Zum Inhalt wechseln

Welcome to Irrglaube und Wahrheit
Register now to gain access to all of our features. Once registered and logged in, you will be able to create topics, post replies to existing threads, give reputation to your fellow members, get your own private messenger, post status updates, manage your profile and so much more. If you already have an account, login here - otherwise create an account for free today!
Foto

Geistlicher Missbrauch


  • Bitte melde dich an um zu Antworten
Keine Antworten in diesem Thema

#1
Rolf

Rolf

    Administrator

  • Administrator

  • PIPPIPPIP
  • 34206 Beiträge
  • Land: Country Flag

Please Login HERE or Register HERE to see this link!





Ein Interview mit mir selbst - Thema geistlicher Missbrauch




Geistlicher Missbrauch – Fragen und Antworten von Dr. Christoph
Rohde





Q. Wieso ist geistlicher Missbrauch so gefährlich?
CR: Weil hier gut meinende Menschen desillusioniert, ausgebeutet, verunsichert werden – mit oft irreversiblen Folgen. Noch schlimmer: Menschen verlieren ihren gesamten Gottglauben – oder sie schwanken zwischen Gleichgültigkeit und Fanatismus hin und her.

Q. Woran kann man geistlichen Missbrauch erkennen?

CR: Menschen, die schwache Persönlichkeiten haben, fühlen sich dennoch für das Wohl und Wehe der ganzen Welt verantwortlich. Das heißt: Sie meinen, das Gute gefunden und der Welt bringen zu müssen. Schaut man den Missbrauchsopfern in die Augen, spürt man
die Pathologie und Unsicherheit. Ich habe das alles selbst durchgemacht.

Q. Wie kann man sich diesen Menschen nähern, wenn man ihnen begegnet?

CR: Man kann eigentlich nicht viel tun. Man kann versuchen, ihre ehrlichen Versuche, Gott zu gefallen, zu loben. Aber man kann kaum Einfluss nehmen, weil jeder Versuch als teuflischer Anschlag interpretiert wird. Man kann sogar Schaden verursachen, wenn man
die missbrauchten Menschen aus ihren einfachen Glaubensparametern hinausbringt. Denn dann bleibt nichts übrig außer eine nackte, instabile, wenig entwickelte Persönlichkeit. Man darf nicht vergessen: Oft ist Religion Sucht. Die Sucht nach Menschen, nach Harmonie. Missbrauchte Menschen verkaufen alles, um diesen Zustand
zu erreichen. Sie merken nicht, dass sie „Frieden“ um den Preis ihrer Würde erlangen.

Q. Was sind die Charakteristika einer Missbrauchsumgebung?
CR: Es liegen einfache Strukturen vor. Eine einfache Auslegung einer Schrift – die meist
völlig nichtssagend ist und so besonders anfällig wird für Willkürauslegung. „Jesus war auch Diener“ - „vergebt einander“ - „Jesus war auch opferbereit“. Der Mangel an Bibelkompetenz, verbunden mit psychologischer Unkenntnis führt zu einem Drucksystem.
Von manchen wird das bewusst gesteuert, aber in vielen Gruppen erkennen die Anführer diese Muster selber nicht. Neben der einfachen „Auslegung“ gibt es meist menschliche Hierarchien – offiziell oder inoffiziell. Die Missbrauchten bauen eine Wut gegen ihre Führer auf, lassen sie aber nicht raus, weil das Verhalten ja ungöttlich wäre. Aber die Wut ist der erste Schritt zur Heilung.

Q. Wo sind die Menschen besonders anfällig?

CR: Meist liegt bei missbrauchten Menschen eine Kombination aus Schuld und Gefühlsunterdrückung vor. Der zu folgende Maßstab wird so hoch gehängt, dass eine „Nachfolge“ mit ständiger Selbstkontrolle verbunden ist. Die Formulierung „ich habe ein
böses Herz“ ist das Resultat ständiger, zwanghafter Kontrolle. Der Anspruch von „Jüngern“ ist: Was würde Jesus tun? Dabei würden sich auch Professoren der Theologie nie anmaßen zu wissen, was Jesus in einer konkreten Situation tun würde.

Q. Kann der Glaube nicht helfen, den Missbrauch zu bewältigen?

CR: Das Absurde an der Situation ist, dass die Menschen eigentlich keinen Glauben haben. Da oft aus einem zerrütteten Elternhaus oder unsicheren Verhältnissen, die Urvertrauen nicht entstehen ließen, geht es den Menschen sehr schlecht. Die Welt mit ihren fehlenden Gewissheiten überfordert sie. Deshalb suchen sie einfache Dinge, Regeln, die diese Unsicherheit aufheben sollen. Aber wenn man Leute aus solchen Gruppen beobachtet, dann erkennt man, dass sie eigentlich schon bei Kleinigkeiten im Leben überfordert sind. Der Glaube, der einer gesunden Persönlichkeit bei der Bewältigung auch extremer Lebenslagen hilft, wird zu einem Boomerang. Denn er fordert von den Personen mehr als er geben kann. Es ist wie eine Zwangsjacke.

Q. Was sind Wege aus den Missbrauchsstrukturen heraus?

CR: Der Weg aus den Missbrauchsstrukturen heraus ist extrem schwierig. Denn das soziale Umfeld wurde meist über Jahre geprägt. Die sozialen Alternativen fehlen. Und da die meisten ohnehin schwache Persönlichkeiten sind, die lediglich aus Missionszwang auf
Leute zugehen, ist es enorm schwer, aus so etwas wieder heil heraus zu kommen. Mir hat eine dreifache Therapie geholfen. Eine Gesprächstherapie, eine Seelsorgeausbildung mit Supervision und ein berufsspezifisches Coaching. Aber das schlechte Gewissen durch die
Sekte kommt immer wieder – gerade bei Sex, der Spaß machen soll. Die Folgen können nur durch positive Erlebnisse der Freiheit, durch Mut, durch Initiative geheilt werden. Der Aussteiger sollte etwas haben, wofür er – ohne Fanatismus – kämpfen kann.

Q. Wie sollte man Menschen begegnen, die ein missbräuliches System
verantworten?

CR: Man kann da relativ wenig machen. Es ist wichtig, dass Menschen vor diesen Leuten gewarnt werden. Sie sind meist nicht belehrbar, weil sie gar nicht wissen, was sie tun, und der Gedanke ihres Prophetums zu tief in ihnen steckt. Viele „Bekehrte“ kommen aus Drogen oder anderen Substanzstrukturen, so dass sie eine Missbrauchsart durch eine
andere eintauschen. Intuitiv klammern sie sich an ihre einfach, scheinbare so heile, aber doch sehr kaputte Welt.

Q. Wohin kann sich ein Missbrauchter wenden?

CR: Es gibt viele Selbsthilfegruppen, die das Konzept der Anonymen Alkoholiker nutzen, das sehr gut ist. Die EKD hat auf ihrer Website gute Angebote. Aber leider erlaubt das Gewissen den Missbrauchten oft nicht, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wir können für diese
armen, aber so liebenswerten Menschen bete.
  • 0