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Wer fremdgeht, ist nicht glücklich


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Rolf

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Sechstes Gebot




Wer fremdgeht, ist nicht glücklich




"Du sollst nicht ehebrechen", lautet das Sechste Gebot. Die Zahl der Hochzeiten sinkt in Deutschland, die der Scheidungen ist unverändert hoch. Was ist eine Ehe heute noch wert? Zu Besuch bei einem Scheidungsanwalt, einer Bordellbesitzerin und bei einem Ehepaar, das seit 65 Jahren verheiratet ist.

"Wir haben im Fronturlaub geheiratet, danach war er zwei Jahre lang fort“, sagt die alte Dame zögernd. „Bei seiner Rückkehr, als ich ihn dann wiedersah, in Lumpen, das Bein zerschossen, als er plötzlich so vor mir stand, da dachte ich ... ich dachte ...“, und dann kommen die Tränen.

Ihre Tochter, selbst Großmama, nimmt die Mutter in den Arm, draußen im Garten fährt der Wind durch die spätherbstlich getönten Blätter, blickt ein Eichhörnchen hinein ins Halbdunkel des Wohnzimmers, zu diesen Menschen, dieser Spezies mit ihren merkwürdigen Gepflogenheiten und ihren unkontrollierbaren Gefühlen.

n einem heruntergekommenen Restaurant am anderen Ende der Stadt streift Felicitas Schirow umständlich ihren Allwettermantel ab und lässt sich schwer auf den wackeligen Kneipenstuhl sinken. Ihre Brust hebt und senkt sich lebhaft. Es sind dies beschwerliche Tage für sie. Mit 50 Jahren hat es Schirow doch noch geschafft, schwanger zu werden. Das Glück macht sie strahlend, auch wenn der stete Konflikt der Frau von heute, die Vereinbarkeit von Mutterschaft und Beruf, bei ihr einen ganz besonderen Dreh erhalten wird. Felicitas Schirow ist Berlins bekannteste Bordellbesitzerin.
Was Männer in Etablissements wie ihr „Café Pssst“ in Wilmersdorf zieht? Sexuelle Entzugserscheinungen im Eheleben und – noch häufiger – die Lust auf etwas anderes: „Der Mensch ist nicht zur Monogamie geboren. Männer flüchten sich dann eben in eine Traumwelt, zu uns, leben sich hier aus.“ Das Erlebnis müsse nicht besser sein als daheim. „Nur neu“, sagt Schirow. Männer fühlten sich „angezogen vom Verbotenen: wie ein Einbrecher“.

Haben die Freier der Frau daheim gegenüber ein schlechtes Gewissen? „Sicher. Aber warum weiß ich das? Weil sie es mir erzählen – bei ihrem nächsten Besuch ...“, sagt sie und lächelt. Ebenso weiß sie, dass Fremdgehen noch nie eine Beziehung gerettet hat. Bordellbesuch und Seitensprung seien Zeichen einer kränkelnden Ehe. „Wer fremdgeht, ist nicht glücklich“, versichert Schirow, die selbst verheiratet ist, längst keine Freier mehr empfängt, aber der Frage nach dem Stellenwert von Treue in der eigenen Ehe geschickt ausweicht.

Die Tränen der alten Dame im Reinickendorfer Reihenhaus sind fortgewischt. Ihr Mann hat während ihrer Erinnerung an seine Kriegsrückkehr einen Punkt in zeitlich weit zurück liegender Ferne fixiert, den hier im Wohnzimmer, in dieser Straße, unter den sechs Milliarden Menschen dieses Planeten niemand kennt – außer ihm: Georg (87), Oberstudienrat i.R. Außer ihr: Ursula (84), Hausfrau und Mutter von zwei Söhnen und einer Tochter. Ihren Nachnamen möchten sie lieber nicht in der Zeitung lesen. Dabei haben sie Bemerkenswertes geleistet. Dieser Tage wurde ihre Ehe, die sie vor 65 Jahren eingingen, in der Gemeinde Lübars mit Kindern, Kindeskindern und Urenkeln nochmals feierlich gesegnet.

Alles ganz unschuldig, und so sollte es bis zur Hochzeit auch bleiben

Die Familie scheint die beiden ständig zu umgeben. Von den Wänden und aus der mächtigen Schrankwand strahlen Menschen, alt und jung, mal im Urlaub, mal im quietschbunten Siebzigerjahre-Hochzeitsdress, die meisten haben Ursulas Augen. Zwei ihrer Kinder umrahmen auf Sofa und hinzugezogenem Schemel wachsam ihre Eltern, irgendwo im Haus schleicht ein Schwiegersohn umher. „Nun nehmen Sie doch noch ein Stück Baumkuchen“, lauten die Refrains von Georg und Ursula, zwischen denen sie Strophen ihres Lebens erzählen.

Kennengelernt hatten sie sich bei der sonntäglichen Bibelarbeit in Treptow. Seit 1938 ging man fest miteinander, meist durch den Treptower Park. Alles ganz unschuldig, und so sollte es bis zur Hochzeit auch bleiben. Nach dem Krieg arbeitete der spätere Berufsschullehrer Georg wieder als Kunst- und Bauschlosser, 1953 wurde der jüngste Sohn geboren. „Die einzige Prüfung, die es in unserer Ehe gab“, sagt Georg, „war zu überleben.“

Mit einem Entschluss stellte er selbst jedoch 1956 die Belastbarkeit gleich der gesamten Familie auf die Probe. Georg weigerte sich im Werk gegenüber dem Vorgesetzten, an einem Liebknecht-Luxemburg-Umzug teilzunehmen, er gehe an dem Tag nämlich in die Kirche. Man legte ihm nahe, die Republik zu verlassen.

Die Entscheidung, darauf mit den Seinen nach Charlottenburg umzusiedeln, nein, die habe er nicht mit der Frau besprochen. „Ich bin ein Feigling“, unterbricht Ursula, in deren herzlichem Wesen sich gelegentlich ein resoluter Wille Bahn bricht. „Ich hatte mir gewünscht, dass er aus Rücksicht auf die Kinder anders entscheidet. Aber ich hätte ihn damals unterstützen sollen. Denn dass dann alles besser wurde, habe ich ihm zu verdanken.“ Georg verschränkt die Arme und schaut wie einer, der für seine familiären Entscheidungen eigentlich nie sonderlich auf Dank aus war, sondern einzig darauf, am Ende das Richtige unternommen zu haben.

„Ehebruch ist gesellschaftsfähig“

Es gab Zeiten“, blickt auch Hermann Messmer weit zurück, „da wirkte das Gebot vom Ehebruch noch wie ein Keuschheitsgürtel.“ Heute dagegen, so der 70-Jährige, „ist das Gebot ein Papiertiger“. Messmer ist in Deutschland der Scheidungsanwalt für Prominente. Der Münchner vertrat Corinna gegen Udo Jürgens, brachte Tony Curtis und Christine Kaufmann friedlich auseinander und vertritt nun Schauspieler Bernd Herzsprung in der Scheidung von Frau Barbara. Turbulente 28 Jahre hielten die es miteinander aus.

Ganz anders gingen Mann und Frau noch in der Frühzeit der Bundesrepublik mit dem sexuellen Fehltritt um. Messmer: „Der Gatte konnte das am Stammtisch erzählen und galt als toller Hecht.“ Eine Frau dagegen, deren Seitensprung bekannt wurde, war „mit dem Kainsmal“ gezeichnet. Doch das Blatt hat sich gewendet, „Ehebruch ist gesellschaftsfähig“, vermeldet Insider Messmer. „Bin ich normal?“, habe ihn jüngst eine Klientin gefragt. „Ich bin so treu.“

Heute wird gleichberechtigt betrogen

Den Trend zum Fremdgehen brachten laut Messmer die Pille und der Wandel im Scheidungsrecht: Das Zerrüttungsprinzip ersetzte 1977 das Verschuldensprinzip. Künftig konnten Mann und Frau also ganz offiziell auseinandergehen, weil man sich auseinandergelebt hatte. Die Bestrafung eines untreuen Ehepartners, indem man ihm Kinder und Unterhalt entzog, fiel fort. Ergebnis: Heute wird gleichberechtigt betrogen. Fünfzig-fünfzig ist das Verhältnis, hat Messmer in seiner Kanzlei festgestellt. Hintergangen werde oft aus Rache. „Auge um Auge, Zahn um Zahn, Ehebruch um Ehebruch“, so der Jurist.
Der Mensch sei halt nicht zum Treusein geboren. Da hilft auch kein Ehevertrag: Messmer kennt Fälle, in denen jedes auswärtige Bettabenteuer daheim bei der Frau mit Schmuckgeschenken gebüßt werden musste. „Am Ende der Ehe konnten die Gattinnen allesamt ins Juweliergeschäft einsteigen“, sagt Messmer bitter.

Sein eigenes Geschäft dagegen ist in Gefahr. „Die Ehe auf Lebenszeit hat die Schwindsucht. Gehen wir dazu über, dass der Treuegedanke völlig fortfällt, verliert die Ehe jeden Sinn“, gibt der Scheidungsanwalt zu bedenken. „Dann ist die Ehe bald nichts als eine Gemeinschaft zur Kinderaufzucht.“

„Wenn es mal Streit gab“, sagt Ursula stirnrunzelnd, weil sie jetzt lange überlegen musste, „dann wegen der Kinder.“ Seit 1960 lebte man im Nordberliner Eigenheim, das durch zähes Sparen, überwacht vom Vater, abbezahlt werden musste. Dass der große Sohn am Sonntag lieber auf den Fußballplatz als in die Kirche ging, nahm Georg hin. Aber wenn seine Tochter abends nicht zur abgemachten Zeit erschien, wurde Vater böse. „Ich konnte bitten und betteln, aber nein, das machte meinen Mann furchtbar ärgerlich.“ Es konnte passieren, dass Georg lange nicht mit dem Kind sprach. Zur Strafe.

Meist treibt der Zorn die Partner auseinander

In der Generation von Georg und Ursula mag zur Ehe gehört haben, dass die Frauen unter dem Regiment ihrer Männer standen, erklärt Paartherapeut Sören Tempel. Aber die Generation der heute Ehewilligen treibe noch viel Verrückteres: „Die finden das Heiraten so herrlich romantisch, die wollen dieses Event Hochzeit.“ Dumm nur, und damit kommen viele junge Ehepaare für 10 bis 15 Sitzungen zu ihm in seine „Praxis Kreuzberg“, wenn einstige Szenegänger die Promiskuität des Nightlife vermissen und plötzlich Eifersucht und Fremdgehen zum Thema geworden sind. Weil die Partner mit den falschen Erwartungen den Bund fürs Leben eingingen, zerbrächen so viele Ehen, so viele Menschen. „Die meisten“, sagt Tempel, „denken, Ehe sei eine Problemlösung, dabei fangen die Probleme damit erst an.“ Und irgendwann passiert es. Der Betrug, der Seitensprung, die Affäre.

Zumindest für Männer kann Tempel, ein gewandter Redner, Ende 30, elegant, über 1,90 Meter, Hollywood-Figur mit ernst zu nehmendem Händedruck, das häufigste Motiv benennen: „Die fühlen sich zu wenig geliebt, zu wenig unterstützt.“ Bei der Hälfte seiner Klienten geht es um einen One-Night-Stand. Beim Rest hat es Tempel mit Mehrfach-Fremdgehern zu tun. „Sie gehen vor mir auf sehr höfliche Weise miteinander um. Denn meist liegt die Verletzung sehr tief. Deshalb haben sie sich eine äußerliche Brücke geschaffen.“

Innerlich aber sei die Wut des Betrogenen überwältigend, ohne sich auf geeignete Weise entladen zu können. „Eine Frau hat auf ihren Mann eingedroschen – als einmalige Äußerung halte ich das für einen geeigneten Weg“, erinnert sich Tempel. In der Regel aber treibe der Zorn die Partner auseinander. „Man hat den anderen als Lügner erkannt und wird nun im Zusammenleben von der Frage verfolgt: Lügt der gerade wieder?“ Um da noch Heilung zu finden, brauche das Opfer die Erfahrung: Der andere ist immer für mich da. Ich kann ihm vertrauen. Wissen Menschen vor ihrem Betrug, welches Leid sie ihrem Partner zufügen werden? „Nein“, erwidert Tempel, ohne zu zögern. „Nicht im Geringsten. Sonst würden sie es nicht tun.“ Ebenfalls ohne zu zögern beantworten die eisern gebliebenen Eheleute Georg und Ursula die Frage, was sie all die Jahrzehnte zusammengehalten hat: „Die Liebe, die Liebe“, sagen sie gemeinsam, worauf uns neben ihnen der 64 Jahre alte Sohn, jener, der als Kind zum Fußball durfte, statt zur Kirche zu müssen, den langen Blick eines Wissenschaftlers zuwirft, der soeben bewiesen hat, dass es Leben auf dem Mars gibt.

Von Freizeit-Casanovas und Desperate Housewives

Die von Tageslicht unerreichte Ecke im blitzsauberen Restaurant einer Steakhauskette hat Thomas Bahner als Treffpunkt vorgeschlagen. Der Chef der „Ersten Berliner Seitensprungagentur“ liebt es diskret. Anonymität ist sein Geschäft. Denn wer verheiratet ist, aber mal Lust auf wen anderen hat, kann sich in seine Kartei aufnehmen lassen und so von der schnellen Nummer bis zur dauerhaften Affäre experimentieren. 400 Frauen und 200 Männer hat der zum zweiten Mal verheiratete, vierfache Vater Bahner katalogisiert. Herren zahlen 150 Euro für drei Monate, Damen sind gratis dabei.

Unter seinen Freizeit-Casanovas und Desperate Housewives gab es etwa den Arzt, der alle 40 Vermittlungen wahrnahm, die pro Vierteljahr möglich sind – „ich hab mich immer gefragt, wann der eigentlich praktiziert“, sagt der 52-jährige Bahner und lacht so herzlich, dass seine Lederjacke knarrt. Er versorgt Pharmavertreterinnen, die sich auf Durchreise einen Herren buchen, er denkt zurück an jenen Vater, der durch einen Vermittlungsunfall versehentlich an die Lehrerin seiner Tochter geriet, und er schwärmt, wie toll es nach dem Hauptstadtumzug dank pendelnder Bundespolitiker lief, die sich ohne die Unterstützung der Seitensprungagentur unter der Woche womöglich furchtbar gelangweilt hätten.

Fremdgegangen wird bevorzugt in anderen Bezirken als dem heimischen, in anderen Berufen als dem eigenen – bei Hospital-Ärzten etwa seien Krankenschwestern unerwünscht. Seine Assistentin, sagt der Agenturchef, höre als Motiv der Damen oft: „Meine Ehe ist so langweilig“ und „Mein Mann sieht mich gar nicht mehr“. Haben die vernachlässigten Gattinnen aber erst jemanden gefunden, seien sie „ganz happy“, freut sich Bahner.

Tatkräftig unterstützen die Seitensprungvermittler ihre Kunden, raten vom Besuch von Stundenhotels ab, blocken misstrauische Gattinnen ab, die in der Tasche ihres Mannes die Telefonnummer der Agentur gefunden haben, versuchen eben, ideale Paarungen zu ermöglichen. Bahner: „Jeder soll was bekommen für sein Geld.“

„Die Moralvorstellungen haben sich natürlich verändert, seit wir geheiratet haben“ schickt Oberstudienrat Georg voraus, als am Ende des ehelichen Rückblicks auf die gemeinsamen Jahrzehnte das Thema Treue aufkommt. „Sexualität sieht man inzwischen mit ganz anderen Augen. Aus heutiger Sicht kann man sagen, wir haben etwas versäumt, weil wir in einer anderen Zeit gelebt haben.“ Aber eine außereheliche Beziehung? Georg verzieht das Gesicht und bündelt seine ganze Abscheu im Wort: „Scheinheilig.“

Es entsteht jene lange Pause im Wohnzimmer, nach der man üblicherweise Abschied nimmt. Alles ist gesagt, erzählt, aufgegessen. Aber dann holt Ursula tief Luft, will sie doch noch einen Gedanken, den sie eben offenbar für ihre eigene Ehe fortgesponnen hat, nicht unausgesprochen lassen: „Hätte er das sechste Gebot gebrochen ..., ich weiß nicht, ob ich bei meinem Mann geblieben wäre. Es hätte mich wohl zu sehr verletzt.“ Die Verwunderung darüber hält sich beim Gatten und den Kindern sehr in Grenzen. Man kennt die Spielregeln.


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