Lieber Rolf,
Deine Darstellung schockiert mich einerseits und andererseits kann ich es nachvollziehen. Ich gehe davon aus, dass Deine Erfahrungen mit Adventisten so sind, wie beschrieben, was mir persönlich sehr leid tut, aber es ist Deine Erfahrung. Ich kann dir aber versichern, dass es auch andere gibt, die sehr wohl eine glückliche, erfüllte, stressfreie Beziehung zu Jesus haben, die die Gebote halten, weil sie erkannt haben, dass ALLES, was Gott schafft, einfach das Beste überhaupt ist und Gott Frieden, Sicherheit, Erfüllung, Zufriedenheit, Seelenruhe, Geborgenheit verspricht, wenn man in dem von ihm gesteckten Rahmen lebt - und ich betone L E B T! Mal ganz ehrlich: Kannst Du mir erklären, was schlecht daran sein soll, wenn man nicht tötet (auch nicht mit Worten), nicht stiehlt, nicht die Ehe bricht, niemandem etwas neidisch ist sondern sich mitfreut, nicht lügt sondern darauf achtet, dass seine Worte wahr und erbauend sind, wenn man seine Eltern achtet und für sie sorgt, sie schätzt, wenn man Gott allein die Ehre gibt und ihn an die erste Stelle setzt und sich auch keine Ersatzbefriedigung sucht, um die Unsichtbarkeit zu kompensieren, seinen Namen nicht durch den Dreck zieht und sich auf den unermesslichen Segen einlässt, den Gott selbst auf den Sabbat gelegt hat, einen Tag, der uns aus dem Leistungswahnsinn und aus dem unermesslichen Schaffensdrang in "weltlicher" und geistlicher Hinsicht heraus nehmen will (will heißen, dass wir uns immer dessen bewusst sind, dass unsere Erlösung ein Schöpfungsakt Gottes ist und nicht das Ergebnis meiner vermeintlichen "Super-Heiligkeit")?
Bei Deiner Darstellung kommt in mir die Frage auf, wleche Beziehung Du zu Jesus hast und wie Du die lebst im Alltag. Unterscheidet sich das von dem, was ich gerade geschildert habe?
Schade auch, dass Du offensichtlich noch nie einen bekehrten Adventisten kennen gelernt hast. Aber auch das kann ich nachvollziehen, denn Adventisten sind keine Supermenschen, sondern eben Menschen, die ihre Kämpfe haben, wie jeder andere auch. Ich selber war allerdings lange Jahre ein solcher Adventist - bis Gott mir eine besondere Erfahrung, eine Bekehrung geschenkt hat. Ich weiß, dass ich ein Sünder bin, ich weiß, wohin ich damit gehen muss/kann/darf. Ich weiß, was Gnade und Barmherzigkeit bedeutet und was das für meine Beziehung zu meinen Mitmenschen bedeutet.
Ich weiß aber nicht, wie genau Du das Statement mit Paulus meinst. Seinen Brief an die Römer studiere ich gerade unter Gebet. Und ich musste gleich auf der ersten Seite schmunzeln: Paulus verkündet: "Durch ihn haben wir empfangen Gnade und Apostelamt, in seinem Namen den Gehorsam des Glaubens aufzurichten unter allen Heiden..." Römer 1:5 Noch bevor er das Wort Gnade überhaupt in den Mund nimmt, spricht er vom Gehorsam des Glaubens. Nach meiner Erkenntnis gibt es keinen Paulus, der sagt, wir werden allein aus Gnade errettet, wobei man die Wörter definieren muss. Erlösung bedeutet immer, dass Gott mir etwas Unverdientes schenkt. Punkt. Ich selber kann dem nichts hinzufügen. Ich kann zwar versuchen, mir bei Gott etwas zu verdienen, aber das läuft nicht, denn wie soll ich denn bitte etwas gegen meinen sicheren Tod als verdientes Urteil über mein Sündenleben tun können? NUR die Antwort darauf, dass ER mich neu macht, "ent-schuldet", wird doch wohl die sein, dass meine Liebe zu ihm wächst, meine Dankbarkeit und mein Vertrauen und dass ich mich sehr dafür interessiere, wie ER ist, was ER sagt, wie ER denkt und vor allem wie in seinen Augen ein heiliges Leben aussieht. Und ER hat versprochen, mich auf diesem Weg zur Heiligung, zur Charakterveränderung, täglich zu tragen und - wenn ich wieder mal aufs Gesicht falle - mich wieder aufzurichten, mich nach Hause zu tragen und mich zu verarzten, mir seine zärtliche Liebe zu schenken, sein Verständnis (weil er ja selber durch diese Hölle gegangen ist). Wäre es nicht dumm und ihne jede Logik, würden wir nach der Versöhnung mit Gott weiterhin sündigen wollen in dem Wissen, Gott vergibt sowieso immer wieder...? Sollte man das nicht Vermessenheit nennen? In mir wächst der Wunsch immer stärker, so zu sein wie Gott (im Sinne seines Charakters) - und ich weiß, dass ich das alleine niemals schaffe, "aber bei Gott sind alle Dinge möglich."
Ich wünsche mir sehr, lieber Rolf, dass Du wenigstens die Möglichkeit einräumst, dass es auch Adventisten gibt, die das Wort Gottes ernst nehmen, aufrichtig die Gemeinschaft und den Willen Gottes suchen und ander nicht unterdrücken, sondern den wunderbarsten Perlenschatz, den es auf diesem Planeten gibt, den Glauben an den lebendigen Gott mit allem was dazu gehört, mit anderen zu teilen und ihnen so die Möglichkeit zu vermitteln, kein elendes Leben mehr zu führen. Und glaube mir, wenn man Menschen auf diesem Weg begleiten darf und erleben darf, wie sich ihr Leben total psoitiv verändert, Frieden einkehrt und Ordnung, Liebe, Geduld, Weisheit und ganz neue Lebenskraft, dann wächst die Überzeugung: Was kann es schöneres geben auf dieser Welt, als ein solches Leben zu führen, mit dem Blick auf die baldige Wiederkunft Jesu gerichtet, der das gewaltige Elend dieser Welt endlich beenden wird.
Ich hoffe, Dir ein etwas positiveres Bild über den Adventismus vermittelt zu haben. Es gibt überall Menschen, die die Dinge ernst nehmen und aufrichtig sind - und eben andere. Aber neu ist das nicht, das war auch schon zur Zeit Jesu so.
Gott segne Dich!
P. Klaus Reichart