„Kentler-Experiment“: Opfer klagen auf Schadenersatz
Berlin (idea) – Im Fall des sogenannten „Kentler-Experiments“ haben zwei Betroffene eine Klage gegen den Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg angekündigt. Zuerst hatte der „Tagesspiegel“ darüber berichtet.
Demnach gehörten „Marco“ und „Sven“, wie sich die beiden auf dem Kurznachrichtendienst Twitter nennen, zu den Kindern und Jugendlichen aus schwierigen sozialen Verhältnissen, die seit Ende der 1960er Jahre gezielt bei pädophilen Pflegevätern untergebracht worden waren.
Das bis mindestens 2003 angewandte Verfahren geht auf den Sozialpädagogen Prof. Helmut Kentler (1928–2008) zurück, der als ein „Vorreiter“ des Eintretens für Sex mit Kindern gilt. Der Wissenschaftler begründete das Experiment mit einer sozialen Festigung, von der die Jugendlichen durch die Männer profitieren würden.
Opfer: Sexueller Missbrauch und Verwahrlosung hinterließen tiefe Spuren
In einem Schreiben auf dem sozialen Netzwerk Facebook geben „Marco und Sven“ an, 1989 bzw. 1990 bei dem Pädophilen Fritz H. untergebracht worden zu sein, gegen den bereits zuvor wegen sexuellen Missbrauchs ermittelt worden sei. Missbrauch und Verwahrlosung hätten tiefe Spuren hinterlassen.
„Neben sexuellem Missbrauch mussten die Opfer physische und psychische Gewalt durch einen gewalttätigen und cholerischen Pflegevater ertragen. Zur Vertuschung des Missbrauchs schirmte der Täter die Kinder systematisch von der Außenwelt ab.“ Vor Gericht solle zudem nachgewiesen werden, dass die Berliner Senatsverwaltung Kenntnis von Kentlers aktiver Förderung von Päderastie in Pflegefamilien gehabt „und Kentler mutmaßlich sogar Rückendeckung gegeben“ habe. So habe die vom Land Berlin finanzierte Pflegestelle bei Fritz H. trotz Kritik bis 2001 weiterbestanden.
Über die Sozialen Medien rufen die beiden Betroffenen derzeit zu Spenden auf, um die notwendigen Mittel für die Prozesskosten aufbringen zu können. Laut dem Schreiben werden etwa 150.000 Euro benötigt. Zudem dränge aufgrund der Verjährung die Zeit.
Erst im November 2019 hatte die Berliner Bildungsverwaltung ihren Zwischenbericht zu dem umstrittenen Experiment vorgelegt. Darin werden den Behörden schwere Fehler vorgeworfen – unter anderem Verstöße gegen das Jugendrecht sowie eine fehlende Betreuung der Minderjährigen durch das Amt.
Auch Kentler selbst sei nie strafrechtlich verfolgt worden – seine Taten galten als verjährt. Kentler war regelmäßig Mitwirkender auf Deutschen Evangelischen Kirchentagen, etwa 1989 in Berlin,1987 in Frankfurt am Main, 1985 in Düsseldorf und 1979 in Nürnberg.