Zum Inhalt wechseln

Welcome to Irrglaube und Wahrheit
Register now to gain access to all of our features. Once registered and logged in, you will be able to create topics, post replies to existing threads, give reputation to your fellow members, get your own private messenger, post status updates, manage your profile and so much more. If you already have an account, login here - otherwise create an account for free today!
Foto

Biblische Hermeneutik


  • Bitte melde dich an um zu Antworten
Keine Antworten in diesem Thema

#1
Rolf

Rolf

    Administrator

  • Administrator

  • PIPPIPPIP
  • 34025 Beiträge
  • Land: Country Flag
Biblische Hermeneutik


Leitfaden für Exegeten und Prediger der Wortes Gottes


Hermeneutik
abgeleitet von "hermeneia",
griech.: Auslegung, Interpretation • Hermeneutik und Exegese
• Notwendigkeiten der Hermeneutik
• Grundannnahmen
• Geistliche Voraussetzungen
• Werkzeuge des Exegeten
• Zu vermeidende Fehler
• Die Irrtumslosigkeit der Bibel
• Anwendung in Predigt und Lehre
• Weiterführende Literatur



I. Hermeneutik und Exegese

Die Hermeneutik ist die Wissenschaft (und zugleich Kunst) des Auslegens biblischer Texte. Oft herrscht Unklarheit über den Bezug der Hermeneutik zur Exegese. Diese Begriffe sind nicht austauschbar! Exegese bezeichnet die Praxis der Bibelauslegung und wendet dabei die Hermeneutik an, die die Regeln für die Auslegung liefert.

Zum Anfang

II. Notwendigkeiten der Hermeneutik

• Herausfinden, was Gott in der Heiligen Schrift, der Bibel, gesagt hat.
• Überbrückung des Abstandes zwischen unserer Denkweise und der des biblischen Autors. Diese Kluft ist gegeben durch:
1. Sprachunterschiede
2. die kulturellen Unterschiede
3. die Geographie und
4. die Geschichte

III. Grundannahmen biblischer Hermeneutik

1. Der Exeget geht davon aus, daß die Bibel (AT und NT) verbindliches Wort Gottes ist. Die Annahme, daß die Bibel die einzige Autorität und göttliche inspirierte Schrift für uns Christen ist, ist Grundvoraussetzung jeder erfolgreichen Exegese.
Der für uns gültige Kanon muß festgelegt sein. Der Protestantismus, und damit auch die Pfingstbewegung, anerkennt beim AT den jüdischen Kanon (d.h. AT ohne Apokryphen) sowie den heutigen Kanon des NT.
2. Nach dem der Exeget davon ausgegangen ist, daß der protestantische Kanon wahrer Inhalt der Heiligen Schrift ist, müssen Text und Apparat bestimmt werden.
D.h., daß aus den vielen uns vorliegenden Handschriften der für uns heute verbindliche, der wahre Text, ausgesucht werden muß, andere Handschriften werden dann als Apparat oder weitere Lesarten bei der Exegese berücksichtigt. Die wichtigsten Texte und alten Übersetzungen für uns sind heute der masoretische Text (hebräisch und aramäisch), die griechische Septuaginta (LXX), die Peschitta (syrisch), die Targumim und die Vulgata (latein).
3. Die Praktischen Schritte vor der eigentlichen Exegese:
Textkritik: Sie entscheidet, was der ursprüngliche Wortlaut der Schrift war (siehe auch 2. Grundannahme).
Historische Kritik:, bestehend aus Formkritik, Redaktions- und literar. Kritik, beschäftigt sich mit der Autorschaft, der historischen Einordnung (Zeitpunkt der Entstehung), der Authentizität, der literar. Form etc.
Durch den respektlosen Gebrauch dieser Kritik durch liberale Theologen wurde leider oft die göttliche Inspiration und Einheit der Schrift in Frage gestellt. Trotzdem ist auch für evangelikale Exegeten eine verantwortungsvolle historische Kritik durchaus sinn- und wertvoll!


IV. Geistliche Voraussetzungen eines Exegeten


• Er muß wiedergeboren sein.
• Die Leidenschaft muß vorhanden sein, Gottes Wort zu kennen.
• Er muß eine tiefe Ehrfurcht vor Gott und seinem Wort besitzen.
• Unbedingte Abhängigkeit von der Führung und Leitung des Heiligen Geistes muß gegeben sein.


V. Die Werkzeuge eines Bibelauslegers

• die Bibel (verschiedene, möglichst Urtext-nahe, Übersetzungen)
• Bibelkommentare
• Bibellexikon
• Bibelatlas
• Konkordanz
• Hintergrundliteratur zur Geschichte, Kultur, Archäologie etc.
• wenn keine Kenntnisse der biblischen Sprachen vorhanden sind, können Interlinearübersetzungen hilfreich sein.


VI. Häufige Fehler, die ein Exeget vermeiden sollte


1. Anerkennen außerkanonischer Autoritäten
Ein Grundsatz protestantischer Hermeneutik ist folgender: Schrift legt Schrift aus . D.h. daß 1. zur Erklärung einzelner Textabschnitte der Kontext der ganzen Heiligen Schrift herangezogen werden muß und 2. klare Schriftstellen unklaren vorzuziehen sind. Diese Definition läßt keine außerkanonischen (nicht-biblischen) Autoritäten zur Erklärung der Schrift zu, was daher auch vom Exegeten vermieden werden sollte!
2. Allegorisieren
Die Praxis der mittelalterlichen Hermeneutik bestand hauptsächlich aus dem allegorisieren des Textes. Voraussetzung für das Allegorisieren ist die Annahme, daß hinter dem buchstäblichen Text ein tieferer (mystischer) Sinn, eine tiefere Wahrheit, verborgen sei.
Die Reformation erkannte, daß dies keine Exegese, sondern Eisegese, ein Hineinlesen in die Schrift, darstellt. Auch heute neigen leider viele Prediger zum Allegorisieren, oft versteckt in einer typologischen Auslegung.
3. Vergeistlichen eines Textabschnitts
Aus dem Motiv heraus, Erbauliches im Text entdecken zu wollen (und als Prediger weiterzugeben), geschieht es oft, daß der Text vergeistlicht wird. Dies ist nichts anderes als eine Art des Allegorisierens. Der Prediger sieht sich unter dem Druck, Erbauliches für die Gemeinde im Text finden zu müssen (Christus in dem Text). Es wird dann dem Text eine tiefere Bedeutung zugesprochen, die in Wirklichkeit nicht vorhanden ist! Trotz des guten Motivs darf niemals das Prinzip biblischer Hermeneutik bei der Auslegung der Schrift verlassen werden. Um Erbauliches zu predigen sollte man dann lieber Texte auswählen, in die man nicht zuvor etwas heineininterpretieren muß!
4. Buchstabengläubigkeit
Unsere buchstäbliche Hermeneutik (Literalismus) und Exegese darf nicht mit einer Buchstabengläubigkeit (Hyperliteralismus) verwechselt werden! Durch Überbetonung des exakten Buchstabens geht die wesentliche Bedeutung der Schrift verloren. Die Buchstabengläubigkeit des rabbinischen Judentums führte z.B. zum Gebrauch von gemetria (Spiele mit den Zahlenwerten der Buchstaben), von notarikon und termura (Vertauschen von Buchstaben). Durch Buchstabengläubigkeit wird sich der Exeget in Trivialitäten verlieren und nicht mehr zur wahren Bedeutung der Schrift gelangen können.
5. Verwechslung von Inspiration und Illumination
Die Schrift ist durch göttliche Inspiration der biblischen Autoren geschrieben worden. Göttliche Inspiration ist unfehlbar, Illumination dagegen nicht! Der Exeget muß sich darüber im Klaren sein, daß die Illumination, d.h. die Erleuchtung des Exegeten durch die richtige Auslegung der Schrift, nie über die Wahrheit, die durch Inspiration der Schrift gegeben wurde, hinausgehen wird.


VII. Die Irrtumslosigkeit der Bibel


In den Glaubensbekenntnissen gehen in der Regel alle christlichen Kirchen von der Irrtumslosigkeit und der göttlichen Inspiration der Bibel aus. Leider gibt es oft falsche Vorstellungen von "Irrtumslosigkeit" bzw. Mißverständnisse, so daß mancher Exeget zum Zweifel an der Inspiration, Irrtumslosigkeit oder Einheit der Bibel gelangen kann. Die folgenden Punkte sollen einige solcher Mißverständnisse ausräumen helfen.
1. Glaube an die Irrtumslosigkeit bedeutet nicht, daß die ganze Bibel klar ist!
Die Bibel selbst bezeugt, daß es schwer zu verstehende und unklare Stellen gibt (1. Petrus 1,10ff; 2. Petrus 3,16; Hebräer 5,11). Die Unklarheit mancher Stellen ist durch die kulturelle Kluft, Geographie, Geschichte und vor allem die Sprachunterschiede gegeben. Es ist das Prinzip des Wortes Gottes, daß die göttliche Offenbarung gebunden an die damalige Kultur uns gegeben wurde. Unklarheit ist kein Beweis gegen die Irrtumslosigkeit!
2. Irrtumslosigkeit bedeutet nicht, daß die Bibel alles, was sie zu einer Sache sagt, an einer Stelle gesammelt sagen muß.
Scheinbarer Irrtum kann sich ergeben, wenn einzelne Passagen isoliert betrachtet werden. Erst die ganze Bibel in ihrer Einheit offenbart die ganze Wahrheit.
3. Allerdings kann sehr wohl behauptet werden, daß die Irrtumslosigkeit der Schrift keine Widersprüche in der Bibel erlaubt.
Scheinbare Widersprüche ergeben sich allein aus der großen Kluft zwischen unserem heutigen Verständnis und dem der biblischen Autoren. Auch können Widersprüche durch Fehlinterpretationen entstehen. So könnten scheinbar widersprüchliche Berichte eines Ereignisses einfach zwei einander ähnliche Ereignisse beschreiben. Fehler bei Zahlenangaben ließen sich sehr leicht nachweisen durch einfache Kopierfehler.
Ein fundiertes Wissen des Exegeten auf den Gebieten der Archäologie, Geschichte, Sprache und Kultur wird viele vermeintliche Widersprüche auflösen. Vor allem die Archäologie hat in den letzten Jahren beeindruckend die Widerspruchslosgkeit der Bibel bestätigen können.


VIII. Praktische Bedeutung für Predigt und Lehre


• Der Prediger (und Lehrer) ist ein Diener Gottes und damit ein Diener des Wortes Gottes! Er hat nicht die Freiheit, seine Überzeugungen zu predigen sondern ist in der Verantwortung vor Gott an Gottes Wort gebunden! (Lukas 1,2; Apg 1,8; 1. Tim. 5,17; 2.Tim. 4,2)
• Im Gebrauch der Bibel ist der Prediger wie jeder Exeget zum Gebrauch der Regeln biblischer Hermeneutik verpflichtet.
• Das Wort Gottes predigen heißt, die Schrift auszulegen, zu erklären, einen Bezug zu unserer Situation heute zu finden und das Wort Gottes schließlich praktisch auf unsere Situation anzuwenden. Die Weitergabe von Gedanken und Theorien über eine Schriftstelle ist also keine textbezogene Predigt des Wortes.
• Trockene Exegese ohne praktischen Bezug zur Gegenwart ist ebenfalls keine Predigt des Wortes Gottes! Gottes Wort ist lebendig, d.h. nicht, daß es nach Belieben auszulegen ist sondern vielmehr, daß es noch heute Relevanz für unser Leben hat und oberste Priorität in unserem Leben genießen sollte. Diese Relevanz muß in der Predigt aufgezeigt werden.
• Oberstes Ziel der Predigt des Wortes Gottes ist, zur "Errettung durch den Glauben, der in Jesus Christus ist" (2, Tim. 3,15b) zu führen. Ist dieses Ziel erreicht, dient die Predigt des Wortes Gottes zur " Lehre, Überführung, Zurechtweisung, Unterweisung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch vollkommen sei, zu jedem guten Werk völlig zugerüstet!" (2. Tim. 3, 16-17).
• Wegen dieser wichtigen Aufgabe neigt mancher Prediger zum Vergeistlichen eines Textes. Trotz des guten Motives, die Zuhörer erbauen zu wollen, darf die wahre Bedeutung eines Textabschnittes nicht dem Suchen nach "Christus im Text" oder dem "Evangelium im Text" zum Opfer fallen! Der Zweck heiligt nicht die Mittel, oder: Der Segen heiligt nicht die schlechte Exegese!

IX. Weiterführende Literatur

Sehr zu empfehlen ist das Buch "Biblische Hermeneutik" von Bernhard Ramm, erschienen bei ICI - Deutsches Büro, Asslar. Die wichtigsten Punkte und Gliederungen dieses kurzen Überblicks zur Hermeneutik wurden diesem Buch entnommen.
Empfehlenswert ist auch das Buch "Effektives Bibelstudium" von G. D. Fee u. D. Stuart, ebenfalls erschienen bei ICI, Asslar.



  • 0