Zum Inhalt wechseln

Welcome to Irrglaube und Wahrheit
Register now to gain access to all of our features. Once registered and logged in, you will be able to create topics, post replies to existing threads, give reputation to your fellow members, get your own private messenger, post status updates, manage your profile and so much more. If you already have an account, login here - otherwise create an account for free today!
Foto

Gender Mainstreaming im Himmel


  • Bitte melde dich an um zu Antworten
Keine Antworten in diesem Thema

#1
Rolf

Rolf

    Administrator

  • Administrator

  • PIPPIPPIP
  • 34170 Beiträge
  • Land: Country Flag
Standpunkte Religion


Hintergrund:
Eine neue Bibel-Übersetzung in "gerechter Sprache" passt die Heilige Schrift dem politisch korrekten Zeitgeist an.





Gender Mainstreaming im Himmel



von Dirk Maxeiner und Michael Miersch

Erschienen am 17.11.2006 in DIE WELT

Der November ist ein Monat der Kontemplation. Um allzu tiefes Nachdenken über Gott und die Welt zu vermeiden, sind wir früher immer in sonnige Länder gereist. Doch wer schulpflichtige Kinder hat, muss im November in Deutschland ausharren. Also Kontemplation. An Anregungen über Glaubensfragen nachzudenken hat es in diesen trüben Herbsttagen nicht gemangelt.

Da wäre zunächst mal die neue Ausgabe von WIRED, dem philosophischen IT-Magazin. Darin wird von neuen Büchern berichtet, die zum Kampf gegen die Religiosität aufrufen. Für die Autoren sind wir wahrscheinlich ziemlich lasche Agnostiker, unwürdig der Heldinnen und Helden, die einst von der reaktionären Religionspolizei auf Scheiterhaufen geröstet wurden. Die atheistischen Prediger argumentieren, dass man den Frommen keinen kleinen Finger reichen darf. Denn eh man sich versieht - zack - vermiesen sie das Leben mit Kondom-Verboten oder mit Burka, Steinigung und Handabhacken. Zwar seien nicht alle Frommen Fanatiker, aber sie bilden den Humus, auf dem Gewächse wie Bin Laden gedeihen. Bestätigt wurde diese Kritik kürzlich in Jerusalem, wo Rabbis und Imame - ansonsten spinnefeind - gemeinsam eine Schwulenparade verhinderten.

Wir begannen gerade über die Notwendigkeit eines robusteren Atheismus zu sinnieren. Da kam schon die Gegenbotschaft: Das New York Review of Books präsentierte eine Polemik gegen die "Fundamentalisten der Aufklärung." Welch seltsames Feindbild in einer Zeit, in der fromme Moslems Kirchen, Synagogen und Nachtclubs anzünden - aber nirgends ein Atheist mit Sprengstoffgürtel gesichtet wurde.

Gerade wollten wir uns trotzig dem Aufklärungsfundamentalismus anschließen, da trafen wir (in einer Kneipe mit muslimischem Wirt) einen christlichen Freund. Der machte uns höflich darauf aufmerksame, dass die größten Genozide des 20. Jahrhunderts von atheistischen Ideologen angezettelt wurden. Auch wieder wahr.

Noch über solche novembertypischen Fragen grübelnd, erfreuten uns die ersten Berichte über die EKD-Synode in Würzburg. Da war von einer Rückkehr zum Glauben die Rede, von einer Besinnung aufs religiöse Kerngeschäft. Prima dachten wir, der deutsche Protestantismus kehrt freiwillig in die Kirche zurück, bevor ihm die letzten Mitglieder davonlaufen. Natürlich hatten wir uns geirrt: Die Synode endete mit diversen Appellen zu Atomkraft, Umverteilung, Ladenöffnungszeiten und diversen anderen neutestamentarischen Themen. Auch in der Schweiz machen Christen mobil. Kohlendioxid-Reduktion ist dort das zentrale Thema der katholischen (!) Organisation Justitia et Pax. Schließlich ist Jesus zum Himmel gefahren ohne einen Tropfen Kerosin dabei zu verbrennen.

Dazu passt eine neue Bibel-Übersetzung, die seit einiger Zeit auf dem Markt ist: Die Bibel in gerechter Sprache. Fünf Jahre lang haben 52 Frauen und Männer daran gearbeitet, der Heilige Schrift den Macho-Jargon auszutreiben und sie dem öko-sozial- feministischen Zeitgeist anzupassen. Wir konnten uns nicht überwinden, ein Exemplar zu kaufen, sind aber doch sehr neugierig, was aus den Schmuddelstellen geworden ist, die wir einst in der Konfirmandenstunde unter dem Tisch lasen. Oder aus Versen wie 3. Mose 10/11? Dort heißt es: "Der Klippdachs ist zwar ein Wiederkäuer, hat aber keine durchgespaltenen Klauen; darum soll er euch unrein sein." Gemeint ist der Klippschliefer, ein niedliches Geschöpf, das wie ein Murmeltier aussieht, aber zur Verwandtschaft der Elefanten zählt. Ist es in heutiger Zeit noch korrekt, ein Tier als "unrein" zu diffamieren? Klippschliefer haben die Fähigkeit ihre Iris so weit zu verengen, dass sie stundenlang die Sonne anstarren können. Vielleicht erblicken sie dort das Licht der Aufklärung. Jedenfalls sind sie friedlich und völlig harmlos.
  • 0