Simon Jakob, Zentralrat der orientalischen Christen
Politik tut sich schwer mit Forderung nach getrennter Unterbringung
Beim bayerischen Integrationsbeauftragten Martin Neumeyer hat Paulus Kurt deshalb einen Termin. Das Kontrovers-Team darf bei dem Gespräch nicht dabei sein.
Ein heikles Thema für die Poklitik. Erst nach drei Wochen Bedenkzeit gibt Martin Neumeyer Kontrovers schließlich ein Interview.
Martin Neumeyer (CSU)
"Also weil es ein säkularer Staat ist, Deutschland. Weil wir Religionsfreiheit haben und wir eigentlich das Thema Religion jetzt nicht so in den Mittelpunkt stellen, dass die Religion Grund ist, jemanden zu trennen."
Er hofft, dass sich Opfer religiös motivierter Gewalt an die Behörden wenden. Doch in unseren Beispielen hat das nicht wirklich geholfen.
Das Kontrovers-Team fährt zurück in die Oberpfalz. Erneut treffen sie die Lehrerin und ihren Sprachschüler Hassan. Er hatte bei unserem ersten Treffen erzählt, dass er von Muslimen verprügelt worden ist. Es gibt eine unerwartete Wendung. Der Übersetzer und Valerie Pfeifle sind erstaunt. Die beiden Angreifer beschuldigen plötzlich Hassan. Er hätte sie bedroht. Pfeifle will deshalb zur Polizei:
Sprachlehrerin
"Ich möchte jetzt einfach mal wissen, was die aufgenommen haben, was der Stand ist und wie weit die Ermittlungen gelaufen sind."
Sie gehen zur Polizei. 20 Minuten dauert das Gespräch: Nicht nur Hassan - sondern auch die anderen haben Anzeige erstattet. Die Beamten ermittelt in alle Richtungen. Schlechte Nachrichten. Ein Schock für die Sprachlehrerin, die alle Aktenzeichen hat.
Sprachlehrerin
"Ja, klar. Für mich ist der Schock auch, dass es jetzt schon bei der Ausländerbehörde ist, dass das Ausländeramt informiert ist und dass er noch keinen Rechtsbeistand hatte."
Es steht Anzeige gegen Anzeige. Wer ist bei diesem Streit das Opfer?
Die Sprachlehrerin trifft einen Dolmetscher.
Wurde Hassan wegen seines Glaubens angegriffen? Oder hat er selbst Streit gesucht? Das ist nicht zu beweisen. Es ist immer dasselbe Problem. Auch beim Fall des Syrers aus der Matthäus Kirche. Wir fragen bei der zuständigen Polizeidienststelle nach. Die Schlägerei ist bekannt, den religiösen Hintergrund kennen die Beamten nicht. Eine Zeuge erzählt: Die Angreifer hätten sie eingeschüchtert, davon zu berichten. Der afghanische Flüchtling, der mit dem Messer bedroht wurde, er hat gar keine Anzeige erstattet.
"Ich hatte Angst die Polizei zu rufen. Die macht nichts. Sie kommt und verwarnt, die Leute."
Naser
Rainer Wendt, Bundesvorsitzender Polizeigewerkschaft
"Dieses Problem ist allgemein bekannt. Die Polizei wird alle diese Konflikte nicht bewältigen können. Es gibt Länder, in denen in den Unterkünften ständig die Polizei eingesetzt ist, aber dieses Problem haben wir einfach nicht. Es wäre wünschenswert, weil die Polizei einfach besser qualifiziert ist als Andere, als private Sicherheitsunternehmen, aber personell überhaupt nicht zu leisten. Insofern bleibt hinterher tatsächlich nur die Angst und deshalb ist es notwendig, dass eben qualifizierte Sicherheitsunternehmen und Betreuer und christliche Geistliche in diesen Unterkünften auch anwesend sind, damit die Menschen sich denen anvertrauen können, das kann nicht alles die Polizei leisten."
In der Mitte Elisabeth Savci und ihre Mitstreiterin Gabriella Gök.
Fehlende Beweise bei Straftaten - die eine Seite. Die Flüchtlinge leiden oft aber auch unter Schikanen, die nicht strafbar sind. Das Kontrovers-Team fährt nach Hessen. Es trift dort Mitglieder vom Zentralrat Orientalischer Christen. Es ist Sonntagmorgen - gleich beginnt der Gottesdienst: Elisabeth Savci und ihre Freundinnen holen fünf syrische Flüchtlingen ab. Sie haben den Christen eine Wohnung besorgt.
Elisabeth Savci
"Sie waren in einer Unterkunft mit sehr vielen Leuten und haben sehr ängstlich ein Video geschickt, mitten in der Nacht war das. Da gab es unheimlich Gebrüll, aufgrund dessen haben wir versucht, sie schnell rauszuholen."
Erkannt werden möchten die Flüchtlinge nicht. Sie haben immer noch Angst. Ihre Familien sind noch in Syrien. Die Frauen vom Zentralrat bekommen eine Wohnungsbesichtung. Für eine Männer-WG sieht es sehr ordentlich aus. Die Männer renovieren gerade einige Zimmer. Sie sind froh, hier Zuflucht gefunden zu haben.
Flüchtling
"Sie werfen uns vor, dass wir nicht an ihren Gott glauben. Und dauernd beten sie sehr laut. Immer wieder auch nach Mitternacht. Sie nehmen auf die anderen keine Rücksicht."
Oftmals klingen die Probleme fast banal:
"Der eine isst Schweinefleisch, den anderen ekelt das unheimlich an. Der eine sagt, warum bin ich mit dem unter einem Dach? Es eskalieren dann die Konflikte auf engstem Raum."
Elisabeth Savci
Seit September ist der Helferkreis um Elisabeth Savci fast rund um die Uhr im Einsatz. Sie helfen christlichen Flüchtlingen nicht nur bei Problemen, sondern unterstützen sie auch bei der Integration. Heute sind sie in der aramäischen Gemeinde Gießen zu Gast. Nach dem Gottesdienst gibt es Essen. Viele hier haben eine gefährliche Flucht hinter sich:
Elisabeth Savci
"Das ist der kleine Karlos, er ist mit seinen Eltern im Schlauchboot geflohen."
Da ist eine junge Mutter, die allein mit ihrer Tochter aus Syrien geflohen ist. Ihr Mann wurde in der Heimat verschleppt. Sie möchte nicht erkannt werden, berichtet wie bedrohlich es im Flüchtlingscamp für sie war.
Mutter
"Meine Tochter musste auf die Toilette, ich hab sie begleitet. Dann wurden wir von einem Typen verfolgt und ich am Arm gepackt, er hat gefragt, ob ich Christin bin. Ich hab ja gesagt. Dann hab ich nach der Security geschrien. Da bekam er Angst und ich konnte mich befreien. Wir haben uns seit dem Vorfall nicht mehr getraut, nachts auf die Toilette zu gehen."
Elisabeth Savci und ihre Mitstreiterinnen dokumentieren solche Aussagen. Für jeden neuen Flüchtling haben sie einen Fragebogen dabei, gehen mit den Problemen an die Öffentlichkeit und stoßen häufig auf Skepsis. Es ist ein Tabuthema, sagen beide Helferinnen.
Fortsetzung folgt: