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„Heilsgeschichtliche“ oder „dispensationalistische“ Schrifta


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Rolf

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„Heilsgeschichtliche“ oder „dispensationalistische“ Schriftauslegung?




Arnd Bretschneider, Christliche Verlagsgesellschaft 2006.

Arnd Bretschneider teilt mit mir ein höchst wichtiges Anliegen, nämlich zu vermitteln, dass die Bibel
als inspiriertes Wort Gottes verstanden, heilsgeschichtlich ausgelegt und mit der richtigen
Hermeneutik (Auslegungsregel) verstanden werden muss.
Der Autor vertritt dabei jedoch den so genannten Dispensationalismus, d.h. eine strikte Trennung von
Israel und Gemeinde als zwei verschiedene Völker Gottes mit verschiedenen Heils-Zielen.
Leider setzt er in seinem Buch „heilsgeschichtlich“ weitgehend mit „dispensationalistisch“ gleich und
geht dabei so weit, dass er letztlich allein seine dispensationalistische Sicht als einzige
heilsgeschichtliche und bibeltreue Sicht gelten lässt.

Heilsgeschichtlich heißt aber nicht, Bibeltexte im Zusammenhang ihres jeweils angeblichen isolierten
„Heilszeitalters“ (Dispensationen) zu verstehen, sondern heilsgeschichtlich heißt vielmehr,
den Fortschritts-Zustand der Offenbarung Gottes in jener Zeit zu berücksichtigen - d.h. einfach zu
berücksichtigen: Das Heil (in Gottes Offenbarung und Handeln) hat einen geschichtlichen Verlauf,
und dieser Verlauf muss berücksichtigt werden. Ähnlich definiert auch Bretschneider den Begriff
zunächst auf S. 12.

Seinem Anspruch, „sachgerecht an die Bibel heranzugehen“ (S. 8), wird der Autor m.E. aber nicht
gerecht, was ich im Folgenden darzulegen versuche.

Auf die einleitenden Aussagen zum Thema Heilsgeschichte auf den ersten zwanzig Seiten des
Büchleins (62 Seiten) möchte ich nicht ausführlich eingehen, da ich diesen zu weiten Teilen zustimme.
Ein bedauerliches Versäumnis ist hier jedoch, dass Arnd Bretschneider das für heilsgeschichtliche
Schriftauslegung höchst wichtige Thema „Kontinuität und Diskontinuität“ mit einer lediglich kurzen
Erwähnung in einer Fußnote (S. 12) quasi übergeht. Da sein dispensationalistisches Modell aber
voraussetzt, dass eine völlige Diskontinuität zwischen alt- und neutestamentlichem Gottesvolk besteht
(bei Israel und der Gemeinde handle es sich um zwei völlig getrennte Völker Gottes), ist dies ein
schwerwiegendes Versäumnis.

Auf S. 17 bekennt Bretschneider erfreulicherweise: „Der Alte Bund wurde durch den Neuen Bund
ersetzt.“ Diese Aussage steht im Gegensatz zum klassischen (Scofield, Chafer u.a.) wie auch
revidierten Dispensationalismus (Walvoord, Pentecost u.a.), wo gelehrt wird, der Neue Bund gelte
allein Israel und sei daher noch nicht in Kraft. Hier wäre eine Diskussion nötig, da gerade ein sehr
wörtlich aufgefasstes heilsgeschichtliches Schriftverständnis nahe legt, dass Neue Bund tatsächlich
buchstäblich nur „Israel und dem Haus Juda“ verheißen wurde (Hebr 8,8; Jer 31,31) und daher nicht
der Gemeinde gilt, da diese ja dem Dispensationalismus zufolge ein anderes Volk Gottes sei.

Doch gerade das im NT eindeutig belegte Inkraftsein des Neuen Bundes für die Gemeinde (Lk 22,20;
1Kor 11,25; 2Kor 3,6; Hebr 8,8.13; 9,15; 12,24 u.a.) belegt die Kontinuität zwischen alt- und
neutestamentlichen Gottesvolk. Daher ist die fehlende Diskussion des Themas „Neuer Bund“ und
„Kontinuität und Diskontinuität“ ein folgenreiches Versäumnis in diesem Buch. Stattdessen setzt der
Autor seine dispensationalistischen Vorannahmen dogmatisch voraus und kommt so zu zweifelhaften
Schlüssen. Insbesondere ist es inkonsequent und unverständlich, dass er die jetzt schon bestehende
Gültigkeit des Neuen Bundes bekennt, andererseits aber Israel und Gemeinde als zwei getrennte
Völker Gottes darstellt. Welchem dieser beiden Völker soll der neue Bund denn nun gelten?1
Seine ausdrücklich dispensationalistische Sicht beginnt der Autor auf S. 23 darzulegen, unter der
Überschrift „Es gibt unterschiedliche Zeitepochen der Heilsgeschichte“. In der dort angeführten
Auflistung setzt er unzulässigerweise den ntl. Begriff „aion“ (gr. für „Zeitalter“ oder „Ewigkeit“) mit
dem an die Bibel herangetragenen Begriff der „Haushaltungen“ oder „Dispensationen“ gleich.
In seiner darauf folgenden Darstellung und Befürwortung des Dispensationalismus versäumt der Autor
es zunächst, auf die kirchengeschichtliche Quelle dieses Systems einzugehen, die nämlich bei John
Nelson Darby und seinem Himmlisch-irdisch-Dualismus liegt (an späterer Stelle kritisiert
Bretschneider Darby zu Recht).

Zudem definiert Arnd Bretschneider den Dispensationalismus
unzureichend, in dem er ihn lediglich als die Lehre von der „fortschreitenden Entfaltung von Gottes
Heilsplan“ beschreibt und in einer Fußnote als zusätzlichen Aspekt „die Unterscheidung zwischen
Israel und der Gemeinde“ nennt. Richtig ist jedoch, dass der Dispensationalismus nicht nur auf einer
Unterscheidung, sondern auf einer Trennung (einem absoluten Dualismus) zwischen Israel und
Gemeinde als zwei verschiedene Völker Gottes basiert.2 Arnd Bretschneider bezeichnet Israel als
„irdisches Volk Gottes“ (S. 30, 54), obwohl die Schrift dies nicht tut und keine zwei Völker Gottes
(ein himmlisches und ein irdisches) lehrt. Vielmehr lehrt die Schrift eine einzige Heilskörperschaft,
die im NT durch Heiden erweitert wird (siehe z.B. Eph 2,10ff; Röm 11,17ff).

Löblich ist, dass der Autor an dieser Stelle nicht wie andere Dispensationalisten behauptet, der
Dispensationalismus gründe sich auf eine möglichst buchstäbliche Schriftauslegung. Dies trifft
nämlich nicht zu, da der Dispensationalismus ebenso wie andere theologische Schulen bestimmte
Schriftstellen „vergeistlichen“ oder uminterpretieren muss, um sein System aufrecht zu erhalten.
Der Autor versucht dann nachzuweisen, dass das Einteilen der Heilsgeschichte in „mehrere,
voneinander zu unterscheidende Zeitabschnitte berechtigt ist“ (S. 23). Zunächst nennt er dazu einige
Schriftstellen, die anscheinend von unterschiedlichen „Zeitaltern“ reden. Dass es ein „künftiges
Zeitalter“ (Mt 12,32) geben wird ist dabei unter Auslegern ebenso unbestritten wie die Tatsache, dass
von der Ewigkeit manchmal als Zeitalter im Plural die Rede ist (Eph 2,17; 1Tim 1,17; vgl. Offb 4,9;
14,11 u.v.a.). Bemerkenswerterweise weist Arnd Bretschneider hier mit Hebr 9,26 und 1Kor 10,11
nach, dass mit dem Kommen Jesu (nicht, wie Dispensationalisten meinen, eine nicht vor- oder
vorvorletzte Haushaltung, sondern) das „Ende der Zeitalter“ angebrochen ist (vgl. Jak 5,3; 1Jo 2,18;
Hebr 1,2). Dem entgegen steht seine Behauptung, Mt 24 zufolge sei nach der „Vollendung des
Zeitalters“ mit der Wiederkunft Jesu „die Aufrichtung seines Reiches auf der Erde“ zu erwarten. Dies
steht nicht in dem genannten Bibeltext (alles S. 24).

Als nächsten Beleg für die Unterscheidung heilsgeschichtlicher Epochen nennt der Autor
richtigerweise verschiedene Bündnisse in der Schrift. Auch seine Unterscheidung zwischen den Zeiten
vor, unter und nach dem Gesetz ist berechtigt. Als vierten Punkt meint Arnd Bretschneider, die Bibel
„teilt die Menschheitsgeschichte nach den größten erdgeschichtlichen Katastrophen in
Unterschiedliche Zeitabschnitte ein“ (S. 25) und nennt Sintflut und Endgericht. Auch das mag
berechtigt sein, auch wenn es bedenklich ist, wenn man ein so gewonnene Schema allmählich zu dem
Schlüssel für jegliche Bibelauslegung ausbaut.
Der Autor definiert als Ergebnis jedenfalls folgende Epochen: 1. Vor der Flut, 2. Zwischen Flut und
Gesetz, 3. Gesetz, 4. Zwischen erstem Kommen und Reich Christi, 5. Reich Christi (S. 26).

Diesem einfachen Schema ist zuzustimmen, mit der Einschränkung, dass die Zeit nach der Wiederkunft Christi
in der Bibel nicht ausdrücklich „Reich Christi“ genannt wird, sondern – um bei Bretschneiders
angeführten Schriftstellen zu bleiben – „künftiges Zeitalter“. Ohne dies jetzt weiter zu diskutieren, sei
darauf hingewiesen, dass das Reich Christi zumindest einen gegenwärtigen Aspekt hat, sonst könnten
wir nicht dort hineinversetzt sein (Kol 1,13 u.a.). Auf Grundlage der vom Autor bisher angeführten
Argumente ist es jedoch unberechtigt, ein künftiges irdisches Reich Christi zu postulieren.
Nach einer Übersicht über verschiedene Heilszeiten-Unterteilungs-Modelle in der
Kirchengeschichtliche setzt der Autor dann ohne weitere Begründung das umstrittene
dispensationalistische Sieben-Zeitalter-Schema von C.I. Scofield als gegeben voraus (S. 27-28).

Anschließend führt er eine Reihe außerbiblischer Konstrukte und Begriffe ein, jedoch ohne biblische
Begründung: „Gottes Handeln aufgrund verschiedener Prinzipien“, „Heilslinien“ und „Gottes
irdisches Volk“, (S. 29-30). Das so aufgestellte System sei seiner Ansicht zufolge quasi als
hermeneutischer Grundsatz bei der Schriftauslegung stets unbedingt zu beachten.

Dabei geht der Autor jedoch selbst mit einer fragwürdigen Hermeneutik vor und baut z.B. auf der von
ihrem Zusammenhang losgelösten Aufzählung „Juden, Griechen, Gemeinde“ (1Kor 10,32) die
zentrale Lehre, dass es drei „Heilslinien“ und zwei Völker Gottes gäbe, ein irdisches und ein
himmlisches (S. 30).

Die von Arnd Bretschneider angeführten Punkte führen also keineswegs zwingend zur Lehre von zwei
getrennten Völkern Gottes. Und auch wenn Unterschiede zwischen alt- und neutestamentlichen
Gottesvolk bestehen, bedeutet das nicht, dass es zwei Völker Gottes gibt. Denn solche Unterschiede
können z.B. einfach in einer unterschiedlichen (heilsgeschichtlichen!) „Reifephase“ begründet sein
(vgl. Gal 4,1-7).

An dieser Stelle möchte ich auch einige Themenbereiche nennen, die der Autor einfach ganz auslässt
oder nur knapp streift, obwohl sie für das Thema Heilsgeschichte zentral sind.


Bretschneiders Tabelle ist nämlich hilfreich für eine andere, von ihm jedoch unterlassenen
Unterscheidung: der wichtigen und biblischen Unterscheidung zwischen dem „Israel nach dem
Fleisch“ (1Kor 10,18) und dem wahren „Israel Gottes“ (Gal 6,16; vgl. Röm 9,6ff). Er begeht den für
den Dispensationalismus typischen3 Fehler, den sichtbaren „Schatten“ und das Äußere für das
Eigentliche zu halten. Aber das eigentliche Volk Gottes war auch im AT nicht das „Israel nach dem
Fleisch“. Aus der Schrift wissen wir, dass all die äußerlichen Dinge, die Israel hatte, „Schatten“ waren,
mit Christus aber die darin bereits angedeutete geistliche Realität gekommen und vollends offenbart
worden ist. Die Diskontinuität zwischen AT und NT besteht also in der Unterscheidung zwischen
Schatten und Wirklichkeit, wobei die Wirklichkeit bereits zu atl. Zeit das Eigentliche war. Das wird
insbesondere an Hebr 11 deutlich, wo an atl. Glaubensvorbildern gezeigt wird, dass auch sie nicht
nach dem sichtbaren (nach dem Schauen), sondern nach dem unsichtbaren, himmlischen (aus
Glauben) strebten und lebten.

Die Diskontinuität besteht auch zwischen dem Gesetz, das Zuchtmeister-Funktion hatte, und dem
Reifestatus in Christus. Schatten und Gesetz kennzeichnen den Alten Bund, die Wirklichkeit und
Reife in Christus den Neuen Bund. Auf das Thema Neuer und Alter Bund geht Arnd Bretschneider
jedoch, wie bereits erwähnt, gar nicht näher ein.

Ebenfalls eine Schwäche ist sein Versäumnis, den für ein heilsgeschichtliches Verständnis wichtigen
Begriff „Reich Gottes“ zu diskutieren. Stattdessen setzt er einfach voraus, dass das Reich Christi noch
zukünftig und irdisch sei. Eine Schlüsselstelle wäre hier aber Psalm 110,1, der am häufigsten im NT
zitierte AT-Vers. Nach Apg 2,30-35; 1Kor 15,24-28 und Hebr 10,12-13, wo dieser Vers zitiert wird,
ist jetzt die Zeit, da Christus auf dem Thron Davids sitzt und wartet, bis alle Feinde zu seinen Füßen
gelegt sind. Dann wird er das Reich Gott, dem Vater, übergeben, und dann wird das Reich vom
„Thron Gottes und des Lammes“ (Offb 22,3) aus regiert werden. Arnd Bretschneider geht auf diese
Schriftstellen und das Thema Reich Gottes bzw. Christi nicht näher ein.

Problematisch ist bei der dispensationalistischen Sicht, dass sie das im AT als messianisches
Friedensreich angekündigte Heil dreiteilt. Mit dem Kommen Jesu in Niedrigkeit wurde offenbar, dass
sich dieses Heil tatsächlich in zwei Phasen aufteilt – in eine verborgene Phase, die wir jetzt haben, und
ein eine allumfassende, ewige Phase in der Zukunft. Eine Einfügung eines irdischen Zwischenreiches
und damit eine Dreiteilung lehrt die Schrift aber nicht.

Auf seiner unzureichenden und fehlerhaften Grundlage aufbauend kommt Bretschneider im weiteren
Verlauf dann – neben richtigen Aussagen – immer wieder zu falschen Behauptungen:
• Wir befänden uns heute – seit „Entstehung des Zionismus“ – bereits in einer „Übergangszeit“
zwischen zwei Heilszeitaltern. Gott wende sich wieder Israel zu (S. 32). Dies ist jedoch weder aus der
Schrift noch aus dem derzeit weitgehend ungläubigen Zustand des nationalen Israel ersichtlicht.
• Gottes Heilspläne für Israel würden im 1000-jährigen Reich erfüllt (S. 37). Die Schrift trennt aber
nicht zwischen verschiedenen Heilsplänen für verschiedene Völker Gottes. Und in der einzigen
Schriftstelle über eine 1000-jährige Herrschaftszeit Christi steht nichts von der Erfüllung
alttestamentlicher Verheißungen. Dort in Offb 20,1-6 geht es vielmehr um die Mitherrschaft
neutestamentlicher Christen mit Christus. Auf S. 41 behauptet Bretschneider, das „Ziel“ Israels sei
„die Erde“. Dies steht im eklatanten Widerspruch z.B. zu Hebräer 11. Der Autor wiederholt häufig die
These, dass Gott „mit der Gemeinde ein anderes Zukunftsziel“ habe „als mit Israel“. Doch auch
ständige Wiederholung kann eine fehlende biblische Begründung nicht ersetzen und diese Behauptung
nicht wahrer machen.

• Die „versprochenen Landgrenzen“ hat das nationale Israel laut Josua 21,43-45 bereits unter Josua
erhalten: „So gab der HERR Israel das ganze Land, das er ihren Vätern zu geben geschworen hatte ...
Alles traf ein“. Bei einer heilsgeschichtlichen Betrachtung darf eine derart wichtige Schriftaussage
sicher nicht unterschlagen werden. Allerdings steht noch eine „Ruhe“ für „Israel“ aus, nämlich „jene
Ruhe“, in die auch Christen einzugehen trachten (Hebr 4,8-11).

• Israel werde künftig „das höchste aller Völker sein“ (S. 37). In Christus sind jedoch „nicht Jude noch
Grieche“ (Gal 3,28) und die „Zwischenwand der Umzäunung“ ist ein für allemal abgebrochen (Eph
2,14).

• Laut den führenden Dispensationalisten Chafer und Walvoord „wirft die Erkenntnis, dass in der
Schrift verschiedene Heilszeitalter existieren, mehr Licht auf die ganze Botschaft der Bibel als jeder
andere Aspekt biblischen Studiums“ (S. 39). Hier wird das dispensationalistische System in Höhen
erhoben, die anscheinend sogar die Erhabenheit Christi übertreffen. Ist denn nicht Seine Erkenntnis
das, was wirklich Licht ins Bibelstudium bringt? Wenn jemand sein theologisches System zum
Schlüssel wahren Bibelverständnisses erklärt, müssen wir skeptisch sein. Das gilt für den
Dispensationalismus ebenso wie z.B. für die so genannte Bundestheologie.

• Mit dem Verweis auf die fortschreitende Offenbarung meint Arnd Bretschneider erklären zu können,
warum der Herr Jesus in Mt 24-25 nichts von der Entrückung (nach dispensationalistischem
Verständnis geraume Zeit vor seiner Wiederkunft) gesagt habe. Jesu ausführlichste prophetische Rede
weist demzufolge schwerwiegende Lücken auf (S. 42).

• Für Bretschneider liegt Mt 24 noch vollständig in der Zukunft. (S. 42). Dass der Tempel von
Jerusalem, wie in Mt 24 angekündigt und beschrieben, zerstört wurde, gehört aber seit 70 n.Chr. der
Vergangenheit an und Mt 24 hat sich offensichtlich zumindest teilweise bereits erfüllt. Hier hat Gott
mit großer Schrift Heilsgeschichte geschrieben, und in einem Buch über Heilsgeschichte sollte das
eigentlich nicht übersehen werden.

• Ein Beispiel für Arnd Bretschneiders fragwürdige Herangehensweise an die Schrift bzw. fehlende,
obwohl notwendige Auslegung und stattdessen Hineinlegung (Eisegese) ist seine Erklärung zum
Gericht Jesu in Mt 25,31ff. Er meint, es könne sich bei den „Schafen“ nicht um die „Gläubigen
unserer Zeit“ handeln, weil das Gericht ja „zu Beginn des 1000-jährigen Reiches“ stattfände und die
Schafe „ins irdische Reich Gottes“ eingingen. Nun steht in dem Text aber weit und breit nichts von
einem irdischen 1000-jährigen Reich, aber stattdessen: „Und diese [Böcke] werden hingehen zur
ewigen Strafe, die Gerechten [die Schafe] aber in das ewige Leben“ (25,46). Hier besteht offenbar
erheblicher Erklärungsbedarf seitens des Autors, der hier wiederum nicht von der Bibel, sondern von
seiner vorgefassten Dogmatik ausgegangen ist.

Hier möchte ich den Autor an seine eigenen Worte erinnern: „Verkündiger des Wortes haben eine
hohe Verantwortung. Sie sollen ‚Aussprüche Gottes reden’ (1Petr 4,11). Sie sind ‚Verwalter der
Geheimnisse Gottes’, die ‚treu befunden werden’ sollen (1Kor 4,1-2). Sie sind Arbeiter, die ‚das Wort
der Wahrheit in gerader Richtung schneiden’ sollen (2Tim 2,15)“ (S. 44)

Auf S. 52-55 widmet der Autor sich dann besonders der „Stellung und Zukunft Israels“ und bezeichnet
die „Substitutionstheologie“ als in der Kirchengeschichte „vorherrschende Sichtweise im Hinblick auf
das Verhältnis zwischen Israel und der Gemeinde.“

In Form von Zitaten (der eingerückte Text auf S. 52 und 53 erweckt den Eindruck, hier würde ein
anderer Autor zitiert) stellt Arnd Bretschneider dann seine Definition dieser von ihm abgelehnten
Sichtweise auf. Seine Darstellung ist jedoch undifferenziert und lässt daran zweifeln, ob er sich mit
bibeltreuen nicht-dispensationalistischen Standpunkten überhaupt befasst hat. Die römisch-katholische
Substitutionslehre, dass die irdischen Verheißungen Israels auf die Kirche übergegangen seien (womit
die Kirche u.a. die Kreuzzüge rechtfertigte) zählt gewiss nicht zu den schriftgegründeten und
bibeltreuen Positionen, wie sie in der Kirchengeschichte von zahllosen nicht-katholischen und nichtdispensationalistischen
Männern Gottes vertreten wurden. Schließlich ist das System des
Dispensationalismus erst Mitte des 19. Jahrhunderts aufgekommen.

So hätte der Autor sich hier
fairerweise eingehender mit den Sichtweisen z.B. der nachreformatorischen Erweckungsbewegungen
befassen müssen, die auch heute außerhalb des deutschsprachigen Raums stark verbreitet und
anerkannt sind (als bekannte Namen seien hier nur Spurgeon und Lloyd-Jones erwähnt).
Sehr fragwürdig ist, dass Bretschneider, um die Gegenposition darzustellen, statt aus der reichhaltigen
bibeltreuen nicht-dispensationalistischen Literatur lediglich eine Leserzuschrift zitiert (S. 53-54), die
er auf einen seiner Artikel erhielt. Das ist keine Vorgehensweise, die unter gelehrten Autoren üblich
ist. Sachkundige Autoren zitieren üblicherweise Fachliteratur, um sich um eine richtige und faire
Darstellung der Gegenposition zu bemühen.

Die Ablehnung der dispensationalistischen Wiederherstellungslehre als „fehlende Sicht für Gottes
heilsgeschichtliches Handeln mit Israel“ (S. 53) zu bezeichnen, ist entweder unredlich oder ein
Zeugnis beachtlicher Unkenntnis. Ich könnte hier eine lange Liste von bibeltreuen Bibellehrern,
Autoren und Büchern angeben, für die die Heilsgeschichte – auch hinsichtlich Israels – ein
Grundelement der Hermeneutik ist, die aber gerade deshalb die dispensationalistischen Lehren
entschieden zurückweisen.

Zusammen mit dieser Missbilligung von Nicht-Dispensationalisten wirft der Autor ihnen dann
pauschal „Uminterpretationen“ von Bibelstellen vor, nennt jedoch nur zwei unberechtigte Beispiele:
Ein Zitat aus der erwähnten Leserzuschrift (sic!) und die seiner Meinung nach falsche Ansicht, die
„144.000“ aus der Offenbarung – einem von symbolischer Sprache zutiefst geprägten Buch – nicht
buchstäblich zu nehmen.

Arnd Bretschneider beruft sich auf „Gottes heilsgeschichtliches Handeln mit Israel“, welches er für die
Zukunft erwartet. Leider ist in diesem Buch keine exegetische oder theologische Erklärung enthalten,
wie er zu dieser Erwartung kommt. Statt dies durch Textauslegung zu begründen, gehrt er mit kurzen
Erwähnungen von alttestamentlichen Propheten und Römer 11,25-27 darüber hinweg. Doch gerade
solche Schriftstellen führen bei einer m.E. heilsgeschichtlich richtigen Auslegung zu ganz anderen
Ergebnissen. Somit bleiben Bretschneiders dogmatische Behauptungen kraftlos. Wer allein an der
Schrift festhält, den kann der Autor nicht überzeugen.

Leider konnte der Autor es auch nicht unterlassen, ein populär-wirksames Argument aufzuwerfen, das
Nicht-Dispensationalisten in die unterste Schublade diskreditiert: Ein anderes Verständnis als das
seine „kann schließlich sogar ein Nährboden für antisemitisches Denken sein“ (S. 54). Ich kenne keine
bibeltreuen Nicht-Dispensationalisten, die antisemtische Einstellungen gehabt oder gefördert haben.
Im Gegenteil weiß ich von führenden Dispensationalisten, die das Dritte Reich als Segen Gottes
gewertet haben. (Meine eigene Haltung www.solascriptura.
de/include.php?path=content/content.php&contentid=8).

Arnd Bretschneiders Warnung vor einem „unnüchternen Israelfanatismus“ (S. 55) ist sehr berechtigt.
Dabei ist es jedoch offenbar nicht der Fall, wie Bretschneider meint, dass die dispensationalistische
Sicht davor „bewahrt“. Meiner Beobachtung zufolge ist es gerade die prophetische Israel-
Wiederherstellungs-Erwartung, die diesen Israelfanatismus fördert. Dies gilt für Werke, die ihren
Schwerpunkt auf die prophetische Beobachtung Israels gelegt haben ebenso wie für charismatisch
geprägte Unternehmungen, die das dispensationalistische Prophetie-Schema übernommen haben und
das ungläubige Israel hochjubeln.

Im Schlussteil warnt der Autor vor problematischen Entwicklungen und nennt dabei die
„ultradispensationalistische Theologie“, bei der „Texte wie die Bergpredigt nur auf Israel oder das
1000-jährige Reich bezogen werden“ (S. 56). Wenn ich Arnd Bretschneider richtig verstanden habe,
begeht er aber gerade diesen Fehler selbst, in dem er z.B. Matthäus 24-25 und den Großteil der
Offenbarung nur auf Israel bzw. auf angeblich nach der Entrückung lebende Menschen bezieht.
In diesem Zusammenhang bekennt er, dass die Bergpredigt allen gilt, die „zum Reich der Himmel
gehören ... auch für die Gläubigen unserer Zeit“. Da „Reich der Himmel“, „Reich Gottes“ und „Reich
Christi“ in der Bibel synonym verwendet werden, wäre daraus zu schließen, dass auch das Reich
Gottes und das Reich Christi mit der himmlischen Herrschaft Christi bereits da ist. An früherer Stelle
hat der Autor das Reich Christi jedoch ausschließlich der Zukunft zugeordnet.

In diesen Abschnitten warnt Arnd Bretschneider auch vor einer „überzogenen typologischen
Auslegung“ (S. 55-56) –, wobei er vermutlich eher die allegorisierende als die typologische
Auslegung meint. Beides ist aber gang und gäbe in der Mutter-Bewegung des Dispensationalismus,
der „Brüderbewegung“. Ferner kritisiert er „Darbys Sicht zum Verfall in den heilsgeschichtlichen
Zeitaltern.“ Mit der Kritik an Darby sägt Bretschneider allerdings am eigenen Ast, denn Darby war es,
der mit seinem neu eingeführten Himmlisch-iridisch-Dualismus ein völlig neuartiges System der
Schriftauslegung entwickelte, aus dem durch Mithilfe seiner Schüler und Anhänger (W. Kelly, C.I.
Scofield u.v.a.) schließlich der Dispensationalismus hervorging und populär wurde. Und schließlich
beruht der von Darby entwickelte Dispensationalismus auf seiner Ekklesiologie (Gemeindelehre).
Ohne Darbys Gemeindeverständnis wäre auch sein Israelverständnis nicht denkbar.

Bretschneider gibt zu recht zu bedenken, dass Darbys Ekklesiologie „bedenklich“, weil „nicht durch
klare Aussagen der Bibel gedeckt“ sei. Dasselbe trifft aber auf den ganzen Dispensationalismus zu,
den Darby entwickelt und den Bretschneider in leicht abgeschwächter Form in diesem Buch
präsentiert hat. Schlüssel-Annahmen des Dispensationalismus wie die Zwei-Völker-Lehre, die starke
Diskontinuität zwischen verschiedenen Heilszeitaltern, die Vorentrückungslehre usw. sind ebenfalls
„nicht durch klare Aussagen der Bibel gedeckt“. Klare Aussagen wie z.B. die eschatologischen
Abschnitte in den Lehrbriefen (z.B. 2Petr 3; 1Kor 15; 1-2Thes u.a.) lehren etwas, was nicht mit dem
Dispensationalismus übereinstimmt.
Fazit:

Arnd Bretschneider wird seinem Anspruch, sachgerecht an die Bibel heranzugehen, nicht gerecht.
Denn er geht nicht mit dem Grundsatz „allein die Schrift“ an die Bibel heran, sondern setzt etliche
Lehren seines theologischen Systems einfach voraus. Seine Aussagen laufen darauf hinaus, der Bibel
ein dispensationalistisches System aufzuzwängen. Somit hat Bretschneiders Dogmatik (Lehrsystem)
die höhere Autorität als der Grundsatz „allein die Schrift“ und eine darauf beruhende, gesunde
Exegese (Textauslegung).
Wenn der Autor das Thema „heilsgeschichtliche Schriftauslegung“ sachgerecht hätte behandeln
wollen, hätte er auf folgende Themen näher eingehen müssen, was er aber unterlassen hat:
• Kontinuität und Diskontinuität
• Schatten und Wirklichkeit
• Alter Bund, Neuer Bund
• Gesetz (Unmündigkeit), Gnade (Reife in Christus)
• Reich Gottes

Weitere wichtige, ebenfalls fehlende Themen wären: das Israel nach dem Fleisch / das Israel Gottes,
die Landnahme Israels und die wahre, noch ausstehende „Ruhe“, die Zerstörung Jerusalems und
Zerschlagung des atl. Systems 70 n.Chr.
Außerdem versäumt Bretschneider es, das AT im Licht des NT zu sehen. Doch gerade das wäre ein
wichtiger heilsgeschichtliche Aspekt richtiger Hermeneutik, denn Gottes Offenbarung ist innerhalb
der Bibel fortschreitend, sodass aus ntl. Sicht das AT anders (oder: besser, klarer) verstanden werden
muss, als zu jener Zeit, als es das NT noch nicht gab. Schließlich vermitteln die vielen AT-Zitate im
NT uns neutestamentlich Gläubigen erst das richtige Verständnis sonst missverstandener
alttestamtlicher prophetischer Aussagen (z.B. Apg 2,30-35; Apg 15,15-16; Gal 4,26-27; Hebr 8,8ff
u.v.m.)

Während Bretschneiders Buch auch manches Richtige und Nützliche enthält, ist es hinsichtlich des
gewählten Themas von schwerwiegenden Versäumnissen geprägt und sollte fairerweise besser
„dispensationalistische Schriftauslegung“ heißen. Es täuscht vor, der Dispensationalismus sei die
einzige bibeltreue und heilsgeschichtliche Herangehensweise an die Bibel. So sollte man beim Lesen
spätestens ab S. 30 das Wort „heilsgeschichtlich“ stets durch „dispensationalistisch“ ersetzen. Diese
dispensationalistische Sicht beruht jedoch offenbar nicht auf einer „sachgerechten Herangehensweise
an die Bibel“.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass ich nichts gegen Dispensationalisten habe.
Unterschiedliche eschatologische Sichtweisen sollten kein Grund für Trennung und persönliche
Ablehnung sein. Ich liebe Gläubige mit dispensationalistischer Sicht als meine Geschwister. Ich habe
aber etwas gegen einseitige, unfaire und stimmungmachende Schriften, denen es an der nötigen
Kompetenz fehlt. Dass das erwähnte Buch m.E. leider in diese Kategorie gehört, habe ich aufzuzeigen
versucht. Es bleibt zu hoffen, dass Arnd Bretschneider vor Veröffentlichung der angekündigten
Folgebände zu diesem Buch sich intensiver mit anderen bibeltreuen Positionen befasst.
Vielleicht mögen manche diese Rezension als angreifende „Streitschrift“ auffassen. Sie ist jedoch viel
mehr als Verteidigungsschrift gedacht, denn m.E. ist es gerade das rezensierte Buch, welches
bibeltreue Nicht-Dispenationalisten angreift und denunziert, und gegen diese m.E. ungerechtfertigten
Angriffe möchte ich hier eine biblisch basierte Verteidigung vorlegen.

Hans-Werner Deppe,

Nachtrag: Ich habe dem Autor diese Rezension vorgelegt, eine sachbezogene Antwort hat er aber
leider abgelehnt. Nach wie vor würde ich mir sehr wünschen, mich ihm oder einem anderen
Dispensationalisten in einer öffentlichen Podiumsdiskussion zu stellen.
1 Die führenden Dispensationalisten Chafer und Walvoord haben hier eine ausgeklügelte Erklärung
entworfen, dass nämlich ein dem neuen Bund übergeordneter weiterer Bund existiere, auf dem
sowohl der Neue Bund für Israel als auch ein anderer Neuer Bund für die Gemeinde basiere.
(Walvoord: End Times, Word Publishing 1998, S. 94). Hier wird jedoch einfach eine unbiblische Lehre
durch eine weitere unbiblische Lehre zurechtzubiegen versucht.
2 Der in den letzten Jahren aufgekommene gemäßigte, so genannte “progressive
Dispensationalismus“ beschränkt sich allerdings auf die Unterscheidung und verwirft die Trennung
und die Zwei-Völker-Lehre. Bretschneider ist jedoch kein gemäßigter oder progressiver
Dispensationalist, sondern vertritt ausdrücklich die Lehre, dass es zwei völlig getrennte Völker Gottes
gebe.

3 So hält z.B. die – wie der Dispensationalismus auf Darby zurückgehende - exklusive
Brüderversammlung ihre sichtbare Darstellung für die eigentliche Gemeinde
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