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Sekten pervertieren Religionsfreiheit


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Rolf

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Sekten pervertieren Religionsfreiheit







Die Religionsfreiheit gehört zu den wichtigen Errungenschaften der modernen Zivil gesellschaften. Letztlich ist sie ein Kind der Aufklärung und der Menschenrechte. Sie wurde zum Schutz der Bürger vor den grossen Glaubensgemeinschaften eingeführt. Denn Skeptiker, die ihre Religionskritik öffentlich Kund taten, wurden ausgegrenzt und verloren teilweise den Job.

Inzwischen ist die religiöse Landschaft ein unüberblickbarer Flickenteppich geworden, Kirchenaustritte erwecken keine Aufmerksamkeit mehr. Somit hat der ursprüngliche Sinn der Religionsfreiheit fundamental an Bedeutung verloren. Heute buhlen mehrere hundert Glaubensgemeinschaften um neue Anhänger. Die meisten von ihnen zeichnen sich durch einen religiösen Enthusiasmus aus, der nur allzu oft radikale oder sektenhafte Formen annimmt. Durch aggressive Missionsmethoden und Indoktrinationstechniken ziehen sie ihre Gläubigen in ihren Bann.

Im Schutz missionieren

Inzwischen benutzen die sektenhaften Gruppen die Religionsfreiheit für ihre Zwecke. Im Schutz dieses Rechts missionieren sie mit fragwürdigen Methoden neue Mitglieder. Ein Beispiel: Die Wirtschaftssekte Scientology, die sich als Kirche tarnt, erhält in vielen Städten an zentralen Orten Bewilligungen für einen Informationsstand. In Zürich an der Bahnhofstrasse, in Luzern beim Bahnhof, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Gravierender ist ein weiterer Fall. Will beispielsweise eine Kommune eine Sektenberatungsstelle finanziell unterstützen, müssen die Behörden damit rechnen, dass Scientology oder andere Sekten mit rechtlichen Mitteln dagegen ankämpfen, wie dies in Zürich passiert ist. Der Staat müsse sich laut Verfassung neutral verhalten, argumentierte sie. Auch wenn sie rechtlich nicht durchdringen, zeigen solche Verfahren Wirkung: Städte oder Kantone überlegen sich zweimal, ein rechtliches Kräftemessen mit sektenhaften Gruppen zu riskieren. Nach dem Massensuizid der Sonnentempler wurden Stimmen laut, die ein Verbot von adikalen Gruppen forderten. Das ist aus rechtlichen Gründen unmöglich – und aus sozialpolitischen Aspekten nicht wünschenswert. Die Glaubensfreiheit bleibt ein unverhandelbarer Grundwert, auch wenn er von einzelnen Sekten pervertiert wird. Wir können ihn nicht wegen radikalen Gruppen opfern.

Die Bevölkerung müsste aber auf Politiker und Behörden zählen können. Doch da hapert es gewaltig, verstecken sich diese doch auch gern hinter der Glaubensfreiheit. Die wenigsten wagen sich zu exponieren und radikalen Glaubensgemeinschaften die Stirn zu bieten, weil sie Angst vor Anfeindungen haben und befürchten, als religiös intolerant zu gelten. So treibt die Glaubensfreiheit eigenartige Blüten: Die Toleranz führt oft zu einer fahrlässigen Nachsicht. Man schaut bei Übergriffen gern weg, damit man nicht in die Situation gerät, handeln zu müssen.

Aufklärung nur Sache der Kantone?

Ein Beispiel: Nach dem Drama um die Sonnentempler befasste sich die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats volle zwei Jahre mit dem Thema ekten und suchte nach Handlungsmöglichkeiten. Das Resultat war ein dicker Bericht mit vielen Forderungen an den Bundesrat. Dieser fegte das Papier mit einem Federstrich vom Tisch: Es sei Sache der Kantone, Aufklärung und Prävention zu betreiben. Der Bundesrat bewilligte nicht einmal Gelder zur Führung eines zentralen Archivs.

Deshalb wären Massnahmen notwendig, wie wir sie beim Konsumentenschutz kennen. Zum Beispiel: Anbieter im Bereich Geistheilung oder Komplementärmedizin müssten mit ihren Klienten Verträge abschliessen, in denen die Diagnose, die Behandlungsmethoden, die Ziele, die Therapiedauer, die zu erwartenden Effekte und die Honorare definiert werden. Dann könnten sich die Patienten bei Missbrauch rechtlich wehren und die Heiler belangen.

Oder Vereine, die religiöse und spirituelle Zwecke verfolgen, müssten ihre Ziele, Methoden, Rituale, Kursangebote usw. in den Statuten definieren und neuen Mitgliedern umfangreiches Informationsmaterial abgeben. Dann wüssten die Interessenten zum vornherein, mit we sie es zu tun haben.

Hugo Stamm, Redaktor Tages-Anzeiger und Sektenexperte

Die Politik, 20.12.2012

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