aber sucht sie bloß, sie unwiderruflich im Zustand der Kindheit festzuhalten."

Hier wird deutlich, dass das Schicksal des in die Isolation, in die Vereinzelung und Versinglelung strebenden modernen Menschen das eines unmündigen Kindes, eines konsumgierigen Riesensäuglings ist, der sich weigert, erwachsen zu werden. Er umgeht es, Verantwortung zu übernehmen, kommunikativ und kooperativ zu sein, mit anderen zu teilen und sich zuverlässig und endgültig zu binden. In der Tat ist es so, dass die totale Bedürfnisbefriedigung und Selbstverwirklichung den Menschen nicht fähig machen, in der demokratischen Zivilisation zu leben, in der es auf Gemeinsinn, auf Opfer und Verantwortung ankommt. Wenn er Belastungen ausgesetzt wird, neigt der verwöhnte, infantile, narzisstische Mensch dazu, sich abzukapseln oder wenn das nicht hilft, weil es ja keine Probleme löst nach dem starken Mann, der allmächtigen Mutter (feministische Theologie) oder dem durchgreifenden Staat zu rufen, der die Probleme lösen soll, ähnlich wie es für das unmündige, verwöhnte Kind pädagogisch unfähige Eltern oder Ersatzpersonen tun.

In weltweitem Umfang erwachsen daraus zum Teil unabschätzbare Folgen. Brechen Systeme zusammen, dann zählen zunächst nur noch die familiären, stammesmäßigen Bindungen mit der gefährlichen Tendenz zu Stammeskriegen und ethnischen Säuberungen bis hin zu perversen Sadismen aller Art. Hier können archaische Triebe wach werden und unkontrolliert um sich greifen. Hilflosigkeit und Heimatlosigkeit sind auf manchen Kontinenten kaum noch zu überbieten, einschließlich der Hungers- und Krankheitsnöte. Wo die Massen durch Seuchen dahingerafft werden, gilt der einzelne nicht mehr als ein Tier. Die in ihrer Orientierungssuche und politischen Verführtheit sitzen gelassenen Menschen steigen dann in eine kollektive Aggressivität ein. Für den einzelnen und geistig Verarmten gibt es keinen Sinn des Daseins mehr, ein besseres Leben ist nicht in Sicht. Und das Dahinsiechen lässt vielleicht morgen schon das letzte Aufbäumen in sich zusammenfallen.

So gesehen ist eine Gesellschaft ohne lebendige Gemeinschaft, ohne übergreifende Bindungen, ohne ethische und religiöse Normen und Ziele krank zu nennen, weil sie es nicht vermag, den einzelnen einzubinden, ihm Halt und Orientierung, Gewissen und Verantwortung zu vermitteln. Wem seelische Geborgenheit nicht mehr verdeutlicht und gefunden wird, können vulkanische Energien frei werden. Dann kann der infantile Riese in unzähligen Völkern und Gruppen, in unterentwickelten oder irregeführten sozialen Schichten und Klassen sich erheben und um sich schlagen. Hinzu kommt häufig ein verstärkender Druck durch Überbevölkerung und Unterernährung, in Industriegebieten durch Arbeitslosigkeit, um eine hochbrisante Ladung explodieren zu lassen. Selbst zivilisierte Demokratien können oft nur mühsam die Probleme unter Kontrolle und unter dem Teppich halten.

Die Verwandlung einer Gesellschaft, in der die Struktur und die Institutionen von Staat, Kirche, Ehe und Familie nicht mehr verbindlich sind, ist ein unüberhörbares Zeichen für Auflösungstendenzen. Die allmähliche Zerbröselung in eine Singlegesellschaft wird zum alarmierenden Signal.

Darum sind Christen in dieser Gesellschaft herausgefordert und sollten wo irgend möglich mit Ihren Familien ein Zeichen setzen. Denn die Familie bleibt das Zentrum des Staates und bildet nach dem Willen Gottes das Grundmodell des menschlichen Zusammenlebens. In der Familie wurzelt letztlich die Verantwortung für Gemeinde und Gesellschaft.


Zehn Thesen umfassen das Kernthema Familie:

1. Die Familie ist die kleinste, aber wichtigste soziale Einheit, die Keimzelle, der Grundstein der Gesellschaft und zugleich ein Eckpfeiler der christlichen Gemeinde.

2. Die Familie ist eine universale Lebensform, die Geburt und Tod, den gegenseitigen Lebensunterhalt, Fürsorge und Erziehung, Freude und Leid, Gedeih und Verderb und vieles andere umfasst und in sich vereint.

3. Die Familie bildet bei Ihren Mitgliedern die seelischen und charakterlichen Qualitäten aus, die durch keine Institution der Gesellschaft auch nicht durch Schule und Kirche erlernt werden können.

4. Die Familie gibt dem einzelnen Halt und Heimat. Ihre gefühlsmäßige Nähe und Dichte beinhalten gleichzeitig ihre Gefährdung und Anfälligkeit für emotionale Überhitzung und Überforderung.

5. Die Familie ist eine Leihgabe Gottes und seinem Schöpfungsgeschehen unterstellt. Gottes Willen entspringt der Auftrag zum Kind, zu seiner Geburt und zur Förderung seines Wachstums. Gleichberechtigt, aber verschiedenartig in ihrer jeweils speziellen Wesensart dienen Mann und Frau einander und sind damit ein geistliches und pädagogisches Vorbild für das Kind.

6. Die Familie ist für das Kind das erste Vorbild und Prägemuster für gesellschaftliche Beziehungen und Rollenverteilungen wie Autorität und Solidarität, Austausch und Teilen, Konflikte und Versöhnung und vor allem im biblischen Sinne für rechten Glauben und Vertrauen.

7. Die Familie lässt den Zusammenhang von Rechten und Pflichten unmittelbar erleben. Sie ist ein tägliches Bewährungsfeld für Verantwortung, aber auch für soziale Reaktionen bei Vernachlässigung des andern, sowie Verweigerung von Bindung und Pflichten. Sie erfüllt und begrenzt den internen Raum konkret und erfassbar inmitten einer anonymen und schwer durchschaubaren Gesellschaft.

8. Die Familie ist trotz ihrer Bedrohung von innen und außen unersetzlich. Durch vielfache Krisen und häufige Zerstörung wird ihr Wert nicht gemindert, sondern bleibt deutlich erkennbar und ist daher um so nachhaltiger zu unterstreichen und zu stützen.

9. Die Familie ist Gefährdungen ausgesetzt. Darum steht sie auch nach Artikel 6, 1 des Grundgesetzes unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Alternativen zur Familie bieten zumeist keinen überzeugenden Ersatz oder gar einen Gegenwert.

10. Die Familie ist in der christlichen Kirche die kleinste Gemeinde und das Grundmodell für dienende, sich gegenseitig helfende, gemeinsam betende und feiernde Gemeinschaft unter Gott.


Ehe und Familie bleiben ein verletzliches Gut. Es ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine besondere Gnade, wenn sie gelingen. Wir wissen nie, wie wir uns und andere sich entwickeln, was von den Lebensumständen an uns herangetragen wird, wie sicher Geborgenheit und Gesundheit sind, wie lange Ehe und Familie durchhalten und unser gemeinsames Leben füllen, aber wir vertrauen, wir wagen, wir glauben, wir hoffen und danken.



Lebenskorrektur der besondere Aspekt

Faszination und Verwirrung einer Partnerschaft können sich mischen und mengen, in einander übergehen und belasten, ohne dass der einzelne es zunächst wahrnimmt. Mit der Zeit wird ein ungeordnetes Verhältnis und Liebesleben aber seine Vordergründigkeit verlieren und tiefergreifende Spuren ziehen. Dafür sorgt schon das alltägliche Dasein, dass nicht ständig auf poliertem Parkett verläuft.

Bei falscher Lebenshaltung und persönlicher Grenzüberschreitung eigene Schuld zu erkennen und anzuerkennen, liegt nicht im Trend der Zeit. Wir sind dabei, den Umgang mit ihr aus dem Bewusstsein zu verbannen. Selbst in der Kirche hört man nur mit einem Ohr hin, wenn davon die Rede ist. Denn Schuld gibt man heute der Erziehung, der Umwelt, der sozialen Situation. Schuld sind die Gesellschaft und die Umstände, nur nicht wir selbst. Gewiss soll die soziale Seite der Schuld nicht geleugnet werden. Sie ergibt sich schon daraus, dass das Versagen des einzelnen seine Auswirkungen in der Gesellschaft hat. Aber zunächst und im Ursprung ist Schuld im persönlichen Bereich angelegt. Es gibt sie in jedem menschlichen Leben, und niemand kann sie verdrängen, vor ihr davonlaufen oder sie von irgend jemand wegschaffen lassen.

Zu fasziniert starren Psychologen und Psychotherapeuten und mit ihnen Sozialarbeiter, Jugendleiter, Pfarrer und Lehrer auf die "Umwelt" und die "Kindheitseinflüsse". Zu schnell nimmt man fragwürdige Statistiken zur Hand und möchte damit nachweisen, dass alles andere um uns herum Schuld trägt. Persönliches und bewusstes Fehlverhalten ist weithin nicht gefragt.

Dennoch: Der Mensch wird schuldig. Wir sollten uns nicht durch verfälschende gesellschaftliche Klischees den Blick trüben lassen. Man wird niemand einen Gefallen damit tun, wenn man seine negativen Taten und Verhaltensweisen einer ungünstigen Weichenstellung oder einem zu fördernden Lustprinzip zuspricht. Jeder hat selbst Verantwortung zu übernehmen. Selbst schwierige Verhältnisse sind meist noch formbar, um dem Leben und der Partnerschaft einen individuellen geistlichen Wert zu geben. Daher ist die Beugung des Menschen unter sein Versagen und die Reue darüber ein wirklicher Schritt zur Bereinigung und Erneuerung des Daseins.

Weil das Thema "Schuld und Vergebung" von unserer Gesellschaft systematisch gemieden wird, ist auch häufig das Bewusstsein für Reue nicht vorhanden. Dem Menschen entgeht damit die Bereinigung seines Inneren er wird trauriger, trostloser und unmenschlicher, denn nur Reue kann zur Vergebung und zur Freude führen, damit zur Humanität. Es gibt eine beachtenswerte Bibelstelle in Esra 9,6: "Mein Gott, ich schäme mich und scheue mich, meine Augen aufzuheben zu dir, mein Gott; denn unsere Schuld ist groß bis in den Himmel." Das ist eine Erkenntnis, die dem Leben zur Klarheit verhilft. Wer es nicht schafft, seiner persönlichen Schuld zu begegnen, sie anzunehmen und sie der Vergebung zuzuführen, der verbaut sich den wichtigsten Zugang zu einem befreiten Leben.

Reue ist mehr als Ärger und Verdruss, Erbitterung oder Selbstmitleid, mehr als die Einsicht, versagt zu haben. Reue führt zur Scham über sich selbst, macht klein und demütig vor Gott. Zwar hört man heute das Wort "Schuld" nicht gerne, dennoch kann man diese nicht verdrängen. Wir haben Menschen verletzt und Gottes Liebe wenig geachtet. Wir haben Unrecht begangen. Im Begriff der Reue liegt nun das Vertrauen zur Vergebung Gottes. Bedauern kann man auch ohne Vergebung, bereuen nicht. So ist ein Schuldbekenntnis für den Menschen keine unwürdige Haltung, sondern eine Rückkehr zu Gott und zum Partner.
Reue ist eine von göttlicher Seite dem Mensch
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