In dem Forum wo ich auch noch schreibe ist eine ganz gute Abhandlung über die Naherwartung.
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Hin und wieder kann man h?ren, da? die Auffassung vertreten wird, Jesus habe im Zusammenhang mit den Aussagen ?ber seine Wiederkunft eine Naherwartung gelehrt, die sich als Irrtum herausgestellt habe; als Folge davon seien die ersten Christen gen?tigt gewesen, im Verlauf des ersten Jahrhunderts ihre Lehre und damit auch ihre Einstellung innerhalb der Gesellschaft zu ver?ndern. Auf jeden Fall habe sich Jesus in seiner unter den J?ngern bewirkten Erwartung geirrt. Ich m?chte zu dieser Frage hier einfach einige Gedanken ?u?ern ? nicht in dogmatischem Sinne, sondern als Anregungen zum Nachsinnen und Nachforschen ?, Gedanken, die mir beim Lesen der Worte Jesu gekommen sind.
Fest steht: es gab im ersten Jahrhundert eine Naherwartung (Joh. 21:23), und Paulus mu?te schon in seinen fr?hesten Briefen an eine Versammlung, die er selbst gegr?ndet hatte, einer solchen Erwartung entgegentreten (1.Thess. 4:16-17 und 2. Thess. 2:2-10). Fest steht auch, da? Jesus jeden Versuch einer Berechnung oder Datierung seiner Wiederkunft zur?ckgewiesen hat (Matth. 24:36; Mark. 13:32; Apg. 1:7); ja man kann sagen, da? wer auch immer durch chronologische Berechnungen diesen Zeitpunkt zu ermitteln sucht und ihn dann noch als Glaubenswahrheit verk?ndet, den Boden der Nachfolge Jesu entschieden verlassen hat. Er w?re Gottes Ablauf der Dinge ?vorausgeeilt?!
Hat Jesus die Naherwartung seiner Wiederkunft gelehrt? Verk?ndete er nicht, das K?nigreich sei nahe herbeigekommen? Predigten das nicht auch seine J?nger? Die Tatsache, da? er in Matth?us 4:17 und Markus 1:15 davon sprach, das K?nigreich sei nahe herbeigekommen, wurde schon von vielen Kommentatoren erkl?rt; Jesus sprach hier nicht von seiner Wiederkunft, sondern von seinem damaligen Kommen, durch welches den Juden der lang erwartete Messias und k?nftige K?nig ?angeboten? wurde.
Wenn Jesus auch nicht ?Tag und Stunde? oder den genauen Zeitpunkt seiner Wiederkunft kannte, sollte man nicht dennoch annehmen, da? er eine gewisse Vorstellung davon hatte, ob das Ereignis in naher oder fernerer Zukunft zu erwarten sei? Hat er hier keine Andeutungen gemacht?
Schon die benannten Zeichen der Zeit, die Jesus gem?? Matth?us 24, Markus 13 und Lukas 21 als Antwort auf Fragen der J?nger angab, lassen erkennen, da? eine Naherwartung eigentlich dem angek?ndigten Ablauf der Geschichte widersprechen w?rde. Die dort genannten Ereignisse ben?tigten Zeit, und nicht wenig Zeit! Auch in anderen Texten und Gleichnissen deutet Jesus auf eine Zeit von unbestimmter, aber doch l?ngerer Dauer hin (Matth. 13:24-33; 18:15-35; 19:28; 21:43; 23:32,39; 25:19 und andere mehr). Zu diesen Ereignissen geh?rt unter anderem der Aufbau seiner Versammlung, seines Leibes gem?? Matth?us 16:18.
Auch der Text in 2.Petrus 3:3-4 ist kein Beweis daf?r, da? sich Sp?tter ?ber eine Naherwartung der damaligen Christen lustig machten, denn solche Sp?tter gab es zu allen Zeiten, auch heute, und sie spotten ?ber die Hoffnung der Wiederkunft ganz grunds?tzlich. Petrus tritt solchen Sp?ttern entgegen und weist damit die Leser darauf hin, da? man sich nicht auf Berechnungen und Vermutungen nach menschlichen Ma?st?ben einlassen d?rfe, da bei Gott ganz andere Zeitma?st?be gelten. Er will zeigen, welche Einstellung der Enderwartung gegen?ber allein angebracht ist. Er will zur Wachsamkeit und steten Bereitschaft mahnen, um nicht, weil die Wiederkunft Jesu noch in der geschichtlichen Zukunft liegt, der Gefahr anheimzufallen, glaubensm??ig durch das Alltagsleben ?erstickt? zu werden.
Genau in gleicher Weise hatte auch Jesus gesprochen; trotz oder sogar wegen der angedeuteten Ferne der Wiederkunft war es erforderlich, die glaubensm??ige Wachsamkeit der J?nger zu st?rken (Mark. 13:35,37). Er erkl?rte auch immer wieder, da? sein Tag der Wiederkunft k?me wie ein Dieb in der Nacht. Gerade weil dieser Tag nicht ?um die Ecke? lag, war die Ermahnung wichtig, in der Erwartung nicht nachzulassen, nicht ?einzuschlafen?, die Aufmerksamkeit, ja die Erwartung selbst nicht zu verlieren. Die Einstellung der Gl?ubigen hinsichtlich der Wiederkunft war wichtig, und das zu allen Zeiten! Auch in dem Gleichnis von dem ?treuen und verst?ndigen Sklaven? gem?? Matth?us 24: 42-47 wird deutlich, da? es nicht auf einen berechneten Zeitpunkt, sondern auf die Einstellung des Knechtes ankommt; er sollte jederzeit f?r die R?ckkehr seines Herrn ger?stet sein, denn zu keiner Zeit w?rde er im voraus wissen, wann sein Herr kommen w?rde.
Die Mahnungen Jesu in diesem Gleichnis wie auch in anderen (z.B. Matth. 25:5) sollen also dazu aufrufen, in der steten Bereitschaft und Wachsamkeit nicht nachzulassen. Den Tag einfach in eine ferne Zukunft zu verschieben ? auch wenn er sich tats?chlich dort befand ? k?nnte zur Folge haben, in dieser Bereitschaft nachzulassen. Dann k?me der Herr tats?chlich ?zu fr?h? im Sinne der beiden Gleichnisse, zu fr?h f?r den Knecht wie auch f?r die t?richten Brautjungfern, weil sie ihre Wachsamkeit verloren hatten. Da? der Tag an und f?r sich fr?h k?me, wollen beide Gleichnisse gerade nicht sagen.
Als Ergebnis kann man zusammenfassen:
Jesus betont zwar die N?he seiner Wiederkunft, dies aber nur im allgemeinen und mit sichtlicher Beziehung auf die Abwehr der f?r die J?nger zur Gefahr werdenden Neigung, in der steten Erwartung der Wiederkunft nachzulassen. Seine Worte sollen die J?nger st?rken, sie sind aber nicht dazu bestimmt, zu einer Berechnung der N?he oder Ferne der Wiederkunft zu ermuntern oder gar eine Berechnung des genauen Zeitpunkts zu gestatten. Das Gleichnis in Markus 13:33-37 dient dem gleichen Zweck. Es ist eine ernste Mahnung zur Bereitschaft und Wachsamkeit, eine Warnung vor Vernachl?ssigung der Aufmerksamkeit. Der Zeitpunkt der Wiederkunft ist nicht bekannt, aber f?r die Unaufmerksamen k?me er pl?tzlich oder schnell! Hier wird praktisch das von Paulus gew?hlte Bild vom ?Dieb in der Nacht? vorweggenommen. Jesus kannte nach seinen eigenen Worten den Tag und die Stunde seiner Wiederkunft nicht; aber die Liebe zu seinen J?ngern trieb ihn, ihnen einzusch?rfen, stets nur mit der N?he, niemals aber mit der Ferne seiner Wiederkunft zu rechnen, v?llig unabh?ngig davon, zu welchem Zeitpunkt dieser Tag wirklich kommen w?rde. Das hei?t, da? Hinweise auf die N?he dieses Tages mit der Forderung zur st?ndigen Wachsamkeit zusammenh?ngen; gerade wenn dieser Zeitpunkt noch in gr??erer Ferne l?ge, w?ren wegen der Dringlichkeit der Wachsamkeit solche Worte Jesu f?r die J?nger angebracht. Betonung der N?he und Hervorhebung der Ferne sind also hier nicht zwei sich gegenseitig ausschlie?ende M?glichkeiten, sondern vielmehr zwei miteinander in Zusammenhang stehende Aussagereihen, die auf verschiedene Weise dem gleichen Sachverhalt Ausdruck verleihen.
Wie oben erw?hnt, k?ndigte Jesus geschichtliche Ereignisse an (Matth. 24, Mark. 13, Luk. 21) sowie Anfechtungen und Leiden f?r seine Nachfolger, die aber noch nicht das Ende anzeigen w?rden (Matth. 24:6). Vielmehr erg?be sich eine gef?hrliche Zeit des Wartens; das deutet eine verh?ltnism??ig gro?e Ferne an. Auch Paulus spricht zum Beispiel in Apostelgeschichte 20:29-30 Dinge an wie Abfall und Abtr?nnigkeit, alles Ereignisse, die nicht geringe Zeit in Anspruch nehmen w?rden.
Wenn wir die Aussagen Jesu unter der Zielrichtung der Einstellung der Christen zu seiner Wiederkunft betrachten, dann gibt es da weder Widerspruch noch zu korrigierender Irrtum. Markus 13 berechtigt uns vielmehr, die Rede Jesu daf?r in Anspruch zu nehmen, da? er den Tag seiner Wiederkunft in verh?ltnism??ig gro?er Ferne sah und ihn in keiner Weise als an und f?r sich nah betrachtete. Die J?nger sollten sich nicht durch Anfechtungen und Leiden, durch Altern und Zeitablauf dazu verf?hren lassen, von der allzeit bereiten Erwartung abbringen zu lassen. Alle Worte Jesu wirken hin auf Wachsamkeit; er vernachl?ssigt ganz bewu?t die Zeitfrage. Wichtig ist f?r ihn ? und f?r uns ? nicht die Zeitfrage als solche, sondern die Pflicht seiner J?nger zur Wachsamkeit und zum Ausharren in den bevorstehenden Verfolgungen und Leiden, also ihre Pflicht zur Bewahrung des Glaubens und der Gemeinschaft mit ihm.
In gleicher Weise ist der Ausdruck ?Geschlecht? oder ?Generation? nach Matth?us 24:34 nicht auf einen Zeitraum einer Generation bis zur Wiederkunft Jesu bezogen; die Kommentatoren sind sich hier weitgehend einig ? und Jesus w?rde sich nicht innerhalb einer einzigen Ansprache mehrfach widersprechen -, da? hier entweder das j?dische Geschlecht an sich oder an das b?se Menschengeschlecht im allgemeinen zu denken sei. Die Texte in Matth?us 16:28 und Markus 9:1, die zumeist auf die sp?ter folgende Verkl?rungsszene bezogen werden, sind dann auch in Harmonie mit obigen Ausf?hrungen zu sehen. Pauli Worte aus R?mer 13:11, da? unser Heil jetzt n?her sei als zum Zeitpunkt, an dem wir gl?ubig wurden, w?ren so gesehen eine Binsenwahrheit, da alle k?nftigen Ereignisse mit jedem Tag n?herr?cken. Doch was will er sagen? Wir wurden gl?ubig, und seither gehen und sehen wir der Wiederkunft Jesu entgegen. Wir schauen nicht zur?ck in die Finsternis, sondern haben unsere Hoffnung bei Gott und Christus, ?hinter dem Vorhang? (Hebr. 6:18-20), festgemacht, und so sehen wir den Schimmer des Lichts der Wiederkunft Christi am Horizont; der Tag ist nahe, weil wir ihm entgegengehen. Wie lange die Nacht noch w?hren wird, wei? Paulus nicht; das ist ihm auch nicht wichtig! Wichtig ist ihm allein, da? die Nacht vorger?ckt ist, da? wir Kinder des Lichts sind, da? wir die Waffen des Lichts tragen und aufstehen vom Schlaf, damit wir wach seien, wenn der Tag k?me. Daher gilt diese Mahnung f?r alle Generationen. Sie hat das gleiche Ziel wie die Worte Jesu. Die Worte sind ganz allgemein und grunds?tzlich ma?gebend.
Der Vers in 1.Korinther 7:29 ?ber die ?zusammengedr?ngte Zeit? schreibt Paulus ganz bewu?t den Christen seiner Zeit und bezieht ihn nicht auf Jesu Wiederkunft; es gab viele N?te, K?mpfe und Leiden, die auf die damaligen Christen zukamen. Es war eine bedr?ngnisvolle Zeit, in der es sich nicht leicht leben lie?. Man mu?te sich sehr ausrichten auf die Dinge, welche die Zeit erforderte, und mu?te vieles Andere auf die Seite r?cken. Doch hat der Text nichts mit der Frage der Naherwartung der Wiederkunft Jesu zu tun.
Auch Matth?us 10:23 wurde schon auf seine Wiederkunft bezogen; doch m?chte ich hier erw?hnen, was der gro?e Bibelkommentar ?The Expositor's Bible Commentary? - ?hnlich auch die Wuppertaler Studienbibel ? sagt; nicht immer, wenn die Bibel vom Kommen Jesu spricht, bezieht sie sich auf sein zweites Kommen am Ende des Evangeliumszeitalters, an dem er seine Gemeinde heimholt. Sein Kommen ? und damit auch das Kommen seines Reiches ? geschieht in Etappen! Zuerst kam Christus, geboren unter Gesetz und dennoch schon als K?nig angek?ndigt (Gal. 4:4-5; Matth. 2:2); in einer anderen Weise kam er als Ergebnis seines Todes und seiner Auferstehung in voller Autorit?t (Matth. 28:18). Dann spricht die Bibel nat?rlich von seiner Wiederkunft in K?nigreichsmacht. In wieder einer anderen Weise kam Jesus ? ?das K?nigreich ist mitten unter euch? ? zu den Juden und warnte sie vor den Folgen, wenn sie ihn als Messias verwerfen w?rden. In dieser Aussage wurde er von den Propheten gest?tzt, aber seine Warnungen waren einzigartig, weil durch sein Kommen die messianische Herrschaft gleichsam heraufd?mmerte. Vor diesem Hintergrund ist Matth?us 10:23 zu sehen; der Vers kennzeichnet sein ?Kommen? im Gericht ?ber das j?dische System, das er wie auch die Propheten angek?ndigt hatte (z.B. Matth?us 24:2), und in dessen Folge viele Dinge des Alten Bundes verschwanden, denn der Menschensohn war gekommen! Vor allem diese Auslegung gibt dem Text in Matth?us 10:23 im Zusammenhang mit dem Kontext Sinn. Jesus k?ndigt Verfolgung durch die Juden an (Joh. 16:1-2) in einer Zeit, als die Christen noch mit der Synagoge verbunden waren; in dieser Zeit m??ten sie oft von einer Stadt in die andere fliehen, wo sie weiterhin evangelisieren w?rden. doch w?rden sie mit den St?dten Israels nicht fertig werden, bis der Sohn des Menschen das Gericht ?ber Israel kommen lassen w?rde, wie es sich dann im Jahre 70 n.Chr. ereignete.
Ganz sicher gibt es f?r die eine oder andere Textstelle unterschiedliche Deutungsm?glichkeiten. Doch zeigen die Ausf?hrungen, da? Jesus keineswegs eine Lehre vertreten hat, die sich dann als Irrtum erwies. Da? die Wiederkunft immer noch aussteht, bis heute, spricht nicht gegen die Richtigkeit der Worte Jesu und schon gar nicht gegen die Erwartungshaltung und Lehre Jesu, der das Ziel verfolgte, seine J?nger und Nachfolger aller Zeiten in ihrer Wachsamkeit zu best?rken. Je mehr wir uns in die Aussagen Jesu vertiefen, desto mehr gewinnen wir ein Verst?ndnis f?r den eigentlichen Sinn der biblischen Enderwartung auch in der von Jesus gelehrten und vertretenen Form und lernen sie bejahen. Es ist merkw?rdig, wie die starke Betonung der Wachsamkeit durch Jesus eine solche Anziehungskraft auf Kritiker aus?bte, sie als Nachweis f?r einen gro?en Irrtum Jesu zu gebrauchen, auf Personen, die h?ufig die biblische Botschaft nur oberfl?chlich oder von fern kennen. Diese Personen unterstellen Jesus eine Nah-, ja eine N?chsterwartung, die nicht nur auf uns heute als ungesund und krankhaft, als blo?e Einbildung wirken mu? und die daher unsere Erkenntnis des Wahrheitswertes der gesamten Botschaft Jesu gef?hrden m??te, sondern die auch schon zu ihrer Zeit nur als unverst?ndlich und unverst?ndig gewirkt haben mu?.
Die Tatsache, da? die Wiederkunft Jesu noch in der Zukunft liegt, ist keine Meinungs?nderung Gottes oder eine Verz?gerung (2.Petr. 3:9), sondern durchaus im Einklang mit Jesu Verk?ndigung und Lehre.