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Evangelikale auf dem Vormarsch


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Rolf

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Antje Vollmer



Evangelikale auf dem Vormarsch



Fernsehbilder von Papstbesuchen in Lateinamerika: Gläubige strömen in großer Zahl zusammen, um ihrem geistlichen Oberhaupt zu begegnen. Lateinamerika und Katholizismus, das gehörte für mich – bis zu meinem letzten Besuch in Mexiko und Guatemala – aus Tradition und kultureller Symbiose zusammen. Erstaunt musste ich feststellen, dass evangelikale Gruppierungen der katholischen Kirche in Lateinamerika seit einiger Zeit enorme Konkurrenz machen. Auf die Invasion des Katholizismus mit der „Entdeckung Amerikas“ folgt nun der Import der evangelikalen Gruppierungen aus den usa. Aggressive Werbefeldzüge und Sozialarbeit bereiten dem Siegeszug der Evangelikalen den Boden. Nach groben Schätzungen sind bereits 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung Lateinamerikas evangelikale Protestanten.

In Ländern der Dritten Welt bieten sich evangelikale Kirchen und Einrichtungen nicht nur als Stifter religiöser Werte und als feste Burg in einer turbulenten, globalisierten Umwelt an, sondern sie eröffnen Slumbewohnern Chancen, durch Schulbildung ihrer Armut zu entfliehen, Alkoholismus und Drogensucht zu überwinden und familiäre Bande zu stärken. Dort, wo die katholische Kirche als Teil des Herrschaftsapparates empfunden wird, wo sie durch Korruption, Ämterpatronage und die Zusammenarbeit mit gewalttätigen Regierungen hervortritt, erscheinen evangelikale Organisationen als unbefleckt und sauber. Welch ein Irrtum! Der überwiegende Teil der evangelikalen Kirchen, der in Lateinamerika missionarisch tätig ist, stammt aus den USA und ist dort auf höchst effiziente Weise mit dem Big Business und der Gruppe der „Reborn Christians“ in der Politik verknüpft.

Der religiöse Wandel in Lateinamerika ist im Kontext einer globalen Ausbreitung evangelikaler Strömungen und Kirchen zu sehen. Mit etwa 300 bis 400 Millionen Anhängern weltweit sind die Evangelikalen neben dem Islam die aktuell vitalste und am schnellsten expandierende Religionsbewegung der Gegenwart. Stolz behaupten die Evangelikalen von sich, dass ihr Wachstum im 20. Jahrhundert die religiöse Zusammensetzung ganzer Erdteile verändert habe. Heute seien weltweit etwa ein Drittel der Christen und 10 Prozent der Weltbevölkerung Evangelikale.

Evangelikale Trusts – es handelt sich tatsächlich um Unternehmen im betriebswirtschaftlichen Sinn – überziehen nicht nur in den USA Schulen, Universitäten, den politischen Raum, Medien und die Gesamtgesellschaft mit einem radikalpolitischen, fundamentalistischen Engagement, das von einer zutiefst autoritären Vorstellung von „reiner Gesellschaft“ und der Erlösung der Welt getragen ist. Der Vormarsch des Fundamentalismus evangelikaler Prägung vollzieht sich im medialen Windschatten des muslimischen Fundamentalismus. Auf beiden Seiten kämpfen Erlöser und Erwecker, die das Individuum verachten und den fraglosen Glauben, Gehorsam und Unterordnung zu Eintrittskarten ins Paradies erheben.

Kann das alles uns kalt lassen? Hat das alles nichts mit den neuen Polarisierungen in der Welt zu tun, nichts mit den inszenierten Spaltungen zwischen dem alten und neuen Europa? Die großen protestantischen Kirchen Europas, die alle merkwürdig identitätsschwach geworden sind, müssen eine Antwort suchen auf das, was um sie herum an Ausprägungen eines aggressiv-missionarischen Protestantismus entsteht. Es geht uns etwas an. <
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