Hannover (idea) – Die kirchliche Landschaft in Deutschland wird sich massiv verändern. Davon ist der Theologieprofessor Michael Herbst (Greifswald) überzeugt. Er sprach bei einem Seminartag von Willow Creek Deutschland am 10. Februar in Hannover. Die Veranstaltung mit 500 Teilnehmern beschäftigte sich mit der Bewegung „Fresh X“ (neue Ausdrucksformen von Kirche). Die missionarische Initiative geht zurück auf die anglikanische Kirche von England. Sie erprobt aufgrund des anhaltenden Mitgliederschwundes neue Gemeinschaftsformen an säkularen Orten, etwa in Cafés. Dem deutschen Fresh-X-Netz gehören 20 Partner an, darunter mehrere Landeskirchen. Herbst erwartet, dass vermehrt neue kirchliche Ausdrucksformen entstehen werden, „manche unter dem Dach einer Ortsgemeinde, andere übergreifend, eher auf soziale Netzwerke als auf Gebiete ausgerichtet“. Zudem werde es spirituelle Einkehrhäuser als Orte des Gebets und der Seelsorge geben. Allerdings werden sich laut Herbst in Deutschland keine Megakirchen wie in den USA bilden. Dort versammeln sich an Wochenenden jeweils Zehntausende von Besuchern. Herbst rief die Kirchen in Deutschland dazu auf, „die geistliche Mitte zu behalten“, indem sie sich auf den gekreuzigten und auferstandenen Jesus beziehen. Dies sei „kirchlich durchaus nicht selbstverständlich“.
Fresh-X-Referentin: Jeden Gottesdienst anders feiern
Laut der Fresh-X-Referentin und Mitarbeiterin der Jugendkirche Lux in Nürnberg, Daniela Mailänder, hat ihre Gemeinschaft die Regel aufgestellt, jeden Gottesdienst anders zu feiern. Es gebe keine Standards. Ziel sei es, Jugendliche am Gemeindebau zu beteiligen. Sie würden die Gottesdienste „immer wieder neu erfinden“, etwa indem sie einen „Star Wars“-Gottesdienst feierten. Mehr als ein Drittel der Veranstaltungen seien kulturell geprägt, etwa durch Theater, Konzerte und literarische Vortragswettbewerbe. Jugendliche wünschten sich von der Kirche vor allem Angebote, die mit dem eigenen Leben zu tun haben sowie die Möglichkeit bieten, Freunde zu treffen.
Heavy Metal im Gottesdienst – Klettern in der Kirche
Während des Seminartages wurden mehrere neue Ausdrucksformen von Kirche vorgestellt, etwa die „metal church“ in Wattenwil-Forst (Schweiz). Sie bietet Gottesdienste mit Heavy-Metal-Musik. Das Internationale Café Winsen (bei Hamburg) kümmert sich um Flüchtlinge. Die Jugendkirche „freestyle“ in Berlin widmet sich der Straßenarbeit mit kirchenfernen Randgruppen. Die evangelisch-methodistische Gemeinde im schwäbischen Metzingen hat ihre Kirche in eine Kletterhalle verwandelt. Das Projekt „H 3“ arbeitet unter dem Motto „Hochklettern, Herunterkommen, Haltfinden“. Willow Creek ist eine 1975 von Pastor Bill Hybels gegründete protestantische Gemeinde mit inzwischen etwa 23.000 Besuchern pro Woche. Sie ist wegen ihrer Attraktivität für kirchenferne Menschen international bekannt. Nach ihrem Vorbild arbeiten in 35 Ländern etwa 10.000 Gemeinden, die zum internationalen Willow-Creek-Netz zählen. Vom 11. bis 13. Februar findet in Hannover ein Willow-Creek-Leitungskongress mit mehr als 10.000 Teilnehmern statt.