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Christsein in postmoderner und multikultureller Gesellschaft


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Rolf

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Dr. Claus Müller
Schwerdstraße 1, 67346 Speyer




Christsein in einer postmodernen und multikulturellen Gesellschaft[1]



Dass sich unsere Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten massiv verändert hat und sich noch immer in einem rapiden Veränderungsprozess befindet, ist eine fast schon banale Feststellung. Auch die Schlagworte zur Kennzeichnung dieses Umbruchs sind schnell zur Hand. Dass wir in der "postmodernen und multikulturellen" Gesellschaft leben, gehört gleichfalls schon zum Standardrepertoire der Gegenwartsanalyse.

Wie jedoch inmitten dieser sich verändernden Gesellschaft Christsein überzeugend gelebt werden kann und wie Kirche unter den veränderten Rahmenbedingungen gestaltet werden soll, ist dabei jedoch alles andere als klar.[2]

Auch in den folgenden Überlegungen geht es weniger um fertige Antworten und Rezepte als vielmehr um Impulse für ein gemeinsames Nachdenken über die Chancen und die Probleme des Christseins in einer postmodernen und multikulturellen Gesellschaft.

Dazu soll zuerst einmal geklärt werden, was mit den Schlagworten "Postmoderne" und "multikulturelle Gesellschaft" überhaupt gemeint ist. In einem zweiten Schritt ist dann zu fragen, was dieser Kontext für das Christ- und Kirchesein bedeutet. Abschließend muss versucht werden, aus dieser Analyse praktische Konsequenzen zu ziehen.



1. Postmoderne und multikulturelle Gesellschaft

Moderne und Postmoderne

Was also ist mit dem häufig bemühten Schlagwort von der "postmodernen und multikulturellen Gesellschaft" gemeint? Betrachten wir uns die einzelnen Elemente näher:

Wer unsere Gegenwart als "Postmoderne" (post = lat. "nach") charakterisiert, setzt sie damit bewusst von der "Moderne" als dem bisher gültigen Paradigma ab und behauptet, dass wir in ein neues, nach-modernes "Zeitalter" eingetreten seien. Um zu verstehen, was mit "Post-moderne" gemeint ist, bedarf es daher einer Erinnerung daran, was denn die Moderne ausgezeichnet hat.

Wie bei vielen Epochenbegriffen kann man sich bereits darüber streiten wann bzw. womit die Moderne denn begonnen habe. Zumeist werden hier die Aufklärung (philosophisch) und die Französische Revolution (politisch) genannt; aber auch die naturwissenschaftliche, technische und industrielle Revolution (1687 Newtons "principia mathematica"; 1756 Watts Dampfmaschine) ist konstitutiv für das Entstehen einer "modernen" Lebenswelt. Diese ist gekennzeichnet durch eine fortschreitende Ausdifferenzierung der verschiedenen Lebens- und Gesellschaftsbereiche mitsamt ihrer jeweiligen Eigendynamik. Dem entspricht ein gewachsenes Bewusstsein der Würde des unverwechselbaren und autonomen Individuums. Die Folge dieser Entwicklungen ist ein enormer Gewinn an Freiheit und an Möglichkeiten zur Selbstentfaltung für den Einzelnen.

Bereits früh stellt sich angesichts dieser Entwicklung jedoch die Frage, was die verschiedenen auseinanderstrebenden Bereiche und Individuen noch zusammenhält bzw. wie sie zusammengehalten werden können. Deshalb kann die Moderne zugleich auch als der Versuch beschrieben werden, in der (neu entdeckten) Vielfalt und Vielheit eine (neue) Einheit zu finden. Das Mittel dazu glaubte man in der aufgeklärten autonomen Vernunft zu besitzen. Die Moderne ist daher immer auch die Suche nach der vernünftigen Gestaltung aller Lebensbereiche und dem vernünftigen Miteinander aller Menschen – in und trotz ihrer Unterschiedlichkeit.

Demgegenüber ist die Postmoderne nichts anderes als die gelebte Überzeugung, dass diese Einheitssuche der Moderne (mittels der aufgeklärten Vernunft) radikal gescheitert ist. Stattdessen gelte es, die unaufhebbare und unhintergehbare Vielfalt des Lebens uneingeschränkt zu würdigen. Der modernen Suche nach einer letzten vernünftigen Einheit in der Vielfalt wird postmodern die Unaufhebbarkeit der Pluralität entgegengesetzt. Zugespitzt formuliert: Wird modern die Einheit der Vielfalt vorgeordnet, so wird postmodern die Vielfalt der Einheit vorgeordnet.

Herkunft des Begriffs "Postmoderne"

Der Begriff "postmodern" taucht zuerst im literarischen und kunsthistorischen Kontext und vor allem in der Architektur auf und dient dort dazu, ein (unterschiedlich motiviertes) Unbehagen am herrschenden modernen Stil auszudrücken.[3]

In die breite Diskussion gelangt der Begriff jedoch vor allem durch ein Buch von Jean François Lyotard aus dem Jahr 1979 mit dem Titel "Das postmoderne Wissen".[4] Darin entwickelt Lyotard die These vom Zerbruch des (modernen) Einheitsideals. Er identifiziert drei "große Erzählungen" (Aufklärung, Idealismus, Hermeneutik), d.h. Theorien, mit deren Hilfe in der Moderne versucht wurde, einen übergreifenden Einheitsrahmen für die Vielfalt menschlicher Lebenswelt(en) zu schaffen. Diese Versuche seien jedoch alle gescheitert: Die großen Erzählungen sind "zerbrochen". Was bleibe, sei eine unaufhebbare Pluralität von heterogenen, je in sich autonomen und nicht ineinander überführbaren Sprach-, Denk- und Lebensformen. Deren uneingeschränkte Anerkennung und Würdigung sei geradezu der entscheidende Gewinn der Postmoderne. Postmoderne bedeutet nach Lyotard also vor allem die Verabschiedung eines (falschen) Einheitsideals und die uneingeschränkte Anerkennung unaufhebbarer Pluralität.[5]

Eine solche Verabschiedung des vernunftzentrierten Einheitsideals kann nun einerseits ein essayistisches, spielerisches Entwickeln von Entwürfen legitimieren und dadurch ganz neue Möglichkeiten der Kombination heterogener Elemente eröffnen. Zugleich erfahren dabei – im Gegenüber zur Rationalität – das "unmittelbare", vielgestaltige Erleben, das Fühlen und das subjektive Empfinden eine starke Aufwertung und gewinnen neue Bedeutung. Andererseits kann die Vernunftskepsis aber auch zu einer neuen Hochschätzung des Bewährten, d.h. der Tradition führen. Es gibt deshalb neben der dominierenden essayistischen, "spielerischen" Form auch eine betont konservative Spielart der Postmoderne.[6]

Wird nun auf diesem Hintergrund unsere Gesellschaft als "postmodern" charakterisiert, so wird damit also behauptet, dass es innerhalb dieser Gesellschaft eine Vielzahl heterogener Sprach-, Denk- und Lebensformen gibt – die jeweils ihr Recht haben und die sich gegebenenfalls spielerisch ausprobieren und kombinieren lassen –, die sich jedoch nicht durch eine übergeordnete Rahmentheorie (oder -erzählung) vereinheitlichen lassen. Eine postmoderne Gesellschaft zeichnet sich durch ein unaufhebbares, plurales Neben-, Mit- und Gegeneinander verschiedener, zum Teil konträrer Paradigmen aus.

Kultur und multikulturell

Ähnliches beinhaltet das Schlagwort von der "multikulturellen Gesellschaft". Nach der Definition der Großen Brockhaus-Enzyklopädie kann mit dem Begriff Kultur "in seiner weitesten Verwendung … alles bezeichnet werden, was der Mensch geschaffen hat, was also nicht naturgegeben ist. … In einem engeren, auch traditionell so vorgegebenen Sinn bezeichnet K[ultur] die Handlungsbereiche, in denen der Mensch auf Dauer angelegte, einen individuellen und kollektiven Sinnzusammenhang gestaltende Produkte, Produktionsformen, Lebensstile, Verhaltensweisen und Leitvorstellungen hervorzubringen vermag, die dann im Sinne einer Wertordnung oder eines Formenbestandes das weitere Handeln steuern und auch strukturieren können."[7] Kultur ist also einerseits Produkt menschlichen Handelns, "steuert und strukturiert" es aber andererseits wiederum.

"Multikulturell" bedeutet dementsprechend das Miteinander von Menschen und Gruppen mit verschiedenen kulturellen Prägungen in einer Gesellschaft. Das Schlagwort von der "multikulturellen Gesellschaft" erweist sich damit in seinem Kern (wiederum mit der Brockhaus Enzyklopädie) als ein "sozialwiss[enschaftlicher] und polit[ischer] Begriff, der seinen wesentl[lichen] Bezugspunkt darin hat, dass unter den Bedingungen weltweiter Migration zunehmend mehr Menschen sehr unterschiedlicher kultureller Orientierung, individueller Wertvorstellungen, religiöser Bekenntnisse, ethn[ischer] Herkunft und Muttersprache zusammenleben bzw. aufeinander treffen und die wechselseitige Achtung und Anerkennung dieser kulturellen Muster und Leitvorstellungen für die Gesellschaft ständige Herausforderung und polit[ische]Aufgabe zugleich ist." [8]

Die Diskussion um die multikulturelle Gesellschaft ist deshalb immer zugleich mit der Frage verknüpft, wie dieses Miteinander von Menschen mit verschiedenen kulturellen Prägungen funktionieren und konkret ge­staltet werden kann. Diese "Herausforderung und Aufgabe" erweist sich insbesondere dann als schwierig, wenn man über die rein rechtliche Dimension (z.B. die Basis des Grundgesetzes) hinaus nach der Gestaltung des alltäglichen Miteinanders (Sprache, Gebräuche etc.) fragt. Politisch wird dieses Problem zurzeit insbesondere im Zusammenhang der Diskussion über Migration und Integration erörtert: Wie sollen Menschen aus verschiedenen Kulturen in Deutschland zusammenleben? Wie sollen und können Menschen mit Migrationshintergrund in unsere Gesellschaft "integriert" werden? Und wohinein sollen sie integriert werden? Gibt es so etwas wie eine Leitkultur?[9]

Die Konzentration auf die Integrationsfrage stellt jedoch eine Verengung dar. Denn auch das, was immer man als deutsche "Mehrheits-" oder "Leitkultur" bezeichnen könnte, zerfällt bei näherem Hinsehen in eine Vielzahl von Kulturen. In der Soziologie spricht man hier von einer Vielzahl von "Milieus" und bezeichnet damit Teile einer Gesellschaft, die eine gemeinsame Lebensweise, einen gemeinsamen Lebensstil bzw. ein gemeinsames Lebensgefühl teilen.[10] Innerhalb eines Milieus gelten ähnliche Wertvorstellungen, ähnliche Lebensentwürfe, ähnliche Prestigeobjekte, man teilt einen ähnlichen dress-code und sogar ähnliche Freizeitinteressen. Während die einen z.B. in die Oper gehen, gehen die anderen in die Disco und die dritten zum Volksmusikfest. Innerhalb der Gesellschaft gibt es verschiedene Gruppen, deren "Kultur" sich deutlich voneinander unterscheidet. Etwas provozierend könnte man durchaus fragen: Was haben denn ein 55-jähriger Spitzenmanager und ein arbeitsloser Jugendlicher ohne Schulabschluss wirklich noch gemeinsam? Unterscheiden sich ihre Lebensweise und ihr Lebensgefühl nicht grundlegend?

Gesellschaft

Damit kommen wir aber wiederum auf das Grundproblem zurück: Anerkennt man die unaufhebbare Pluralität von Lebens-, Denk und Sprechweisen, von Lebensstilen sowie Lebensgefühlen und anerkennt man, dass es nicht die eine übergeordnete Idee, Theorie oder Institution gibt, die alle und alles integriert, dann stellt sich die Frage, was eine postmoderne und multikulturelle Gesellschaft überhaupt zusammenhält. Was hält die differierenden Milieus und Kulturen zusammen? Was hält Menschen mit unterschiedlichen Lebens-, Denk- und Sprechweisen, aber auch die verschiedenen Teilbereiche einer Gesellschaft (z.B. Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft etc.) zusammen, so dass man überhaupt von einer Gesellschaft bzw. von einer Gesellschaft sprechen kann?

"Gesellschaft" bedeutet (wieder mit dem Brockhaus) von seiner etymologischen Wurzel her "eine räumlich-zeitlich koordinierte Anwesenheit, also das Zusammenleben bzw. eine auf zeitl[iche] Dauer angelegte Interdependenz von Menschen (Lebewesen), die durch deren gemeinsame Teilhabe an einem Raum und ein dadurch zustande kommendes Funktionsgefüge konstituiert wird".[11] Die räumliche Komponente habe dabei jedoch im Laufe der Zeit an Bedeutung verloren, so dass der Akzent heute mehr auf "Verbindung und Interaktion" liege.[12]

Es sind nun aber genau dieses Zusammenleben bzw. das Moment des Gemeinsamen, das heute problematisch geworden ist. Jede Gesellschaft muss klären, wie sich in ihr Vielheit und Einheit, Individualität und Gemeinschaft, Freiheit und Verbindlichkeit, Eigenverantwortung und Solidarität zueinander verhalten sollen. Wird dabei nun postmodern der Pol der Pluralität programmatisch vorgeordnet und wird die Multikulturalität der Gesellschaft betont, so stellt sich im Gegenzug eben besonders die Frage nach der Einheit und dem Zusammenhalt der Gemeinschaft bzw. des sozialen Systems. Genau dieses Problem diskutieren wir aber zurzeit in Deutschland in den verschiedensten Kontexten (z.B. Integration, Bildung, Sozialsysteme). Eine Lösung ist freilich noch nicht in Sicht…

Auch als Christen können wir keine einfachen Lösungen präsentieren. Wir haben vielmehr selbst Anteil an der Postmodernität und multikulturellen Verfasstheit unserer Lebenswelt. Gerade deshalb stellt sich ja überhaupt erst die Frage, wie wir Christsein in einer postmodernen und multikulturellen Gesellschaft leben können und sollen.



2. Christsein und Postmoderne

Christsein

Was bedeutet aber eigentlich "Christsein"? Wer oder was ist eigentlich ein Christ, eine Christin? Sprechen wir, wenn wir von Christen reden, von allen Getauften? Von allen Kirchenmitgliedern? Von den Angehörigen einer bestimmten Konfession? Von den regelmäßigen Gottesdienstbesuchern? Diese Frage muss im Vorfeld geklärt werden.

Eine bewusst sehr offene Definition von Christsein bietet die Basisformel der "Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen" (ACK).[13] Diese erklärt für die der ACK angeschlossenen christlichen Kirchen: Diese "bekennen den Herrn Jesus Christus gemäß der Heiligen Schrift als Gott und Heiland und trachten darum gemeinsam zu erfüllen, wozu sie berufen sind, zur Ehre Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes."[14]

Was das konkret und im Einzelnen bedeutet, genau darum ringen die ACK-Kirchen – gerade auch in ihrer konfessionellen Unterschiedlichkeit. Dennoch bietet die Basisformel einen Orientierungsrahmen dafür, was "christlich" ist (weshalb sich manche Gemeinschaften der ACK eben auch nicht anschließen können).

Im Blick auf den Einzelnen scheint es mir jedoch darüber hinaus sinnvoll, das Stichwort "Bekennen" durch den Begriff "Glauben" zu präzisieren, und Glauben wiederum im Sinne eines "existenzbestimmenden Vertrauens" zu verstehen.[15] Christsein bedeutet dann, darauf zu vertrauen, dass Christus tatsächlich "gemäß der Heiligen Schrift … Gott und Heiland" ist, und davon sich selbst, sein Handeln und Leben bestimmen zu lassen.

Es sei nochmals betont: Auch als Christen sind wir Teil dieser multikulturellen und postmodernen Gesellschaft und Welt – selbst dann, wenn sich manche ihr verweigern wollen. Wir partizipieren alle (bewusst oder unbewusst) an vielen postmodernen Denk-, Sprach- und Verhaltensmustern. Wir begegnen täglich Menschen verschiedenster kultureller Prägung, und schließlich sind auch "die" Christen kein monolithischer Block, sondern in sich selbst höchst unterschiedlich und vielfältig, verschiedenen Milieus und Kulturen entstammend.

Christsein in der Postmoderne: Chancen

Was können wir nun als Christen an der Postmoderne und der Multikulturalität positiv würdigen?[16]

- Zum einen ist zu würdigen, dass hier mit der Erkenntnis ernst gemacht wird, dass Menschen, ihre Lebensweisen und ihre Kultur(en) bunt und vielgestaltig sind – auch innerhalb unserer nächsten Umgebung. Das entspricht der Vielfalt der Menschen, denen wir tagtäglich begegnen. Es entspricht der faktischen Vielgestaltigkeit auch christlichen Lebens und Glaubens. Und es entspricht biblischer Anthropologie (siehe unten).

- Zum anderen scheint mir die postmoderne Einsicht wichtig, dass es in unserem Leben, in unseren Gemeinden, in unserer Gesellschaft und unserer Welt, Spannungen, Widersprüche und Brüche gibt, die nicht einfach (von einer höheren Warte aus) aufgelöst werden können. Sie müssen auch nicht bloß (negativ) als Zeichen einer gefallenen Schöpfung "ertragen" werden, sondern können sich umgekehrt geradezu als höchst fruchtbar erweisen. Brüche, Spannungen und Übergänge bergen ein enormes kreatives Potential in sich.[17]

- Des Weiteren eröffnet die verschärfte Wahrnehmung der Grenzen der Vernunft eine neue Würdigung anderer, nichtrational(istisch)er Erfahrungszugänge und Erfahrungswelten. Lange verpönte Begriffe wie "das Heilige", "Mystik" oder "Spiritualität" erfahren eine neue Aufmerksamkeit und bereichern Theologie und Glaubensleben.[18]

- Schließlich hat die Anerkennung postmoderner Pluralität auch Konsequenzen für den Status des christlichen Glauben bzw. der Kirche in einer (säkularen) Gesellschaft: Zwar kann man einerseits nicht einfach (mehr) von einem christlichen Gepräge unserer Gesellschaft ausgehen und dieses als gegeben voraussetzen; andererseits muss eine liberale, plurale und multikulturelle Gesellschaft auch für die Option "christlicher Glaube" offen sein. Damit kann christlicher Glaube in einer postmodernen Gesellschaft ein unbestreitbares Recht und einen Platz beanspruchen.[19]

Anknüpfungsmöglichkeiten in der christlichen Tradition

Die Einsichten der Postmoderne lassen sich dabei durchaus auch theologisch fundieren bzw. übersetzen.

- Zum einen wusste (jüdisch-)christliche Theologie im Blick auf ihren letzten Bezugspunkt, im Blick auf Gott selbst, schon immer, dass er größer ist als all unsere Vorstellungen und Begriffe von ihm. Reden und Nachdenken über Gott war deshalb schon immer offen für eine Vielzahl unterschiedlicher Bilder und Vergleiche, ja für Widersprüche, Spannungen, die sich nicht einfach auflösen oder aufheben lassen. Ihren deutlichsten Ausdruck findet diese Einsicht in die Grenzen eines "Einheitsdenkens" in der Trinitätslehre. Sie behauptet, dass der eine Gott paradoxerweise drei Personen, nämlich Vater, Sohn und Geist, ist, die jedoch wiederum eins sind. Gott ist damit in sich selbst plural – und doch einer.

- Zum anderen ist der christliche Gott gerade nicht ein Gott, der losgelöst von allem, über allem als letzter unbewegter Einheitspunkt thront (so Aristoteles), sondern vielmehr ein Gott, der sich in die Geschichte "einmischt", ein Gott, der selbst Übergänge, Brüche und Spannungen provoziert. Die Bibel ist voll von Geschichten des Auf-Bruchs und des Übergangs: vom Exodus bis zum babylonischen Exil, von Jesu Jüngerberufung bis zum Missionsbefehl, von der Bekehrung des Saulus bis zur paradoxen Erkenntnis das Paulus, dass Gott in den Schwachen mächtig ist. Vor allem aber: Gott selbst begibt sich hinein in die Brüche, Spannungen und Widersprüche dieser Welt. Er wird selbst Mensch und "zerbricht" am Ende am Kreuz. Das Kreuz als Symbol des Zerbruchs steht im Zentrum christlichen Glaubens. An ihm zerbrechen auch alle theistischen Gottesvorstellungen und idealistischen Absolutheitskonzeptionen.[20] Auch die Auferstehung bedeutet nicht einfach eine Wiederherstellung der göttlichen Absolutheit, sondern ist vielmehr selbst wiederum Auf-Bruch, Übergang und Neu-Schöpfung.

- Und schließlich: Gott ist selbst ein Gott der Vielfalt. Dies spiegelt sich nicht nur in der Vielfalt der Schöpfung wider, sondern kommt vor allem im Wirken des Heiligen Geistes zum Ausdruck. An Pfingsten wird er ausgegossen unter die Völker und die Jünger beginnen in den verschiedensten Sprachen zu predigen (Apg. 2). Das Evangelium wird so in die verschiedensten Sprachwelten und Kulturen inkulturiert. Ebenso rühmt Paulus im Blick auf die Gemeinde die Vielfalt der unterschiedlichen Geistesgaben. Der Geist Gottes wirkt in den verschiedensten Menschen auf unterschiedlichste Weise zum Wohle aller (1. Kor 12). Von Anbeginn an ist die christliche Glaubengemeinschaft in sich bunt und vielfältig. Diese Vielgestaltigkeit des Glaubens setzt sich dann in der Kirchengeschichte in spannungsreicher Weise bis heute fort.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die jüdisch-christliche Tradition ist an vielen Stellen offen für ein Denken, das die Pluralität, die Verschiedenheit, das Spannungsreiche und Widersprüchliche ins Zentrum rückt.

Christsein in der Postmoderne: Anfragen

Dass wir als Christen viele postmoderne Einsichten und Gegebenheiten positiv würdigen können, bedeutet jedoch nicht, dass wir alle Entwicklungen unkritisch akzeptieren müssen. Insbesondere ist die Wertschätzung von Vielfalt und Pluralität nicht gleichbedeutend mit einem Plädoyer für Beliebigkeit. "Anything goes" ("Alles ist möglich!") lautet deren (freilich aus dem ursprünglichen wissenschaftstheoretischen Zusammenhang gerissenes) Schlagwort.[21] "Alles ist möglich", denn es gibt keine gemeinsame, verbindliche Grundlage, sondern nur noch unterschiedliche, gleichberechtigte und somit in das freie Belieben des Einzelnen gestellte Optionen. "Alles ist möglich", denn es gibt keinen gemeinsamen bzw. gar keinen übergeordneten Maßstab, von dem aus entschieden werden könnte, was geht oder was eben nicht geht.

Doch ist eine solche Position(?!) nicht in sich selbst widersprüchlich? Sind wirklich alle Optionen, Möglichkeiten und Variationen einfach gleich gut, sinnvoll, nützlich? Man kann selbstverständlich über die verschiedenen Möglichkeiten und auch über die Maßstäbe ihrer Beurteilung streiten. Ist jedoch alles beliebig, d.h. alles möglich, sinnvoll und erlaubt, braucht man sich freilich auch gar nicht mehr zu streiten, – hat aber dann auch keine Möglichkeit mehr, eine Option begründet vorzuziehen oder abzulehnen. Jede Argumentation kann ja höchstens momentane und subjektive Plausibilität beanspruchen.

Ist alles beliebig, wird aber nicht nur die Idee der (die einzelne subjektive Meinung transzendierenden und korrigierenden) Wahrheit obsolet, sondern vor allem bleibt die Frage der übergreifenden Gerechtigkeit und der Solidarität auf der Strecke. Wie soll – wenn wirklich jedem alles möglich und erlaubt wäre – menschliches Zusammenleben funktionieren? Warum sollte man seine eigenen Präferenzen nicht einfach mit Gewalt durchsetzen?[22]

Ein absolut gesetzter Pluralismus führt sich selbst ad absurdum. Wenigstens um des Zusammenlebens willen bedarf es eines Mindestmaßes an gemeinsamen Maßstäben – zumindest als Ideal. Dies gilt umso mehr, je mehr die Welt "zusammenrückt" und sich als globale Schicksalsgemeinschaft begreift.

Im Blick auf Religion und Glaube verschärft sich die Problematik zusätzlich: Zum einen haben wir Glaube als "existenzbestimmendes Vertrauen" definiert. Als solches ist es aber gerade nicht beliebig variabel oder austauschbar. Der Glaubende glaubt eben nicht alles und nicht irgendetwas, sondern eine bestimmte Sache bzw. einer bestimmten Person. Auf diese setzt er sein Vertrauen. Anderes hält er demgegenüber jedoch nicht für glaub- und vertrauenswürdig. Zugleich ist der Glauben für den Glaubenden nicht beliebig verhandelbar – schließlich bauen genau auf ihm der Sinn und die Orientierung der eigenen Existenz. Hinzu kommt, dass mindestens den Weltreligionen (allen!) ein universalistischer Anspruch innewohnt: Sie behaupten, dass, was sie glauben und somit als wahr erachten, nicht nur für die eigenen Gläubigen, sondern für alle Menschen Gültigkeit bzw. Relevanz besitzt.

Im Christentum kommt dieser Anspruch paradigmatisch im Spruch des johanneischen Christus zum Ausdruck: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich" (Joh 14, 6). Alle Versuche, diesen Spruch relativierend zu interpretieren, brechen ihm die Spitze ab; er soll gerade einen Exklusivanspruch Christi zum Ausdruck bringen. Dieser Überzeugung von der universalen Gültigkeit des Christusereignisses entspricht der missionarische Charakter, der das Christentum von Anfang an auszeichnet (Mt 28, 18ff).

Positioneller Pluralismus

Das Festhalten an der eigenen Glaubensüberzeugung muss jedoch nicht per se mit Intoleranz und Diskriminierung anderer einhergehen. So hat z.B. der Heidelberger Theologieprofessor Wilfried Härle versucht die Spannung zwischen eigener Glaubensüberzeugung, faktischem Pluralismus sowie der Achtung der Überzeugung anderer in einem Konzept des positionellen Pluralismus zu verbinden.[23] Er stellt die doppelte Forderung auf: Das eigene Wahrheitsbewusstsein besitzt unbedingte Geltung! Und: Die fremden Wahrheitsansprüche verdienen unbedingte Achtung! Man kann die eigenen Glaubens- und Wahrheitsüberzeugungen nicht einfach aufheben, ohne sich selbst zu verleugnen. Trotzdem kann man andere Überzeugungen achten! Beides zusammen bildet m.E. überhaupt erst die Grundlage für einen ernsthaften Dialog.

Somit lässt sich festhalten: Als Christen partizipieren wir nicht nur an vielen Entwicklungen und Einsichten unserer postmodernen und multikulturellen Gesellschaft, sondern können daran auch positiv anknüpfen – ohne jedoch alles unkritisch gut heißen zu müssen.



3. Christsein in einer postmodernen und multikulturellen Gesellschaft: Konsequenzen

Welche konkreten, praktischen Konsequenzen ergeben sich nun aus der Feststellung, dass wir als einzelne Christen, als Gemeinden und als Kirchen in einer postmodernen und multikulturellen Welt leben und Anteil an ihr haben?

Der und die Einzelne

Für den Einzelnen heißt das zunächst, dass wir unser Christsein tagtäglich in unterschiedlichen Kontexten (Beruf, Familie, Verein, Gemeinde) und in der Begegnung mit unterschiedlichen "Kulturen" leben, die sich nicht einfach zur Deckung bringen lassen und teilweise sogar in Spannung zueinander stehen. Dieses alltägliche Leben in und mit verschiedenen Kulturen erfordert nicht nur Sensibilität und Flexibilität, sondern wird auch unserem eigenen Christsein in den je unterschiedlichen Kontexten eine unterschiedliche Färbung geben – ohne dass es damit aufhörte unser je eigenes Christsein zu sein. Im Kontext der Familie, besonders bei der Erziehung und Glaubensweitergabe an Kinder, werden andere Aspekte des christlichen Glaubens im Vordergrund stehen als in den ethischen Entscheidungen der Berufswelt. In der Begegnung mit muslimischen Nachbarn sind andere Fragen wichtig als in gemeindeinternen Diskussionen über Gottesdienstgestaltung. Dabei gehören Spannungen, Brüche und sogar Widersprüche nicht nur zum Leben, sondern auch zum Glaubensleben dazu. Diese Einsicht befreit uns von der Diktatur des Perfekten und Identischen auch in Glaubensangelegenheiten.[24] Die Spannungen zwischen den einzelnen Bereichen und Kontexten und die unterschiedliche Akzentuierung des Christseins in ihnen wahrnehmen und eingestehen zu können, ja fruchtbar zu machen, ohne gleich eine (integrative) Lösung parat haben zu müssen, gehört zu den Stärken postmodernen Lebensverständnisses. Dass der eigene Glaube Spannungen und Brüche aufweist und aufweisen darf, macht ihn nicht nur viel spannender und fruchtbarer, sondern entspricht auch unserem Status als "Auf-dem-Weg-Seiende", die vom Kreuz herkommen und auf Erlösung warten.

Die Herausforderung für den einzelnen besteht dann zum einen darin, diese Spannungen und Brüche auszuhalten, ohne zu "zerreißen", d.h. zu versuchen, sie zu integrieren, ohne eine völlige Auflösung zu erwarten. Zum anderen gilt es eine Balance zwischen Lernbereitschaft sowie Offenheit für Andere(s) einerseits und Gewissheit des Eigenen andererseits zu finden. Wir brauchen Mut zu beiden: Mut zur Verbindlichkeit und zum engagierten Beziehen von Standpunkten, aber auch Mut zur Offenheit, zur Revision und zu spielerischen Versuchen. Die Kunst ist es beides zusammenzuhalten. [25] Doch dafür gibt es kein Patentrezept – und es wird auch immer nur fragmentarisch gelingen.

Gemeinde

Unseren Gemeinden stellt sich in dieser Situation die grundlegende Frage nach ihrem Selbstverständnis: Soll Gemeinde eine homogene Gruppe oder soll Gemeinde eine Gemeinschaft von Christen unterschiedlicher Milieus und Kulturen sein? Wie viel Unterschiedlichkeit – des geglaubten und gelebten Christseins, aber auch der Lebensstile – können unsere Gemeinden umfassen und integrieren? Wie viel Homogenität muss sein, um noch von einer Gemeinde reden zu können? Wollen wir (weiterhin) Parochialgemeinden, die (mindestens dem Anspruch nach) zuständig und offen für alle (evangelischen) Christen eines bestimmten Gebietes sind – oder wollen wir Personalgemeinden, in denen sich Menschen mit ähnlichen Frömmigkeitsstilen versammeln. Oder gar beides? Hat die Volkskirche noch eine Zukunft oder befinden wir uns schon mitten im Umbau zur Freikirche? Bekanntlich sinken nicht nur die Mitgliederzahlen und repräsentieren unsere Gemeinden sowieso nur einen Teil der Christen eines Gebietes; faktisch bestehen auch unsere Kerngemeinden zumeist aus einer relativ homogenen bürgerlichen Mittelschicht, so dass man zu Recht von einer Milieuverengung sprechen kann.[26]

Will man dieser Verengung gegensteuern und zugleich eine Zersplitterung in viele (im eigenen Saft schmorenden) Milieugemeinden vermeiden, so stellt sich die Frage: Wie muss Gemeinde aussehen, damit viele unterschiedliche Christen in ihr eine geistliche Heimat und Gemeinschaft finden, dabei aber zugleich anderen begegnen und sich gegenseitig bereichern können? Zweifellos ist es eine Illusion, alle Veranstaltungen einer Kirchengemeinde für alle Gemeindeglieder und Außenstehende interessant und ansprechend gestalten zu können, dafür sind die (Milieu-)Unterschiede zu groß.

Eine für viele attraktive und offene Gemeinde wird daher ein breites Spektrum an Gottesdiensten, Veranstaltungen, Aktionen, Gruppen und Kreisen bieten müssen, aber zugleich versuchen, Begegnungs- und Kontaktmöglichkeiten zu schaffen, um die verschiedenen Gruppen miteinander zu verknüpfen. Dazu bedarf es freilich der aktiven Mitarbeit vieler, der Entwicklung eines Zusammengehörigkeitsbewusstseins (trotz Unterschieden), sowie die Bereitschaft, sich auf die Begegnung mit anderen und anderem einzulassen. Auch eine Gemeinde wird lernen müssen mit Spannungen zu leben…

Freilich wird die Einzelgemeinde bei ihren Diversifikationsbemühungen an Grenzen stoßen. Auch eine Gemeinde kann nicht alles für alle anbieten. Einerseits sind daher Schwerpunktbildungen unumgänglich, – die aber als solche auch bewusst gestaltet und verantwortet werden sollten. Andererseits bedarf es dann aber auch der freimütigen Kooperation zwischen verschiedenen Gemeinden, um ein breites Angebot zu gewährleisten. Die gestiegene Mobilität unserer Gesellschaft erleichtert dabei sicherlich eine Kooperation auch über eine "größere" Entfernung (= die Stadtteil- oder Dorfgrenze) hinweg. Die einzelnen Gemeinden stehen damit vor der komplexen Aufgabe "Grundversorgung", diversifizierte Angebote mit Schwerpunktbildung und Kooperationen mit anderen auszubalancieren.

– Eine hilfreiche Leitmetapher für die zukünftige Gemeindentwicklung scheint mir dabei die der Gemeinde als Netzwerk zu sein. Ein Netz zeichnet sich durch vielfältige Verbindungsstränge aus, die eine Vielzahl an Knotenpunkten bilden. Dabei gibt es zwar nicht das eine Zentrum, jedoch können in verschiedenen Kontenpunkten unterschiedlich viele Verbindungsstränge zusammenlaufen, sodass es durchaus "zentrale" Kontenpunkte geben kann. Ein Netzwerk muss zudem nicht statisch gedacht werden, sondern kann ein dynamisches, sich entwickelndes Gebilde darstellen, in dem neue Verbindungen geknüpft, bestehende Verbindungen verstärkt bzw. reduziert werden. Auch Gemeinde lässt sich als ein solches dynamisches Netzwerk verstehen. Je nach Focus können entweder die Menschen als Knotenpunkte verstanden werden, die untereinander auf vielfältige Wiese verknüpft sind (gemeinsame Veranstaltungen, institutionelle Rahmenbedingungen, Gemeindebrief…). Oder umgekehrt: Die Veranstaltungen (insbesondere auch der Gottesdienst) und Einrichtungen der Kirchengemeinde werden als Knotenpunkte verstanden, die durch die verschiedenen daran teilhabenden und teilnehmenden Menschen untereinander verbunden sind. Dieses Leitbild von der Gemeinde als Netzwerk scheint mir am besten geeignet Vielfalt und Einheit (Zusammenheghörigkeit) zusammenzudenken.

Zudem kann in einer erweiterten Perspektive jede Gemeinde selbst wiederum als Teil größerer Netzwerke (Dekanat, Landeskirche etc, aber auch kommunale und gesellschaftliche Strukturen) verstanden werden. Innerhalb dieser stellt sich (mutatis mutandis) das Problem von (postmodernen und multikultureller) Pluralität und Einheit (Zusammenhalt) freilich auf analoge Weise. Deshalb bedarf es immer auch des Blicks über die engeren Parochialgrenzen hinaus auf diese größeren Zusammenhänge.

Ökumene

Das Problem der Spannung von Vielfalt und Zusammengehörigkeit (ohne Möglichkeit, diese Spannung einfach "aufzuheben") stellt sich den christlichen Kirchen stets in der ökumenischen Begegnung. Die Differenzen zwischen den verschiedenen Kirchen entspringen einerseits Kultur- und Mentalitätsunterschieden, andererseits aber auch Lehrunterschieden. Die differenzierende Kraft beider Momente ist dabei nicht zu unterschätzen.[27] Man könnte nun die Situation der Ökumene (zumindest in Deutschland) geradezu als paradigmatisch postmodern bezeichnen, denn es ist zwischen den verschiedenen Kirchen zutiefst umstritten, wie die Einheit der Vielfalt der Kirche(n) aussehen soll: Während für die katholische Kirche eine organisatorische Einheit (unter dem Papsttum) wesentlich ist, bedarf es einer solchen nach evangelischem Verständnis nicht, vielmehr genügt ein Grundkonsenses in zentralen Glaubensfragen (trotz unterschiedlicher Akzentsetzung im Einzelnen).[28] Damit ist aber das, was Einheit ist und heißen soll, also die Idee von Einheit, selbst strittig – und damit auch das Ziel ökumenischer Annäherung.

Trotzdem findet gerade auf lokaler Ebene und im begrenzten Rahmen fruchtbare ökumenische Zusammenarbeit statt – ohne letzte Einigung im Prinzipiellen. Vielleicht bedeutet Ökumene in der Postmoderne geradezu den Mut zur Anerkennung der (bleibenden?) Differenzen bei gleichzeitiger Würdigung der gegebenen Übereinstimmungen und der Bereitschaft zur weitest möglichen praktischen Zusammenarbeit. Ökumenische Arbeit und Begegnung wäre dann von einem falschen Einheitsdruck und auch von einem leichtfertigen Verwischen des Unterschiedlichen befreit. Auch für die Ökumene gelten die Forderungen des positionellen Pluralismus! Vielleicht bedeutet Ökumene in der Postmoderne Mut zur fragmentarischen Ökumene.

Ganz praktisch stellt sich auch hier die Frage, wo Differenzierung (und Spezialisierung) zwischen den Kirchen sinnvoll und notwendig und wo sie abträglich ist. Wo können wir voneinander lernen und wo müssen wir miteinander streiten? Und: Wie können wir miteinander kooperieren und zugleich miteinander streiten?

Interreligiöser Dialog und Mission

Ähnliches gilt für den Dialog und das Zusammenleben mit Menschen anderer Religion bzw. Weltanschauung. Können sich die verschiedenen christlichen Konfessionen noch auf einen gemeinsame Ausgangspunkt berufen, nämlich die Offenbarung Gottes in Jesus Christus, so muss im Dialog mit anderen Religionen und Weltanschauungen eine solche gemeinsame (Gesprächs- und Arbeits-)Basis überhaupt erst geschaffen bzw. gefunden werden.

Dabei erweist sich der Versuch, die Spezifika der Religionen in einen allgemeinen Religionsbegriff aufzulösen (nach dem Motto: "Wir glauben ja alle irgendwie an einen Gott", oder gar: "Wir glauben ja alle an irgendetwas") insofern als unbefriedigend, weil er die faktisch vorhandenen Differenzen leichtfertig überspielt, anstatt sie fruchtbar zu machen. – Das Problem ist ja gerade die genaue Bestimmung und die widersprüchliche Füllung des "irgendwie" bzw. des "irgendetwas". – Dadurch wird die religiöse und geschichtliche Besonderheit der jeweiligen Religionen eben nicht gewürdigt, sondern vielmehr als "unwesentlich" abqualifiziert.

Demgegenüber würde es m.E. den Dialog der Religionen erheblich erleichtern, wenn jede (Welt-)Religion (und Weltanschauung) den ihr innewohnenden universalen Anspruch auch nach außen klar formulieren und eingestehen würde und man dann auf dieser Basis miteinander ins Gespräch kommt. Denn nochmals: Dialog setzt (wie fragmentarisch auch immer) Identität voraus und zugleich die Bereitschaft, (trotzdem) etwas vom anderen zu lernen. Trotz des Festhaltens am eigenen Anspruch lässt sich eingestehen, dass es auch bei anderen Religionen Lebensdienliches und Erkenntnis des Wahren geben kann und dass die eigene Erkenntnis (von deren Wahrheit man dennoch überzeugt sein darf) fragmentarisch ist – da Gott eben immer größer ist als unsere Erkenntnis.

Die Notwendigkeit eines solchen Dialogs ergibt sich vielleicht noch nicht aus der bloßen Tatsache einer multikulturellen Gesellschaft an sich – man kann ja auch in Subkulturen gegeneinander oder nebeneinanderher leben –, aber sicherlich aus dem Ziel eines guten oder gelingenden (oder gar eines sich gegenseitig bereichernden) Zusammenlebens.[29]

Der Missionswissenschaftler Theodor Sundermeier hat deshalb den interreligiösen Dialog rückgebunden an das konkrete, alltägliche Zusammenleben, die "Konvivenz".[30] Das alltägliche Miteinander, das gemeinsame Teilen von Hoffnung, Arbeit, Fest und Feiern fordert und fördert, ermöglicht und erdet den Dialog und ist zugleich wiederum Ziel des Austauschs. Die Erfordernis und Dringlichkeit der Pflege interreligiöser Konvivenz lässt sich mit Hans Küng auf die prägnante Formel bringen: Kein Weltfriede ohne Religionsfriede. Kein Religionsfriede ohne Dialog zwischen den Religionen. Kein Dialog ohne genaue Kenntnis voneinander.[31] So verstanden ist bewusst gepflegte Konvivenz Weltfriedensarbeit.

Gerade hier haben unsere Gemeinden sicherlich noch einen enormen Lern- und Nachholbedarf. Müssten Kirchengemeinden nicht auch Orte interreligiöser Begegnung werden? Müssten sie nicht geradezu Vorreiter einer Kultur interreligiöser Gastfreundschaft werden? Dann müssen wir freilich lernen, die anderen bewusster wahrzunehmen, Kontakte zu suchen, das Miteinander zu gestalten und den Dialog nicht zu scheuen.

Im Sinne eines gemeinsamen Ringens um Wahrheit und um das Lebensdienliche sind Konvivenz, Dialog und Mission kein Widerspruch, sondern gehören geradezu zusammen, nämlich dann, wenn Mission nicht als gewaltsames Aufzwingen oder trickreiches Überreden verstanden wird, sondern als offenes Zeugnis vom und durch den eigenen Glauben und dessen Lebensvollzug und als freimütiges Werben für das, worauf man selbst existenzbestimmend vertraut. Ein ernsthaftes gemeinsames Ringen und Suchen muss gerade über ein bloßes Zur-Kenntnis-Nehmen des anderen und einen reinen Meinungsaustausch hinausgehen und bedarf des friedlichen (!) Wettstreits der Weltanschauungen und Lebensgestaltungen. So verstanden gehört Mission als Zeugnis und Weitersagen des Evangeliums nicht nur fundamental zum christlichen Glauben dazu (Mt 28), sondern ist Mission als Teilnahme am gemeinsamen Gestaltungsbemühen geradezu von allen Religionsgemeinschaften zu fordern. Allerdings müssen die Mittel und Methoden friedlich und fair bleiben. Insofern ist z.B. die Debatte darum, ob ein Minarett höher als der Kirchturm sein darf, eher ein Zeichen für das mangelnde Vertrauen in die "Wettbewerbsfähigkeit" der eigenen christlichen Glaubensüberzeugung denn eine mutige Verteidigung des "christlichen Abendlandes".

Angesichts schrumpfender Mitgliederzahlen ist in den letzten Jahren das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines missionarischen Aufbruchs in unserer Kirche und unseren Gemeinden gewachsen. Verschiedene Synoden (bahnbrechend die EKD-Synode 1999 in Leipzig) haben sich dieses Themas angenommen. Diesem neuen missionarischen Bewusstsein und dem verstärkten evangelistischen Bemühen kommt freilich die vielfach konstatierte "Rückkehr der Religion", d.h. ein neues Interesse an religiösen Themen (im weitesten Sinne), entgegen.[32] Man kann diese neue Offenheit für religiöse Fragen als Reaktion auf eine immer komplizierter werdende und technisch-verwaltete Welt verstehen; zumindest erscheinen unter dem Vorzeichen postmoderner Pluralität jetzt auch religiöse Antworten (wieder) möglich und legitim. Das neue religiöse Interesse führt jedoch zumeist nicht in die klassische Institution "Kirche" zurück, sondern sucht sich andere Formen und Foren bzw. verharrt zumindest in einer gewissen Distanz zur "Amtskirche". Dennoch stellt die Renaissance der Religion eine große Chance dar und bietet vielfältige Anknüpfungsmöglichkeiten, um den Glauben neu ins Gespräch zu bringen.

Entsprechend wurden in den letzten Jahren eine Vielzahl von Missions- bzw. Evangelisationskonzeptionen entwickelt, die versuchen der veränderten, d.h. der postmodernen und multikulturellen Situation Rechnung zu tragen.[33] So wird z.B. ein zeitgemäßes Werben für den christlichen Glauben sicherlich gleichfalls zielgruppensensibel konzipiert sein müssen. Auch die starke Erlebnisorientierung großer Gesellschaftsteile sowie die Bedeutung von Gemeinschaftserfahrungen bei der Vermittlung und Einübung christlichen Glaubens und Lebens werden hier zu berücksichtigen sein.[34]

Die Konzepte für eine missionarische Kirche in der Postmoderne sind vorhanden. Entscheidend ist aber, dass unsere Gemeinden Mission und Evangelisation endlich als ihre ureigenste Aufgabe erkennen und aktiv wahrnehmen.

Kirche in der Zivilgesellschaft

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass Kirche über ihre religiöse Aufgabe im engeren Sinne hinaus wichtige Funktionen für eine sich immer weiter ausdifferenzierende Zivilgesellschaft wahrnimmt:[35] Zivilgesellschaft meint hier eine Gesellschaft, in der die gesellschaftliche Willens- und Meinungsbildung sowie deren Umsetzung nicht zentralistisch gesteuert wird, sondern durch eine Vielzahl (zum Teil antagonistischer) Institutionen und Organisationen wahrgenommen wird. Kirche ist in diesem Prozess eine der Institutionen, die zwischen den einzelnen Individuen und der Gesamtgesellschaft vermittelt. Als eine solche intermediäre Institution vernetzt sie einerseits Individuen untereinander, bündelt, formuliert und vertritt deren Interessen in und gegenüber der Gesamtgesellschaft. Andererseits vermittelt sie die Interessen der Gesamtgesellschaft, sowie deren Förderungen und Forderungen an den Einzelnen (z.B. in der Bildungs- oder diakonischen Arbeit). Diese Vermittlungsleistung braucht dabei keineswegs unkritisch zu geschehen. Dennoch stärkt Kirche als intermediäre Institution die Kohäsionskräfte der Zivilgesellschaft und trägt so zu deren Zusammenhalt bei. Der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber fordert deshalb eine "offene und öffentliche Kirche", die auch ihre Funktion für die Gesellschaft und in der Gesellschaft mutig und selbstbewusst wahrnimmt.

Verantwortung für eine funktionierende postmoderne und multikulturelle Zivilgesellschaft zu übernehmen heißt dabei aber nicht nur, den eigenen Standpunktes engagiert zu vertreten und zu versuchen, die Gesellschaft nach christlichen Werten oder Grundüberzeugungen mitzugestalten. Verantwortung für eine demokratische Gesellschaft heißt auch, sich für die Freiheit (der Meinung und der Lebensgestaltung), die Rechte und das Leben anderer, auch anders Denkender und Glaubender, einzusetzen. Freiheit ist bekanntlich immer nur Freiheit der Andersdenkenden (Rosa Luxemburg). Kirche sollte nicht nur eine Anwältin der eigenen Interessen sein, sondern ebenso sehr Anwältin der Rechte und Freiheiten anderer, gerade auch der anders Gläubigen.

Auch hier gilt: Die Balance zwischen Kohäsion der Gesellschaft und Freiheit des Einzelnen sowie zwischen eigenem inhaltlichen Gestaltungsinteresse und Einsatz für die Freiheit der anderen zu finden und zu leben, ist zweifelsfrei nicht immer einfach,[36] aber sie ist letztlich Grundvoraussetzung einer freiheitlichen demokratischen Zivilgesellschaft.

Christsein in einer postmodernen und multikulturellen Gesellschaft, so lautete unser Thema. Vielleicht ist die Postmoderne schon längst wieder vorbei (einiges spricht dafür), dennoch prägt sie unsere Gesellschaft und unsere Gemeinden nach wie vor in erheblichem Maße. Den damit verbundenen Herausforderungen gilt es, sich als christliche Gemeinde zu stellen und Konzepte für ein authentisches und attraktives Christsein zu entwickeln. Dazu bedarf es jedoch der engagierten Mitarbeit vieler Köpfe, Herzen und Hände.



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[1] Der folgende Vortrag wurde zur Vorbereitung auf die Partnerschaftskonferenz gehalten, die die Gedächtniskirchengemeinde Speyer mit ihren Partnergemeinden aus Deutschland, Großbritannien, USA und Tschechien im Sommer 2007 unter dem Thema: "Living faith – Growing community. What it means to be people of faith in our multicultural world?" in Purley (GB) veranstaltete.

[2] Das EKD-Papier "Kirche der Freiheit" (Kirche der Freiheit. Perspektiven für die evangelische Kirche im 21. Jahrhundert. Ein Impulspapier des Rates der EKD, Hannover 2006) hat dankenswerterweise eine breite Diskussion über diese Frage ausgelöst – auch wenn man nicht mit allen dort geäußerten Vorschlägen übereinstimmen muss.

[3] Vgl. dazu das immer noch gültige Standardwerk: Wolfgang Welsch: Unsere postmoderne Moderne, 6. Aufl., Berlin 2002.

[4] Jean-François Lyotard: Das postmoderne Wissen. Ein Bericht, Graz-Wien 1986.

[5] Lyotard hat diese These nochmals in seinem Hauptwerk "Der Widerstreit" (2. Aufl., München 1989) weiter ausgeführt uns sprachphilosophisch untermauert.

[6] Vgl. Welsch a.a.O., S.165ff.

[7] Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden, 21. Auflage, Mannheim 2006, Bd. 16, Sp. 61.

[8] Brockhaus Enzyklopädie, a.a.O., Bd. 19, Sp77f.

[9] Für eine differenzierte Diskussion der Idee der multikulturelle Gesellschaft vgl. Amartya Sen: Der Freiheit eine Chance. Warum wir die Idee der multikulturellen Gesellschaft nicht aufgeben dürfen, in: DIE ZEIT vom 6. 12. 2007, S. 64f.

[10] Auch die letzte Kirchenmitgliedschaftserhebung "Kirche – Horizont und Lebensrahmen" (hg.v. Kirchenamt der EKD, Hannover 2003) arbeitet stark mit dem Milieu-Begriff und versucht aus der Differenziertheit der Lebensstile Konsequenzen für künftiges kirchliches Arbeiten zu ziehen.

[11] Brockhaus Enzyklopädie , a.a.O., Bd. 10, Sp. 629.

[12] ebd.

[13] Zur ACK und ihrer Satzung vgl. Kurzinformationen über die ACK, hg.v. Ökumenischen Central, Frankfurt 2007.

[14] ebd.

[15] Zum Verständnis des Glaubens als "existentbestimmendes Vertrauen" vgl. auch Chr. Schwöbel: Die Wahrheit des Glaubens im religiös-weltanschaulichen Pluralismus, in: ders.: Christlicher Glaube im Pluralismus. Studien zu einer Theologie der Kultur, Tübingen 2003, 25ff (bes. 38ff).

[16] Aus der Vielzahl der Literatur zu diesem Thema seien besonders erwähnt: Michael Welker: Kirche im Pluralismus, Gütersloh 1995; Albrecht Grözinger: Die Kirche – ist sie noch zu retten? Anstiftung für das Christentum in postmoderner Gesellschaft, 2. Aufl., Gütersloh 1998; Christoph Schwöbel: Christlicher Glaube im Pluralismus, Tübingen 2003; Friedrich Wilhelm Graf: Die Wiederkehr der Götter. Religion in der modernen Kultur, München 2007.

[17] Auf die Bedeutung und den Wert dieser Brüche und Spannungen haben besonders Hennig Luther (z.B. in Henning Luther, Religion im Alltag, Stuttgart 1992, bes. S. 62ff und 160ff) und Albrecht Grözinger (z.B. in Albrecht Grözinger, Die Kirche – ist sie noch zu retten? Anstiftungen für das Christentum in postmoderner Gesellschaft, 1. Aufl., Gütersloh 1998) aufmerksam gemacht.

[18] Vgl. dazu paradigmatisch die Diskussion um Manfred Jossutis Buch "Die Einführung in das Leben" (Gütersloh 1996) und dessen Leitkategorie des Heiligen.

[19] Die Forderung, dass die Liberalität und Pluralität einer (post-)modernen Gesellschaft auch die Offenheit für religiöse Überzeugungen umfassen müsse, ist eine wichtigsten Einsichten der jüngsten Arbeiten von Jürgen Habermas, z.B. in: ders.: Glaube und Wissen, Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2001, Frankfurt 2001; oder: ders.: Zwischen Naturalismus und Religion. Philosophische Aufsätze, Frankfurt 2005 (bes. 119ff, 258ff).

[20] Besonders Jürgen Moltmann hat immer wieder auf das Ungenügen einer theistischen Gottesvorstellung und seine Infragestellung durch das Kreuz hingewiesen; so z.B. in Jürgen Moltmann, Der gekreuzigte Gott: das Kreuz als Grund und Kritik christlicher Theologie, 6. Aufl. Gütersloh 1993.

[21] Die Parole "Anything goes" geht ursprünglich auf Paul Feyerabends wissenschaftstheoretisches Werk "Wider den Methodenzwang" (Frankfurt 1983; der ursprüngliche Untertitel lautete: Skizze einer anarchistischen Erkenntnistheorie) zurück, das primär dafür plädiert, die erstarrten Methoden wissenschaftlicher Forschung aufzubrechen und für unorthodoxe Vorgehensweisen zu öffnen.

[22] Man kann an dieser Stelle an die wechselseitige Toleranz und den Dialog appellieren. Jedoch setzt beides voraus, dass die Beteiligten überhaupt einen Standpunkt haben (eine eigene Identität, die überhaupt erst Verschiedenheit begründet), dass sie bereit sind den anderen als Partner zu akzeptieren und sich an bestimmte Regeln zu halten. (Das ist die Idee der Diskusethik). Gerade die Forderung nach Toleranz und Dialogbereitschaft bedarf selbst wieder einer – intersubjektiven, das Belieben des einzelnen übersteigenden – Begründung.

[23] Vgl. Wilfried Härle: Aus dem Heiligen Geist. Positioneller Pluralismus als christliche Konsequenz, in: Zeichen der Zeit (Lutherische Monatshefte) 7/98, S. 21-24. Vgl. dazu auch: Christoph Schwöbel: Die Wahrheit des Glaubens im religiös-weltanschaulichen Pluralismus, a.a.O.

[24] Vgl. dazu Gunda Schneider-Flume: Leben ist kostbar. Wider die Tyrannei des gelingenden Lebens, 2. Aufl., Göttingen 2004; sowie Henning Luther: Religion und Alltag. Bausteine zu einer Theologie des Subjekts, Stuttgart 1992 (bes. 160ff).

[25] Eine Kunst ist für Schleiermacher etwas "worüber es zwar Regeln giebt, deren combinatorische Anwendung aber nicht wieder unter Regeln steht" (Allgemeine Hermeneutik (von 1809/10), hg. v. Wolfgang Virmond, in: Internationaler Schleiermacher-Kongreß. Berlin 1984, hg. v. Kurt-Victor SELGE, (SchlA 1), Berlin/New York 1984, S. 1270-1310, E 16). Vgl. dazu Claus Müller: Ist theologische Ethik philosophisch möglich?, Frankfurt 2002, S. 178ff.

[26] Vgl. dazu die Ergebnisse der letzte Kirchenmitgliedschaftserhebung "Kirche – Horizont und Lebensrahmen" (hg.v. Kirchenamt der EKD, Hannover 2003), bes. S. 55ff.



[27] Es lässt sich durchaus darüber streiten, wo die größeren Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede liegen: zwischen einer evangelischen Kirchengemeinde in Deutschland und deren katholischer Nachbargemeinde oder zwischen einer evangelischen Gemeinde in Deutschland und einer evangelischen Gemeinde in Afrika.

[28] Vgl. dazu schon CA 7.

[29] Vgl. dazu Amartya Sen: Der Freiheit eine Chance. Warum wir die Idee der multikulturellen Gesellschaft nicht aufgeben dürfen, in: DIE ZEIT, vom 6. 12. 2007, S. 64f.

[30] Vgl. die Aufsätze im Sammelband: Theodor Sundermeier, Konvivenz und Differenz. Studien zu einer verstehenden Missionswissenschaft. Anlässlich seines 60. Geburtstages hg.v. V. Küster (Missionswissenschaftliche Forschungen NF 3), Erlangen 1995.

[31] Vgl. dazu bes. Hans Küng: Projekt Weltethos, 8. Aufl. München 2003; ders.: Spurensuche. Die Weltreligionen auf dem Weg, München 1999.

[32] Vgl. Matthias Horx, Megatrends der späten neunziger Jahre, Düsseldorf 1995; Peter. L. Berger u.a., Desecularization of the World. Resurgent Religion and World Politics, Washington 1999; Friedrich Wilhelm Graf, Die Wiederkehr der Götter. Religion in der modernen Kultur, München 2007.

[33] Zu nennen wären hier die Vielzahl von Gemeindeaufbaumodellen (z.B. von Manfred Seitz, Michael Herbst und anderen), Glaubenskursen (Christ werden – Christsein, Alpha-Kurse…), die "Doppelstrategie" von Öffnen und Verdichten der VELKD, aber auch die Hinweise von Eberhard Jüngel in seiner Rede vor der EKD-Synode (www.ekd.de/synode99/referate_juengel.htm, 1.1.2008). – Vgl. bei Jüngel auch die hilfreiche Differenzierung von Mission (nach außen) und Evangelisation (nach innen).

[34] In der angelsächsische Diskussion spricht man von der Abfolge von "belong" (nämlich zu einer Gemeinschaft gehören), "belief", "behave" (nämlich Verhalten entsprechend der erworbenen Glaubensüberzeugung).

[35] Vgl. dazu Wolfgang Huber, Kirche in der Zeitenwende. Gesellschaftlicher Wandel und Erneuerung der Kirche, Gütersloh 1999, bes. S. 276ff.

[36] Das zeigt sich z.B. im schwierigen Ringen der evangelischen Kirche um ausgewogene Stellungnahmen zum Zusammenleben mit Muslimen in Deutschland.


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