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Jürgen Fliege: Ach, steh noch einmal auf, du toter Gott


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Rolf

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Jürgen Fliege: Ach, steh noch einmal auf, du toter Gott





Es gibt Menschen, die schalten komplett ab, wenn sie nur den Namen hören: Jürgen Fliege. Andere wiederum fühlen sich von seinen Texten stark angesprochen. Offensichtlich gibt es Menschen, die meinen, Gottes Stimme aus den Worten des prominenten Fernseh-Pfarrers zu hören. Ähnlich polarisieren dürfte sein neuestes Werk “Ach, steh noch einmal auf, du toter Gott!”. Wenngleich das 190-Seiten starke Sehnsuchts-Buch öffentlich bisher nicht auffallend umstritten wird: Nötig wäre das gewesen und hätte dem Buch als solches sicher gut zu Gesicht gestanden.

Es gehört wohl eine große Portion Mut dazu, Gott uneingeschränkt als “Glück” zu bezeichnen. Jürgen Fliege, mittlerweile 60 Jahre alt und seit langem als Pfarrer tätig, sollte es besser wissen, als in diesem Buch beschrieben: Einen "Pilgerweg des Herzens" wollte er nachzeichnen. Dabei fehlen in dem Werk ein paar Abzweigungen, Weggabelungen - ja auch Umkehrungen hin zum Gottvater. Es mag die Sehnsucht der Menschen sein, sich nach dem leicht zu habenden Glück auszustrecken. Fliege hat das gut erkannt - und bedient diese Sehnsucht ordentlich. Zuviel verspricht er nicht. Allerdings bietet der Autor mit diesem Buch auch nicht mehr an, als ein Teenie, der mit einem “Free-Hugs”-Pappkarton zu einer kostenlosen Umarmung einlädt.

Auch beim genaueren Lesen stößt es auf, wie Fliege "Kraftorte" herauf beschwört, um, so scheint es, sich selbst zu messen. "Wer seinem Vater begegnen möchte, der sollte allein und wie ein Kind an seine Grenze gehen". Wer nicht wisse, wo die eigene Grenze denn liege, sei es im Fasten, Marathon, in der Geduld oder Hingabe, der möge an große Grenzen gehen, um sich von dort aus helfen zu lassen, dem lieben Gott zu begegnen. Denn, so Fliege weiter: "Die große Grenze hilft immer der kleinen, sie leitet an." Sprachlich klingt Fliege, als wäre er verliebt in die selbst gefundende Weisheit. Frauen mit Rosenkranzgebeten seien in den letzten Jahren auf ihre stille Weise ihm zur Lehrerin geworden. Schwärmerisch erzählt er vom Marienmantra, das sich "immer enger und undurchdringlicher wie ein schützender Kokon um ihre kleine Gruppenseele legt".

Fliege zeichnet sprachlich keine klare Linie, sondern verheddert sich im spirituellen Gedanken-Dschungel. Überdies klärt sich in einem Brief an den längst verstorbenen Vater, wer der eigentliche Adressat des verwirrenden Buchtitels ist: Der leibliche Vater, der den Sohn nie predigen hören wollte. Wohl habe er darunter gelitten, doch als Pfarrer nicht versucht, durch langes und lautes Schreien gehört zu werden. Vielmehr lernte Fliege, fast formvollendet die Liebe zu formulieren. Auch im Schweigen an den Gräbern erkennt er die Liebe. Dies sei die "nachzutragende Liebe", die Zeit, in der erwachsene Kinder mit ihren Kindern zum Friedhof müssen, um Abschied zu nehmen. Allein die Pflicht stört beim Lesen dieses Gedankens. Nein, niemand muss zu den toten Eltern. Versöhnung zwischen den Generationen ist vielmehr ein Geschenk der Gnade Gottes, als ein Akt zwischen Blumenrabatten und Grablichtern.

“Ach, steh noch einmal auf, du toter Gott!” ist kein Buch für Menschen mit Angst vor den ganz großen Gefühlen. Fliege hat diese Furcht wohl längst überwunden. Die Werbung für Liebe und Spiritualität wirkt dennoch weder heiß noch kalt. Womöglich wäre sie effektiver, wenn sie weniger plakativ daher käme.
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