Kann man Vergebung für die Sünden der Vorfahren erlangen?
Bad Herrenalb (idea) – Ökumenische Bußgottesdienste zum 500-jährigen Reformationsjubiläum sind eine Ermutigung für das Miteinander von Protestanten und Katholiken. Sie dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass man aus evangelischer Sicht keine Vergebung für die Sünden der Vorfahren erlangen kann. Diese Meinung vertritt der württembergische Pfarrer Johannes Oesch (Bad Herrenalb). Er äußert sich in einem Beitrag, der im Deutschen Pfarrerblatt und im lutherischen Magazin „CA –Confessio Augustana“ veröffentlicht wurde. Nach seinen Worten bestehen nach wie vor unterschiedliche Auffassungen der Konfessionen beim Umgang mit den Sünden der Vorfahren, etwa während der Religionskriege. Wenn man im ökumenischen Bußgottesdienst die Verfehlungen Verstorbener bekenne, so tue dies die katholischer Seite in der Meinung, „dass hierfür Ablass der Sündenstrafen, ja Vergebung erlangt werden könne“. Die evangelische Seite teile „diese Hoffnung gerade nicht“ und strebe sie auch nicht an. Oesch spricht von einem „ehrenwerten Kunstgriff“, einer „Dissimulation“, der Kirchen im Blick auf die Bußgottesdienste: Sie sagten in der Liturgie gemeinsam das Gleiche, meinten und täten aber nicht dasselbe. Er stehe diesen Gottesdiensten deshalb zurückhaltend gegenüber, sagte Oesch der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Er erinnert in dem Beitrag daran, dass es vor der Reformation selbstverständlich gewesen sei, sich der Sünden der Vorfahren anzunehmen. Man habe deren Sündenstrafen in einer Art Generationenvertrag durch Bezahlung von Messen und Ablässen beglichen. Dieser Praxis hätten die Reformatoren eine Absage erteilt. Auch heute gebe es in der katholischen Kirche nach wie vor den Ablass und Messen zugunsten Verstorbener, „wenn auch in Deutschland unauffällig und ohne Auswüchse“.
Katholische Priester dürfen anwesenden Evangelischen keine Absolution zusprechen
Oesch gibt ferner zu bedenken, dass nach katholischem Kirchenrecht anwesenden Evangelischen die Absolution beim Bekenntnis der Sünden nicht zugesprochen werden dürfe. Dies sei den Priestern „wohl deswegen nicht gestattet, weil die Protestanten notorisch den Gehorsam dem Papst gegenüber verweigern und es somit an der Aussöhnung mit der Kirche mangelt“. Dabei gehöre es nach dem Augsburgischen Bekenntnis zum Wesen der evangelischen Buße, einerseits die Sünden zu bekennen und zugleich dem Zuspruch des Evangeliums zu glauben, dass sie vergeben sind. Deshalb dürfe die Absolution den Gläubigen nicht verweigert werden. Sie könne aber in den ökumenischen Bußgottesdiensten nicht praktiziert werden. Vielmehr würden ausdrücklich Zeichen der Versöhnung und des Friedens ausgetauscht, die in eine Vergebungsbitte mündeten, jedoch ohne den Zuspruch der Absolution. Abschließend gibt Oesch noch einen praktischen Tipp: Nach den Buß- und Versöhnungsandachten könnten die Besucher die angestrebte ökumenische Heilung der Erinnerungen auch dadurch befördern, dass sie im Gemeindehaus gemeinsam das zum Reformationsjubiläum gebraute Lutherbier aus dem katholischen Eichsfeld genießen.